Night
5.000er-Club
Wie schon der Titel sagt, ist das eine Weihnachtsgeschichte. Ich habe angefangen, sie zu schreiben, weil ich sie zu Weihnachten verschenken will. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, sie länger wie zwei oder drei Seiten zu schreiben, aber daraus wurde nichts
Part 1:
Evan schob mit einem Seufzen den Schlüssel in das Schloss der dunklen Holztür, die zu seinem kleinen Buchladen führte. Jetzt war es schon so kurz vor Weihnachten und es war immenroch keine einzige Flocke Schnee gefallen. Das alleine sollte ja noch nichts heißen, der 24. war schon oft der erste Tag gewesen, an dem es geschneit hatte, aber die Temperaturen in den letzten Wochen waren einfach zu warm für Winter gewesen. Jeden Tag sah er die sehnsuchtsvollen Blicke der Kinder, die zum Himmel gerichtet waren und auf den ersten Schnee warteten. Ohne Schnee war Weihnachten einfach kein richtiges Weihnachten, denn dazu gehörte der Schnee nun einmal. Natürlich hatte es auch kalte Tage gegeben, aber eben kein Schnee.
Eine kalte Windböe fegte ein paar herabgefallene Blätter um Evans Füße und er betrat hastig das kleine Geschäft.
Wie gewohnt knipste er das schummrige Deckenlicht an und hängte seinen Mantel an einen der Haken hinter dem Tresen. Zu dieser Zeit kamen fast nie Kunden und Evan genoss die Zeit, die er alleine im Laden verbrachte und zum Zeitunglesen benutzte. Nicht, dass ihn zu Hause jemand stören würde, denn er lebte alleine, aber er fühlte sich wohl in seinem Laden. Die vielen Bücher und der wohlbekannte Geruch, der schon seit er denken konnte zwischen den Regalen hing.
Er hatte das Antiquariat von seiner Mutter übernommen und nun verkaufte und restaurierte er alte Bücher.
Schon als kleiner Junge war er von der Arbeit seiner Mutter fasziniert gewesen und obwohl sie versucht hatte, ihn zu überreden lieber Jura oder Medizin zu studieren und einen anständigen Job mit guter Bezahlung anzunehmen, hatte er sich für den Buchladen entschieden.
Er war schon immer ein Einzelgänger gewesen. Es hatte im Kindergarten angefangen, wo er sich lieber mit Bilderbüchern anstatt mit Spielzeugautos beschäftigt hatte und in der Schule war es nicht besser geworden. Der frühe Tod seiner Mutter hatte es ihm nicht unbedingt leichter gemacht, Kontakte zu knüpfen und jetzt mit 27 Jahren hatte er schon 10 Jahre alleine gelebt. Natürlich hätte er ohne das Geld, dass ihm seine Mutter hinterlassen hatte, es nie so geschafft und auch jetzt half es ihm über karge Phasen hinweg, wenn sich niemand für seine Bücher zu interessieren schien. Im Grunde aber war er froh, dass er nicht irgendwo irendetwas, für das er nicht einmal großes Interesse hatte, studieren hatte müssen.
Mit einem Rascheln legte er seine Zeitung beiseite und setzte die Brille ab um sich über die Augen zu reiben. Er hatte nicht gut geschlafen – es war sicher Vollmond. Selbst zum Lesen war er im Augenblick zu müde und er hatte auch keine große Lust dazu.
Als er aufblickte stand plötzlich eine junge Frau vor ihm. Er hatte sie nicht hereinkommen hören, was verwunderlich war, denn sonst hörte er die schwere Holztür immer, und auch sonst hatte er ihre Anwesenheit nicht bemerkt.
„Guten Morgen! Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte er während er immernoch leicht verwirrt seine erste Kundin an diesem Tag musterte. Sie war nicht sehr groß, aber man konnte sie auch nicht als klein bezeichnen. Ihre Wangen waren von der Kälte leicht gerötet, ansonsten war ihre Haut eher blass. Die dunklen Haare, die ihr in sanften Wellen bis auf den Rücken fielen bildeten zu der hellen Hautfarbe einen starken Kontrast. Ihre Augen besaßen keine wirkliche Farbe, sie schienen mit jeder Bewegung eine andere anzunehmen. Zuerst hatte er gedacht, sie seien braun, nun aber, da sie ihren Kopf leicht schräg legte um ihn ihrerseits zu mustern, sahen die Augen aus, als wären sie dunkelgrün.
Für eine Weile blieben die beiden stumm, jeder vertieft in den Anblick des Anderen, bevor die junge Frau ihre Stimme hob:
„Sie restaurieren Bücher?“ fragte sie, ihre Stimme gesenkt, fast als würde sie ihm ein Geheimnis verraten. Als Evan nickte holte sie ein Buch aus ihrer Umhängetasche und legte es vorsichtig auf das Tresen vor ihr.
„Können Sie diese Buch bis zum 24. richten?“ Ihre Hände lagen immernoch auf dem Buch, fast als wollte sie es vor jeglichen anderen Berührungen schützen. Der rote Umschlag war mit zarten Goldlinien am Rand verziert und der Titel, den Evan jedoch nicht entziffern konnte, da die Schrift verschnörkelt und fremdartig war und das Buch noch dazu auf dem Kopf lag, besaß die gleiche Farbe.
„Darf ich?“ fragte er ehrfürchtig. Als sie nickte und ihm das Buch zuschob, nahm er es vorsichtig entgegen. Als er es umdrehte konnte er auch endlich den Titel lesen. „Zauberhafte Weihnachtsgeschichten“.
Mit halb geschlossenen Augen fuhr er über den Lederumschlag des Buches und genoss das Gefühl des weichen, leicht abgenutzten Materials unter seinen Fingern.
„Das ist ein wunderschönes Buch. Ich habe noch nie von ihm gehört...?“ Er richtete seinen Blick zurück auf die junge Frau, die ihm ein breites Lächeln schenkte.
„Es ist sehr selten. Ich bezweifle sogar, dass es auf der ganzen Welt mehr als diese eine Ausgabe von ihm gibt. Können Sie es denn in so einer kurzen Zeit richten? Ich weiß, es ist kurzfristig und Sie haben bestimmt auch noch anderes zu tun, aber Sie würden mir einen riesigen Gefallen tun. Um die Bezahlung müssen sie sich auch keine Sorgen machen, ich gebe Ihnen so viel sie dafür wollen.“
Für einen Augenblick trafen sich die Blicke der beiden und sie verharrten kurz in dieser Position, bevor Evan nickte.
„Es kommt natürlich auf die Beschädigung des Buches an, aber ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben.“
Sie seufzte dankbar und schenkte ihm ein weiteres Lächeln. „Vielen Dank. Ich werde dann am 24. um 18 Uhr vorbeikommen, ist das in Ordnung?“ Wieder erhielt sie als Antwort ein Nicken, bevor Evan seine Aufmerksamkeit wieder zurück auf das Buch richtete. Vorsichtig schlug er die erste Seite auf, die vom Alter schon leicht vergilbt war. Die Schrift jedoch war klar erkennbar und zeigte abermals den Titel. Als er nach dem Namen des Autor suchte, fand er keinen. Ebenso das Jahr in dem das Buch veröffentlicht worden war, wurde nicht genannt. Aber wenn die junge Frau recht hatte und es tatsächlich eine Einzelausgabe war, dann würde er höchstwahrscheinlich auch keine Informationen darüber in einem seiner Antiquariatsjournalen oder im Internet finden. Ehrfürchtig blätterte er noch eine Seite um, bevor ihm klar wurde, dass die junge Frau noch immer da war und es denkbar unhöflich war, seine Kunden einfach so stehen zu lassen.
Als er jedoch aufblickte, war sie verschwunden. Auch auf der Straße, die er durch sein Schaufenster im Auge behalten konnte, war sie nirgendwo zu sehen. Um sicher zu gehen erhob er sich von seinem Platz hinter dem Tresen und öffnete die Tür um auch in die andere Richtung sehen zu können – doch nirgendwo war die hübsche Fremde zu sehen.
Erst nach ein paar Minuten, nachdem er sich sicher war, dass sie nicht zurückkehren würde, ging er wieder in seinen Laden. Dort setzte er sich zurück an seinen Schreibtisch, knipste die Lampe an, um mehr Licht zu bekommen und begann, das geheimnissvolle Buch zu lesen.
Schon nach den ersten paar Seiten war er gefesselt von den Geschichten, die die Fee Felicia um die Weihnachtszeit erlebte. Obwohl ihre Beschreibung ihn sehr an das Aussehen der geheimnissvollen Fremden erinnerte, war er bald so in das Buch vertieft, dass er nicht einmal merkte, wie die Zeit verging.
Erst von dem Einschnappen der schweren Holztür wurde er aus der wunderbaren Welt, in der die Geschichten spielten, gerissen. Ein älterer Herr hatte den Laden betreten und sah sich zwischen den Regalen um.
„Kann ich Ihnen helfen?“ fragte Evan während er widerwillig von seinem Platz aufstand und sich zu dem Mann begab um ihn möglicherweise zu beraten.
„Junger Mann, wer ist der Eigentümmer dieses Geschäftes? Ich brauche die Beratung eines Fachmannes.“ meinte der in einer tiefen Bassstimme ohne Evan große Beachtung zu schenken. Mit einem Seufzen nahm Evan die Beleidigung des Kunden hin. Es war schon so oft vorgekommen, dass ihn die Leute für einen Lehrling gehalten hatten, dass er sich darüber mittlerweile nicht einmal mehr Gedanken machte. Als er nach dem Tod seiner Mutter angefangen hatte, hier im Laden zu arbeiten, hatte er beinahe jeden Tag irgendwelche Bemerkungen über sein Alter zu hören bekommen.
„Sir? Mir gehört der Laden. Ich kann Ihnen versichern, ich habe genügend Erfahrung um Sie zu beraten.“ Evan trat einen Schritt näher an den Mann, der nun zu ihm aufschauen musste. Evan war nicht besonders stolz auf seine 1,86m aber in Fällen wie diesem war er froh, wenigstens in der Größe dem anderen überlegen zu sein.
„Nun gut. Ich suche ein bestimmtes Buch, dass ich meiner Frau zu Weihnachten schenken möchte.“ Er nannte Evan Autor und Titel und der junge Mann nickte mit einem Lächeln auf den Lippen. Zufälligerweise hatte er genau diese Buch wenige Tage zuvor bei einer Versteigerung der Besitztümer einer nun verstorbenen alten Frau bekommen. Er führte den Mann zu dem richtigen Regal und nützte abermals seinen Größenvorteil um den gewünschten Artikel von einem der höher gelegenen Bretter zu nehmen. Der Mann, der jetzt sichtbar Respekt vor Evan gewonnen hatte, nickte anerkennend als er das Buch in die Hände bekam und zahlte den genannten Preis zufrieden, bevor er Evan einen schönen Tag wünschte und den Laden daraufhin wieder verließ.
Erwartungsvoll ging Evan zurück zu dem roten Buch, dass die junge Frau bei ihm gelassen hatte und vertiefte sich in kürzester Zeit wieder in den Text.
Nie zuvor hatte er solche bezaubernden Weihnachtsgeschichten gelesen und er wunderte sich wieder, warum es nur eine einzige Ausgabe von diesem Buch gab. Er war sich sicher, dass es ein gut verkauftes Werk geworden wäre, wenn es mehr Exemplare davon gegeben hätte. Die Geschichten waren nicht nur für Kinder sondern auch für Erwachsene wunderbar und die Abenteuer der hübschen Fee würde bestimmt nicht nur die jüngere Generation fesseln.
Er nahm sich vor, später noch einmal im Internet nach dem Buch zu suchen, da er sich wirklich nicht vorstellen konnte, aus welchem Grund es auf eine Ausgabe limitiert war.
Evan verbrachte die meiste Zeit des Tages damit, das Buch zu lesen. Ein paar andere Kunden waren noch gekommen und am Ende war Evan sehr zufrieden mit diesem Tag. Die Einnahmen waren gut gewesen, denn zwei der Kunden hatten sehr spezielle Bücher verlangt, die von ihm restauriert worden waren und nun zum Verkau gestanden hatten. Als er die Bücher bekommen hatte, waren sie in einem verheerenden Zustand gewesen, aber er hatte es geschafft, sie wieder fast wie neu aussehen zu lassen.
Er wusste, dass er sich eigentlich an die Restauration des roten Buches hätte machen sollen, aber die Geschichten hatten ihn so sehr fasziniert, dass er es bevorzugt hatte, zu lesen, anstatt zu arbeiten. Er hatte sich vorgenommen, es mit nach Hause zu nehmen und dort vorbereitungen für die bevorstehende Restauration zu treffen und vielleicht auch noch etwas darin zu schmökern.
Als er in seiner Wohnung ankam, machte er sich einen Tee und setzte sich dann mit dem heißen Getränk und dem Buch in seinen Ohrensessel.
In der Geschichte, die er anfing zu lesen, hatte Felicia einen jungen Mann kennen gelernt und sich in ihn verliebt. Er wurde als groß und gutaussehend beschrieben, mit dunklen Haaren und dunkegrauen Augen. Felicia hatte ihn auf einem Ball des Königs, in dessen Reich sich die Geschichten abspielten, getroffen, doch es war ein Maskenball und keiner der beiden wusste genau, wie der andere aussah. Dennoch hatten sie schon nach dem ersten gemeinsamen Tanz festgestellt, dass da eine ganz besondere Chemie zwischen ihnen war.
Als der Ball um Mitternacht endete, kküssten sie sich. Danach aber trennten sich ihre Wege und das Ende blieb offen.
Die Geschichte und, wie Evan verblüfft feststellte, das Buch ebenso. Er hatte abermals nicht auf die Zeit geachtet und mittlerweile war es auch bei ihm Mitternacht geworden. Das Buch hatte ihn so gefesselt, dass er nicht einmal gemerkt hatte, wie es zu Ende gegangen war. Als er es jetzt jedoch zuschlug, merkte er, wie die Müdigkeit sich über ihn senkte und ihn wie eine warme Decke umhüllte. Er legte das Buch vorsichtig beiseite und schaffte es geradenoch, sich in sein Bett zu legen, bevor der Schlaf ihn vollkommen übermannte.
btw: Ich will FB Sonst schreibe ich nicht weiter ^^
Schönen 1. Advent!
Part 1:
Evan schob mit einem Seufzen den Schlüssel in das Schloss der dunklen Holztür, die zu seinem kleinen Buchladen führte. Jetzt war es schon so kurz vor Weihnachten und es war immenroch keine einzige Flocke Schnee gefallen. Das alleine sollte ja noch nichts heißen, der 24. war schon oft der erste Tag gewesen, an dem es geschneit hatte, aber die Temperaturen in den letzten Wochen waren einfach zu warm für Winter gewesen. Jeden Tag sah er die sehnsuchtsvollen Blicke der Kinder, die zum Himmel gerichtet waren und auf den ersten Schnee warteten. Ohne Schnee war Weihnachten einfach kein richtiges Weihnachten, denn dazu gehörte der Schnee nun einmal. Natürlich hatte es auch kalte Tage gegeben, aber eben kein Schnee.
Eine kalte Windböe fegte ein paar herabgefallene Blätter um Evans Füße und er betrat hastig das kleine Geschäft.
Wie gewohnt knipste er das schummrige Deckenlicht an und hängte seinen Mantel an einen der Haken hinter dem Tresen. Zu dieser Zeit kamen fast nie Kunden und Evan genoss die Zeit, die er alleine im Laden verbrachte und zum Zeitunglesen benutzte. Nicht, dass ihn zu Hause jemand stören würde, denn er lebte alleine, aber er fühlte sich wohl in seinem Laden. Die vielen Bücher und der wohlbekannte Geruch, der schon seit er denken konnte zwischen den Regalen hing.
Er hatte das Antiquariat von seiner Mutter übernommen und nun verkaufte und restaurierte er alte Bücher.
Schon als kleiner Junge war er von der Arbeit seiner Mutter fasziniert gewesen und obwohl sie versucht hatte, ihn zu überreden lieber Jura oder Medizin zu studieren und einen anständigen Job mit guter Bezahlung anzunehmen, hatte er sich für den Buchladen entschieden.
Er war schon immer ein Einzelgänger gewesen. Es hatte im Kindergarten angefangen, wo er sich lieber mit Bilderbüchern anstatt mit Spielzeugautos beschäftigt hatte und in der Schule war es nicht besser geworden. Der frühe Tod seiner Mutter hatte es ihm nicht unbedingt leichter gemacht, Kontakte zu knüpfen und jetzt mit 27 Jahren hatte er schon 10 Jahre alleine gelebt. Natürlich hätte er ohne das Geld, dass ihm seine Mutter hinterlassen hatte, es nie so geschafft und auch jetzt half es ihm über karge Phasen hinweg, wenn sich niemand für seine Bücher zu interessieren schien. Im Grunde aber war er froh, dass er nicht irgendwo irendetwas, für das er nicht einmal großes Interesse hatte, studieren hatte müssen.
Mit einem Rascheln legte er seine Zeitung beiseite und setzte die Brille ab um sich über die Augen zu reiben. Er hatte nicht gut geschlafen – es war sicher Vollmond. Selbst zum Lesen war er im Augenblick zu müde und er hatte auch keine große Lust dazu.
Als er aufblickte stand plötzlich eine junge Frau vor ihm. Er hatte sie nicht hereinkommen hören, was verwunderlich war, denn sonst hörte er die schwere Holztür immer, und auch sonst hatte er ihre Anwesenheit nicht bemerkt.
„Guten Morgen! Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte er während er immernoch leicht verwirrt seine erste Kundin an diesem Tag musterte. Sie war nicht sehr groß, aber man konnte sie auch nicht als klein bezeichnen. Ihre Wangen waren von der Kälte leicht gerötet, ansonsten war ihre Haut eher blass. Die dunklen Haare, die ihr in sanften Wellen bis auf den Rücken fielen bildeten zu der hellen Hautfarbe einen starken Kontrast. Ihre Augen besaßen keine wirkliche Farbe, sie schienen mit jeder Bewegung eine andere anzunehmen. Zuerst hatte er gedacht, sie seien braun, nun aber, da sie ihren Kopf leicht schräg legte um ihn ihrerseits zu mustern, sahen die Augen aus, als wären sie dunkelgrün.
Für eine Weile blieben die beiden stumm, jeder vertieft in den Anblick des Anderen, bevor die junge Frau ihre Stimme hob:
„Sie restaurieren Bücher?“ fragte sie, ihre Stimme gesenkt, fast als würde sie ihm ein Geheimnis verraten. Als Evan nickte holte sie ein Buch aus ihrer Umhängetasche und legte es vorsichtig auf das Tresen vor ihr.
„Können Sie diese Buch bis zum 24. richten?“ Ihre Hände lagen immernoch auf dem Buch, fast als wollte sie es vor jeglichen anderen Berührungen schützen. Der rote Umschlag war mit zarten Goldlinien am Rand verziert und der Titel, den Evan jedoch nicht entziffern konnte, da die Schrift verschnörkelt und fremdartig war und das Buch noch dazu auf dem Kopf lag, besaß die gleiche Farbe.
„Darf ich?“ fragte er ehrfürchtig. Als sie nickte und ihm das Buch zuschob, nahm er es vorsichtig entgegen. Als er es umdrehte konnte er auch endlich den Titel lesen. „Zauberhafte Weihnachtsgeschichten“.
Mit halb geschlossenen Augen fuhr er über den Lederumschlag des Buches und genoss das Gefühl des weichen, leicht abgenutzten Materials unter seinen Fingern.
„Das ist ein wunderschönes Buch. Ich habe noch nie von ihm gehört...?“ Er richtete seinen Blick zurück auf die junge Frau, die ihm ein breites Lächeln schenkte.
„Es ist sehr selten. Ich bezweifle sogar, dass es auf der ganzen Welt mehr als diese eine Ausgabe von ihm gibt. Können Sie es denn in so einer kurzen Zeit richten? Ich weiß, es ist kurzfristig und Sie haben bestimmt auch noch anderes zu tun, aber Sie würden mir einen riesigen Gefallen tun. Um die Bezahlung müssen sie sich auch keine Sorgen machen, ich gebe Ihnen so viel sie dafür wollen.“
Für einen Augenblick trafen sich die Blicke der beiden und sie verharrten kurz in dieser Position, bevor Evan nickte.
„Es kommt natürlich auf die Beschädigung des Buches an, aber ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben.“
Sie seufzte dankbar und schenkte ihm ein weiteres Lächeln. „Vielen Dank. Ich werde dann am 24. um 18 Uhr vorbeikommen, ist das in Ordnung?“ Wieder erhielt sie als Antwort ein Nicken, bevor Evan seine Aufmerksamkeit wieder zurück auf das Buch richtete. Vorsichtig schlug er die erste Seite auf, die vom Alter schon leicht vergilbt war. Die Schrift jedoch war klar erkennbar und zeigte abermals den Titel. Als er nach dem Namen des Autor suchte, fand er keinen. Ebenso das Jahr in dem das Buch veröffentlicht worden war, wurde nicht genannt. Aber wenn die junge Frau recht hatte und es tatsächlich eine Einzelausgabe war, dann würde er höchstwahrscheinlich auch keine Informationen darüber in einem seiner Antiquariatsjournalen oder im Internet finden. Ehrfürchtig blätterte er noch eine Seite um, bevor ihm klar wurde, dass die junge Frau noch immer da war und es denkbar unhöflich war, seine Kunden einfach so stehen zu lassen.
Als er jedoch aufblickte, war sie verschwunden. Auch auf der Straße, die er durch sein Schaufenster im Auge behalten konnte, war sie nirgendwo zu sehen. Um sicher zu gehen erhob er sich von seinem Platz hinter dem Tresen und öffnete die Tür um auch in die andere Richtung sehen zu können – doch nirgendwo war die hübsche Fremde zu sehen.
Erst nach ein paar Minuten, nachdem er sich sicher war, dass sie nicht zurückkehren würde, ging er wieder in seinen Laden. Dort setzte er sich zurück an seinen Schreibtisch, knipste die Lampe an, um mehr Licht zu bekommen und begann, das geheimnissvolle Buch zu lesen.
Schon nach den ersten paar Seiten war er gefesselt von den Geschichten, die die Fee Felicia um die Weihnachtszeit erlebte. Obwohl ihre Beschreibung ihn sehr an das Aussehen der geheimnissvollen Fremden erinnerte, war er bald so in das Buch vertieft, dass er nicht einmal merkte, wie die Zeit verging.
Erst von dem Einschnappen der schweren Holztür wurde er aus der wunderbaren Welt, in der die Geschichten spielten, gerissen. Ein älterer Herr hatte den Laden betreten und sah sich zwischen den Regalen um.
„Kann ich Ihnen helfen?“ fragte Evan während er widerwillig von seinem Platz aufstand und sich zu dem Mann begab um ihn möglicherweise zu beraten.
„Junger Mann, wer ist der Eigentümmer dieses Geschäftes? Ich brauche die Beratung eines Fachmannes.“ meinte der in einer tiefen Bassstimme ohne Evan große Beachtung zu schenken. Mit einem Seufzen nahm Evan die Beleidigung des Kunden hin. Es war schon so oft vorgekommen, dass ihn die Leute für einen Lehrling gehalten hatten, dass er sich darüber mittlerweile nicht einmal mehr Gedanken machte. Als er nach dem Tod seiner Mutter angefangen hatte, hier im Laden zu arbeiten, hatte er beinahe jeden Tag irgendwelche Bemerkungen über sein Alter zu hören bekommen.
„Sir? Mir gehört der Laden. Ich kann Ihnen versichern, ich habe genügend Erfahrung um Sie zu beraten.“ Evan trat einen Schritt näher an den Mann, der nun zu ihm aufschauen musste. Evan war nicht besonders stolz auf seine 1,86m aber in Fällen wie diesem war er froh, wenigstens in der Größe dem anderen überlegen zu sein.
„Nun gut. Ich suche ein bestimmtes Buch, dass ich meiner Frau zu Weihnachten schenken möchte.“ Er nannte Evan Autor und Titel und der junge Mann nickte mit einem Lächeln auf den Lippen. Zufälligerweise hatte er genau diese Buch wenige Tage zuvor bei einer Versteigerung der Besitztümer einer nun verstorbenen alten Frau bekommen. Er führte den Mann zu dem richtigen Regal und nützte abermals seinen Größenvorteil um den gewünschten Artikel von einem der höher gelegenen Bretter zu nehmen. Der Mann, der jetzt sichtbar Respekt vor Evan gewonnen hatte, nickte anerkennend als er das Buch in die Hände bekam und zahlte den genannten Preis zufrieden, bevor er Evan einen schönen Tag wünschte und den Laden daraufhin wieder verließ.
Erwartungsvoll ging Evan zurück zu dem roten Buch, dass die junge Frau bei ihm gelassen hatte und vertiefte sich in kürzester Zeit wieder in den Text.
Nie zuvor hatte er solche bezaubernden Weihnachtsgeschichten gelesen und er wunderte sich wieder, warum es nur eine einzige Ausgabe von diesem Buch gab. Er war sich sicher, dass es ein gut verkauftes Werk geworden wäre, wenn es mehr Exemplare davon gegeben hätte. Die Geschichten waren nicht nur für Kinder sondern auch für Erwachsene wunderbar und die Abenteuer der hübschen Fee würde bestimmt nicht nur die jüngere Generation fesseln.
Er nahm sich vor, später noch einmal im Internet nach dem Buch zu suchen, da er sich wirklich nicht vorstellen konnte, aus welchem Grund es auf eine Ausgabe limitiert war.
Evan verbrachte die meiste Zeit des Tages damit, das Buch zu lesen. Ein paar andere Kunden waren noch gekommen und am Ende war Evan sehr zufrieden mit diesem Tag. Die Einnahmen waren gut gewesen, denn zwei der Kunden hatten sehr spezielle Bücher verlangt, die von ihm restauriert worden waren und nun zum Verkau gestanden hatten. Als er die Bücher bekommen hatte, waren sie in einem verheerenden Zustand gewesen, aber er hatte es geschafft, sie wieder fast wie neu aussehen zu lassen.
Er wusste, dass er sich eigentlich an die Restauration des roten Buches hätte machen sollen, aber die Geschichten hatten ihn so sehr fasziniert, dass er es bevorzugt hatte, zu lesen, anstatt zu arbeiten. Er hatte sich vorgenommen, es mit nach Hause zu nehmen und dort vorbereitungen für die bevorstehende Restauration zu treffen und vielleicht auch noch etwas darin zu schmökern.
Als er in seiner Wohnung ankam, machte er sich einen Tee und setzte sich dann mit dem heißen Getränk und dem Buch in seinen Ohrensessel.
In der Geschichte, die er anfing zu lesen, hatte Felicia einen jungen Mann kennen gelernt und sich in ihn verliebt. Er wurde als groß und gutaussehend beschrieben, mit dunklen Haaren und dunkegrauen Augen. Felicia hatte ihn auf einem Ball des Königs, in dessen Reich sich die Geschichten abspielten, getroffen, doch es war ein Maskenball und keiner der beiden wusste genau, wie der andere aussah. Dennoch hatten sie schon nach dem ersten gemeinsamen Tanz festgestellt, dass da eine ganz besondere Chemie zwischen ihnen war.
Als der Ball um Mitternacht endete, kküssten sie sich. Danach aber trennten sich ihre Wege und das Ende blieb offen.
Die Geschichte und, wie Evan verblüfft feststellte, das Buch ebenso. Er hatte abermals nicht auf die Zeit geachtet und mittlerweile war es auch bei ihm Mitternacht geworden. Das Buch hatte ihn so gefesselt, dass er nicht einmal gemerkt hatte, wie es zu Ende gegangen war. Als er es jetzt jedoch zuschlug, merkte er, wie die Müdigkeit sich über ihn senkte und ihn wie eine warme Decke umhüllte. Er legte das Buch vorsichtig beiseite und schaffte es geradenoch, sich in sein Bett zu legen, bevor der Schlaf ihn vollkommen übermannte.
btw: Ich will FB Sonst schreibe ich nicht weiter ^^
Schönen 1. Advent!