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Internat - Traum oder Horror?

TimosSonnenscheingirl

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29 September 2012
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151
Ort
Hamburg
Hallo ihr Lieben,

ich poste hier einmal eine Story, die reine Phantasie ist. Weder die existierenden Personen, noch die Handlung hat es in dieser Form je gegeben.
Die Story ist schon etwas älter, aber vlt. hat ja jemand Interesse daran, sie zu lesen.
Kommentare sind gerne gesehen :)
 
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1. Kapitel

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so was sagen würde, aber jetzt war es raus.
Ich hasste diesen Typen, eindeutig!
Ahrrr ... wie kann man nur so bescheuert sein, wie ich ?
Okay, noch mal ganz von vorne: Also, ich bin Marie Sommer, 17. Jahre alt, ca. 1.60 m groß, habe lange, hell bis dunkelbraune Haare, blau – grüne Augen, bin sehr schlank und eigentlich bin ich, na ja, sehr unentschlossen, schüchtern und flippe gelegentlich mal aus, wenn mir was nicht passt.
Tja, und im Moment wusste ich wirklich nicht, was ich tun sollte, oder ob ich es nicht einfach sein lassen sollte.
Ach, verdammt!
Der Grund, warum ich so unglaublich wütend war, war ganz einfach.
Es ging um einen Jungen, der mich total fertig machte, nur schon seine bloße Anwesenheit brachte mich aus der Fassung, und dabei sah er auch noch so unglaublich sexy, so ... hach einfach heiß aus.
Er heißt Ricardo, ist ungefähr 18. oder 19. Jahre alt, 1.80 groß, hat dunkelbraune, fast schwarze Haare, die er mittel lang trägt , haselnussbraune Augen, ein super süßes Lächeln, ist unglaublich charmant und ... vergeben!
Tja, sein Herz gehört einer gewissen Dame namens Christina.
Sie ist ebenso alt wie ich und ca. 5 cm größer, hat schwarzes, glattes Haar, das ihr fast bis zur Taille geht, himmelblaue Augen, ist super schlank und könnte meines Erachtens nach, aus einer Modemagazin stammen oder zumindestens bei Germany´s next Topmodel mit machen.
Na ja, aber ich sah bald ein, das ich bei Ricardo absolut keine Chance hatte und wollte es auch nicht wirklich ausprobieren, denn es wäre bestimmt nach hinten los gegangen, und das wollte ich auf alle Fälle vermeiden.
Aber, auch ich fand mein Glück bald und war nur wenige Tage später mit einem total süßem Jungen zusammen.
Er heißt Rene, ist 18. Jahre alt, zehn Zentimeter größer als ich, hat blonde, kurze Haare, die er meistens zu einer Igelfrisur umfunktionierte, ist immer witzig drauf, nimmt einfach alles mit Humor, hat meistens die größte Klappe, aber wenn es darauf ankommt, ist er immer als guter Freund zur Stelle.
Er ist total zärtlich, sanft und hat unendlich viel Geduld.
Rene ist ein superguter Zuhörer, dem nichts entgeht und dem man auch noch zum hundertsten Mal das Gleiche erzählen kann, ohne dass er ausflippte.
Ach, das Beste hatte ich ja noch gar nicht erzählt.
Ich ging natürlich noch zur Schule, besser gesagt, auf ein Internat am Bodensee.
Na ja, es war halt wie jedes andere Internat auch ... vormittags Schule und abends Hausaufgaben.
Ich versuchte hier, meinen Realschulabschluss zu machen, um dann, und das war eigentlich total praktisch, meine Ausbildung ebenfalls hier zu machen.
Es war also alles in einem: Schule, Wohnen und Ausbildung!
Seit der 9. Klasse war ich hier und um ehrlich zu sein, war es voll cool ... ja, ich war meinen Eltern total dankbar, das sie mich aufs Internat geschickt hatten, denn hier wurde man gleich in eine Ausbildung vermittelt, die man nach seinem Abschluss machen konnte.
Wie gesagt, ich ging also in die 10. Klasse und wollte danach, wenn alles gut ging, noch mein Abitur machen, um danach zu studieren.
In den Kopf hatte ich mir gesetzt, evl. Modedisinge zu studieren.
Wenn das jedoch nicht klappen sollte, so hatte ich mir vorgenommen, nach dem 10. oder 11. Jahr, je nachdem, abzugehen und dann halt eine Ausbildung an zufangen.
Vorstellen konnte ich mir einen Beruf entweder als Fachlagerist, bei Media Markt oder Saturn, oder doch als Verkäuferin im Einzelhandel, wie zum Beispiel bei Karstadt, C&A, oder New Yorker.
Wie dem auch sei, mein eigentliches Problem war zurzeit ... Ricardo!
Ja, er brachte mich auf hundertachtzig.
Eigentlich hatte alles damit angefangen, dass na ja ... irgendein schwachsinniger Idiot, auf die glorreiche Idee kam, man könne ja mal ein Experiment starten.
Klar, warum auch nicht, dachte ich mir und war sofort dabei.
Dumm gelaufen, dachte ich, als ich feststellte, um was es ging und hätte am liebsten wieder einen Rückzieher gemacht.
Doch, kneifen war bei mir nicht drin und so biss ich die Zähne zusammen.
Das Experiment hieß:
Krankenhaus!
„Na, tolle Scheiße!“, fluchte ich halb laut vor mich hin und musste die grinsenden Gesichter meiner Mitschüler ertragen, als bekannt wurde, das ich, sehr zur Freude der “hormongesteuerten“ Jungs, das “Opfer“ spielte, also im Klartext, die Patientin war.
Kann ja nur noch besser werden, dachte ich mir und blickte zu unserem Lehrer, Herr Sander, der den nächsten Zettel zog, auf dem stand, wer den Oberarzt spielen würde.
Ich betete, das es nicht ...
„Ricardo!“, teilte uns so eben Herr Sander mit.
Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken, als er mit einem Grinsen im Gesicht, an mir vorbei ging.
Meine beste Freundin Tini, drehte sich zu mir um und sah mich mitfühlend an.
Die nächsten Rollen des Chefarztes, drei Unterärzte, zwei Krankenpfleger, zwei Oberschwestern, drei Krankenschwestern, zwei Zivis, drei Rettungssanitäter und zwei Azubis, bekamen ihre Besitzer zu geteilt.
Tini hatte eine Rolle als Krankenschwester bekommen, mein Freund Rene würde einer der Krankenpfleger sein und, wie sollte es auch anders sein, Ricardos Flamme, Christina, spielte eine der beiden Oberschwestern.
So weit, so gut.
Jetzt ging es darum, eine Geschichte zu entwickeln, die sehr echt rüber kommen musste.
Wir setzten uns also zusammen und beratschlagten.
Nach fast einer halben Stunde, waren wir uns, mehr oder weniger, einig.
Es ging um eine Patientin, die mit Atembeschwerden eingeliefert wurde, sich dann jedoch allen Anweisungen wiedersetzte und damit ihre Gesundheit aufs Spiel setzte.
Die Story hatte was ... nun ging es darum, das wir uns Gedanken über die einzelnen Charaktere machten.
Dazu bat uns Herr Sander, einzeln mit ihm zu sprechen und von ihm Tipps zu bekommen.
Als ich an der Reihe war, hatte ich schon ein komisches Gefühl in der Magengegend, doch es verlief dann ganz gut.
Mein Charakter war echt gut, so fand ich und ich würde ihn gut rüberbringen können.
Nach dem jeder seine Rollencharaktere bekommen hatte, ging es weiter.
Wo sollte es gespielt werden, wann, wie und was brauchten wir für Material.
Wir brachten praktisch den ganzen Tag mit den Vorbereitungen zu und am Ende der Unterrichtszeit war alles soweit fertig.
Beginnen würden wir am nächsten Morgen um 8.00Uhr im Klassenzimmer.
Keiner von wusste zu diesem Zeitpunkt, das Herr Sander uns die ganze Zeit mit einer versteckten Videokamera filmen würde.
 
2. Kapitel

„Scheiße!“
Ein lauter Fluch war zu hören, dann folgte ein Schlag, als wenn
etwas umgeworfen wäre und dann war Stille.
Beängstigende Stille.
Man hätte eine Nadel zu Boden fallen hören können, so still war es im Raum.
Der Schauplatz: Das Klassenzimmer!
Die Tatwaffe: Ein dickes Geschichtsbuch, das auf den Schreibtisch geknallt worden war!
Die beteiligten Personen: Ricardo, Christina und ich!
„Du glaubst wohl, du kannst dir alles erlauben, oder?“, fauchte mich Ricardo an und seine sonst so süßen, braunen Augen hatten einen gefährlich Glanz bekommen.
„Schatz!“, versuchte Christina ihren Freund zu beruhigen und sah mich dabei zerknirscht an, doch Ricardo achtete nicht auf sie, sondern ging drohend einen Schritt auf mich zu, während ich zurück wich.
„Du glaubst wohl, ich ...“ , doch Ricardo wurde unterbrochen, als die Klassenzimmertür aufging und mindestens vier Leute rein kamen.
Erleichtert sah ich, dass es Rene, Tini, Jacob, Tom und Lukas waren.
„Was ist nun schon wieder los?“, fragte Tom, der einen der Rettungssanitäter spielte und blickte, wie alle anderen, zwischen uns hin und her.
„Oh, nichts ... “, versuchte ich mich aus der Situation zu befreien, doch daraus wurde nichts, denn Ricardo meinte mit schneidender Stimme:
„Klar, es ist nichts, außer, das du so kurz davor bist, dir dein
eigenes Grab zu schaufeln!“
„Hä?“, kam es von allen fünf aus einem Mund und man sah ihnen an, das sie nichts verstanden.
Ricardo verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich herablassend und verächtlich an.
In mir stieg Panik hoch, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben.
„Sie ist krank, und das nicht nur ein bisschen, nein, sondern ziemlich doll. Ist ja natürlich auch kein Wunder, wenn man bei den Temperaturen draußen im T-Shirt rum läuft und sich dann wundert, das man Fieber, Husten usw. hat!“
Rene sah mich besorgt an, Tini schüttelte fassungslos den Kopf und alle anderen sahen mich bestürzt an.
„Weißt du schon, was sie hat? Also ...“, setzte Jakob an, doch Ricardo wusste, was er meinte und grinste.
„Nein, aber wenn man sich natürlich auch nicht untersuchen lässt, ist das ja auch kein Wunder!“
„WAS? Aber ...“
In dem Moment gaben meine Beine unter mir nach und ich konnte mich grade noch am Schreibtisch abstützen, sonst wäre ich wohl zu Boden gestürzt.
In mir drehte sich alles, das Atmen viel mir unglaublich schwer und zum ersten Mal, hörte ich meinen eigenen Herzschlag in den Ohren, nicht, das ich es nicht schon vorher mal gehört hätte, sondern zum ersten Mal, ohne irgendeine Anstrengung.
Ich wusste absolute nicht, was mit mir war, aber als ich Ricardos entsetztes Gesicht sah, während ich versuchte, aufrecht stehen zu bleiben, sagte mir, das etwas nicht stimmte.
Alle sahen mich bestürzt an ... dann endlich handelte jemand.
Es war Rene, der auf mich zu ging, den Arm um mich legte und mich, ohne einen Kommentar, auf die grüne Arztliege legte, die für dieses Projekt extra angelegt worden war.
Sie stand im hinterm Teil der Klasse, quer, so das ich, wenn ich den Kopf nach links drehte, zur gelben Wandseite sah.
Für einen Moment glaubte ich, mich verhört zu haben, als Ricardo sich an die Sanitäter wandte.
„Wärt ihr so nett und würdet das EKG und alles andere holen? Ich glaube, hier braucht jemand jetzt ernsthaft Hilfe.“
Die nickten und spurteten los.
Ricardo näherte sich mir und sah mich scharf an.
Er griff kurzentschlossen nach meinem Handgelenk und als ich versuchte, mich ihm zu entziehen, schloss er den Griff noch fester, so das ich vor Schmerz wimmerte.
Er beugte sich vor und flüsterte mir zu, so das nur ich es hören
konnte: „Höre sofort auf mit dem Scheiß, oder es passiert noch mehr. Ich warne dich im Guten!“
Seine Stimme, die normalerweise immer total sanft und ruhig
war, hatte eine Härte angenommen, die ich von ihm nicht kannte.
Ich war zwar sonst nicht ängstlich, aber da ich diese Haltung nicht von ihm gewohnt war, konnte ich nicht verhindern, dass mir bei diesen Worten eine Gänsehaut empor kroch.
Rene!, schoss es mir durch den Kopf und als ob er meine Gedanken gelesen hätte, grinste er mit einem Mal.
„Oh, nein ... Rene wird dir nicht helfen, verlass dich drauf. “
Ach, ich hatte vergessen, zu erwähnen, das alle Anwesenden einen Arztkittel und andere Utensilien hatte, die man in einem Krankenhaus benötigte.
Ausgestattet wurden wir vom nahegelegenem Stadtkrankenhaus, das uns für dieses Projekt ihre Sachen zur Verfügung stellte.
Unter anderem hatten wir, bevor wir gestartet hatten, zwei Vorträge und Kurse von einem Notarzt und Sanitäter bekommen, die uns das Wichtigste, wie z.B. Infusionen legen, Puls messen und Sauerstoffmasken anlegen, gezeigt hatten.
Ich schluckte krampfhaft und sah ihn panisch an.
„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich es genieße, zu sehen, wie viel Angst du zurzeit hast!“
Gelassen nahm er mein Handgelenk, suchte die Arterie und legte seine Finger drauf.
„Also, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, das du extrem viel Angst hat, oder aber dein Puls rast ohne Grund einfach so drauf los! Was hast du
denn? “,fragte er scheinbar unschuldig.
„Ich ... “
Mir blieben die Worte im Hals stecken, doch er lachte.
„Christina, wärst du so nett und würdest mir bitte mal mein Stethoskop geben!“
„Nein!“, hauchte ich und versuchte mich aufzurichten, doch sein Blick, den er mir zuwarft, ließ mich wieder niedersinken.
„Stell dich nicht so an! Es ist nur eine einfache Untersuchung und dazu gehört auch das Abhorchen mit dem Stethoskop!“, flüstere mir Tim zu, der sich ebenfalls zu mir gestellt hatte.
So weit konnte ich auch schon denken und trotzdem ... wenn Ricardo herausfand, was ich hatte, dann fingen die Untersuchungen erst recht an und darauf konnte ich sehr gut verzichten.
Also, musste ich mir etwas einfallen lassen und zwar schnell, denn viel Zeit blieb mir nicht.
„Häm ... mir geht es doch schon wieder viel besser, also ...“, versuchte ich es und setzte mich auf.
Ricardo, mit dem Stethoskop in der Hand, das er sich grade umhängen wollte, drehte sich um.
„Oh nein, mein Fräulein!“
Er hatte mich natürlich durchschaut und wusste, was los war.
„Vergiss es! Du bleibst schön hier und legst dich sofort wieder hin; das einzige, was du tust, ist, das du deine Bluse ausziehst und dich dann mit dem Rücken grade auf die Liege legst!“
Tini sah mich an und schüttelte kaum merklich den Kopf, als ich zu ihr hin sah.
„Wird es bald!“
Ich sah ein, dass ich keine Wahl hatte und zog langsam meine Bluse aus.
Mit schwarzen BH saß ich da und blickte ihm nicht in die Augen, als er sich einen Schreibtischstuhl an die Liege zog und sich direkt vor mich setzte.
Da Ricardo wesendlich größer war als ich, konnte er mich so problemlos untersuchen.
Mein Mund war sehr trocken und ich hatte das Gefühl, als wenn er es genoss, mich so zu sehen, doch als ich ihn ansah, war sein Gesicht ausdruckslos und seine Augen, die für einen Moment meinen Oberkörper musterten, waren ziemlich kühl.
Er bedeutete mir mit einer Handbewegung, mich hinzulegen und strich dann mit seinen Händen über meinen Körper.
„Atme mal tief ein und wieder aus!“
Ich tat es, doch ich merkte, dass es mir schwer fiel, besonders das Einatmen bereitete mir Mühe.
Ricardo ließ für einen Moment seine Hände auf meinem Brustkorb liegen, dann legte er das Stethoskop an und begann mit dem Plättchen, also die Membran, meinen Oberkörper abzuhorchen.
Noch während er dies tat, forderte er Christina auf:
„Beobachte ihren Brustkorb. Ich will wissen, ob er sich beim Einatmen richtig hebt!“
Sie folgte seinem Wunsch.
Ich hatte Mühe, richtig zu atmen und offensichtlich sah auch er es, denn Ricardo runzelte die Stirn und seine Augen verengten sich ein wenig, so als ob er besorgt wirkte.
„Schatz ...“
Ricardo legte das Stethoskop bei Seite, nickte, beobachtete dabei jedoch meinen Brustkorb weiter, wie er sich im Rhythmus meines Atems hob und senkte.
„Sorry, Rene, aber ich muss dir leider sagen, das deine Freundin sehr wahrscheinlich ein ziemlich heftiges und eindeutiges Atemproblem hat, welches die Einatmung ungemein erschwert. Zu dem kommt hinzu, das ihr Herzschlag alles andere, als ruhig ist, sondern eher, na ja, also ... unregelmäßig erscheint, es kommt halt ganz drauf an, wie ihre Atemwege sind! Daher auch der etwas erhöhte Puls, oh und na ja, dann kommt da halt noch das mit fast 38 Grad hohe Fieber hinzu!“

 
3. Kapitel

Es war Totenstill im Zimmer.
„Sie hat Atembeschwerden?“, kam es von allen.
„Ja, hat sie und ich würde sogar zu fast hundert Prozent sagen, das sie dabei ist, eine Lungenentzündung zu kriegen!“
Das war zu viel für mich.
Ich konnte es nicht glauben und wollte es auch nicht.
Während alle anderen mit Ricardo drüber diskutierten, wie man mir am besten helfen konnte, zog ich meine Bluse an, rutschte langsam von der Liege und schlich, so leise ich konnte, zum Ausgang.
Zwei Minuten später war ich dabei, über die Schulflure zu gehen.
Natürlich, musste ich sagen, das Herr Sander mir mit der Kamera gefolgt war und zu dem war noch ein zweiter Lehrer, unser Vertrauenslehrer, Herr Martin, mit von der Partie, der ebenfalls filmte und somit bei den Anderen in der Klasse geblieben war.
Ich war wohl kaum drei Minuten weg, als ich einen Wutschrei vernahm, der mich darauf schließen ließ, dass man mein Verschwinden bemerkt hatte.
Verdammte Scheiße, dachte ich und sah mich gehetzt um.
Kaum war ich vielleicht zehn Schritte gegangen, das hörte ich, wie jemand hastig den Flur entlang ging und als ich mich umdrehte, sah ich ihn auf mich zu kommen.
Da in diesem Moment jedoch die Schulglocke zum Frühstück läutete und sich die Gänge mit sämtlichen Schülern füllten, verlor ich ihn aus den Augen.
Achselzuckend ging ich Richtung Mensa, doch noch bevor ich die gläserne Eingangstür erreichte, packte mich jemand am Arm und zog mich mit sich.
Ich versuchte mich loszureißen, doch der Griff war zu fest.
„Was zum ...“
Schlagartig verlor ich alle Farbe aus dem Gesicht, als ich erkannte, wer es war.
„Entweder, du kommst sofort mit oder, du gehst in die Mensa und erklärst vor allen Schülern, was du hast!“
Ich wog meine Chancen ab und entschied mich für das zweite.
Lieber wollte ich, dass es jeder wusste, bevor ich mich noch einmal von ihm untersuchen ließ.
Ich erklärte es ihm und er nickte bereitwillig.
Mit flauem Gefühl im Magen, ging ich zurück und durch die Türen.
Doch ich hatte nicht mit seiner Strategie gerechnet.
Denn noch bevor ich irgendetwas tun konnte, war er mir gefolgt, und rief so laut, das es jeder hören konnte:
„Glaubst du wirklich, das du mir einfach so davon kommst?“
Schlagartig war es still geworden und alle drehten sich zu uns um.
Natürlich wusste jeder, dass es nur gespielt war und um was es ging, doch es wirkte einfach zu echt, um wahr zu sein.
Ich zitterte und sah ihn an.
Die Schüler, die im Moment rumstanden, bildeten eine Gasse, so dass Ricardo langsam auf mich zu gehen konnte.
Jeder hielt den Atem an.
Für zwei Minuten sagte keiner ein Wort, doch dann brach Ricardo das Schweigen und als er sprach, waren seine Worte und seine Stimme eiskalt, genauso, wie sein Blick, der hasserfüllt und zugleich besorgt wirkte.
„Du setzt deine Gesundheit aufs Spiel, versuchst alles, damit ich dich nicht untersuchen kann und wunderst dich dann, das du krank bist! Und ...“, er wandte ich an die Menge, ,, ... sie glaubt ernsthaft, das sie mit einer Lungenentzündung einfach so davon kommt!“
Seine Worte trafen mich irgendwo tief, doch ich wusste, dass ich nicht weich werden durfte.
Trotzig sagte ich ihm ins Gesicht:
„Na und? Ist doch mein Problem, oder? Ich ...“
Es ging alles ganz schnell, so das ich mich nicht wehren konnte.
Ricardo hatte drei Schritte auf mich zu gemacht, und dann flog die Hand.
Der Schlag hallte in der Stille wider, ich schrie vor Schreck und Schmerz laut auf.
Er hatte mir allen ernstes eine saftige Ohrfeige verpasst.
Tränen traten mir in die Augen und ich zitterte heftiger, denn je.
Dann passierte etwas, womit niemand gerechnet hätte.
Meine Beine gaben unter mir nach, ich fühlte mich unglaublich schwer und benommen ... dann wurde es schwarz um mich herum.
Irgendwo in meinem Unterbewusstsein merkte ich noch, wie ich von jemandem aufgefangen wurde, dann riefen mehrere Stimmen durcheinander:
„Sie ist ohnmächtig!“, ,,Quatsch, sie hat das Bewusstsein verloren!“ , „Verdammt, sie ist bewusstlos!“
Was dann passierte, bekam ich nur noch wie durch einen Schleier mit, immerhin merkte ich noch, das ich auf etwas behutsam gelegt wurde, dann schwanden mir entgültig die Sinne und ich verlor jegliches Gefühl für Zeit und Raum.

 
4. Kapitel

Das erste, was ich wahrnahm, als ich wieder zu mir kam, war, das ich in einem weichen Bett lag.
Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah mich um.
Ich war in meinem Zimmer, alleine.
Hatte ich alles nur geträumt?
Langsam drehte ich den Kopf, mein Blick war auf die Bettdecke gerichtet und von irgendwo her hörte ich ein leises, gleichmäßiges Piepen.
Hatte ich geschlafen?, fragte ich mich im Stillen, doch als ich meine rechte Hand unter der Decke hervor zog, musste ich erkennen, das es kein Traum, sondern die Realität, die bitterwahre Realität war.
In meinem Handrücken steckte eine Nadel, die mit einem
dünnen Schlauch verbunden war, der wiederum ging von meiner Hand zu einem Beutel, der an einem Ständer hing.
Es war eine Infusion, die ich jetzt bekam, denn offenbar musste mein Körper viel Flüssigkeit verloren haben.
Auf meinem Brustkorb klebten verschiedene Elektronen und als ich den Blick ein wenig nach rechts schweifen ließ, sah ich, dass diese Elektronen mit einem Gerät verbunden waren, welches irgendwelche komischen Kurven und Zahlen aufzeigte und zugleich immer wieder diese komischen Piepgeräusche von sich gab.
Das EKG, schoss es mir durch den Kopf.
Klar, nach dem ich zusammengeklappt war, mussten natürlich meine Herzschläge aufgezeigt werden, damit man bei der kleinsten Kleinigkeit sofort eingreifen konnte.
Außerdem, musste ich weiter feststellen, dass ich eine Nasensonde trug, mit der ich genügend Sauerstoff bekam.
Die Tür ging auf und kein Anderer, als Ricardo, kam rein.
Er war dieses Mal alleine.
Mit raschen Schritten ging er auf mich zu und blieb vor mir stehen.
Einen Moment sah er mich an, dann beugte er sich, ohne ein Wort zu sagen, zu mir vor, zog meine Hände unter der Decke hervor und noch ehe ich etwas tun konnte, hatte er meine Handgelenke mit zwei Bändern am unteren Bettrand befestigt.
Ich konnte mich nicht mehr wehren und war ihm somit hilflos ausgeliefert.
,,Warum ...“
Sein Blick, der eiskalt war, ließ mich verstummen.
Dann setzte er sich zu mir und sah mich einfach nur an.
Im Ernst, Ricardo zog sich einen Stuhl zu mir ans Bett ran, setzte sich und sah mich mit seinen braunen Augen, die arktisch kalt wirkten, an.
Ich hatte absolut keinen blassen Schimmer, warum er das tat.
Nichts im Zimmer rührte sich, weder ich, noch Ricardo hatten bis her ein Wort mit einander gewechselt und so vergingen die Stunden.
Inzwischen vermutete ich, dass er mich mit den Bändern nur ans Bett gefesselt hatte, damit ich meine Lektion lernte.
Ich wusste selber, dass es total leichtsinnig von mir gewesen war und im Nachhinein tat es mir irgendwie auch leid.
Verdammt, dachte ich mir, hätte ich mich doch bloß von ihm vernünftig untersuchen gelassen, dann wäre das alles nicht passiert und ich würde hier jetzt nicht so liegen.
Es war Abend geworden, alle Anderen hatten bereits gegessen, doch als mich Rene fragte, was er mir mitbringen sollte, verweigerte ich.
Ich hatte mir vorgenommen, mich auch weiterhin zu weigern und es bis auf die Spitze zu treiben, nämlich genau so lange, bis Ricardo es aufgab, mich zu untersuchen und endgültig das Handtuch warf.
Dass es dem aber gar nicht in den Sinn kam, aufzugeben, stellte ich nachts gegen halb drei Uhr fest.
Natürlich waren Nachts alles Geräte entfernt worden, damit ich trotzdem als normale Schülerin meinen erholsamen Schlaf fand.
Ich hatte unruhig geschlafen und fuhr mit einem Mal hoch, als ich jemanden reinkommen hörte.
,,Rene?“, flüsterte ich, in der Hoffnung, das es mein Freund war, doch ich täuschte mich gewaltig.
,,Wehe, du sagst was!“, flüsterte mit die Person im Dunkeln zu und mit einer unmissverständlichen Geste, wurde ich aufgefordert, mich anzuziehen und mit nach draußen zu kommen.
Es war natürlich niemand anderes, als Ricardo.
,,Was ...“
Ich kapierte überhaupt nichts mehr, doch als ich merkte, dass wir zum Sportplatz gingen, dämmerte es mir allmählich.
,,Ist das jetzt auch noch gespielt, oder ...?“, fragte ich vorsichtig und blickte ihn von der Seite her an.
Er blieb stehen und sah mich an.
,,Klar, das gehört dazu, oder glaubst du ernsthaft, ich wäre unbedingt so scharf drauf, um diese Zeit noch nach draußen zu gehen? “, grinste er.
Ich sah Herrn Sander, der wie immer mit der Kamera dabei war, verunsichert an, doch er nickte mir aufmunternd zu.
,,Das geht schon klar ; ihr habt ja heute den ganzen Tag Unterrichtsfrei, weil doch im Moment so viele Lehrer krank sind, hatte ich euch doch vor zwei Tagen gesagt!“
Das stimmte, und ich hatte es wegen der ganzen Aufregung mal wieder voll vergessen.
Entschuldigend grinste ich und nickte ihm zu, dass ich bereit war.
Die Kamera lief wieder.
Der Sportplatz war umringt von unzähligen Laternen, so dass er überall erleuchtet wurde.
Es gab eine riesengroße Außenlaufbahn, ein 6 Hektar großes Fußballfeld, zwei Volleyballfelder und mehrer Springgruben.
Ich fror und begann vor Kälte zu zittern.
,,Ich will, das du anfängst, deine Runden an der Bahn zu laufen. Du weißt, auf was du zu achten hast. Fang erst langsam zu joggen an und steigere dann allmählich das Tempo!“
Er grinste mich auf eine Weise an, die mir sagte, das ich es nicht tat, um fit zu bleiben, sondern, weil er einen Hintergedanken hatte.
Er wollte sich an mir rächen, soviel stand fest, dachte ich mir, während ich langsam anfing, zu joggen.
Noch war alles okay und ich sah es als eine ganz normale Sportart.
Gelassen lief ich meine Runden und hatte dabei immer ein und dieselbe Melodie im Kopf, nämlich von der Gruppe N-Soul mit dem Titel Listen to your heart.

Du bist mein Herzstück, du bist tief in mir drin und du

bist auch der Grund, warum ich oft daneben bin

Ob zehn Minuten, oder den ganzen Tag

Ich liebe dich jede Sekunde, glaub was ich dir sag

Du bist ein Sonnenuntergang, seh dich am Horizont

Ich hatte nie gedacht, dass ich an deine Seite komm

Wenn ich verwirrt bin, zeigst du mir den rechten Weg

Wenn ich allein bin, seh ich, dass du an meiner Seite

stehst

Kann nicht mehr ohne dich, will nur noch bei dir sein

Du bist mein Traum, Girl

Babe, ich lieb nur dich allein

Was ich an dir habe, nein, ich werd es nie vergessen

Ich werde immer deine Liebe, deine Nähe schätzen

Nimm meine Hand, ich zeige dir mein Leben

Hör auf dein Herz, denn nur du kannst mir all das geben

Ich küsse dich, deine Lippen sind so zart, weil ich dich so

mag

Baby, listen to your heart



Listen to your heart

When he’s calling for you

Listen to your heart

It´s nothing else you can do

I don´t know where you´re going

And I don´t know why

Listen to your heart

Before, you tell him goodbye



Nur mit dir, Engel, will ich meinen Atem teilen

Wenn du weinst, bitte lass mich deine Träne sein

Ich werde dich glücklich machen, ich verspreche es

Lass ich dich schon mal hier, wenn du mir nur dein

Lächeln lässt

Du bist so schön, denn dein Dasein, ist der Sinn für mich

Wenn du mich küsst, wird aus Regen, Donner,

Sonnenlicht

Eine Wolke und jetzt seh ich dein Gesicht

Am blauen Himmel ziehen Sterne auf, wie ein Gedicht

Fließen die Worte aus meinem Herzen hin zu dir

Wir sind zusammen, unsere Liebe ist, was niemals stirbt

Nur ein Blick und ich weiß, was du brauchst, mein Schatz

Von deinen Lippen lese ich alle deine Wünsche ab

Nimm meine Hand, ich will für immer mit dir sein und

leben

Hör auf dein Herz, denn nur du kannst mir all das geben

Ich küsse dich, deine Lippen sind so zart, weil ich dich so

mag

Baby, listen to your heart



Listen to your heart

When he’s calling for you

Listen to your heart

There´s nothing else you can do

I don´t know where you´re going

And I don´t know why

Listen to your heart

Before, you tell him goodbye



And there are voices, that want to be heard

So much to mention, but you can´t find the words

The scent of magic the beauty that´s been

When love was wilder that the wind



Listen to your heart

When he´s calling for you

Listen to your heart

There is nothing else you can do

I don´t know where you´re going and I don´t know why

Listen to your heart
 
5. Kapitel

Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, mein ganzer Körper fühlte sich wie taub an und ich betete im Stillen, das es endlich aufhören würde.

Wie lange ich nun schon lief, verriet mir, als ich am Horizont den ersten, rosa Lichtstreifen sah.
Wenn ich um ca. halb drei morgens aufgestanden war, musste es jetzt bestimmt schon kurz vor sechs sein.
In der ganzen Zeit, in der ich lief, hatte sich Ricardo an den Rand der Laufbahn gestellt und mir zugesehen und dabei immer wieder, um selber warm zu bleiben, einigen kurze Übungen, wie Dribbeln, auf der Stelle joggen und Liegestütze absolviert.
Dabei verlor er mich jedoch nicht eine Sekunde aus den Augen und beobachtete mit sichtlicher Zufriedenheit, wie ich meine Runden lief.
Ich fing langsam, aber sicher an, ihn für das, was er grade mit
mir machte, zu hassen.
,,Okay, komm her!“, rief er nach unzähligen, wie es mir vorkam, Stunden und erleichtert, verlangsamte ich mein Tempo, ging nun im normalem Schritt und stand kurz darauf vor ihm.
Er zog meine Hand zu sich, strich kurz übers Handgelenk, was ich jedoch kaum wahrnahm, da alles an mir so schien, als sei es eingefroren, und fühlte einige Minuten lag meinen, vom Laufen, rasenden Pulsschlag.
Dann, ganz unvermittelt, zog er mich an sich heran, so das ich meinen Kopf beinahe auf seine Schulter legen konnte, ich dachte schon, er wollte mich trösten, doch da hatte ich mich gewaltig getäuscht, denn er drehte mich energisch um.
Ich stand nun mit dem Rücken zu ihm und wagte nicht, mich zu
bewegen.
Ganz langsam ließ er seine warmen Hände über meinen Körper
gleite ... ich spürte seinen warmen Atem an meinem Ohr und dann, ganz unvermittelt, packte er meine Hände und presste sie nach hinten auf meinen Rücken, so das ich mich nicht bewegen konnte.
Ich wimmerte vor Schmerzen leise auf, versuchte jedoch ruhig zu bleiben.
Mit einer Hand glitt er unter mein Shirt und legte diese dann auf meinen Brustkorb.
,,Du wirst mich noch in den nächsten Stunden um Hilfe bitten, nein, anders, du wirst drum flehen, das ich dir helfe. Lange wirst du das bei der Atmung und dem Herzschlag nicht mitmachen, verlass dich drauf! Ach so, noch eins: Solltest du irgendwem hiervon erzählen, dann gnade dir Gott!“
Er ließ mich los und sah mich an.
Seine ganze Haltung strahlte Kaltblütigkeit und Verachtung für mich aus.
Mir war vor Angst so schlecht, dass ich mich kurz darauf, als ich mit ihm zusammen wieder rein ging, auf dem Klo übergab.
Doch damit nicht genug: ich musste zu meinem Entsetzen auch noch bemerken, das mir nicht, wie es sonst bei Erbrochenem üblich war, alles, was ich gegessen hatte, wieder hochkam, sondern das ich Blut spuckte.
Ja, helles und sehr dünnes Blut!
Wie gesagt, es war ja alles nur ein Projekt und wurde von uns Schülern gespielt, also, nichts, davon war echt, und somit auch das Erbrochene, oder besser gesagt, das Blut, das ich da spuckte, war künstliches Theaterblut.
Ich hatte vorher so eine Kapsel geschluckt, die sich nach ca.
5 Minuten auflöste und dann, wenn man aufstieß, so, als wenn man Schluckauf hätte, halt wieder hoch kam.
Mir brach der Schweiß aus und ich bekam es allmählich mit der Angst zu tun.
Jetzt hätte ich wirklich seine Hilfe gebraucht, doch ich hatte, um ehrlich zu sein, zuviel Angst vor ihm, um ihn darum zu bitten.
Mir war natürlich klar, dass er es mit der nächsten Untersuchung herausfand, doch ich betete zu Gott, dass diese erst am Morgen war.
Ich kehrte in mein Zimmer zurück, doch auf halben Weg dort hin, sah ich, wer davor stand und eine hitzige Diskussion führte.
Es war Rene, zusammen mit Ricardo, Christina, Tom und Lukas.
Schleunigst machte ich auf dem Absatz kehrt und rannte den Flur entlang, denn auf das, was da jetzt wahrscheinlich auf mich zu kommen würde, konnte ich nun wirklich verzichten.
Mir war eiskalt, ich hatte nicht viel an, und ich wusste absolut
nicht, wo ich hin sollte.
So irrte ich ziellos durch die Gänge der Schule und fand einfach keine andere Möglichkeit, als zurück zugehen.
Kaum war ich in den Gang eingebogen, in dem mein Zimmer lag, wurde mir mit einem Mal total schwarz vor Augen.
Ängstlich suchte ich Halt, fand jedoch keinen und verlor fast das Gleichgewicht.
Dann hörte ich schnelle Schritte, jemand stützte mich ...
Ich wusste nicht, wer es war, doch ich flüsterte kaum hörbar:
,,Ricardo, hilf mir!“
Im Ernst, ich bat ihm zum ersten Mal um Hilfe.
,,Ans EKG anschließen, Sauerstoff und Infusion. Sie braucht sofort ein Schmerzmittel ...“
Wie durch einen Schleier hörte ich, was da gesagt wurde, dann drehte mir jemand meinen Kopf zur Seite und legte zwei kühle Finger auf meine Halsschlagader, um meinen Puls zu fühlen.
Meine Augen flackerten, in mir drehte sich alles und noch ehe ich etwas tun konnte, erbrach ich mich zum zweiten Mal an diesem Tag.
Wieder war es Blut, dieses Mal jedoch wesendlich dicker als beim ersten Mal.
,,Oh mein Gott!“, rief Christina erschrocken.
Ricardo handelte sofort, ohne lange zu fackeln.
Er beugte sich vor, schob mein Shirt hoch und dann berührte etwas Kaltes meine Haut.
Die Membran des Stethoskops glitt über meine Oberkörper.
Zwei Mal horchte er mit konzentrierte Miene Lunge und Herz ab und fühlte gleichzeitig meinen Puls.
,,Der rechte Lungenflügel ist total dicht; Atmung ist unregelmäßig, schwer und kaum hörbar. Herzschlag schwangt zwischen 50 und 90 Schlägen in der Minute ...“, murmelte er.
,,Warum spuckt sie Blut?“
Die Frage stießen alle Anwesenden aus, doch noch ehe darauf eine Antwort folgte, zuckte ich heftig zusammen, mein Atem kam in unregelässigen, rasenden Abständen dann, rollte mein Kopf zur Seite, meine Augenlieder flackerten kurz und dann erschlaffte mein ganzer Körper.
,,Was ... was ...?“
Ricardo ergriff mein linkes Handgelenk und fühlte meine Pulsschläge.
Dann kam die kurze, knappe Antwort :
,,Sie ist bewusstlos!“
Es war vollkommen still im Zimmer.
 
6. Kapitel

Mehrere Stunden schienen vergangen zu sein, es war absolut ruhig im Zimmer und als ich langsam aufwachte, taten mir sämtliche Gliedmaßen höllisch weh.
Ich versuchte mich zu bewegen, schaffte es jedoch nicht, selbst, als ich etwas sagen wollte, konnte ich es nicht, denn meine Stimme versagte.
Scheiße, dachte ich, was ist mit mir los?
Ich hatte keine Ahnung, dass ich über drei Stunden nicht bei Bewusstsein gewesen war und dass ich mir eine ernsthafte Lungenentzündung eingefangen hatte.
Klar, wollte ich davon nichts wissen, denn ich war so sauer, nein, besser gesagt, ich schäumte vor Wut, das ich, ohne lange nachzudenken, aufsprang.
Ich riss mir die Nasensonde, mit der ich Sauerstoff bekam, damit meine Atemwege wenigstens ein wenig frei bliebe, weg, zog mit schmerzverzerrtem Gesicht die Nadel vom Tropf aus meiner Armvene raus, löste mit flinken Fingern die Plättchen des EKGs von meiner Brust, das Gerät gab daraufhin einen eintönigen Klang von sich, löste die Blutdruckmanschette um meinen Oberarm und den Pulsoximeter, der den Sauerstoffgehalt im Blut maß.
Dann suchte ich in fliegender Hast meine Sachen zusammen, zog mich an und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer.
Kaum war ich jedoch zur Tür raus, sah ich von Links her, jemanden, der auf mein Zimmer zu steuerte.
Eine Zehntelsekunde überlegte ich, dann fasste ich einen Entschluss.
Ich ging ganz normal weiter, drehte mich auch nicht um, sondern fing an zu rennen.
Es dauerte keine halbe Sekunde, da ertönte ein Wutschrei aus meinem Zimmer.
Ich musste dünn grinsen, als ich mir vorstellte, das Ricardo im Zimmer stand, aufs leere Bett starrte und vor Wut kochte.
Rache ist süß und sexy!, dachte ich mir und der Gedanke befriedigte mich zu tiefst.
Was er konnte, konnte ich schon lange.
Da ich mir denken konnte, dass man innerhalb von fünf Minuten nach mir suchen würde, steuerte ich zielstrebig die Mädchenduschräume unseres Internathallenbads an, vergewisserte mich, das niemand drin war und schloss mich dann ein.
Hier würde, so dachte ich mir, bestimmt in den nächsten zwei bis drei Stunden keiner reinkommen und nach mir suchen, geschweige denn davon ausgehen, das ich hier drin war.
Zum Glück war es schön warm hier drin, so das ich nicht froh, gut, ich konnte mir einen schöneren Ort vorstellen, doch es war besser, als nichts.
Zum Glück hatte ich meine I – Pod mit, so dass ich nun ungestört Musik hören konnte.
Nach ca. 3 Stunden, in denen niemand in den Duschräume erschienen war, wurde ich unruhig.
Hatte es Ricardo etwa aufgegeben, nach mir zu suchen? Oder hatte er mich wirklich noch nicht entdeckt?
Ich grübelte nach und entschied mich dann, nach draußen zu gehen.
Ich hatte Glück, denn ohne gesehen zu werden, kam ich bis in mein Zimmer und stellte fest, dass alle Geräte, noch am Abend zu vor da gewesen waren, nicht mehr standen.
Verwundert sah ich mich um und begriff überhaupt nichts mehr.
Achselzuckend nahm ich es zur Kenntnis und drehte erst Mal meine Musikanlage auf.
Nach einer viertel Stunde klopfte es an meiner Zimmertür, ich drehte die Musik leiser und öffnete.
Vor mir stand Jakob.
,,Hi, was geht?“, fragte ich und bat ihn hinein.
Er sah mich ziemlich merkwürdig an und schien mir wohl nicht recht in die Augen sehen zu wollen, denn anstatt mit mir zu sprechen, sprach er eher zum Fußboden.
,,Ähm ... also, Marie ... es ist so, hmmm ... Ri ... Ricardo will dich in zehn Minuten unten im Aufenthaltsraum sehen ... er schein sehr ... na ja, sehr ... ich kann es nicht beschreiben!“
Ich zog die Augenbraun hoch, runzelte die Stirn und nickte dann.
,,Okay, ich bin da!“, sagte ich kurz angebunden, kämpfte innerlich jedoch mit meiner Angst.
Egal, was er von mir wollte, es würde, und da war ich mir ziemlich sicher, in einem Streit enden.
Also ging ich fünf Minuten später Richtung Aufenthaltsraum und stand ihm dann gegenüber.
Mit zitterten die Knie.
Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, doch hatte ich Angst, unsägliche Angst.
,,Ah, da bist du ja!“
Ricardo stand mit verschränkten Armen vor der Brust, am Fenster gelehnt und sah mir lächelnd entgegen.
Ich stutzte.
Seit wann lächelte der denn?
Und dann auch noch so freundlich?
Irgendwas stimmte hier nicht, das spürte ich doch.
Ricardo kam langsam auf mich zu, ließ mich nicht aus den Augen und stand dann ganz nah bei mir.
Ich begann zu zittern.
,,Was … was wi … willst du von mir?“
Er grinste, beugte sich dann vor und flüsterte :
,,Du weißt es ganz genau und ich werde dich bekommen, egal was du tust!“
Und dann …
,,Zieh dein Shirt und BH aus!“
Ich starrte ihn fassungslos an.
Bitte was sollte ich tun?
,,Das … das werde ich sich nicht …“
Doch er unterbrach mich und seine Stimme war gefährlich kalt.
,,Tust du nicht? Gut; dann werde ich es halt tun!“
Ich war entsetzt.
,,Das wagst du nicht!“
,,Nicht?“, fragte er und grinste süffisant, während ich mit einer schnellen Bewegung gepackt, ich leise aufschrie und dann gegen seine Körper gepresst wurde.
Seine Hände begannen meine Bluse ( verdammt, warum hatte ich eigentlich immer eine an? ) auf zuknöpfen, ich zitterte, doch es schien ihn nicht zu stören und kurz darauf spürte ich, wie seine Hände meine BH öffneten.
Ich versuchte mich zu wehren, konnte es jedoch nicht, da er mich weiter an sich presste und meine Hand, fest hielt.
,,Treibe es nicht zu weit, meine Liebe!“
Ich war ihm hilflos ausgeliefert.
Warum, verdammte Scheiße, passierte mir das immer?
Rene, der ebenfalls im Raum stand, wusste, welche Qualen ich durch litt und versuchte mir durch seine Blicke Trost zu spenden.
Ich zitterte.
,,Und jetzt sag noch mal, das ich es nicht wage!“, flüsterte er mir rau zu, während mein BH zu Boden glitt und ich nun mit vollkommen entblößten Oberkörper da stand.
Mir war das sowas von peinlich, das ich am liebst im Erdboden versunken wäre.
Scheiße!, dachte ich und sah ihn nicht an.
,,Leg dich auf die Liege und bleib da auch!“
Ich schüttelte energisch den Kopf.
Ein Stöhnen von allen.
Wir waren natürlich nicht alleine, nein, alle anderen waren auch da.
,,Okay, dann nicht!“
Ricardos Stimme war mal wieder eiskalt geworden und er trat vor mich.
KLATSCH!
,,AHHH!“
Ich hielt mir die Wange und ehe ich mich versah oder wehren konnte, lag ich auf der Liege.
Meine Arme waren mit Manschetten am Gestänge festgezurrt.
Ich merkte, dass dies hier schon lange kein “Spiel“ mehr war, sondern der pure Ernst.
,,Ricardo, bitte!“, flehte ich, doch mich traf nur ein eiskalter Blick seinerseits.
Er drehte sich kurz um, schien etwas in die Hand zu nehmen und kehrte dann zu mir zurück.
,,NEIN!“
Ich schrie auf , als ich die Spritze in seiner Hand sah, begann ich mich noch mehr gegen meine Fesseln zu wehren.
Ricardo schien ungerührt angesichts meiner Panik und kam auf mich zu, nahm kurz entschlossen mein Handgelenk, prüfte meinen Puls, nahm dann eine Armbinde, band meinen Arm ab und setzte dann die Spritze an.
Ich versuchte aus seinem Griff zu kommen, doch er hatte mein Handgelenk eisern umschlossen.
,,Was tust du da?“, schrie ich ihn an und er fauchte zurück :
,,Das siehste doch! Dein Puls rast wie verrückt, das ist nicht normal und deshalb verabreiche ich dir jetzt ein Mittel, was ihn wieder normalisiert!“
Ich versuchte frei zu kommen, doch scheiterte kläglich, was er mit einem mitleidigen Lächeln quittierte.
,,Versuch es erst gar nicht! Kate, du kannst mir nicht entkommen und schon gar nicht deiner Lungenentzündung; falls du es nämlich immer noch nicht begriffen hast : DAS HIER IST KEIN SPIEL! Es ist die bittere Realität. Verdammt, was muss denn noch passieren, damit du aufwachst? Muss ich dir erst bei vollem … warte mal. Gar keine schlechte Idee!“
Er grinste und seine Grinsen schien eiskalt zu sein.
Was, verdammte Scheiße, hatte er vor?
 
Kapitel 7

Ich sah Ricardo ängstlich an.
Der grinste mich weiterhin an und winkte nun Lars zu sich.
,,Könntest du mir mal bitte die Nummer von Herrn Schwarz geben!“
Ich schnappte entsetzt nach Luft.
Das durfte doch nicht wahr sein, der wollte doch jetzt nicht im Ernst …
Doch wollte er.
Fuck!
Ricardo grinste mich an und ich wurde weiß wie eine Wand, als mein verhasster Lehrer (okay, in Wirklichkeit war es Jan Weber, Schulkapitän der Fußballmannschaft und mein “heimlicher Schwarm“ aus der Oberstufe, der wirklich hot aussah) Herr Weber rein kam.
,,Wo ist das Problem?“, fragte er ohne Umschweife und Ricardo erklärte es ihm kurz.
Ich schluckte und mir wurde heiß.
Ich lief rot an, als er sich zu mir umdrehte und mich eingehend musterte.
,,Kate, dein Verhalten ist echt kindisch; ich habe es in der Mensa gesehen und ich kann Ricardo verstehen, dass er die Schnauze voll hat.“
,,Ich habe gar …“
,,Jetzt halt die Klappe, ich bin dran!“, fuhr er mich barsch an und ich verstummte.
Verdammt, das durfte doch nicht wahr sein.
Erst Ricardo und jetzt der.
Das war echt nicht fair!
Jan ging auf mich zu und bedeutete mir, mich auf die Liege zu legen.
Ich bleib stehen.
Pfff, sah ja gar nicht ein, das der mich …
,,Au!“, schrie ich empört auf, als er mich grob am Arm gepackte und auf die Liege zerrte.
Sein Blick war kühl.
Och nee, nicht noch so einer von der Sorte.
,,Wenn du glaubst, das du dich gegen mich durchsetzten kannst, dann hast du dich jetzt gewaltig geschnitten, meine Liebe! Das fruchtet weder bei mir, noch bei Ricardo und glaube mir, ich bin noch ein wenig härter als Ricardo!“
Ich schluckte und krallte meine Hände in die Seiten der Liege.
Tränen traten in meine Augen, während ich versuchte meinen Atmen unter Kontrolle zu bekommen.
,,Ich … ich …“
Ich wusste, dass es sinnlos war, Jan etwas vor zumachen und so gab ich mich geschlagen.
Ich ließ es zu, das er mich mit dem EKG verkabelte, ich ließ es zu, das er mich an den Tropf hing, doch als er mich mit dem Stethoskop abhören wollte, erwachten meine Lebensgeister.
,,Nein! Jan, bitte ich …“
Panisch versuchte ich mich auf zurichten, doch ich wurde hart zurück auf die Liege gepresst und als ich hoch blickte, sah ich in die kalten Augen von Ricardo.
Er hatte mich an den Schultern gepackt und hinderte mich so daran, auf zu stehen.
Ich war gefangen.
,,Bitte, bitte ich will …“
Jan schien es herzlich wenig zu interessieren, was ich wollte, denn er stöpselte sich die Ohrhörer des Stehtoskops ein und ging vor mir auf die Knie, so dass er mich ungehindert abhören konnte.
Kaum hatte die Membran meinen Brustkorb berührt, zuckte ich zusammen und augenblicklich veränderte ich meine Atmung.
Ricardo, der es bemerkte, reagierte schnell und zog meinen Kopf hart zurück.
Ich schrie vor Schmerz auf.
,,Wage das noch einmal und ich zeige dir, was wirkliche Schmerzen sind!“
Ich wimmerte und Tränen rannen mir unaufhaltsam über die Wangen.
Jan blickte mich an und ich nickte, Ricardo ließ mich los.
Ein paar Mal musste ich tief durchatmen, bevor es weiter gehen konnte, doch kaum das Jan sich meiner Lunge näherte, konnte ich nicht mehr und schon wieder atmete ich stockend weiter.
Doch dieses Mal war es nicht provozierend, sondern völliger Ernst.
Das merkte auch Jan, der die Stirn runzelte und je näher er meinem Herzen kam, desto unregelmäßiger wurde meine Atmung.
,,Atemfrequenz 100/ 160, Puls bei 180 und Herzschlag …“
Jan hatte nun genau mein Herz erreicht und horchte es an allen vier Punkten ab.
Ich wurde unruhig.
,, … unregelmäßig, schnell und dumpf. Beim Einatmen ein Surren, beim Ausatmen ein dumpfer Schlag!“
Jan stöpselte sich das Stethoskop aus den Ohren und blickte mich völlig ernst an.
,,Kate, du hast eindeutig eine Lungenentzündung. Das kann dir jeder Blinde sagen. Ricardo, ich weiß nicht ob du es bemerkt hast, aber nach dem vierten Schlag und dem zehnten verändert sich die Tonlage der Herzschläge!“
Ricardo nickte.
,,Ja, das ist mir beim letzten Mal auch aufgefallen, aber ich war mir nicht ganz sicher, ob das so richtig war, was ich da gehört habe!“
Die beiden Jungs nickten sich zu.
Mich schienen sie völlig vergessen zu haben.
Gut, dann konnte ich ja die Gelegenheit beim Schopfe packen und … ja, denkste.
Ich hatte leider die Rechnung ohne Ricardo gemacht, denn der merkte sofort, was los war und drückte mich brutal wieder auf die Liege.
,,Habe ich dir nicht eben was dazu gesagt?“, fragte er kalt.
Ich bekam Angst. Angst vor ihm, Angst davor, was er mir antun könnte.
Hilflos wimmerte ich.
Ich wollte das alles nicht mehr.
,,Bitte … bitte …“
Meine Fresse, ich flehte ihn ja förmlich an, doch das Einzige, was Ricardo tat, war zu lachen.
,,Tja, schon scheiße, wenn man erst jetzt begreift, was Sache ist, oder?“
Er grinste.
Jan hatte sich bis jetzt nicht geäußert, doch nun musste auch er seinen Senf dazu geben.
Danke auch.
,,Kate, ich rate dir einfach das nächste Mal auf ihn zu hören und nur so zu deiner Info: es wird nicht bei einer Lungenentzündung bleiben. Da kannst du dich auf weitaus mehr gefasst machen. Im Übrigen machen mir deine Herzschläge etwas Sorge. Ich denke, das wir dich einmal zum EKG Check geben, um da Klarheit zu bekommen. Außerdem denke ich das du unbedingt etwas gegen deine Angst tun solltest, genauso wie gegen dein Atemproblem!“
Ich sah ihn geschockt an.
Bitte?
Nein, das war nicht sein Ernst?
,,Ich werde sicher nicht und außerdem habe ich gar keine Atem …“
Mitten in meinem Satz wurde ich von einem heftigen Hustenanfall gepackt und glaubte beinahe daran zu ersticken.
Ricardo war mit einem Satz bei mir und gab mir Sauerstoff über die Atemmaske.
,,Schön weiter atmen, ein und aus … ein und aus … komm schon Kate, du kannst das!“
Ich bekam immer noch schwer Luft und vor meinen Augen begannen Sterne zu tanzen.
Nein, ich wollte nicht schon wieder …
,,Atmung schwer, unregelmäßig …“
Rene horchte meine Lunge am Rücken konzentriert ab.
Dafür hatte mich Ricardo vorsichtig hoch gezogen und stützte mich nun vorne.
Ich roch seinen Duft und mir schwindelte.
,,Sie muss operiert werden, am besten noch heute!“
Stille. Entsetzliche Stille.
,,Sicher?“
Rene nickte.
,,Ja verdammt! Ricardo sie hat sich eine akute Lungenentzündung zu gezogen, damit ist nicht zu Spaßen und das bekommst du auch nicht mir Antibiotikum weg. Außerdem habe ich das leichte Gefühl, das Kate uns etwas verschweigt, etwas was mit ihrem Herzen zu tun hat! Ist doch so, Kate, oder?“
Er sah mich an und ich senkte den Blick.
Scheiße, ich hatte ja gewusst, dass es rauskommen würde.
Was sollte ich nun tun oder sagen?
Was?
Ricardo würde mich umbringen, wenn er das …
Ich musste wohl oder übel einen Flashback machen, um euch darüber in Kenntnis zu setzen, was ich denn vor nicht allzu langer Zeit getan hatte.
Ich seufzte und hustete dann wie wild drauf los.
Schleim sammelte sich in meinem Mund und Ricardo ergriff schnell die Schale neben sich, in die ich spucken konnte.
Rostrote Spuren waren zu sehen.
,,Kate … du hast Blut in der Lunge! Verdammt, das darf doch nicht …“
Rene schien erschüttert.
Ich sah ihn verständnislos an.
Was regte der sich denn jetzt so auf?
 
Kapitel 8

*Flashback - Anfang*

Ich stand vor Ricardos Büro und zögerte. Sollte ich es wirklich tun? Ach, scheiß drauf, Kate. Er hat es nicht anders verdient.
Leise öffnete ich die Tür, sah mich kurz um und schloss diese dann, nachdem ich eingetreten war.
Ich zögerte, als ich zielsicher auf einen Schrank zu ging, von dem ich wusste, dass er dort Medikamente und dergleichen aufbewahrte.
Ich zog ihn auf und begann fieberhaft nach etwas zu suchen.
„Verdammt, warum hat der Kerl denn nicht …“, fluchte ich leise vor mich hin und durchsuchte hektisch den Schrankinhalt.
Mir lief die Zeit davon und ich wusste, wenn Ricardo das raus bekam, dass ich in seinen privaten Sachen geschnüffelt hatte, würde er mich umbringen.
Nach weiteren fünf Minuten fiel mir endlich eine Schachtel ins Auge, die ich vorsichtig heraus zog.
Ich sah auf die Aufschrift, konnte jedoch nicht viel damit anfangen. Immerhin ahnte ich, dass dieses Zeug nicht ganz ungefährlich war, denn sonst hätte es Ricardo sicherlich nicht in dem Schrank aufbewahrt.
Ich schob die Schranktür vorsichtig wieder zu und beeilte mich nach draußen zu kommen.
Gerade hatte ich die Tür zu seinem Büro geschlossen, da kam auch schon besagter Herr auf mich zu.
Er hatte sich jedoch gerade nach hinten umgedreht, so dass er mich nicht sah und ich somit die Flucht ergreifen konnte.
Schnell ging ich auf eine der unzähligen WCs, schloss mich ein und begutachtete erst einmal das, was ich da aus seinem Schrank genommen hatte.
Vorsichtig öffnete ich die Packung und zum Vorschein kamen eine große Anzahl von kleinen Fläschen, die man mit einer Spritze auf ziehen musste.
Na wunderbar!, dachte ich, wo soll ich jetzt bitte ne Spritze mit Nadel her bekommen?
Seufzend verstaute ich die Packung und ging zurück ins Gemeintschaftszimmer, in dem einige meiner Mitschüler sich aufhielten.
So kam es, das mich eins der Mädchen in ein Gespräch verwickelte, jedoch war ich nicht ganz bei der Sache und nachungefähr fünf Minuten sagte ich entschuldigend: „Du, tut mir leid, aber ich werde mal eben kurz was zu trinken holen gehen!“
Sie nickte und grinste mir zu.
Ich stand auf und entfernte mich aus dem Raum. Ich hoffte, dass sich keiner von meinen „ach-so-tollen“ Mitschülern im Klassenzimmer, der ja als Behandlungszimmer umgewandelt worden war, aufhalten würde.
Ich hatte Glück und konnte so ungehindert hinein gehen. Lange musste ich nicht suchen, denn in der Nierenschale, die auf dem Schreibtisch stand, fand ich verpackte Spritzen und Nadeln.
Ich nahm mir vorsichtig eine davon samt Nadel und huschte so schnell es ging, davon.
In meinem Zimmer legte ich alle drei Sachen nebeneinander und überlegte.
Konnte ich mir so ohne weiteres eine Spritze mit dem Zeug setzten?
Was, wenn das Zeug doch gefährlich war?
Ich wusste ja noch nicht einmal, wie viel mg ich mir spritzen musste.
Verdammt, ich will doch nur, dass er mich endlich in Ruhe lässt und so ein kleiner Schock wird ihn schon nicht umbringen!, dachte ich und grinste.
Ich suchte mir einen Schal raus, schnürte mir damit meinem Oberarm so gut es ging ab und betrachtete dann die Spritze.
Ich packte sie vorsichtig aus, ebenso wie die Nadel und setzte die Nadel auf die Oberseite der Spritze.
Jetzt nahm ich eine der Ampullen raus, entfernte die Schutzhülle der Nadel und zog zum ersten Mal in meinem Leben eine Spitze auf – mit einer unbekannten Flüssigkeit.
Ich drückte die Flüssigkeit so weit nach oben, bis an der Spitze der Nadel etwas hervor spritze.
Nun setzte ich mich vorsichtshalber auf mein Bett und schluckte einmal kräftig. Schiss hatte ich auf jeden Fall, das war klar, aber ich wusste, was ich tat.
Ich suchte an meinem Unterarm eine besonders gute Vene und setzte die Nadel an.
Meine Finger zitterten. Verdammt, das war ja genauso schlimm, wie bei einem Drogenabhängigen.
Schnell verscheuchte ich den Gedanken, biss mir auf die Unterlippe und … stach zu.
Es tat weh … es tat verdammt weh und ein kleiner Schmerzensschrei entfuhr meinen Lippen, bevor ich auf diese biss.
Langsam sah ich zu, wie die Flüssigkeit in meine Vene gelangte.
Endlich hatte ich alles drin und zog vorsichtig die Nadel wieder raus, was ebenso weh tat, wie das Reinstechen.
Verdammt, bei Ricardo sah das alles viel einfacher aus, dachte ich mir.
Ich hatte gedacht, dass man sofort etwas merken würde, doch … es passierte nichts.
Nach einer halben Stunde rum sitzen hatte sich nichts getan und auch in den folgenden Stunden tat sich nichts.
Hatte ich eine zu niedrige Dosis genommen?
Ich wusste es nicht, doch mit der Zeit würde schon noch etwas passieren.
Und die Zeit verstrich … sie verstrich und verstrich.
Beim allabendlichen Abendbrot, das von allen in der Mensa eingenommen wurde, verhielt ich mich still.
„Schatz, was ist los?“, fragte mich Rene, doch ich zuckte die Achseln.
Ricardo, der mein schweigsames Ich schon eine ganze Weile beobachtet hatte, grinste.
„Vielleicht überlegt sie schon mal, wie sie sich heute gegen mich wehren kann!“
Lacher waren zu hören, vereinzelte klatschten laut und ich senkte noch mehr den Blick.
Es war so klar, dass er mich damit auf ziehen würde.
Ich seufzte kaum hörbar, stand ohne ein weiteres Wort auf und ging nach draußen.
Irgendwie hatte ich gedacht, das die Wirkung sofort einsetzten würde, doch es tat sich einfach nichts.
Ich überlegte, ob ich vielleicht noch ein paar Pillen schlucken sollte und ehe ich richtig wusste, was ich tat, war ich auch schon zum dritten Mal an diesem Tag in Ricardos Büro eingedrungen.
Zielsicher ging ich zum Schrank, zog ihn auf und suchte einige Packungen zusammen.
Leise schlich ich mich davon und begann die ersten Pillen, die ich wahllos einfach ergriffen hatte, keine zehn Minuten später zu schlucken.
Der Abend verging, ohne dass etwas Spannendes oder Großartiges passierte.
Ich ging dennoch frühzeitig zu Bett, was einige verwundert aufblicken ließ.
Ricardo sah mich stirnrunzelnd an, bevor er mich zu sich zog.
„Kate, was immer mit dir derzeit los ist … ich rate dir, damit schleunigst auf zu hören!“, riet er mir eindringlich, doch ich winkte nur müde ab.
Lustlos begann ich mich bettfertig zu machen.
Endlich lag ich im Bett und schlief auch rasch ein; mitten in der Nacht erwachte ich jedoch schweißgebadet und zitternd.
Waren das die ersten Wirkungen der Spritze?
Ich hoffte nicht und schlief kurz darauf wieder ein.
Es schien keine halbe Stunde her zu sein, da wachte ich unter solchen Schmerzen auf, das mir schier die Luft weg blieb.
Langsam versuchte ich mich zu beruhigen, doch es ging nicht.
Angst schnürte mir die Kehle zu und machte das Atmen unmöglich. In meiner Panik drückte ich den Klingelknopf.
Es dauerte nicht lange, da erschien Ricardo.
„Kate, was …“ Er sprach nicht weiter, sondern sah mir nur kurz in die Augen und schien zu wissen, was Sache war.
Den wahren Grund dafür kannte er jedoch nicht.
„Es ist alles okay, beruhige dich. Hast du Schmerzen?“, fragte er, während er mich vorsichtig in eine sitzende Position brachte.
Ich nickte und deutete mit zitternder Hand auf meine Lunge. Dass ich eine Lungenentzündung hatte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, eben so wenig hatte ich Ahnung davon, dass mein gesamter Kreislauf im Keller war.
„Versuch ganz ruhig zu atmen, hörst du? Langsam und gleichmäßig ein und wieder aus atmen und noch mal …“
Ohne Vorwarnung begann ich wie wild zu husten. Ich drehte mich von ihm weg und …kippte zur Seite. Meine Augen flatterten, ich verkrampfte mich und begann dann unkontrolliert zu zittern.
„Kate, verdammt …“ Ricardo hechtete an meine Seite und versuchte mich zu beruhigen, doch genauso schnell, wie es an gefangen hatte, hörte es auch wieder auf.
Der Krampf löste sich und ich blieb ruhig liegen.
„Mensch Mädel … was machst du für Sachen, hm? Langsam mache ich mir ernsthafte Sorgen um dich.“
Ich sagte nichts, sondern ließ mich nur kraftlos in die Kissen sinken.
Was war los mit mir?
An die Spritze und das Mittel dachte ich überhaupt nicht mehr.


Die Nacht wich dem Morgen. Ich hatte zum Glück ruhig geschlafen, so dass ich am Morgen putz munter wie immer runter zum Frühstück ging. Von meinem „Anfall“ in der Nacht war nichts mehr zu merken.
„Schatz … Ricardo hat mir gerade erzählt, was los war. Geht es dir wieder besser?“ Rene sah mich besorgt an und ich schnitt eine Grimasse.
„Alles bestens!“, versicherte ich ihm.
Um das Ganze auch noch zu unterstreichen, zog ich ihn zu mir heran und küsste ihn.
„Oh nein, das Knutschpaar ist wieder aktiv!“, stichelten einige Schüler doch es interessierte uns nicht wirklich.
Grinsend lösten wir uns von einander und begannen dann etwas zu Essen, bevor der Unterricht los gehen sollte.
Unterricht – endlich einmal etwas Sinnvolles und vor allem kein nervender Ricardo und keine Christina; weit und breit kein Arsch, das mich nerven konnte.
So begann der Unterricht und der Tag floss dahin.
Langsam wurde ich echt unruhig. Warum wirkte der Scheiß denn nicht?
Am späten Vormittag war Sport in der Halle an gesagt und ich freute mich schon drauf.
Volleyball und der gleichen waren eine meiner Lieblingssportarten.
Alles lief bestens … bis jetzt.
Doch der Schein trügte. Mir war so verdammt heiß, dass ich glaubte, Fieber zu bekommen. Auf meiner Stirn glänzte Schweiß, mein Gesicht war kalkweiß und hin und wieder schwindelte mir.
Als ich einen Aufschlag vollübte, schienen mit mir langsam meine Sinne zu schwinden.
Der Ball verließ kraftlos meine Hand während ich das Rauschen in meinen Ohren versuchte ab zu schütteln.
Von irgendwo her hörte ich meinen Namen brüllen, doch ich reagierte nicht darauf.
Ich drehte mich um und begann zu rennen, immer weiter und weiter. An der Tür prallte ich mit jemandem zusammen, den ich nicht wahr nahm. Ich wollte einfach nur weg … weg von allen, weg von dem Ort, einfach nur weg.
„Kate, verdammt, jetzt bleib mal …“, doch ich blieb nicht stehen, sondern rannte aus der Turnhalle und über den Hof zum Sportplatz.
Ich wusste, dass es Ricardo war und den konnte ich jetzt echt am wenigsten gebrauchen.
„Kate, wenn du nicht sofort stehen bleibst, dann kannst du was erleben!“, brüllte mir Ricardo hinterher.
„Ach ja, und was? Ah, ich weiß schon … du knallst mir dann wieder ein, so wie du es in der Mensa getan hast. Ach nee, ich habe was besseres … dein eiskalter Blick, den ich so sehr an dir hasse, das ich jedes Mal kotzen könnte!“
Ich schnitt eine Grimasse und lief weiter.
„Sage mal: tickst du noch ganz sauber? Was kann ich bitte dafür, dass du vor mir Angst hast? Und überhaupt … Kate, was hast du dieses Mal getan? Warum setzt du dich und deine Gesundheit so sehr aufs Spiel? Wenn du willst, dass ich jedes Mal aus raste, wenn ich dich nur sehe oder höre, dann kannst du das auch anders haben, aber höre auf, deinen Körper für etwas zu bestrafen, für das er nichts kann. Ich weiß, dass du damit nicht klar kommst, dass ich Christina liebe und mit ihr zusammen bin, aber Herr Gott noch mal, das ist noch lange kein Grund sich so in Gefahr zu bringen.“
Mir blieb die Spucke weg, doch ich rannte weiter. Ricardo war ein verdammt guter Läufer und würde mich innerhalb kürzester Zeit einholen, dessen war ich mir bewusst.
Ich steigerte daher mein Tempo weiter und jagte über das Feld.
„Kate, wenn du jetzt nicht stehen bleibst … ich schwöre, ich garantiere für nichts mehr!“
Ich reagierte nicht drauf und rannte weiter, doch an der nächsten Ecke holte mich Ricardo ein und bremste mich aus. Ich wollte umdrehen, doch dafür war es jetzt zu spät.
„Bist du bescheuert? Warum tust du das?“, brüllte er mich an und ich schrie sauer: „Weil du keine Ahnung von mir hast. Weil du nie gesehen hast, wie es mir wirklich geht. Weil … ich will nicht mehr, ich kann es nicht ertragen, alles geht den Bach runter. Meine Beziehung zu Rene, meine Gesundheit … einfach alles. Warum kannst du mich nicht einfach endlich in Ruhe lassen?“
Meine Stimme überschlug sich und Tränen rannen mir über die Wangen, während ich ihm all das entgegen schleuderte.
„Weil du mir wichtig bist! Verdammt, glaubst du, du bist mir scheiß egal? Wenn das so wäre, dann würde es mich einen Scheiß interessieren, was mit dir los ist, ob du krank bist oder was weiß ich. Aber das ist es nicht, verdammt. Ich mache mir Sorgen um dich, weil du neben Christina das Wichtigste in meinem Leben bist. Du … bist meine Schwester!“
PENG! Das saß.
Ich starrte ihn einen Moment perplex an, bevor ich stotterte: „ Deine … deine … aber …“
Ricardo nickte kraftlos. „Ja, Kate wir sind Geschwister. Schon seit unserer Geburt, aber wir wurden getrennt und … verdammt, ich habe es damals, als du vor einigen Jahren hier her kamst, auch nicht glauben können, aber jetzt … ich habe einen Gentest durchführen lassen, heimlich versteht sich, und das Ergebnis stimmt zu 99,9% überein. Wir sind Geschwister und werden es immer bleiben. Als dann das Schulprojekt gestartet wurde, sah ich meine Chance dich besser kennen zu lernen. Ich wusste bis dato gar nicht, um was es hier wirklich geht. Kate, das ist hier einfach kein Spiel mehr, sondern die Realität. Ich muss dir noch etwas sagen … ich … ich bin im wahren Leben Medizinstudent und werde meinen Doktor hier machen. Wenn ich das geschafft habe, bin ich ausgebildeter Arzt und werde meine eigene Praxis eröffnen. Du … das ganze Schulprojekt war nicht „nur“ gespeilt, sondern teilweise bitterer Ernst und Realität. Kate, ich kann dir zu 100% sagen, das du zwar nicht sooo extrem krank bist, wie deine Rolle, die du gespielt hast, aber du bist es. Ich konnte das bei den zahlreichen Untersuchungen bei dir immer wieder feststellen.“
Ich brachte keinen Ton heraus.
„Ich weiß, dass du das Ganze jetzt erst einmal verarbeiten musst und …“
„Wuh, das ist … also …“ Ich musste mich ins Gras sinken lassen und Ricardo tat es mir gleich.
„Das ist alles ein bisschen viel auf einmal, verstehst du? Ich … also das ich deine Schwester sein soll und dass das Ganze doch kein Projekt war, sondern Ernst und das ich wirklich etwas haben soll …“ Ich schüttelte den Kopf.
„Lass das erst mal sacken und wenn du magst, können wir da gerne später drüber reden.“ Ricardo erhob sich und ich tat es ihm gleich.
„Danke … ich werde jetzt erst mal in mein Zimmer gehen und … ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll!“
Ricardo verstand mich und ließ mir Zeit, so viel, wie ich brauchte.
Ich konnte es nicht fassen, das ich seine Schwester war.

*Flashback – Ende*

 
Kapitel 9

Etwa zwei Jahre später verließ ich die Schule mit einem guten Abschluss und zog nach Wien. Die Hauptstadt, in der mein Idol – Kaiserin Sissi – gelebt hatte. Mit Ricardo hatte ich in dieser Zeit ein wunderbares Geschwister-Verhältnis aufgebaut.
Er hatte seinen Plan wirklich durch gezogen und studierte an der Münchener Uni Medizin.
Christina, seine Freundin, war mit ihm gezogen. Inzwischen waren die beiden verlobt.
Ich hatte Rene nach dem Abschluss den Laufpass gegeben. Nicht, weil ich ihn nicht mehr liebte, sondern weil ich ein ganz neues Leben aufbauen wollte.
Ein Leben ohne die ganzen Erinnerungen an die damalige Zeit.
Das Schicksal traf mich aber wohl eher unvorbereitet, als ich nachts gegen halb zwei mit heftigen Schmerzen aufwachte.
Erst dachte ich mir nichts bei, aber als die Schmerzen immer schlimmer wurden, wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen und griff nach meinem Handy.
Mühsam versuchte ich eine Nummer zu wählen, doch ich schaffte es nicht.
Nach unzähligen Minuten raffte ich mich zum zweiten Mal auf und wählte die Nummer.
Es tutete, doch keiner hob ab.
„Fuck!“, fluchte ich leise und versuchte ruhig zu bleiben. Ich durfte nicht aufgeben. Langsam richtete ich mich unter Schmerzen auf und versuchte einige Schritte zu gehen. Ich knickte mit beiden Beinen ein.
Mein Herz begann zu rasen, meine Atmung wurde schneller und ich begann zu zittern.
Ich fühlte mich unmissverständlich in die Zeit zurück versetzt, in der ich damals an dem Schulprojekt teil genommen hatte.
Das durfte nicht sein, das konnte einfach nicht sein. Hatte mich die Vergangenheit eingeholt?
Unter Anstrengung schaffte ich es mich in die Küche zu schleppen. Alleine das war für mich zu viel des guten. Ich stürzte unvorhergesehen und fiel auf den Küchenboden, wo ich für einige Minuten reglos liegen blieb.
Langsam hob ich den Kopf und versuchte mich auf zurichten, doch es ging nicht. Ich bewegte meine Beine – wenigstens das ging – und hob den Kopf.
Mich würde hier nie jemand finden, niemals.
Langsam begann der Morgen zu dämmern und ich lag immer noch auf dem Küchenboden, als mein Handy zu klingeln an fing – im Schlafzimmer.
Wie sollte ich da jetzt ran kommen? Ich konnte mich ja nicht einmal bewegen.
Es hörte nach drei Minuten wieder auf und schon war es still im Zimmer.
Wie lange würde ich hier liegen bleiben, bis mich jemand fand?, fragte ich mich und versuchte immer wieder mich auf zurichten, scheiterte aber kläglich.
Konnte ich schon wieder etwas mit dem Herzen haben? Oder war es mal wieder die Lunge? Oder doch etwas mit meinem Bauch?
Was war los mit mir?
Unter Anstrengung gelang es mir mich Zentimeter für Zentimeter von der Küche ins Schlafzimmer zu robben.
Das Handy lag auf dem Fußboden und ich griff danach.
„Brüderchen Ricardo“ stand in Abwesenheit auf dem Display des Handys. Ich drückte auf „Anruf“ und wartete.
„Na, was macht mein Schwesterchen, das sie mich mitten in der Nacht beim Bereitschaftsdienst nerven muss?“
Das warme Lachen von Ricardo drang an meine Ohren und ich schluckte.
„Du … du musst her kommen … bitte!“, nuschelte ich ins Handy.
„Mein liebes Schwesterchen hat Sehnsucht nach mir!“, stichelte Ricardo, doch mir war nicht nach Scherzen zu Mute.
„Ricardo, das ist verdammt wichtig. Wenn du nicht willst, das ich … ahhhh!“, ich stieß einen Schmerzenslaut aus, der durch Mark und Bein ging.
„Süße, was ist los?“ Ricardo schien jetzt nicht mehr so lustig drauf zu sein, sondern wirkte besorgt.
„Ich weiß nicht, ich …“ In mir drehte sich alles und kraftlos ließ ich das Handy fallen, ehe ich in ein tiefes, schwarzes Loch fiel.


Ohnmacht oder Bewusstlosigkeit kann viele Gründe und Ursachen haben. Von einer Kopfverletzung bis hin zur Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr im Gehirn ist alles möglich.
Während die Ohnmacht meist nur einige Minuten dauert, ist es bei der Bewusstlosigkeit schon wieder etwas ganz anderes.
Diese kann von ein paar Minuten bis hin zu mehreren Stunden dauern. Sollte der Verletzte nicht wieder erweckbar sein, spricht man nach einem gewissen Zeitraum von Koma, welches einem tiefen, traumlosen Schlaf gleicht.
Ähnlich auch zu vergleichen mit einer Narkose, wobei man den Verletzten aus dem „Tiefschlaf“ ohne große Probleme wieder erwecken kann.
Ich befand mich zum Zeitraum von Ricardos Eintreffen zwischen einer Bewusstlosigkeit und einem Koma.
Ohne Umschweife hatte mich Ricardo fachmännisch untersucht und entschieden einen RTW zu bestellen.
Kaum das die Sanis vor Ort waren, ging es mit mir auch schon Richtung Krankenhaus.
Während der ganzen Zeit ließ mich Ricardo nicht einmal aus den Augen. Im Krankenhaus ging es gleich erst einmal zum Röntgen, so wie zum CT.

Beide Untersuchungen erbrachten aber kein Ergebnis, so dass Ricardo die Dinge
nun selbst in die Hand nahm.
Zielstrebig und sicher ging er in mein Krankenzimmer und kam auf mich zu.
Ich lag in einem der üblichen Krankenhausbetten, hatte eins dieser scheußlichen Klinikhemden an und fror mir den Hintern ab, um genau zu sein.
„Mir ist verdammt kalt und kannst du mir jetzt endlich mal sagen, was Sache ist!“, maulte ich ihn.
„Das dir kalt ist, wird bald vorbei sein und was Sache ist, kann ich dir noch nicht sagen, dafür müssen einige Untersuchungen gemacht werden.“
Oh nein, fing das schon wieder an? Warum strafte mich Gott so sehr?
„Sei nicht albern, ich werde bestimmt nichts haben!“, wank ich ab, musste mir aber im selben Moment eingestehen, dass es eine Lüge war.
Er beugte sich vor, sah mir in die Augen und stütze beide Hände zu Seiten meines Kopfes ab.
„Kate, fang nicht so an, wie du damals aufgehört hast, verstanden? Du weißt, dass dies hier KEIN Spiel ist, sondern die Realität. Ich kann dich nicht zwingen, dich untersuchen zu lassen, aber ich werde Mittel und Wege finden, um dich dazu zu bringen!“
Ich schluckte hörbar und bekam Angst.
Verdammt, ich war SEINE Patientin und er MEIN Arzt. Das würde niemals gut gehen.
„Dann zwing mich doch“, zischte ich in an, „du traust dich eh nicht. Und du kannst dir abschminken, dass ich hier bleiben werde. Ich werde jetzt …“
Er packte mich an den Schultern und hielt mich fest.
„Fang nicht so schon wieder an. Kate, keiner von meinen Kollegen hier weiß, was damals passiert ist. Ich möchte ungerne noch einmal das erleben, was damals gewesen ist. Also tu mir einen Gefallen und wehr dich nicht.“
Ich verdrehte die Augen. „Hast du etwa Angst, Brüderchen?“
Er seufzte. „Ja. Angst um dich. Merkst du denn nicht, was du hier schon wieder fabrizierst?“
Ich grinste. „Nö“
Langsam fing es mir an Spaß zu machen, ihn zu provozieren.
„Schön, dann wird es eben auf´s äußerste hinaus laufen, aber glaube nicht, dass ich dir dann helfe, wenn es zu spät ist. Gib mir dein Handgelenk … nein, du dumme Nuss, das linke!“, fauchte er, als ich ihm das rechte hin hielt, doch er griff nach der linken Hand.
Er tastete nach meiner Ader und fühlte den Puls. Seine Wangenknochen zuckten.
Ohne etwas zu sagen, setzte er sich an den Bettrand und tastete meine Lymphknoten ab.
Dann nahm er aus der Tasche seines Artzkittels eine kleine Lampe und leuchtete damit kurz auf meine Augen.
Ich ließ es schweigend über mich ergehen und zuckte zusammen, als er nach seinem schwarzen Doppelkopfstethoskop griff und es sich um den Hals hängte.
In diesem Moment ging die Tür auf und herein kam eine Krankenschwester.
„Dr. Meiers, Sie werden ganz dringend … oh, ich störe wohl gerade?“, fragte sie, als sie mich bemerkte und lächelte mich sanft an.
„Lena, kann das nicht wer anders machen? Ich bin mitten in einer körperlichen Untersuchung.“, fuhr Ricardo sie an und mir tat die Frau echt leid.
„Aber Ricardo, es ist echt verdammt wichtig und …“
Mein Brüderchen drehte sich um. „Wichtiger als meine Schwester, die schon wieder irgendwelche Scheiße gebaut hat, kann es nicht sein und jetzt raus!“
Lena machte große Augen, sah aber zu, dass sie Land gewann und knallte die Zimmertür zu.
„Du bist immer noch genauso krass drauf, wie damals. Immer am Rumbrüllen!“, maulte ich ihn an und erntete von ihm einen Blick, der mich hätte töten können.
„Sei froh, dass du nicht weißt, wie „krass“ ich wirklich geworden bin“, murmelte er und schenkte mir ein seltenes Lächeln.
Ich sagte nichts, denn mein Blick war auf das Stethoskop geheftet und ich bekam es mit der Angst zu tun.
Warum hatte ich ständig solche Angst davor?, fragte ich mich, wusste aber keine wirkliche Antwort darauf.
Vielleicht lag es daran, dass es immer zu kalt war, vielleicht lag es daran, dass ich mich unwohl fühlte, wenn es benutzt wurde, oder es lag einfach daran, dass ich es hasste, wenn man meine Atmung und meinen Herzschlag damit abhorchte.
Von allen drei Sachen kam Nr. 3 wohl am ehesten in Frage.
„Mach bitte deinen Oberkörper frei!“, wies mich Ricardo an und ich zögerte. Musste ich denn wirklich schon wieder mit nacktem Oberkörper vor ihm sitzen? Verdammt, das war nicht fair.
„Komm schon, Kate. Ich kenn deinen Körper sehr genau und du musst dich echt nicht dafür schämen. Nur, um dich gründlich abhorchen zu können, muss ich das auf nackter Haut tun.“
Ich schluckte, während ich mich langsam vom Hemd trennte. Währenddessen nahm mein Bruder das Stethoskop und näherte sich mir dann. Den Blick senkte ich und zuckte zusammen, als das kalte Metall meine heiße Haut berührte.
Ricardo begann mich oben rechts ab zuhören und wies mich an tief ein und aus zu atmen.
„Langsam und ruhig weiter atmen, Atmung nicht verändern … und noch einmal tief einatmen … und langsam wieder ausatmen …“
So ging es knapp zehn Minuten, bis er das Stethoskop weg legte und mich einen Moment musterte.
Mir war kalt und ich fröstelte.
„Leg dich bitte lang ausgestreckt hin!“
Langsam ließ ich mich in die Kissen sinken, während er sich zu mir setzte und langsam meinen Bauch abtastete.
Anscheinend fand er aber nichts Ungewöhnliches.
„Du sagtest, dass du Schmerzen hättest. Bis her konnte ich nichts feststellen. Ein EKG wäre daher nicht schlecht. Zur Absicherung würde ich aber noch ein Ultraschall von Lunge und Herz machen.“
Ich nickte und wusste, dass ich bei Ricardo in guten Händen war.
Zehn Minuten später war ich auf dem Weg zum EKG.
Oh man, das durfte doch echt nicht wahr sein. Warum musste das genauso laufen, wie damals?
Ich wurde im Untersuchungszimmer von einem freundlichen Zivi begrüßt, der die Elektronen fürs EKG bei mir befestigte.
Peinlicher ging es ja wohl nicht, von diesem, zugegeben sehr süßem Typen, so verkabelt zu werden.
Das war ja schlimmer, als damals beim „Schulprojekt“.
So saß ich also da und ließ es über mich ergehen. Nach gut zwanzig Minuten wurde ich wieder endkabelt und musste nun zum Ultraschall.
 
Kapitel 10

Dort angekommen musste ich mich wieder auf eine Liege legen. Ricardo kam rein und setzte sich vor den Monitor.
Er schob mir das Klinikhemd bis zum Bauch herunter und nahm dann das Ultraschallgerät, auf das er etwas Gel tat.
„Dreh dich einmal zu mir herum, so dass du auf der Seite liegst.“ Ich tat es und schloss die Augen.
Kurz zuckte ich zusammen, als ich die Sonde auf meiner Haut spürte, genau da, wo mein Herz saß.
Mit langsamen, kreisenden Bewegungen führ er darüber und betätigte immer wieder etwas am Bildschirm.
„Bis her scheint alles gut zu sein, Kate. Ich …“ Er stoppte und fuhr mit dem Ultraschallkopf einige Millimeter nach rechts.
Ich wagte es meine Augen einen Spaltbreit zu öffnen und sah, wie Ricardo ein besorgtes Gesicht machte, ehe er den Kopf langsam weiter nach links verschob.
„Dreh dich bitte auf den Rücken, ich werde jetzt beide Lungenflügel untersuchen.“
In mir stieg Angst hoch, doch ich tat es.
Wieder fuhr er mit dem Kopf erst über die rechte Seite meiner Lunge, wobei er mich anwies langsam und ruhig zu atmen.
Noch war alles okay, doch kaum hatte er die linke Lungenseite berührt, krampfte sich in mir etwas zusammen und ich bekam schwer Luft.
Mir schwindelte.
„Ruhig ein und ausatmen, ganz langsam, wir sind gleich fertig.“
Seine ruhige Stimme ließ mich dennoch ahnen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
Mein Bruder legte die Sonde weg, nahm Papiertücher und wischte das überflüssige Gel auf meiner Haut weg.
Dann druckte er etwas am Monitor aus, ehe er sich zu mir um wandte.


Sein Gesichtsausdruck war ernst.
„Ich weiß noch nicht ganz, was ich von dem, was ich bisher fest gestellt habe, halten soll. Deswegen werde ich mich erst einmal mit meinen Kollegen beraten. Sobald ich genaueres weiß, werde ich es dir sagen. Ich möchte, das du bis dahin in deinem Bett im Zimmer bleibst.“
Ich schluckte. „Ist es … ist es sehr ernst?“
Ricardos Mundwinkel zuckten einmal, ehe er mir aufhalf und mich zum Zimmer zurück begleitete. Er wartete, bis ich wieder im Bett lag, ehe er auf meine Frage antwortete.
„Ja, Kate es ist ernst. Es ist verdammt ernst. Ich kann noch nicht sagen, wie ernst es wirklich ist, aber eins kann ich dir jetzt schon sagen: aus der Nummer hier wirst du vorerst nicht raus kommen!“
„Was … was willst du damit sagen?“ Ich verstand kein Wort.
Mein Bruder schnaufte verächtlich, ehe er kalt sagte: „Ich glaube, du weißt ganz genau, was ich damit meine. Wie viele von den Dingern hast du, seit dem wir aus der Schule raus sind, geschluckt? Wie viele? Wie oft hast du dich damit zugedröhnt und wie oft standest du kurz davor ins Koma zu fallen? Kate, das ist kein Spiel hier! Weißt du eigentlich, dass man dir den Magen ausgepumpt hat? Weißt du eigentlich, was das für eine Qual für mich war, meine eigene Schwester wie tot am Boden liegen zu sehen? Weißt du, was das für ein Schock ist, zu wissen, dass sie genau da weiter macht, wo sie in der Schule aufgehört hat? Was muss noch passieren, damit du die Finger von dem Zeug lässt? Musst du erst eine Nahtoterfahrung durchmachen, bevor du begreifst, das du mit deinem Leben spielt?“
Ich schluckte, denn ich wusste, was er meinte.
„Ich … ich …“
„Du … du … wach endlich auf, verdammt und werde erwachsen. Wie lange leidest du jetzt schon am Herzrasen, an Atemproblemen? Wie lange? Sag es mir! Wenn du so scharf drauf bist, dich um zubringen, dann tu es, aber höre auf, mich damit rein zu ziehen. Das macht mich krank, du machst mich krank. Am liebsten würde ich dich verrecken lassen, aber da ich einen Eid als Arzt abgeleistet habe, darf ich das nicht und muss dir helfen. Sollte ich während deiner Zeit hier im Krankenhaus auch nur einmal mitbekommen, das du dir irgendetwas einschmeißt, dir spritzt oder sonst etwas, dann schwöre ich dir, werde ich dich höchst persönlich in eine Klinik einweisen lassen. Das ist mein letztes Wort!“
Damit drehte er sich um und verschwand aus meinem Zimmer.
Ich starrte ihm mit offenem Mund hinter her.
So wütend und so eiskalt hatte ich ihn seit dem Schulprojekt nicht mehr erlebt.
 
Vor zwei Stunden war Ricardo gegangen und hatte mich alleine in dem Zimmer gelassen. Seine deutlichen Worte hatte mir zu denken gegeben. Ich wusste, dass ich meine Gesundheit auf´s Spiel setzte, wenn ich jetzt einen Fehler beging.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich wohl oder übel seinen Anweisungen zu beugen und ihm zu gehorchen.
Dass mein Bruder nun mein behandelnder Arzt war, störte mich nicht weiter. Viel mehr erinnerte es mich immer wieder an unser damaliges Schulprojekt.
Ob ich seine Geduld einmal auf die Probe stellen und schauen sollte, was passierte, wenn ich ihn zur Weißglut trieb?
Ich ahnte, dass dies keine besonders gute Idee war, aber auf der anderen Seite… sie reizte mich ungemein.
Was würde Ricardo tun, wenn ich mich ihm verweigerte? Wenn ich versuchen würde, mich über seine Anweisungen hinweg zu versetzten?
Das Krankenhaus war verdammt groß, das wusste ich und es würde lange dauern, bis man mich in einem der vielen Räume finden würde.
Doch wie lange würde ein Versteckspiel und eine Flucht mein Körper mitmachen? Würde er diese Strapazen überhaupt auf sich nehmen können?
Ich beschloss bis zum Abend zu warten und vertrieb mir die Zeit mit Lesen und TV sehen. Gegen neunzehn Uhr, rund eine Stunde nach dem Abendbrot, ging die Tür auf und mein Bruder betrat mit einem jungen Mann an seiner Seite mein Zimmer.
Neugierig musterte ich beide.
„Das ist also deine Schwester?“, fragte der junge Mann, der blonde kurze Haare hatte, ein freundliches Gesicht und, soweit ich unter dem blütenweißen Arztkittel erkennen konnte, eine sehr sportliche Figur machte.
Ricardo nickte. „Ja, das ist Kate, meine Schwester. Ich denke, du kannst dich noch sehr gut an damals erinnern, oder Phillip?“
Phillip? Ungläubig starrte ich den blonden, jungen Mann an und schluckte hart.
„Ja, Kate. So sieht man sich wieder.“, grinste er mich an und begann dann leise zu lachen, nachdem ich immer noch nichts gesagt hatte.
„Scheint, als wenn ich deine Schwester in Staunen versetzt hätte!“
Ricardo grinste ebenfalls. „Schau nicht so geschockt, Kate. Phillip hat erst seit kurzem hier angefangen und ist mit mir zusammen der zweite Oberarzt in diesem Krankenhaus. Ach, übrings: unser Vater hat uns diese Stelle besorgt. Er ist, wie du dir sicherlich vorstellen kannst, alles andere, als begeistert, dich hier als Patientin zu sehen. Ich konnte ihn aber davon überzeugen, dass ich mich um dich kümmern werde, solange du hier bist. Also… noch einen Grund mehr, sich nichts zu Schulden kommen zu lassen, Kate.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. In meinem Kopf fuhren die Gedanken Achterbahn und überschlugen sich regelrecht.
„Kate, nicht aufregen. Wir wissen doch, dass es für dein Herz Gift ist.“ Phillips Stimme schien vor Ironie fast zu triefen, während mir fast schlecht wurde.
Dieses Arsch… ich fand keine Worte mehr für ihn. Stattdessen schien mein Körper eine eindeutige Reaktion darauf zu haben, denn mein Herzschlag verdoppelte sich, was das EKG dazu veranlasste, schneller zu piepen. Auch meine Atmung kam nun stoßweise und keuchend.
„Bleib ruhig.“ Phillip trat zu mir heran, setzte sich sogar zu mir ans Bett. Ich zitterte und schüttelte den Kopf.
Nein, ich wollte ihn nicht sehen und erst recht wollte ich nicht, dass er mein behandelnder Arzt war.
Dass mein Vater der Chefarzt dieses Krankenhauses war, das hatte ich vorher wirklich nicht gewusst.
Wie denn auch? Ich war komatös eingeliefert worden und hatte nach dem Erwachen erst einmal damit zu kämpfen gehabt, was um mich herum passierte.
Das ich mir nun keinen Fehltritt erlauben durfte, war klar. Vater würde ausrasten, wenn er davon erfuhr, denn ich wusste, dass mein Bruder ihm sicherlich alles erzählen würde.
Ricardo trat von der anderen Seite an mich heran und nahm meinen verkrampften Arm, ehe er eine Spritze aufzog und die Flüssigkeit in die Kanüle gab, die er anschließend wieder sorgfältig verschloss.
Währenddessen hatte Philipp mein Handgelenk ergriffen und nach meinem Puls getastet, den er nun unter seinen sanften, warmen Fingerspitzen fühlte.
Ich schluckte krampfhaft.
„Sag mal, Kate… hast du Fieber, oder ist das Angstschweiß auf deiner Stirn?“ Ricardo beugte sich vor und legte seine kühle Hand auf meine Stirn.
Mir war heiß, das stimmte und ich fühlte, dass ich nicht mehr konnte.
„Schau mich mal an!“, forderte Ricardo mit sanfter Stimme und ich blickte ihn sofort an. Mein Blick war fiebrig, fast unscharf. Hatte ich vorher einigermaßen regelmäßig geatmet, so atmete ich nun stoßweise, stockend und hastig.
„Ihr Puls flattert und ist unregelmäßig. Schau dir das EKG an und achte auf ihre Atmung. Beides ist unterste Schiene.“ Phillips Stimme war besorgt, ehe er sein Stethoskop nahm und vorsichtig die kühle Membran unter der Bettdecke auf meine Lunge setzte.
Ricardo beobachtete Phillip, wie er mich konzentriert abhörte, während er leicht meinen Kopf zur Seite drehte, um meinen Puls an der Halsschlagader zu ertasten.
Ich kam mir vor, wie in einem ganz schlechten Film. Mein Bruder und mein Exfreund, beide untersuchten mich, beide waren sie meine behandelnden Ärzte und beiden war ich hiermit völlig hilflos ausgeliefert.
„Beide Lungenflügel sind dicht. Lungenentzündung im 3. Stadium. Herzstolpern, Herzspitzenstoß unausgeglichen. 3. und 4. Rippenbruch über dem Herz, 2. Rippe könnte rutschen und sich durch den Beutel bohren.“
Aus meinem Atmen war inzwischen ein verzweifeltes Ringen nach Luft geworden. Ich fühlte mich hilflos, versuchte etwas zu sagen, doch nichts kam heraus.
„Ich werde dich jetzt ein wenig schlafen lassen. Du wirst von der Untersuchung nichts mitbekommen.“, hörte ich Phillip noch sagen und im gleichen Moment wurde das Stethoskop von meiner Brust genommen.
Dann fielen mir auch schon die Augen zu und ich dämmerte dahin.


Nach gut drei Stunden erwachte ich aus einem traumlosen Schlaf und blinzelte vorsichtig. Mein Hals war trocken, ich hatte unsäglichen Durst und mein Körper fühlte sich wie Blei an. Gerade schien die Zimmertür aufzugehen, denn ich vernahm Schritte, die vor meinem Bett hielten.
„Immer noch unverändert. Atmung ruhig und gleichmäßig. Puls bei 76, etwas erhöhte Temperatur und Herzschlag schwangt wie immer. Im Moment ist er etwas zu schnell.“
„Gib ihr noch einmal eine Spritze. Wir können so nicht weiter machen. Langsam reicht es wirklich. Dein Vater… wenn der wüsste, dass sie hier liegt und solche Probleme hat… er wird ausrasten.“
„Genau deswegen sollst du ja die Fresse halten, okay? Ich regel das schon selbst. Und wenn sie nicht einsieht, dass sie Hilfe braucht, dann muss ich sie eben dazu zwingen. Scheiß auf Vorschriften. Es geht um meine Schwester. Du weißt, dass ich sie mehr liebe, als jeden anderen. Ich kann nicht zu sehen, wie sie ihr Leben weiter kaputt macht.“
„Ist mir schon klar. Nur… du kannst Kate nicht einfach ohne ihre Zustimmung operieren. Selbst wenn sie wüsste, dass sie nur noch 24 Stunden zu leben hätte… du hast sie damals erlebt, wie sie abgegangen ist. Hättest du ihr damals schon verklickert, was sie hat… Alter, ich will nicht wissen, was passiert wäre.“
Wie in Trance nahm ich die Worte in mir auf, unfähig, diese wirklich zu verarbeiten. Langsam wachte ich auf, die Umrisse wurden klarer und ich erkannte sowohl Ricardo, als auch Phillip, wie sie an meinem Bett standen und redeten.
„Wieso?“, brachte ich heiser hervor und beide blickten mich an.
„Hey Süße.“ Ricardo nahm vorsichtig meine Hand und beugte sich vor, während Phillip meine Werte auf dem Monitor beobachtete.
„Warum eine OP?“ Blicke wurden getauscht, doch es blieb still.
„Sagt schon.“, verlangte ich schwach und wurde unruhig.
„Weil… weil du keine Chance sonst hast. Kate, ich bin dein Bruder und ich trage die Verantwortung für dich als Arzt. Ich kann nicht einfach zu sehen, wie du an dem Scheiß zu Grunde gehst. Und deswegen musst du operiert werden. Nur… Vater wird die Krise bekommen, wenn er das erfährt. Er weiß halt nicht, dass du hier bist und das soll auch so…“
Ja, es sollte so bleiben, doch das Schicksal hatte andere Pläne mit uns drein vor.
Just in diesem Moment schien nämlich unser Vater den richtigen, oder auch eher gesagt falschen Riecher zu haben und suchte unser Zimmer auf.
„Schwester Ivonne, wenn Sie so nett wären und dieses Zimmer hier…“, betrat er den Raum, deutete mit der Hand in ihn und stockte dann in mitten seines Satzes.
Innerhalb weniger Sekunden hatte er die Lage erfasst und schien wie versteinert.
„Vater!“ Ricardo fasste sich als erster und blickte unserem Vater ernst entgegen. Dieser schien noch immer nicht recht zu wissen, was das hier werden sollte.
„Was macht ihr hier? Und was macht Kate hier? Warum ist sie…?“
„Kate hat sich…“ Wieder herrschte Stille, nur unterbrochen durch das rasche Piepen des EKGs, welches meinen immer schneller werdenden Herzschlag wiedergab.
Ich zitterte und war kreidebleich im Gesicht. Mein Atmen ging nun wieder stoßweise, aber nicht keuchend.
Meine schlimmste Befürchtung wurde wahr. Mein Vater wusste nun, dass ich hier und dass ich in Behandlung war.
Phillip beugte sich zu mir herab und flüsterte: „Versuch ganz ruhig zu atmen. Langsam und gleichmäßig ein und wieder aus. Wenn´s gar nicht geht, wirst du Sauerstoff zu geführt bekommen. Verhalte dich ruhig, wenn du dich aufregst, wird das deinem Herz nicht gut tun. Versuch auf deinen Herzschlag zu hören. Ich behalt deinen Puls im Auge.“ Damit setzte er sich zu mir, nahm mein Handgelenk und tastet nach meiner Ader. Ruhig und gefasst prüfte er meinen Puls, während ich mich fühlte, als wenn die Zeit still stehen würde.
Nur mit großer Mühe konnte ich verhindern in eine erneute Atemnot zu fallen.
„Ich verlange eine Antwort und zwar sofort!“ Richard Ahrend, meiner und auch Ricardos Vater, war außer sich vor Wut und Enttäuschung. Wut darüber, dass er offenbar nicht in Kenntnis darüber gesetzt wurde, dass eins seiner Kinder in seinem Krankenhaus in Behandlung war und auch noch von seinem eigenen Sohn betreut wurde und Enttäuschung darüber, dass er offenbar nicht wusste, was hier vor sich ging.
„Vater, ich kann dir alles erklären, aber bitte nicht vor Kate. Sie hat schon genug…“
„Doch, genau vor deiner Schwester wirst du mir das hier jetzt erklären!“, donnerte unser Vater los, knallte die Zimmertür zu und sah uns alle drei wütend an.
 
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Ricardo seufzte, fuhr sich mit der Hand durch Haar und nickte dann langsam. Er sah mich
kurz an, ehe er sich an unseren Vater wandte.
„Kate ist hier, weil sie daheim gestürzt ist und…“, doch unser Vater unterbrach ihn barsch.

„Rede keinen Stuss, Ricardo. Ich kann auch ihre Krankenakte holen, dann weiß ich ja, was los ist. Also, macht jetzt einer von euch den Mund auf, oder was?“, forderte er und sah meinen Bruder ungehalten an.

Dieser nickte schließlich und warf mir einen kühlen Blick zu, ehe er sich an unseren Vater wandte.

„Kate rief mich nachts an, vor etwa zwei Tagen und klagte über Schmerzen. Sie stützte in ihrer Wohnung. Als ich dort eintraf war sie bereits bewusstlos. Die Untersuchungen ergaben bisher kaum Ergebnisse. Bis auf, das sie Angstzustände hat, Atemnot, Herzrasen, unregelmäßiger Puls, leichtes Fieber und Reizhusten, kam noch nichts bei raus. Bei einer weiteren, genaueren Untersuchung hier in der Klinik ergaben dann folgende Ergebnisse: Akute Lungenentzündung, so wie eine leichte Verengung der Gefäße des Herzbeutels. Zudem kommt hinzu, dass sie Herzstolpern hat. Der Herzspitzenstoß ist unausgeglichen und die 3. und 4. Rippe ist über dem Herz gebrochen, 2. Rippe könnte rutschen und sich durch den Beutel bohren. Wir wissen beide, dass sie ihre Gesundheit mehr als aufs Spiel setzt und sie Tabletten nimmt. Vater, ich habe dir nichts gesagt, weil sie meine Schwester ist und ich ihr behandel…“

„Das reicht!“, unterbrach ihn mein Vater und Ricardo verstummte.

Er wandte sich an mich und mir graute vor seiner Reaktion.

„Meine liebe Tochter, ich muss ja wohl nicht erwähnen, dass du dich hier gerade auf Messers Schneide befindest, oder? Was hast du dir dabei gedacht, Kate? Sag es mir! Was soll das alles? Normalerweise müsstest du bei dem ganzen Mist, den du da gerade hast, schon längst im Koma auf der ITS liegen und mehrfach operiert worden sein.“

Ich holte bebend Luft, um es meinem Vater zu erklären, doch dieser unterbrach mich unwirsch.

„Nein, ich will keine Erklärung von dir. Los, aufstehen und zwar sofort und zwing mich nicht, dich aus dem Bett zu holen, ich weiß, dass du aufstehen kannst.“

„Vater, meinst du nicht…“, versuchte Ricardo ihn zu stoppen, doch er unterbrach seinen Sohn streng.

„Nein, ich meine nicht. Dir ist sie lange genug auf der Nase herumgetanzt, bei mir ist Schluss damit. Los, aufstehen!“

Richard Stein blickte streng zu mir herab und ich schluckte. Das mein Vater so zu mir war, das hätte ich niemals für möglich gehalten.

Ich blickte zu Ricardo und Phillip, die mich beide besorgt ansahen. Wobei Ricardo wohl eher zwischen besorgt und zynisch lag.

Zitternd mühte ich mich damit ab, aus dem Bett zu klettern. Zum Glück trug ich das EKG derzeit nicht auf meiner Brust, denn sonst wäre es wohl etwas schwierig geworden damit.

Fünf Minuten später stand ich mit wackligen Beinen und fröstelnd vor meinem Vater.

„Hemd ausziehen und gerade hinstellen.“, befahl er mir und ich schluckte. Oberkörperfrei vor meinem eigenen Vater zu stehen… nein, das konnte ich nicht.

Das dieser genauso streng war, wie mein eigener Bruder, hätte ich niemals für möglich gehalten.

„Kate, sieh zu das du das Hemd auskriegst. Oder muss dir dein lieber Bruder dabei helfen? Bei ihm widersetzt du dich ja offenbar nicht so sehr.“

Ricardo hüstelte leicht, was ihm von mir einen bösen Blick einbrachte. Pah, natürlich hatte ich mich meinem eigenen Bruder schon mehrfach widersetzt, doch das wusste mein Vater zum Glück nicht.

„Ich helfe dir.“ Ricardo kam auf mich zu, stellte sich hinter mich und streifte meine langen Haare zur Seite.

Seine warmen Finger näselten am Rückenverschluss des Hemds, ehe es langsam nach unten glitt.

„Egal was ist, ich bin für dich da, Kate. Ich liebe dich, mein Schwesterherz.“, flüsterte er mir leise zu, ehe er mir einen kurzen Kuss auf meine nackte Schulter drückte und sich dann von mir entfernte.

Das Hemd war zu Boden geglitten und so stand ich nun oberkörperfrei, nur in einer Panty bekleidet vor meinem Vater.

Ich schämte mich in Grund und Boden.

Mein Vater trat zu mir, blickte mich einen Moment schweigend an, ehe er sein schwarzes Littleman Stethoskop aus der Kitteltasche seines weißen Arztkittels zog und es sich um den Hals hängte.

In diesem Moment erinnerte er mich wirklich an meinen Bruder.

„Ricardo, ich will, das du dich hinter sie stellst und sie ebenfalls abhorchst. Phillip, und dich will ich bei ihrem Puls sehen. Behalt diesen im Auge und signalisiere mir, wann dieser zu rasen beginnt. Herzschlag und Puls dürften dann im gleichen Takt sein. Sollte dies mit ihrer Atmung der Lunge nicht übereinstimmen, würden wir es so herausfinden.“

Beide sahen ihn überrascht an, doch nickten sie.

Ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als einfach nur ohnmächtig zusammenzusacken.

Das gleichzeitige Auseinanderklappen der Chrombügel signalisierte mir, dass dies hier kein Traum war, sondern die Realität.

Fast zeitgleich wurden beide Membranen der Stethoskope auf meinen Körper gedrückt. Ricardo begann mich hinten am Rücken abzuhören, während er sanft und ruhig sagte: „Gleichmäßig ein- und wieder ausatmen. Ruhig bleiben und Atmung nicht verändern.“

Gleichzeitig spürte ich, wie die Membran des Stethoskops meines Vaters auf der linken Brustseite vorne aufsetzte.

Sie fühlte sich kalt an und ich wünschte mir, dass es nicht mein Vater wäre.

Beide Stethoskope wanderten gründlich über meinen Körper, während Phillip neben mir stand und meinen Puls am Handgelenk maß.

„Phillip, was macht der Puls?“, fragte mein Vater und sah ihn an.

„Schwankt leicht zwischen Rasen und Stolpern.“, erwiderte dieser und mein Vater nickte.

„Klappengeräusche beim Zusammenziehen nicht klar und deutlich. Beim Ausatmen stockt der erste Ton kurz, ehe er weiterschlägt.“

„Kate, du veränderst schon wieder deine Atmung. Seit wann giemst du so und seit wann hast du das Gefühl, das deine Lunge kurz vorm Kollaps steht? Da geht gar nichts mehr rein und raus erst recht nicht!“

Ricardo, der hinter mir am Rücken meine Lunge abhörte, sprach besorgt, während er die Membran zum gefühlten hundertsten Mal auf eine andere Stelle legte, und meiner Atmung lauschte.

Ich schluckte, denn sprechen konnte ich nicht. Mir war das gerade alles zu viel. Mein Vater und mein Bruder, die mich beide abhörten, Phillip, der meinen Puls maß und ich, die zwischen Angst und Verzweiflung stand.

Ohne die geringste Vorwarnung brach ich zusammen und kippte seitlich in Phillips Arme, der mich geistesgegenwärtig auffing.

„Kate.“

Halb bewusstlos hing ich in seinen Armen, während mein Vater und Ricardo schnell reagierten und mir Sauerstoff zuführten.

„Passiert das öfter?“, fragte Richard Stein und sah mich besorgt an. Mein Bruder nickte leicht. Er kannte diese Szene schon zu genüge, so dass es ihn nicht mehr sonderlich schockierte.

Langsam wurde ich aufs Bett gelegt. Mein Atmen ging stockend, schwer.

Mein Vater beugte sich vor und strich mir über die heiße Stirn.

Dann nahm er noch einmal sein Stethoskop und horchte Lunge und Herz konzentriert ab.

Ich versuchte mich zu wehren, doch Ricardo fasste mich an der Schulter und schüttelte leicht den Kopf.

„Tu es nicht, bitte. Höre endlich auf, dich gegen die Untersuchungen zu wehren und mach es nicht noch schlimmer. Bitte. Du weißt nicht, zu was Vater alles fähig ist.“

Stumm sah ich ihn an, schloss die Augen. Eine Gänsehaut erfasste mich, denn ich fror.

Ich wusste nicht, wie ich es anstellte, doch mit aller Gewalt versuchte ich mich aufzurichten, was mir halb gelang.

Mein Vater hatte inzwischen das Stethoskop beiseitegelegt und musterte mich nun eindringlich.

„Kate, was hast du vor?“, fragte er mich streng und zugleich etwas überrascht, weil ich so viel Kraft aufbrachte.

„Ich… ich werde gehen. Hier rausgehen und…“, brachte ich mühsam hervor.

Ricardo und Philipp rollten mit den Augen, während mein Vater entsetzt nach Luft schnappte.

„Mein liebes Fräulein, du wirst nirgends hingehen und schon gar nicht in diesem Zustand, hast du mich verstanden?“ Sein Ton war gefährlich leise, sein Blick kalt und beherrscht – etwas, das sein Sohn nur von ihm haben konnte, denn der sah, wenn er einmal auf hundertachtzig war, genauso aus.

Stumm schüttelte ich den Kopf, versuchte mühsam Luft zu bekommen. Ich wollte gehen, ich musste gehen. Jede Minute, die ich hier länger drin verbrachte, war für mich eine Qual.

Im Hintergrund hörte ich meinen Bruder und Philipp leise reden und als ich den Blick hob und meinen Bruder ansah, schluckte ich einmal mehr.

Er sah so verdammt sexy aus in diesem blütenweißem Arztkittel, dem blauen, schlichten Hemd darunter, der weißen Hose.

Mein Blick blieb an dem schwarzem Littleman Stethoskop hängen, welches aus seiner rechten Kitteltasche ragte.

Wie oft hatte er mich damit abgehorcht, wie oft hatte ich mich dagegen gestäubt… zugegeben, Ricardo sah damit auch wirklich sexy aus, wenn er mich abhorchte, zumindest die Male, in denen ich nicht bewusstlos gewesen war.

Dennoch… ich hasste es und nichts dagegen konnte meinen Hass und meine Angst schüren.

„Vater, lass sie. Lass sie gehen!“, durchbrach seine Stimme die Stille. Sie war ruhig, gelassen – ja, fast gleichgültig.

Ich kannte den Ton darin, denn dieser verbarg nur die kochende Wut unter der glatten Oberfläche.

„Bist du…“, herrschte unser Vater ihn an und drehte sich zornig zu ihm um, doch Ricardo blieb unbeeindruckt.

„Richard, ich kenne das von ihr auch nicht anders. So war sie schon immer und sie wird…“, versuchte Phillip mein Verhalten zu erklären und wandte mir bewusst den Rücken zu. Bis auf Ricardo, der mich beobachten konnte, sahen die beiden mich nicht mehr an.

Stattdessen entbrannte eine hitzige Diskussion zwischen ihnen, bei welcher Ricardo komischerweise die Ruhe selbst war. Mehr oder weniger stritten mein Vater und Phillip über mich und meinen Gesundheitszustand.

Ich war unschlüssig: sollte ich gehen und somit riskieren, dass man mich irgendwann fand, oder sollte ich bleiben und versuchen, alles zu tun, um meinem Vater eine gehorsame Tochter zu sein?

So oder so wusste ich, dass ich nicht lange fliehen würde können. Das Krankenhaus war zwar groß, doch so groß nun auch wieder nicht.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und kletterte aus dem Bett. Dieses dumme Hemd machte mich noch mal ganz fertig. In Hauslatschen und einem Bademantel bekleidet, welchen ich langsam, mühevoll überzog, kam ich mir gleich etwas wohler vor.

Die lauten, wütenden Stimmen in meinem Zimmer schienen für mich sehr weit weg, denn sie erreichten mich nicht wirklich.

Mir schwindelte, denn die vielen Medikamente, die ich hier ständig bekam, schwächten zusätzlich meinen, ohnehin schon, angegriffenen Körper.

Langsam ging ich zur Tür, zog diese auf und glitt hinaus auf den Flur.

Dass ich es bis hierher geschafft hatte, grenzte an ein Wunder.

Kaum hatte ich jedoch drei Schritte getan, knallte etwas neben mir auf und zu und ich zuckte sichtlich zusammen.

Mein Atmen ging flach, unregelmäßig. Mein Herzschlag raste und mir wurde schwindlig. Trotzdem zwang ich mich dazu, weiter zugehen. Schritt für Schritt.

„Wo willst du hin?“

Ich drehte mich nicht um, aber die eiskalte Stimme meines Bruders ließ mich kurz innehalten.

Von meinem Vater und Phillip fehlte jede Spur, wofür ich dankbar war.

„Weg, einfach weg!“, brachte ich krächzend hervor.

„Und wie weit, glaubst du, wirst du es schaffen?“

Langsam ging ich weiter, antwortete nicht auf seine Frage. Der Flur war belebt, so dass ich zumindest nicht alleine war. Um mich herum wuselten Krankenschwestern, Patienten, Ärzte. Der ganz normale Alltag eines Krankenhauses. Niemand schien von mir und meinem Bruder, der langsam hinter mir herging, Notiz zu nehmen.

„Kate, willst du wirklich den Scheiß, der damals an der Schule passiert ist, hier Revue passieren lassen? Du weißt ohnehin, dass du mir nicht entkommen kannst und du weißt, dass du gerade mit deinem Leben spielst!“

Ich achtete nicht auf ihn, obwohl mich seine Worte trafen, hart trafen und ich innerlich zu zittern begann.

Obwohl ich nur langsam ging, kam es mir vor, als wenn ich rennen würde, denn mit einem Mal fand ich mich in der Mesa des Krankenhauses wieder.

Verzweifelt schloss ich die Augen. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn, ich zitterte und drohte jeden Moment zusammenzubrechen.

„Sehe zu, das du deinen Arsch zurückbewegst, sonst schleif ich dich zurück und glaub mir, das wird nicht angenehm für dich werden!“

Ich zitterte noch mehr, als ich seine Stimme hinter mir hörte, doch rührte ich mich nicht vom Fleck.

Er seufzte. „Sei froh, dass nur ich dir gefolgt bin und nicht Vater. Bei ihm wärst du schon längst wieder im Zimmer und festgebunden am Bett. Ich verstehe dich einfach nicht. Jedes Mal ist es das Gleiche mit dir. Du lernst nicht aus deinen Fehlern und bittest uns doch immer wieder um Hilfe, wenn du merkst, dass es nicht mehr anders geht. Kate, ich liebe dich, aber du musst endlich aufwachen und einsehen, dass du durch deine Weigerung alles nur noch schlimmer machst. Irgendwann kann dein Körper nicht mehr und davor möchte ich dich bewahren. Wie viele OPs willst du erleben, bevor du das einsiehst? Wie viele Schmerzen muss dein Körper noch hinnehmen, bevor er um Gnade schreit?

Jedes verfickte Mal hole ich dich aus dieser Scheiße raus und jedes Mal widersetzt du dich mir oder Vater. Sieh dich an: du bist kaputt, gezeichnet durch den ganzen Scheiß und um ehrlich zu sein, ist es ein Weltwunder, dass du noch nicht ins Koma gefallen bist.“

Ich schwieg und Ricardo riss der Geduldsfanden, wie so oft.

Das schmerzhafte Knallen an meiner Wange erweckte mich zum Leben, bevor ich realisierte, dass mein Bruder mir soeben eine Ohrfeige verpasst hatte.

Ich wimmerte, als er meinen Arm zu sich zog, dann jedoch innehielt. Er zog scharf die Luft ein und erbleichte leicht.

„DAS IST JETZT NICHT DEIN ERNST?“, begann er mich vor den Leuten, die um uns herum waren, anzubrüllen.

Ich zuckte zusammen und schrie gedämpft auf.

„Was ist das, Kate? Was spritzt du dir da heimlich in deine Venen? Los, sag es!“, forderte er mich eiskalt auf und hielt mich brutal fest.

Tränen stiegen mir in die Augen, als mich seine Hand am Genick packte und meinen Kopf schmerzhaft nach hinten riss, so dass ich ihn ansehen musste.

„Hey, lass die Patientin…“, wurde er von einer Krankenschwestern angefahren, doch Ricardo fauchte gleich drauf los: „Verpiss dich. Das ist meine Schwester und mit der hab ich als behandelnder Arzt zu tun und zu lassen, was ich will, klar?“

Seine Stimme, seine Haltung sogar seine braunen Augen waren eiskalt, als er auf mich herabblickte und schmerzhaft mit der linken Hand mein Kinn umfasste.

„Muss ich mich noch einmal wiederholen? Was spritzt du dir?“

Ich schwieg, wimmerte aber und Tränen liefen mir über die Wangen.

„Ich hätte große Lust, dich jetzt vor allen anderen übers Knie zu legen und jetzt mach die Fresse auf und sag es, Kate. Sonst reißt mir gleich der Geduldsfaden und der ist dünn, sehr dünn heute.“

Minuten verstrichen, in denen keiner von uns etwas sagte. Inzwischen hatten sich einige Menschen um uns herum gebildete, die das Schauspiel wohl lustig oder gar interessant fanden. Ich kam mir erbärmlich vor – gefangen in den Armen meines eigenen Bruders, der eiskalt und brutal schien.

„Ricardo, lass sie los!“ Mein Vater trat hervor und auch er schien vor Zorn zu rauchen, doch immerhin schien er sich unter Kontrolle halten zu können.

„Nein, Vater. Ich lass sie nicht los. Sie spielt immer noch mit ihrem Leben und ich hab es satt, mit anzusehen, wie sie daran kaputt geht. Und jetzt rede, Kate, oder ich tu dir noch mehr weh und du weißt, wie kalt ich sein kann!“

Doch nichts passierte. Ich schwieg immer noch.

Inzwischen war ein kleiner Kreis um uns herum gebildet worden, die Leute tuschelten, doch mich interessierte es nicht. Ich betete in diesem Moment einfach nur dafür, ohnmächtig zu werden.

Ja, ich spritzte mir, seitdem ich hier im Krankenhaus als Patientin war, immer wieder heimlich etwas.

„Kate… sieh mich an!“ Mein Vater trat vor mich, während Ricardo mich von hinten festhielt. Ich zitterte, wagte kaum mehr zu atmen, wobei das sowieso schon schwer genug war.

„Versuch ruhig zu bleiben; dein Herzschlag geht zu schnell, Süße und du weißt, das es Gift für dich ist.“, raunte mir Ricardo ins Ohr und ich schluckte schwer.

Er hatte mein Handgelenk ergriffen und tastete nach meinem Puls, den er nun unter seinen Fingern spürte.

Ich versuchte ruhig zu atmen, langsam ein und wieder aus, doch der Druck auf meiner Lunge war zu groß, weshalb ich innerhalb von Sekunden anfing nach Luft zu japsen.

„H-hilf m-ir!“, brachte ich nur noch mühsam hervor, ehe ich die Augen verdrehte und Ricardo bewusstlos in die Arme sackte.

„Fuck!“
 
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