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Johanna Thal Klinikum [IaF - Die jungen Ärzte]

TimosSonnenscheingirl

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29 September 2012
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Hamburg
Seit etwa drei Tagen quälte ich mich nun schon zur Arbeit. Eigentlich hätte ich im Bett liegen bleiben und mich erholen sollen, doch im Krankenhaus der Johanna Tal Klinik war wie immer die Hölle los.

So schleppte ich mich an diesem Donnerstagmorgen mehr schlecht als recht ins Klinikum und bekam schon bei dem beißenden Geruch von Desinfektionsmittel das Würgen.

„Guten Morgen, Jana. Wir sehen uns gleich alle im Schwesternzimmer.“, begrüßte mich überschwänglich Dr. Niklas Ahrend. Er war Chefarzt für Allgemeinmedizin und zudem ein sehr guter Freund von mir. Fast alle an der Klinik liebten ihn, lagen ihm zu Füßen. Auch ich war ihm in den ersten Tagen verfallen gewesen, doch schnell hatte ich nach einen One Night Stand gemerkt, dass Niklas zwar süß, lieb und vor allem sehr sexy war, aber leider für mich unerreichbar zu sein schien. Dennoch merkten wir schnell, dass wir auf einer Wellenline schwammen, zumindest, was unseren Beruf betraf.

Ich war Schwesternschülerin im ersten Semester, bewohnte das Schwesternheim hinter der Klinik und führte genau das Leben, welches ich mir nach meinem Abitur gewünscht hatte.

Ich nickte ihm also flüchtig zu und begab mich in die Eingangshalle der Klinik. Dort blieb ich einen Moment stehen. Um mich herum wuselten die Leute, doch ich schien alles nur so halb um mich herum mitzubekommen.

Langsam machte ich mich auf den Weg zu den Umkleideräumen. Jeder Schritt, den ich tat, fiel mir mehr als schwer.

Im Umkleideraum angekommen, begegnete ich schon den anderen Schwestern. Darunter Lulu und Carina. Sie waren meine besten Freundinnen, seitdem ich hier als Schülerin angefangen hatte.

„Wo warst du heute Morgen? Ich habe auf dich beim Bus gewartete.“, begrüßte mich Lulu und gab mir ein Küsschen links und rechts auf die Wange.

Das Gleiche tat Carina.

„Sorry, ich hab verschlafen.“, entschuldigte ich mich und begann mich ebenfalls umzuziehen.

„Jaja, mal wieder zu doll auf Achse gewesen, was?“, feixte Lulu und knuffte mir in die Seite.

Ich kicherte. „Quatsch, ich war die ganze Zeit bis um kurz nach elf in der Bibliothek und …“, doch weiter kam ich nicht, denn sie begannen zu lachen, was mich einen Schmollmund verziehen ließ.

„Ich sag ja: Streberin Hermine aus Harry Potter steht dir in nichts nach!“, kicherte Lulu und erntete von mir ein Herausstrecken der Zunge.

„Wir gehen dann schon mal vor. Soll ich Niklas was sagen?“, fragte Carina und fing sich von mir den Mittelfinger ein, den sie lachend zur Kenntnis nahm.

„Blöden Hühner!“, grummelte ich, nachdem die beiden verschwunden waren und es im Umkleideraum ruhig war.

Ich zog mich weiter um und band mir zum Schluss noch meine braunen, langen Haare zusammen.

Dann ging es auch für mich an meine erste Tagesschicht.

In den ersten zwei Stunden passierte nicht wirklich viel. Es wurde die Übergabe zusammen mit den anderen Nachtschwerstern, so wie mit den zuständigen Ärzten gemacht.

Das Niklas und ich die Tagschicht übernehmen würde, brachte bei Lulu und Carina ein wissendes Grinsen hervor.

Ich war gerade dabei den Medikamentenschrank im Arzneizimmer neu zu sortieren, als Niklas herein kam.

„Solltest du nicht schon längst beim Mittagessen sein?“, fragte er mich mit hochgezogenen Augenbraun, während ich einige Fläschchen neu in das vorgesehene Bord stellte.

„Ja, sollte ich. Ich hab allerdings nicht ganz so viel Hunger.“, wank ich ab und nahm ein neues Etikett, welches ich beschriften wollte.

„Okay, wenn du meinst. Ach ja, ich wollte dich fragen, ob du evl. nachher noch Lust hast, mich bei der Visite zu begleiten?“

Ich nickte nur. Sprechen wollte ich im Moment nicht, da ich das Gefühl hatte, mein Magen würde jeden Moment seinen Inhalt nach oben befördern.

Ich atmete ein paar Mal leise ein und aus, ehe ich das Etikett auf das kleine Fläschchen klebte und zum nächsten griff.

Niklas trat an mich heran und legte seine Hand auf meine Schulter.

„Jana, ist dir nicht gut? Du bist so abweisend und still.“ Seine besorgte Stimme ließ mich kurz aufseufzen, ehe ich den Kopf schüttelte.

„Nein, es ist alles bestens, danke.“

Scheiße, du belügst ihn, dachte ich im Stillen und hoffte, das Niklas dies nicht merkte.

„Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Und du weißt, dass ich Arzt bin. Ich merke, wenn es einem nicht gut geht und dir geht´s beschissen. Nenn es Eingebung oder berufliches Wissen, aber ich spüre, dass etwas mit dir nicht stimmt.“

Ich schluckte einmal, ehe ich mich zu ihm herumdrehte und in seine Augen sah, welche grün-grau schimmerten. Sein Gesichtsausdruck war besorgt.

„Es ist alles in Ordnung. Wirklich, Niklas. Du machst dir immer viel zu viele Gedanken.“

Lässig sprach ich die Worte aus, doch innerlich verkrampfte ich mich und mein Magen schien nun wirklich rebellieren zu wollen. Doch ich zwang ihn dazu, sich ruhig zu verhalten.

„Okay. Es ist deine Entscheidung. Aber solltest du dich dennoch anders entscheiden und mit mir reden wollen… du weiß, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe.“ Er streichelte einmal kurz über meine Wange mit seinem Finger, ehe er sich umdrehte und das Zimmer verließ.

Einen Moment blieb ich wie angewurzelt stehen, ehe ich mich kopfschüttelnd an die Arbeit machte.
 
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„Jana?! Jana, hörst du mir überhaupt zu?“ Eine Hand wedelte vor meinem Gesicht auf und ab, die ich erst jetzt registrierte.

„Hm?“, machte ich und blickte dann in Carinas Gesicht. Diese schüttelte lachend den Kopf.

„Wo bist du nur mit deinen Gedanken? Doch nicht etwa bei… Niklas?“, stichelte sie und ich rollte die Augen.

„Ja, klar. Sonst noch etwas?“

„Haha, also ja.“, grinste sie frech.

Ich zog es vor darauf nicht einzugehen, sondern stand auf, um mir einen Salatteller von der Bar zu holen. Wir saßen zum Kaffee in der Cafeteria und genossen unsere Pause.

Gerade wollte ich nach dem Schälchen greifen, als mir schon wieder schlecht wurde und ich das Gefühl bekam, keine Luft mehr zu bekommen.

Leicht keuchend hielt ich mich am Rand der Bar fest und versuchte ruhig zu atmen, doch je mehr ich dies versuchte, desto heftiger wurde das Gefühl, überhaupt keine Luft zu bekommen.

In mir verkrampfte sich alles, bis ich zwei Hände auf meinem Bauch spürte, die leichten Druck ausübten.

„Ruhig ein und ausatmen. Lass die Luft langsam entweichen und atme durch den Mund.“

Wer hinter mir stand, war kein geringerer als Niklas Ahrend selbst. Er hatte kurz nachdem ich zur Bar gegangen war, ebenfalls Appetit verspürt und war mir gefolgt. Leider schien er mitbekommen zu haben, dass ich Schwierigkeiten hatte und war natürlich als fürsorglicher Arzt gleich bei mir gewesen, um mich zu beruhigen – was, auch wenn es mir nicht passte – zu wirken schien.

Ich folgte seinen Anweisungen und langsam beruhigte ich mich wieder. Da nun einige der anderen Ärzte, Schwestern und Pfleger an der Bar standen, bekam niemand in dem Gedränge wirklich mit, was passiert war.

„Danke!“, brachte ich leise hervor und schämte mich in Grund und Boden.

Niklas ließ mich los und stellte sich nun neben mich.

„Jana, ich möchte, dass du nachher mal zu mir ins Behandlungszimmer kommst.“, wies er mich an und ich schnappte nach Luft.

„Das wird nicht…“, begann ich, doch Niklas ließ keine Ausrede gelten.

„Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich merke, wenn etwas nicht stimmt und das eben hat mir nur noch einmal mehr bestätigt, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege. Also hör auf, dir etwas vorzulügen. Wir sehen uns nach dem Essen im Behandlungsraum drei.“

Damit drehte sich Niklas um und ließ mich alleine.

Missmutig starrte ich ihm hinterher.



Nervös stand ich vor dem Behandlungsraum. Sollte ich wirklich…?

Seufzend drückte ich die Klinke nach unten und betrat den Raum. Niklas schien nicht da zu sein.

Ich ließ mich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch nieder und wartete. Langsam wurde ich ein wenig nervös.

Hinter mir hörte ich die Tür aufgehen und drehte mich um. Niklas war so eben herein getreten und schloss die Tür hinter sich.

Ohne ein Wort durchquerte er den Raum und setzte sich mir gegenüber an den Schreibtisch.

Dort lehnte er sich in seinem Sitz zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und musterte mich.

Sein Blick war intensiv und ging mir durch und durch.

Ich wurde nervös und blickte auf meine Hände, die ich zu kneten begann.

„Was ist los, Jana?“, durchbrach seine Frage die Stille und ließ mich aufblicken. Ich schluckte.

„Was soll sein? Der übliche Stress eben. Du weißt doch…“, doch er unterbrach mich.

„Das meine ich nicht und das weißt du auch. Ich rede von dem, was heute gewesen ist. Jana, wir sind Freunde, haben eine lockere Sache am Laufen und alles. Aber wenn es meiner besten Freundin nicht gut geht, dann interessiert mich das schon. Und ich sehe dir an, dass du etwas hast. Schon seit mehreren Wochen ist das so. Also, was ist los?“

Er hatte mich weder angeschrien, noch war sein Ton schneidend oder drängend gewesen.

Dennoch hatte er eine Bestimmtheit an sich, die mich kurz zusammenzucken ließ. Ich blickte auf und in sein Gesicht, doch brachte ich nichts hervor.

Niklas seufzte kurz.

„Es ist deine Entscheidung, ob du mit mir darüber reden möchtest, oder nicht. Ich kann und will dich nicht dazu zwingen, nur… ich mach mir Sorgen um dich.“ Damit stand er auf und deutete auf die Untersuchungsliege.

In mir sträubte sich zwar alles, doch ich folgte seine unausgesprochene Geste und setzte mich an den Rand der grünen Liege.

Niklas zog sich einen Rollhocker heran und griff nach meinem linken Handgelenk. Aufmerksam begann er meinen Puls zu messen und zog kurz die Augenbraun zusammen.

Ohne etwas zu sagen, notierte er sich die Werte und griff dann zur Blutdruckmanschette und Stethoskop.

„Ähm, Niklas…“ Verunsichert sah ich ihn an.

„Ähm, Jana…“, machte er mich nach und drehte sich wieder zu mir. Ich deutete auf beide Sachen in seinen Händen und er grinste jetzt.

„Was? Dachtest du, ich lass dich jetzt einfach so wieder hier raus spazieren?“

Etwas lahm nickte ich.

„Tzzz, dir müsste klar sein, dass ich dies nicht tun werde. Vor allem nicht, da es dir heute offensichtlich deutlich schlechter geht, als die Tage davor. Also mach dir nichts vor, dass ich dich jetzt untersuchen werde, um den Grund für dein Unwohlsein zu erkunden. Im Übrigen ist dein Puls sowieso, wenn ich´s mal so ausdrücken darf, voll im Arsch. Unregelmäßiger geht´s schon gar nicht. Ein Wunder, dass sich das bei dir noch nicht so bemerkbar gemacht hat.“

Ich setzte an, um etwas zu sagen, doch mein bester Freund schüttelte den Kopf.

„Jana, weglaufen bringt nichts.“

Trotzig und missmutig wie ein kleines Kind blickte ich zu ihm auf, was Niklas zum Schmunzeln brachte.

Er setzte sich wieder auf den Hocker und nahm meinen Arm, über welchen er die Manschette zog. Da mein Schwesternkittel kurze Ärmel hatte, ging dies ganz gut. Dann begann er die Manschette aufzupumpen und maß gleichzeitig am Handgelenk den Puls.

Seine Finger waren angenehm und doch verursachte seine Berührung eine feine Gänsehaut bei mir.

Sobald er einen gewissen Druck erreicht hatte, bei dem man den Puls nicht mehr ertasten konnte, ließ er mein Handgelenk los und nahm das Stethoskop. Die Ohroliven steckte er sich in die Ohren. Die Membran, das Bruststück des Stehtoskops, legte er unter die Manschette auf meine Vene. Dann begann er an dem kleinen Rädchen langsam wieder den Druck raus zulassen.

Dadurch bekam er einen Wert, den sogenannten Blutdruck.

„100/55. Das ist verdammt grenzwertig.“ Niklas befreite mich von der Manschette und begann noch einmal meinen Puls zu messen.

„Normalerweise müsste dein Ruhepuls bei etwa 75 liegen. Deiner hier hat einen Wert von fast 120. Das wider rum stimmt mit deinen Blutdruckwerten nicht überein.“ Ich wurde nervös. Was wollte er mir damit sagen?

Fragend blickte ich ihn an.

„Als ich vorhin bei dir an der Theke stand, habe ich gemerkt, dass du Probleme beim Atmen hast. Du selbst merkst davon nichts, aber ich hab´s gemerkt. Frag mich nicht wie, ich weiß es einfach. Daher möchte ich dich jetzt einmal abhören, um deine Atemwege zu kontrollieren und gleichzeitig mir ein Bild von deinem Herz zu machen.“

Mir stockte der Atmen für einen Moment.

Doch als ich in sein Gesicht sah, merkte ich, dass er es völlig ernst meinte. Ich seufzte leise, während ich mich vor seinen Augen zu entkleiden begann.

Zum Glück trug ich noch eine weiße Hose, so dass ich nicht ganz in Unterwäsche vor ihm stand.

Mit blauem BH stand ich zwei Minuten später vor Niklas, der mich kurz musterte. Dies hier war kein heißes Sexspielchen, sondern die Realität, dessen war ich mir nun bewusst.
 
Niklas sah mich als seine Patientin und ich musste ihn als Arzt sehen.

„Ich werde jetzt erst einmal deine Lunge hinten am Rücken abhören.“ Damit trat er hinter mich und ich hörte, wie er die Chrombügel des Stethoskops auseinander klappte. Allein dieses Geräusch ließ mein Herz schneller schlagen. Ich hatte keine Angst, aber ich war aufgeregt – vor was auch immer.

So intim von ihm berührt zu werden, war einfach etwas, das man nicht einfach so überspielen konnte.

Es war etwas ganz anderes, als wenn Niklas und ich leidenschaftlichen Sex miteinander gehabt hätten. Dies hier war eine Untersuchung, die dennoch erotisch wirkte. Obwohl rein gar nichts daran erotisch war.

Die Membran berührte meine Haut und ich zuckte kurz zusammen, doch seine Hand auf meiner Schulter ließ es nicht zu, dass ich mich wegdrehte.

Automatisch begann ich langsam ein und auszuatmen und spürte, wie die Membran über meinen Rücken wanderte.

Niklas schien sich Zeit beim Abhören meiner Lunge zu lassen.

Ob er es genoss und was er wohl hörte?

Ich wagte nicht diese Fragen auszusprechen.

Nach gut fünf Minuten drehte er mich leicht um, so dass ich nun vor ihm stand und ihm ins Gesicht blicken konnte.

Seine Mimik war ernst, sein Blick wirkte distanziert, wie bei einem ganz normalen Arzt.

Er setzte die Membran im Seitenvergleich Richtung Lunge.

Noch immer atmete ich ruhig und gleichmäßig, bis Niklas die Membran oberhalb meiner linken Brust setzte und dort nun meinem Herzschlag lauschte.

Ich wusste nicht wieso, aber ich begann meine Atmung zu verändern, ohne dass ich dies merkte.

Langsam setzte er die Membran etwas unterhalb meiner linken Brust.

Ich wusste, dass dort der Herzspitzenstoß saß und dass man dort alle vier Herzklappen am besten hören und beurteilen konnte.

Nach etwa drei Minuten legte er das Stethoskop bei Seite.

„Die Herzspitze macht mir Sorgen. Außerdem ist die Frequenz langsam. Der Rhythmus unregelmäßig. Der zweite Herzton ist weniger kräftig, als der erste. Und… die Herzgeräusche sind unregelmäßig. Und zwar treten diese immer dann auf, wenn du einatmest.“

Ich schluckte und blickte ihn unsicher an.

„Leg dich auf die Liege. Ich werde dein Herz und die Lunge noch einmal im Liegen abhören.“

Ich tat es und lag nun lang ausgestreckt vor ihm.

Niklas setzte sich zu mir und legte das Stethoskop erneut an.

Ich fühlte mich unbehaglich und ballte die Hände zu Fäusten, während ich die Membran an allen Stellen des Herzens spürte.

„Langsam und gleichmäßig atmen. Nein, du verkrampfst dich schon wieder. Warum, verdammt? Bleib mal locker.“, herrschte er mich an und ich schluckte. Mir war nicht bewusst, dass ich mich so sehr verkrampfte.

„Ruhig atmen.“ Während Niklas meine Lunge und mein Herz abhörte, hatte ich das Gefühl, gegen etwas ankämpfen zu müssen. Etwas, das mir die Luft zum Atmen nahm. Etwas, das mein Herz zwischen langsam und schnell rutschen ließ.

Hatte ich vorher noch angenommen, dass es etwas Harmloses sei, so wurde ich nun eines besseren belehrt.

„Jana, ich werde dich stationär aufnehmen und zwar auf der ITS. Ich möchte nicht riskieren, dass du mir irgendwo bewusstlos in die Arme kippst.“

Ich starrte ihn an, nachdem er das Stethoskop bei Seite gelegt hatte und versuchte seinen Worten zu folgen.

„Auf der… der ITS? W-warum?“, brachte ich krächzend hervor.

Niklas blickte mich einen Moment wortlos an, ehe er sich erhob und zu mir hinab blickte.
 
„Weil du dir etwas eingefangen hast, mit dem nicht zu Spaßen ist. Oder warum glaubst du, habe ich dich in der Mensa vorhin aufgefordert, an mich gepresst normal zu atmen? Bestimmt nicht, weil´s mir Spaß macht, dir beim Atmen zu zusehen und zu spüren, wie dieser immer unregelmäßiger und flacher wird. Ich hab dir gesagt, dass du es selbst nicht merkst, aber jeder andere um dich herum, der dich etwa fünf Minuten still beobachtet, sieht, dass du ein Problem hast. Wenn man genau hinsieht, dann merkt man, dass dein Puls an der Halsschlagader rast. Und wenn man noch deutlicher hinsieht, dann merkt man, dass du eine verdammt unregelmäßige Atmung hast. Entweder ist das normal bei dir, oder aber du hast es durch den gesamten Stress hier in der Klinik nie wahr genommen.“
Seine deutlichen Worte machten mir klar, dass dies kein Scherz war.



Fünfzehn Minuten später wurde ich von zwei unbekannten Schwestern in einem Krankenhausbett Richtung ITS gerollt.

Ich kam mir hilflos vor. Total verunsichert und ängstlich. Warum musste es unbedingt die ITS sein? Warum nicht eine ganz normale Station?

Ergeben und kraftlos ließ ich es zu, dass sie mich mit Sauerstoff, Infusion, Blutdruckmanschette, so wie dem EKG, versorgten.

Dann ließen sie mich alleine. Nichts war zu hören, bis auf das durchdringende gleichmäßige Piepen des EKGs, welches meine Herzströme maß.

Die Blutdruckmanschette gab in regelmäßigen Abständen einen Ton von sich, wenn sie sich aufpumpte und wieder erschlaffte.

Die Nadel der Infusion steckte in meiner linken Armbeuge. Gerade das Setzten dieser Nadeln hasste ich, da es wirklich unangenehm und schmerzhaft war.

So dämmerte ich vor mich hin, denn viel bekam ich nicht um mich herum mit. Zu müde und geschafft war ich.

Alle Stunde ging die Tür auf und jemand betrat das Zimmer, um nach mir zu sehen.

„Jana?“ Ich seufzte leise, als ich meinen Namen hörte und schlug vorsichtig die Augen auf.

Vor mir stand Niklas, der mich ernst ansah.

Er setzte sich zu mir ans Bett und seine Miene wirkte besorgt.

„Deine Blutwerte sind aus dem Labor zurück. Es sieht nicht gut aus, denn die sind mehr als schlecht. Auch deine Werte vom EKG sehen ziemlich mies aus. Ich will dich nicht unnötig beunruhigen, aber wenn das nicht bald aufhört, dann kann´s echt brenzlig werden.“

Ich sah ihn verwirrt an.

„Was willst du…“

Niklas nahm mein Handgelenk, legte vorsichtig seine Finger auf meine Ader und maß lange den Puls.

Währenddessen sagte er mit Bedacht: „Du hast dir einen Lungenriss zugezogen, Wir können diesen Riss aber nicht stoppen, weil die Arterie der linken Herzkammer zu langsam arbeitet. Das heißt, dass dein Blut nicht regelmäßig fließt, was zur Folge hat, dass du einen ständig unregelmäßigen Herzschlag hast. Hinzu kommt, dass die Lungenaterie angegriffen ist. Durch den unausgeglichenen Druck wirst du immer wieder ein Atemproblem haben.“

Ich sah ihn geschockt an, denn ich wusste, dass dies äußerst gefährlich war. Um genau zu sein, schwebte ich beinah in Lebensgefahr.

„Wir können nur hoffe und warten. Vor allem müssen wir darauf achten, dass deine Lunge nicht noch weiter angegriffen wird. Jede Anstrengung würde den Riss nur noch weitern.“

„Was ist mit einer OP?“, fragte ich vorsichtig.

Niklas seufzte. „Das wäre zu riskant. Ich kann keine OP veranlassen, solange die Arterie der Herzkammer zu langsam arbeitet. Selbst ein Bypass könnte tödlich enden. Wir können nichts anderes machen, als zu versuchen, dies mit Medikamenten zu stoppen, oder für eine gewisse Zeit ruhig zustellen. Du darfst dich auf keinen Fall zu sehr bewegen. Eine deiner Rippen ist angeknackst und wenn der Knochen auf Wanderschaft geht, oder gar einige Splitter davon in die Lunge geraten… Jana, das wäre zu gefährlich. Das Einzige, was ich machen könnte, wäre eine Thoraxdrainage zu legen. Dafür müsste ich dich allerdings für eine bestimmte Zeit in Narkose versetzten und beatmen lassen. Ich weiß nicht…“

Er brach ab und ich sah, dass ihn mein Zustand Kummer bereitete.

„Niklas… kannst du mich nicht örtlich betäuben und die Drainage dann setzen? Oder… gibt es nicht…“

Ich hatte mich während des Sprechens aufgesetzt, doch der Schmerz war zu groß, zu heftig.

Ich zuckte zusammen und fiel rücklings in die Kissen zurück.

„Jana!“ Niklas war sofort bei mir. Das EKG gab einen unregelmäßigen Rhythmus von sich.

Der junge Arzt handelte sofort, indem er nach seinem Stethoskop griff, die Bettdecke zurückschlug und meinen Brustkorb abzuhören begann.

Carina, die ebenfalls Schicht hatte, kam an meinem Zimmer vorbei. Als sie erkannte, wer da drin lag, stolperte sie entsetzt hinein.

„Niklas, was ist…“

„Der linke Lungenflügel ist dicht, Herzschläge unregelmäßig, Atmung kam hörbar. Carina, sehe zu, dass du sie beatmest. Ich muss den Zugang legen, sonst kollabiert die Lunge!“

Jetzt wurde es hektisch im Zimmer. Um mich begannen drei Menschen herum zu wuseln. Carina, Lulu und Niklas waren bei mir. Sie alle versorgten mich. Ich hatte das Bewusstsein nicht wiedererlangt, bekam demnach nicht mit, was um mich herum passierte.

Carina streckte meinen Kopf über, nahm die Beatmungsmaske und setzte sie mir auf Mund und Nase. Langsam begann sie mich damit zu beatmen.

Währenddessen legte Niklas in meiner Armbeuge einen weiteren Zugang, während ihm Lulu eine Spritze reichte.

Die helle Flüssigkeit gelangte langsam in meine Blutbahn, während das EKG immer noch unregelmäßig piepte.
 
„Niklas, sie lässt sich schlecht beatmen. Ihr Brustkorb…“

„Scheiße!“, fluchte dieser und sah sich hektisch um. Das EKG zeigte einen unregelmäßigen Herzschlag an, ehe es anfing schneller zu piepen.

„Kammerflimmern!“ Niklas handelte sofort, indem er zum Defibrilator griff, Gel auf die Kontaktflächen gab, die Paddels aneinander rieb und diese dann auf meinen Brustkorb aufsetze.

„Weg!“ Lulu und Carina traten bei Seite, kurz darauf versetzte er meinem Herz einen Schock.

Unter normalen Umständen hätte das EKG nun wieder eine regelmäßige Kurve anzeigen müssen, doch das tat es nicht. Stattdessen war nun ein hektisches, schnelles Piepen zu hören.

„Noch mal!“ Niklas versetzte mir einen weiteren Stromschlag, mein Körper bäumte sich auf und fiel schlaff wieder zurück.

Endlich gab das EKG wieder einen gleichmäßigen Ton von sich und die drei atmeten auf.

„Ein weiteres Flimmern überlebt sie nicht.“, murmelte mein bester Freund und sah mich besorgt an.

„Leg einen Beatmungsschlauch und schließ sie an. Ihre Lunge wird das alleine nicht schaffen.“, wies er Carina an, die nickte. Alle drei sahen sichtlich mitgenommen und geschockt aus.

Niklas wischte das Kontaktgel von meiner Brust und ließ seinen Blick einen Moment auf meinem Herzen liegen.

Langsam streckte er die Hand aus und setzte seine Fingerspitzen unterhalb meiner linken Brust.

Sorgfältig ertaste er meinen Herzspitzenstoß und fühlte diesen unter seinen Fingern.

„Schwach und kaum spürbar. Aber zumindest wieder regelmäßig. Ich werde einen Ultraschall von ihrer Lunge machen, um mir einen Überblick zu verschaffen, wie weit der Riss sich zugezogen hat. Außerdem werde ich mir ihr Herz noch mal anschauen. Irgendetwas stimmt damit nicht. Das Flimmern kann ich mir nicht erklären. Das kommt ja nicht einfach so.“

„Hast du nicht erzählt, dass sie schon vorher einen unregelmäßigen Puls hatte?“, fragte Lulu und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.

Niklas nickte.

„Ja, hatte sie. Aber du kennst sie ja. Sie will sich nicht helfen lassen bei so etwas. Lieber verreckt sie an ihrer eigene Scheiße, bevor sie sich Hilfe holt.“

Carina hatte mich währenddessen ans Beatmungsgerät angeschlossen. Die gleichmäßigen Atemzüge, die nun zu hören waren, schienen beruhigend zu wirken.

Da ich bewusstlos war und ich von alle dem nichts spürte, konnte ich nicht sagen, was um mich herum passierte.


Zwei Tage waren vergangen. Zwei Tage, in denen ich bewusstlos und unter ständiger Beobachtung auf der ITS gelegen hatte.

Vor sechs Stunden war ich wieder zu mir gekommen und hatte voller Panik versucht, mir sämtliche Geräte vom Körper zu reißen. Beatmet wurde ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, da meine Lunge sich weites gehend wieder erholt hatte.

Leider hatte ich die Rechnung ohne Niklas gemacht, der just in diesem Moment ins Zimmer kam.

„Jana, lass es sein. Du tust dir nur unnötig weh!“, forderte er mich ernst auf und ging langsam auf mich zu.
 
„Warum bin ich hier? Und warum…“ Meine Stimme zitterte. Ich konnte nur flüstern, da mir das Atmen immer wieder weh tat und sich der Schmerz entsetzlich anfühlte.

„Du hast dir einen Lungenriss zu gezogen und sollst dich schonen. Das ist keine Bitte, sondern ein Befehl!“ Niklas blieb vor mir stehen und sah mich ausdruckslos an. Seine blauen Augen wirkten hart und kalt und ich zuckte zusammen. So hatte ich ihn noch nie gesehen.

Kaltblütigkeit kannte ich von dem sexy Oberarzt wirklich nicht.

Ich schluckte und holte bebend Luft, doch Niklas ließ mich nicht zu Wort kommen.

„Widersprich mir nicht. Du weißt, dass ich als dein bester Freund und inzwischen auch als dein behandelnder Arzt, keine Widerworte dulde. Widerstand ist also zwecklos. Und in deiner Verfassung würde ich es erst gar nicht versuchen. Im Übrigen hast du mir lange genug auf der Nase herumgetanzt. Oder hast du wirklich geglaubt, dass ich nicht rausfinde, was mit dir los ist?!“

Ich schluckte und ließ mich in die Kissen sinken.

„Wie lange?“

Niklas Frage ließ mich zusammenzucken und ich schluckte schwer.

„Jana. Wie lange nimmst du den Scheiß jetzt schon? Und lüg mich nicht an.“

„Seit… ungefähr einem halben Jahr.“, flüsterte ich leise und schämte mich in Grund und Boden.

„Bitte!? Das ist nicht dein Ernst. Seit einem halben Jahr? Woher…? Ach, was frag ich überhaupt. Ist ja eh klar, wo du sie her hast. Aber hey, Glückwunsch. Dein Körper hat sich ja bereits dafür bedankt.“

Ich schwieg.

„Mensch, Jana. Wach endlich auf. Du bist Schwesternschülerin; du weißt, was das für Folgen und auch Konsequenzen für dich hat. Aber verrate mir eins: Wie lange hattest du vor, das alles noch durchzuziehen? Bis du erstickst und dir keiner mehr helfen kann? Bist du dir überhaupt über die Nebenwirkungen bewusst?“

Noch immer schwieg ich, denn ich wusste, dass Niklas Recht hatte. Ja, er hatte verdammtes Recht damit und nein, ich war mir nicht bewusst, was das Zeug für Nebenwirkungen hatte. Alles, was ich wollte, war den Schmerz damit zu bekämpfen, mehr nicht.

„Verdammte Scheiße, hör endlich auf zu schweigen und sag es mir.“ Niklas beugte sich vor und stützte die Arme zu beiden Seiten meines Kopfes ab, so dass ich gezwungen war, ihn anzublicken.

„Sag mir die Wahrheit!“, hauchte er mir entgegen und ich schluckte.

„Ich… ich weiß es nicht. Das alles fing vor mehr als einem halben Jahr an. Damals war alles ganz harmlos. Ich wollte nicht zum Arzt, also hab ich mir Tabletten besorgt. Jede Woche mehrere und jedes Mal andere. Irgendwann kam ich damit nicht mehr aus, als ging ich an die Arzneischränke im Schwesternzimmer, so wie an eure Schränke in den Dienstzimmern und Behandlungsräumen. Ich… zog mir mehrere Infusionen rein, mehrere Spritzen mit Beruhigungsmittel und Schmerzmitteln. Ich hoffte dadurch den Schmerz loswerden zu können, aber… es ging nicht. Ich habe schon mehrfach das Herzrasen, die Atemprobleme gehabt. Ich weiß, dass ich einen rasenden Puls habe und ich weiß auch, dass ich Angst hab. Ich hab Angst, mich von dir, oder sonst wem, untersuchen zulassen. Eben weil ich Angst hab, dass ihr raus finden könntet, was mit mir los ist. Ich weiß, dass ich eine akute Lungenentzündung hatte. Ich weiß auch, dass ich ständige Herzrhythmusstörungen habe. Ob die von den Tabletten und den Spritzen kommen, weiß ich nicht. Ich… ich hab keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als euch alle anzulügen. Ich… es… tut mir leid!“

Mit gesenktem Kopf endete ich.
 
Stille breitete sich im Raum aus. Ich spürte, wie sich Niklas langsam von mir entfernte und dann erhob.

„Jana… du spielt mit dem Feuer und… mit deinem Leben. Dass du solche Angst vor den Untersuchungen hast, das habe ich nie gemerkt. Man hat es dir niemals angesehen. Das, was du getan hast… das ist Diebstahl und du weißt, dass ich es melden muss. Dir ist klar, dass du deine Ausbildung an den Nagel hängen kannst und ganz sicherlich nie wieder in diesem Bereich eine machen wirst können.“

Ich senkte den Kopf, denn mir war dies definitiv klar.

„Ich werde dir Bescheid geben, wenn ich weiß, was ich wegen dem, was du getan hast, nun passieren wird!“

Damit ließ mich Niklas alleine und ich sank in die Kissen zurück.

Heiße Tränen kullerten über meine Wangen, denn ich war am Ende. Mein Fehlverhalten würde Konsequenzen nach sich ziehen, dessen war ich mir sicher.


Seit fast einer Woche war ich nun schon im Krankenhaus in Behandlung. Niklas sprach nur das Nötigste mit mir, schnitt mich ansonsten eiskalt. Er ließ mich spüren, dass ich einen großen Fehler begangen hatte und das tat weh.

Tagsüber waren meine Schmerzen nicht so groß, doch nachts ließen sie mich kaum schlafen. Zudem bekam ich häufig Fieberkrämpfe, welche erst zum Morgen sanken.

Jedes Mal, wenn eine Schwester das Zimmer betrat, bat ich sie um Schmerzmittel, doch sie verneinte. Meinte, dass sie mir keine geben dürfte.

Zwischen Angst und Wut begann ich das Essen zu verweigern. Wenn Niklas meinte, dass er mich so maßregeln musste, dann würde ich ihm zeigen, dass man so nicht weiterkam.

Durfte er das überhaupt? Immerhin war er mein behandelnder Arzt, auch wenn er Oberarzt war. Doch war dies überhaupt rechtens? Dass er mir seine Hilfe verweigerte?

Oder kam die Anweisung von ganz oben, von Herrn Professor Dr. Weber, der unser Vorgesetzter und somit Klinikleiter war?

Ich fühlte mich hilflos, schutzlos und ausgeliefert.

Gegen Mittag ging die Tür auf und Niklas betrat mein Zimmer. Ich presste die Lippen aufeinander und ignorierte ihn gekonnt.

Er überprüfte die Vitalfunktionen am Monitor, ging dann zum Fenster, drehte sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich an.

Ich hielt seinem Blick Stand, auch wenn mir das Herz bis zum Hals schlug, was durch das schnelle Piepen des EKGs deutlich zu hören und auch zu sehen war.

„Was… was willst du hier?“, brachte ich schließlich leise hervor.

„Dich an deine Grenzen bringen!“ Seine Stimme war hart und seine blauen Augen wirkten arktisch kalt, als er mich anblickte.

Ängstlich blickte ich ihn an und ich wünschte mir in diesem Moment, dass mein Herzschlag nicht so schnell und vor allem auch nicht so laut in dem stillem Raum zu hören wäre, denn er zeigte sehr deutlich meine Angst.

„In einer halben Stunde will ich dich in der U4 sehen. Umgezogen in Trainingsklamotten. Haben wir uns verstanden?“

Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich seine Worte in mir aufnahm. Der hatte sie ja nicht mehr alle.

„Hallo?! Ich bin vor ein paar Tagen umgekippt, du kannst mich jetzt nicht einfach so…“

Doch der feine Herr ließ mich nicht weitersprechen.
 
„Ich kann und ich werde! Du hast mich lange genug verarscht. Also sieh zu, dass du deinen Arsch bewegst, sonst schleif ich dich da hin und glaub mir, das wird dir nicht gefallen!“

Ich presste die Lippen aufeinander und nickte dann.

„Gut!“ Damit stieß sich Niklas vom Fensterbrett ab und verließ mein Zimmer. Kurz darauf kam eine Schwester rein und befreite mich von sämtlichen Kabeln und Geräten.

Ich ging duschen, was mich viel Mühe kostete, denn meine Beine wollten mich fast nicht tragen, vom vielen Liegen.

Danach zog ich mich langsam um und ging über die Flure zum besagten Raum.

Ich schluckte, ehe ich ohne anzuklopfen eintrat und mich umsah.

Niklas erwartete mich bereits und schon jetzt kroch eine Gänsehaut in mir hoch. Allein seine Anwesenheit machte mir Angst. Er strahlte Autorität, Sexappeal und Kälte aus.

„Das, was wir jetzt machen, wird ein sogenannter Stresstest werden. Ich will wissen, wie viel Stress dein Körper durchhält. Wie weit kannst du an deine Grenzen gehen, ohne dieses Zeug? Und du wirst an deine Grenzen kommen, das garantiere ich dir.“

Neugier packte mich, aber auch der Ehrgeiz. Ich wollte ihm beweisen, dass ich es konnte, dass ich ohne diese Pillen auskam.

„Noch Fragen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Gut, dann wirst du dich jetzt auf das Laufband begeben!“

Ich folgte ihm zum Band und stellte mich drauf. Da ich einen einfachen Sport BH trug, musste ich diesen nicht ausziehen, als mich Niklas mit dem EKG verkabelte. Die Blutdruckmanschette wurde mir angelegt, ich bekam Sauerstoff über die Nasensonde zugeführt. Der Sauerstoff im Blut wurde über den Pulsoximeter gemessen. Zusätzlich bekam ich eine Infusion angelegt.

„Fang an!“, befahl er mir, nachdem er das EKG eingestellt hatte. Noch war mein Puls bei etwa 65 in der Minute.

Langsam begann ich mich in Bewegung zu setzen und begann locker zu laufen. Ich blendete alles um mich herum aus, konzentrierte mich nur noch auf mich und meinen Körper. Dieser begann sich jedoch schon nach der ersten halben Stunde heftig gegen diese Strapazen zu wehren.

Ich keuchte, mein Körper war mit Schweiß bedeckt, und mein Herz fühlte sich an, als wenn es jeden Moment aus mir herausspringen würde.

Ich mühte mich ab, schloss die Augen und…

„Jana… Jana…“ Jemand verpasste mir eine Ohrfeige, die mich langsam wieder zur Besinnung brachte.

Ich sah mich um und erkannte, dass mich Niklas offenbar auf einen Stuhl gesetzt hatte.

Mir war schlecht, ich zitterte und Tränen rannen mir die Wangen herunter. Sah der Idiot denn nicht, dass ich nicht mehr konnte?

„Komm mit!“ Niklas half mir auf, doch da ich nicht gehen konnte, hob er mich hoch und trug mich kurzerhand zur Liege. Mein Atmen ging stoßweise, keuchend, unregelmäßig.

Langsam ließ er mich darauf nieder und setzte sich zu mir. Er griff nach einem Handtuch und wischte mir den Schweiß von der Stirn und dem Oberkörper.

Seine Miene war besorgt.

„Versuch dich zu beruhigen. Verstehst du jetzt, warum ich das mit dir mach? Ich weiß, dass dich das Zeug umbringt. Deine Lunge kann dem Druck nicht Stand halten und beginnt sich dagegen zu wehren, indem du gequält versuchst, dem Druck Stand zuhalten durch deine flache und falsche Atmung. Die Herzkammern ziehen sich in den falschen Momenten zusammen, wodurch du diesen unausgeglichen Druck spürst und erzähl mir nicht, dass du diesen nicht spürst.“

Er sah mich scharf an.

Ich spürte ihn, jedes Mal aufs Neue. Die einzelne Rippe, die über dem Herzen saß (ich konnte nicht genau sagen, welche es war), tat oft weh. Tiefes und gleichmäßiges Atmen war dadurch kaum möglich. Es war wie ein Stechen, welches verursacht wurde und welches mir das Atmen erschwerte.

Doch das war nicht alles. Zudem hatte ich häufig dadurch Herzrasen, Atemnot und Angst.

Die Atemwege verengten sich und ließen kaum noch Luft zu, so dass ich immer mehr nach Luft japste.

Eine Lungenentzündung war dies schon lange nicht mehr.
 
Nachdem ich geduscht war, befahl mir Niklas im Bett zu bleiben und mich ja nicht von der Stelle zu bewegen.

So erschöpft wie ich war, hätte ich dies eh nicht getan. Mir war klar, dass ich anfangen musste, mich dem, was ich hatte, zu stellen. Sollte ich es nicht tun, würde mein Körper irgendwann komplett dicht machen, wenn er das nicht schon längst getan hatte.

Noch war ich an keine Geräte angeschlossen, so dass ich mich im Bett frei bewegen konnte.

Und obwohl ich mich jetzt einigermaßen gut fühlte, beschlich mich das Gefühl, dass etwas nicht mit mir stimmte.

Langsam atmete ich ein und wieder aus und schloss die Augen, um mich nur auf mich selbst zu konzentrieren. Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht merkte, wie Niklas hereingekommen war. Erst, als ich seine Hand auf meiner spürte, regte ich mich und öffnete die Augen.

„Du kannst ruhig weiter atmen, das beruhigt deine Nerven.“, sagte er etwas gepresst und setzte sich zu mir ans Bett. Er behielt mich im Blick, was mir unangenehm war.

Langsam zog ich meine Hand zurück.

Ohne ein Wort zu sagen, nahm Niklas sein Stethoskop zur Hand. Ich wusste, was nun folgte und doch graute mir davor.

„Ich werde dich jetzt abhören und sollte dir schlecht, schwindlig, oder sonst etwas werden, gib mir ein Zeichen.“ Ich nickte und wandte den Blick ab, ehe ich mein Klinkhemd hinten aufschnürte. Ich trug darunter keinen BH, so das Niklas nun meine blanke Brust zu Gesicht bekam. Doch schämen musste ich mich deswegen nicht. Da wir eine lockere Affäre miteinander führten, wusste ich, dass er mich liebte, dass er meinen Körper heiß und sexy fand.

Gerade jedoch kam ich mir unendlich verloren, ängstlich vor.

Niklas sah mir in die Augen, lächelte mich kurz an, ehe er die kühle Membran oberhalb meiner rechten Brust setzte und mich abzuhören begann.

Ich versuchte es, ich versuchte es wirklich, doch der Schmerz, die Angst war zu groß. Mein Atem veränderte sich, mir schwindelte. Herzrasen überkam mich und ich zitterte. Niklas, der dies wahrnahm, legte beruhigend eine Hand auf meine Schulter, ehe er die Membran weiter wandern ließ.

Die Druckpunkte meines Herzens, die er nun abhörte, ließen ihn die Stirn runzeln. „Jana, ruhig weiter atmen. Langsam ein und wieder aus.“, befahl er mir, doch ich konnte nicht. Etwas in mir zog sich schmerzhaft zusammen, der Druck war kaum auszuhalten und dann… umfing mich rabenschwarze Nacht.

Ich wachte erst wieder auf, als ich langsam wieder zu mir kam. Meine Sinne schärften sich allmählich und doch war ich noch nicht ganz wieder da.

Ich versuchte mich aufzurichten, doch es ging nicht. Was war los mit mir?

„Hast du geglaubt, ich würde nicht merken, was du hier abziehst?“, fragte eine Stimme, die mich zusammenfahren ließ.

Niklas!
 
Ich lag in einem Krankenhausbett, meine Handgelenke waren am untersten Bettrand mit Manschetten befestigt. Das EKG klebte auf meiner Brust und gab nun schnelle, rasche Töne von sich. In meinen Armbeugen und auf den Handrücken waren Infusionen angebracht.

Ich war gefangen. Hilflos gefangen.

Mein Gesicht wurde kreidebleich, als ich seine eiskalten Augen sah, seine kühle, dominante Art, wie er mir gegenüber am Fenster lehnte und mich musterte.

Ich schluckte hart. Langsam kam er auf mich zu, bis er vor mir stand. Er sagte nichts, sondern sah mich einfach nur an und dann…

Mein Kopf schnellte zur Seite, das Klatschen halte in der Stille wieder und ich unterdrückte einen Schmerzensschrei. Tränen waren mir in die Augen getreten, die ich nun mühsam versuchte, zurückzuhalten.

Mein Atem kam stoßweise, schmerzhaft.

„Das war dafür, dass du dich mir widersetzt hast, Jana. Eine zweite hättest du verdient für deine ganze Lügerei. Wag dich das noch einmal und du wirst sehen, zu was ich noch alles fähig bin.“, zischte er mir eiskalt entgegen.

Ich schluchzte auf. „Das… das darfst du…“

„Sag mir nicht, was ich zu tun und zu lassen hab. Ich darf und ich kann. Hast du ja selbst gesehen. Meine Fresse, du gehst mir mit deinem Getue sowas von auf den Sack, das ist ja nicht mehr auszuhalten.“

Stille, nur unterbrochen durch mein Schluchzen und dem hektischen Piepen des EKGs, welches sich langsam wieder normalisierte.

Ich versuchte mich aufzurichten, damit ich besser mit ihm reden konnte. Doch genauso gut hätte ich auch liegen bleiben können, denn Niklas war nicht erpicht darauf, mit mir zu reden.

Stattdessen drehte er sich um und ging – ein Fehler, wie er keine zwei Sekunden wusste.

Ich konnte nichts sagen, nichts tun. Mein Körper entglitt mir vollkommen, bis auf der Schrei, der mich zusammenbrechen ließ. Der mich fast, aber auch nur fast bewusstlos werden ließ.

„Jana. Fuck, Jana!“ In Niklas Stimme schwang Panik mit, als er sich ruckartig umdrehte und zu mir gerannt kam.

Niklas griff neben sich, nahm eine Spritze und setzte diese an meine Kanüle. Währenddessen behielt er meinen Puls im Auge.

„Ruhig atmen. Langsam… scheiße, ich hab gewusst, dass das passiert. Nein, verdammt, du wirst jetzt nicht bewusstlos. Vergiss es – Jana, hörst du?!“

Seine Stimme war rau, verzweifelt. Wie gerne hätte ich ihm gehorcht, wie gerne wäre ich mir selbst nicht entglitten, doch mein Herzschlag ließ dies nicht zu.

Meine Lunge presste mühsam den Sauerstoff in sich hinein, während mein Herz versuchte, im Takt zu bleiben

Schnell und hektisch drangen die Töne des EKGs zu mir durch, ehe mein Kopf auf die Seite fiel und ich bewusstlos zusammenbrach.


„Seit zwei Tagen liegt sie jetzt schon auf der ITS… das macht mich wahnsinnig. Ihre Lunge wird den Riss nicht mehr lange durchhalten können. Und auf Dauer können wir sie nicht beatmen lassen. Die Rippenspitze macht mir Sorgen. Wenn der Splitter abbricht und sich in den Beutel bohrt, dann war´s das.“

„Dann bleibt dir nur noch die OP.“ Stille, dann ein Seufzen.
 
„Nein – die kann ich nicht ohne ihre Zustimmung durchführen. So lange, wie sie nicht in Lebensgefahr schwebt, darf ich sie nicht operieren. Sie steht aber kurz davor… nicht mehr lange.“

Niklas und Rene, ein guter Freund von mir, der ebenfalls Krankenpfleger war, standen vor meinem Zimmer und unterhielten sich.

Sie sahen durch die Glasscheibe zu mir. Ich lag auf der Intensivstation des Krankenhauses und wurde rund um die Uhr bewacht.

Niklas hatte mich in einen ruhigen Schlaf gleiten lassen, der jedoch kein künstliches Koma war. Ich wurde komplett medizinisch überwacht.

„Ich weiß nicht, was mir mehr Sorgen macht. Dass sie so uneinsichtig ist und ihre Gesundheit aufs Spiel setzt, oder die Tatsache, dass ihr Zustand mehr als kritisch ist.“

„Warst du vorhin noch einmal bei ihr?“, fragte Rene und sah Niklas an. Der junge Arzt nickte und fuhr sich mit einer Hand müde übers Gesicht. Ihn nahm der Zustand seiner besten Freundin mehr als nur mit.

„Ja, war ich. Beide Lungenflügel sind stark angegriffen. Ihre Atmung ist schwach, unglaublich unregelmäßig. Ein Weltwunder, dass ihr Herzschlag sich noch in einem regelmäßigem Rhythmus befindet.“

Wieder Stille.

Die Tür glitt auf und Niklas betrat mein Zimmer. Langsam kam er auf mich zu und sah mich stumm an.

Hätte ich seinen Blick jetzt gesehen, wüsste ich, was er fühlte, was er für mich empfand.

Doch ich sah ihn nicht. Ich schlief und rührte mich nicht.



„Das ist jetzt nicht wahr? Sag, das das nicht wahr ist?“

Zwei wütende, erhitzte Stimmen waren zu hören, die sich meinem Zimmer näherten.

„Doch, sieh selbst nach. Sie ist nicht mehr drin.“

Ein Wutschrei war zu hören, als meine Zimmertür aufgestoßen wurde und man auf das leere Bett starrte.

„Ich bring sie um. Ich schwör´s. Dafür wird sie bluten. Wie ist sie hier rausgekommen? Sie ist auf der ITS, sie wird die ganze Zeit überwacht.“

Während Niklas vor Wut, Angst und Sorge über mich nicht wusste, was er tun sollte, befand ich mich am anderen Ende des Krankenhauses.

Ich trug einen weißen, flauschigen Bademantel und passende Latschen dazu über meinem Klinikhemd. Mein leicht blutendes Handgelenk, was vom Rausziehen der Nadel der Infusion herrührte, hatte ich notdürftig mit Taschentüchern abgedeckt.

Damit ich unerkannt blieb, versuchte ich mich wie eine ganz normale Patientin zu verhalten.

Eigentlich hätte ich schon bei den ersten Schritten umkippen müssen, bei den Schmerzen, die ich hatte. Doch ich war ja nicht dumm. Ich hatte mir von einer unbekannten Schwester, die offenbar noch nicht allzu lange hier arbeitete, genügend Schmerzmittel geben lassen.
 
So konnte ich zumindest erst einmal unerkannt bleiben und hatte zudem keine Schmerzen.
Das Krankenhaus war groß und es würde eine Weile dauern, bis man mich fand.
Ich wollte einfach nur noch raus, raus aus all dem hier, was mich in den letzten Tagen so sehr anwiderte.
Ich brauchte frische Klamotten und Geld, also musste ich in mein Zimmer zurückkehren. Doch ich war mir sicher, dass dort einige meiner Freunde und Kollegen stehen und nach mir suchen, auf mich warten würden.
Also musste ich warten, warten darauf, dass die Luft bald rein sein würde.
Irgendwann, nach mehreren Stunden, traute ich mich wieder in mein Zimmer. Es war niemand da, als ich eintrat.
Unter größter Anstrengung und den Schmerzen, die ich versuchte, auszublenden, verzog ich mich in die Duschräume der Schwestern.
Vorsichtig zog ich mich aus, ging duschen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich fertig war. Zum Glück schien keiner in dieser Zeit hereingekommen zu sein, sonst hätte man mich womöglich entdeckt.
Mit warmen Kaputzenpulli, einer dunklen Jeans und festen Schuhen, trat ich vorsichtig aus den Umkleideräumen und sah mich um.
Die Luft schien rein. Mit raschen Schritten durchquerte ich das Klinikum. Immer wieder ermahnte ich mich selbst, nicht stehen zubleiben oder mich umzudrehen.
Erst, als ich durch die großen Schiebetüren der Eingangshalle hindurch gegangen war, und mich einige Schritte von dem hell erleuchteten Gebäude entfernt hatte, blieb ich stehen.
Ich atmete auf. Ich hatte es geschafft. Ich war, ohne entdeckt zu werden, draußen. Draußen in Freiheit.
Doch… wohin nun? Viel Geld hatte ich nicht bei mir, so dass ich nicht mal eben in die Innenstadt fahren konnte.
Doch hinter dem Klinikum lag ein Wald, auf den ich jetzt zusteuerte.
Draußen lag leichter Schnee, wir hatten Mitte November und es war recht kalt. Ob wir Minusgrade hatten, wusste ich nicht. Doch ich begann leicht zu frieren.
Langsam ging ich auf den großen Wald zu, der hinter dem Klinikgelände lag. Es war noch einigermaßen hell, doch schon bald würde die Dunkelheit hereinbrechen. Ich hatte also nicht viel Zeit.
Doch es tat gut – es tat so verdammt gut, endlich einmal alles hinter mir gelassen zu haben, sich völlig frei zu fühlen.
Ich ging weiter auf den Wald zu, vorsichtig und langsam.
Doch keine fünf Meter hatte ich in den Wald gemacht, als ich es merkte. Ich spürte es, es durchzuckte mich wie ein Blitz und ich versuchte mich krampfhaft nicht in die Knie zwingen zu lassen.
„Nein!“, keuchte ich schmerzerfüllt auf. Meine Lunge fühlte sich an, als wenn sie innerlich aufriss; mein Herz raste.
Angst schnürte mir die Kehle zu, als ich seitlich wegknickte und zusammengekrümmt liegen blieb.
Ich japste panisch nach Luft, doch es war eher ein Ringen mit dem Tod, wie es mir schien.
Innerlich verfluchte ich mich für meine unüberlegte Aktion und hätte mir gerne selbst eine Ohrfeige verpasst. Hier würde mich niemand finden.
Ich würde hier sterben. An einer Lungenentzündung, die schon lange keine mehr war. An einem Riss im Herzen? An dem Splitter der Rippe, der sich vielleicht just in diesem Moment in mein Herz bohrte?
Verzweifelt schloss ich die Augen. Mein Atem wurde ruhiger, langsamer. Ich krallte die Finger in den weißen, kalten Schnee. Die Kälte spürte ich nicht.
Ich schloss die Augen, blendete alles um mich herum aus. Keine Ahnung, wie lange ich hier im Schnee, in der bitteren Kälte lag.
Für mich schienen es Stunden, Tage, ja Wochen zu sein. Meine Lippen waren bereits blau angelaufen, mein Gesicht war weiß. Fast so weiß, wie der Schnee. Mein Atem war kaum noch wahr zunehmen. Besinnungslos lag ich dort, hoffte, betete, dass mich jemand fand, dass man mir half.

„Ich hoffe, du hast recht.“
„Ich reiß ihr den Arsch auf, wenn sie hier draußen sein sollte. Oh, glaub mir, ich werde sie eigenhändig…“
Zwei Stimmen, die nicht weit von mir entfernt zu vernehmen waren, kamen in meine Richtung.
Ich war schon lange nicht mehr bei Bewusstsein, so dass ich dies nicht mitbekam. Doch gerade jetzt kam ich langsam wieder zu mir. Meine Sinne schärften sich, bevor ich langsam zu blinzeln begann. Doch ich konnte mich nicht regen.
Nichts klappte. Vorsichtig drehte ich langsam, ganz langsam meinen Kopf und öffnete den Mund.
Doch anstatt eines Tons, kam nichts hervor. Außer, das sich der blütenweiße, reine Schnee unter mir blutrot färbte.
 
„Jana? Verdammt Jana, wo bist du?“
Die Stimmen kamen immer näher, eine Taschenlampe leuchtete umher.
„Was macht dich so sicher, dass sie hier draußen ist, Niklas?“ Lulu warf ihrem Kollegen einen Seitenblick zu, den er mit einem Schnauben beantwortete.
„Weil ich sie kenne. Sie liebt den Schnee. Frag mich nicht, warum. Ich… ahrr, ich könnte ihr gerade echt eine reinhauen, weil sie so dumm ist. Warum macht sie das? Warum?“
„Da… da vorne ist…“ Lulu deutet auf etwas, das vor den beiden lag. Niklas und sie stützten gleichzeitig darauf zu.
„Scheiße… was ist… Niklas… pass auf, sie hat Blut…“
Niklas ließ sich vor mir auf die Knie fallen und tastete mich fahrig ab, ehe er mich zusammen mit Lulu vorsichtig auf den Rücken drehte.
Ihm stand der Schock ins Gesicht geschrieben.
„Scheiße, das darf nicht…“ Fahrig taste Lulu nach meinem Puls, der kaum mehr unter ihren Fingern zu spüren war.
„Nichts… sie…“, flüsterte Lulu und tauschte einen Blick mit Niklas. Der wusste, was nun folgen würde.
„Kopf überstecken und zweimal beatmen.“, wies er Lulu an, während er selbst mir bereits den Pullover mittels seines Taschenmessers entzweigeschnitten hatte und nun meinen Brustkorb freilegte.
Lulu streckte meinen Kopf über, beugte sich vor, öffnete meinen Mund und achtete darauf, dass meine Zunge nicht nach hinten in den Gaumen rutschte. Dann presste sie ihren Mund auf meinen und begann mich rasch zweimal hinter einander weg zu beatmen.
Kurz darauf folgte Niklas. Dieser hatte bereits den Druckpunkt gesucht und begann nun professionell und gewissenhaft mit der Herzdruckmassage.
„Eins…zwei…drei… beatmen.“ Wieder blies Lulu ihren Atem in meine Lungen und fühlte gleichzeitig nach meinem Puls. Sie schüttelte den Kopf.
Niklas setzte die Massage fort. Schweiß stand dem jungen Arzt auf der Stirn und er kniff die Lippen fest aufeinander.
„Wag es ja nicht, mir unter der Hand wegzusterben, hörst du?“, knurrte er, während er verbissen weiter um mein Leben kämpfte.
 
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