• Willkommen auf Traumfeuer.com!
    Registriere Dich kostenlos und mach mit bei Fanart, Fanfiction, RPGs, Rollenspielen und Diskussionen zu Serien/Filmen/Kino

[Supernatural] - Second Life

AW: [Supernatural] - Second Life

So, meine Klausur ist rum, jetzt habe ich endlich Zeit, deinen neuen Teil zu lesen und ein Feedback zu hinterlassen.
Und der Teil gefällt mir richtig gut. Endlich gibt es mal eine Spur in Richtung Sam und damit einen Grund für Dean, endlich nicht mehr ständigen Stimmungsschwankungen zu unterliegen und sich auf das zu konzentrieren, was er am Besten kann: Dämonen in den Hintern zu treten :D

Dass Dean nach Blairs Geständnis denkt, seine kleine Tochter würde gleich nach der Geburt schon mal alles mögliche können und bestenfalls auch gar nicht in die Windeln machen, finde ich irgendwie voll witzig, kann ihn aber auch verstehen, wenn die Kleine jetzt schon so eine Verbindung zu Sam aufbauen kann.
Auf Meg bin ich allerdings wirklich nicht gekommen, irgendwie hab ich die entsprechenden Folgen schon zu lange nicht mehr gesehen *g* Aber sehr interessante Wendung^^

Ich hab auch mal wieder 'ne Lieblingsstelle, nämlich den Schluss:

...dann – so schwor er sich – würde das die letzte lebensgefährliche Aktion sein, auf die er sich einließe. Seine Verantwortung galt jetzt seiner Frau und seinem ungeborenen Kind. Sein Bruder war erwachsen und er hatte ihn alles gelehrt, was er wusste, während seine Tochter ihn noch viele Jahre brauchen würde…

Er schob die Cassette in das 20 Jahre alte Tape-Deck, das er in der Stadt in einem Elektronik-Kramladen als Ersatz für das kürzlich zerschlagene Teil erworben hatte und konzentrierte sich auf seine Art auf die vor ihm liegende Aufgabe – mit ohrenbetäubender Hardrock-Beschallung.
 
Werbung:
AW: [Supernatural] - Second Life

Oh ja - endlich geht was. Ist mir nicht leicht gefallen, Dean so lange im Ungewissen zu lassen *seufz*
Vielen Dank für das tolle FB! *hugs*


* * *


Das Haus war in dieser Nacht nur ein formloser Schatten unter einem Himmel ohne Sterne, als Dean den Rucksack schulterte und den Colt in den rückwärtigen Bund der Jeans schob. Er ließ den Wagen hinter sich zwischen den Büschen stehen, ohne ihn abzuschließen. Man wusste ja nie, ob man nicht möglicherweise sehr schnell verschwinden musste.
Er stand vor dem Tor, das mit der gelben Tatortmarkierung der Polizei versehen und mit einer dicken Kette gesichert war und starrte mit brennenden Augen auf den Ort, an dem er seinen Bruder zum letzten Mal gesehen hatte.
Etwas Böses schien von dem Haus auszugehen, ein Hauch von Hölle…

Ein Ruck ging durch seinen kräftigen Körper, bevor er ansetzte, das Tor zu überklettern. In dieser Sekunde legte sich eine Hand schwer auf seine Schulter und er kreiselte blitzartig herum.

"Du willst die Party doch nicht etwa ohne mich starten, Sohn?" kam es knurrig aus dem Schatten unter dem Schirm der Mütze und Dean sah entgeistert Bobbys untersetzte Statur vor sich.
"Wieso…?" Ihm blieb die Frage im Hals stecken, als Bobby seine Kappe hoch schob und er das giftige Funkeln in dessen sonst eher gleichmütigen Augen sah.

"Junge, ich hab in meinem Leben schon mehr Tricks vergessen, als du überhaupt kennst! Du hast doch nicht im Ernst gedacht, ich falle auf deinen blöden Spruch rein, bleibe brav zuhause sitzen und warte geduldig auf dich?"
Ein wissendes Grinsen überzog das vertraute Gesicht. "Dein Pech, dass ich dich zu gut kenne."

Dean senkte den Kopf und dachte ernsthaft darüber nach, den Älteren einfach k.o. zu schlagen, um ihn von der Gefahrenzone fern zu halten. Aber dann würde er ihm – falls er es überlebte – niemals wieder unter die Augen treten dürfen. Er seufzte.

"Du alter Sturkopf, warum hältst du dich da nicht raus? Jetzt muss ich auf dich auch noch aufpassen", knurrte er und steckte mit einem kühlen Blick aus schmalen Augen die Kopfnuss von Bobby weg.

"Junge, wer hier wohl auf wen aufpassen muss?!"


Für Dean war es ein Leichtes, das Tor zu überwinden und er verkniff sich ein hämisches Grinsen, als er Bobby mühselig rüber klettern sah, weit jenseits der Fitness, die er einmal besessen haben mochte.

Sie folgten demselben Weg zum Haus, den er vor über zwei Monaten bereits zusammen mit Sam gegangen war.
Wie damals knackte er ohne wirkliche Probleme das Schloss der schweren Haustür und sie schlüpften unter den Polizeimarkierungen hindurch ins Haus. Die Sicherheitsanlage war da schon eine andere Herausforderung und normalerweise Sams Aufgabe. Aber das bedeutete nicht, dass er ein Problem damit hatte und er schaffte es, ebenso wie sein Bruder bei ihrem letzten Besuch in diesem Haus, die Anlage kurz vor der Initialisierung des stillen Alarms zu entschärfen. Um keine Aufmerksamkeit bei eventuell vorüber fahrenden Fahrzeugen zu erwecken, schlossen sie die Haustür hinter sich. Sie verzichteten darauf, die riesigen Kronleuchter an der Decke einzuschalten und schauten sich mit Hilfe ihrer Taschenlampen in der großen Empfangshalle um.

Wortlos deutete Dean auf den hohen Durchgang zur Küche und gemeinsam bewegten sie sich, aufmerksam sichernd, in Richtung Verhängnis...
Das Haus schien vollkommen leer, aber Dean wurde das Gefühl nicht los, von nichtmenschlichen Augen beobachtet zu werden, wie eine Mikrobe unter dem Mikroskop. Sorgsam achtete er darauf, Bobby hinter sich zu halten, um ihn nicht unnötiger Gefahr auszusetzen.

"Wo ist Sam verschwunden, Dean?" flüsterte Bobby hinter ihm.

Der ältere Winchester ließ die Waffe einen Augenblick sinken, die er, ebenso wie Bobby seit dem Ausschalten der Alarmanlage im Anschlag hatte und er antwortete mit Bedacht.
"Im hinteren Bereich der Küche ist ein Vorratsraum. Dort hinter einem Regal befindet sich der Zugang zum Keller – und damit zu Mills' Privatmuseum."

Die Lichtspeere ihrer Taschenlampen erhellten immer nur einen kleinen Teil des großen Raumes. Bobby war Dean zwei Schritte voraus, als er den Zugang zur Vorratskammer erreichte. Nach kurzem Blickkontakt mit dem Jüngeren öffnete Bobby mit einem Ruck die Tür.
In diesem Augenblick erhielt er einen Stoß in den Rücken und stolperte haltlos vorwärts, während hinter ihm die Tür zugeworfen und durch einen unter den Knauf geschobenen Stuhl gesichert wurde.

"Sorry, Bobby. Ich kann dich nicht auch noch in Gefahr bringen."

Dean lauschte einen Moment, hörte den Älteren fluchen und nach ihm rufen, bevor er sich umdrehte und dem wirklichen Kellerzugang zuwandte. Die Tür hinter dem nicht wieder vollständig an die Wand zurück geschobenen Regal war nicht wieder verschlossen worden. Wozu auch?
Er lauschte, aber kein Geräusch drang an sein Ohr und so schlich er vorsichtig die Treppe hinunter, immer auf einen Angriff gefasst, aber er gelangte ohne Zwischenfall nach unten. Hier hatte sich nichts verändert, allerdings stand die Tür zur Schatzkammer des Hausherrn einladend offen. Alles roch nach einer Falle und Dean war sich dessen mehr als bewusst. Aber wie schon in der Vergangenheit gab es für ihn nur eine Priorität: Sams Rettung. Er würde buchstäblich in die Hölle gehen, um sein Ziel zu erreichen. Flüchtig erschien Blairs Gesicht vor seinem inneren Auge und er lächelte traurig.

Warum musste er schon wieder eine Wahl treffen?

Die Frustration abschüttelnd schlich er auf leisen Sohlen zur Tür, hinter der noch immer – oder erneut? – diffuses Licht zum Eintreten lockte. Vorsichtig stieß er die Tür mit dem Fuß ein wenig weiter auf. Mitten im Raum, direkt neben dem Schaukasten, aus dem er vor Monaten den Colt wieder an sich genommen hatte, hatte eine große Menge Blut den Boden getränkt. Mit angeekeltem Gesicht schob er sich weiter in den Raum, in Erwartung böser Überraschungen, aber nichts geschah.
Irgendwas an der Form des großen Blutflecks erregte seine Aufmerksamkeit, etwas, das ihm bisher entgangen war. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und er bewegte sich systematisch und konzentriert in Zickzacklinien durch den Raum, den er selbst von nicht allzu langer Zeit um einige Schätze erleichtert hatte.
Sein Blick kehrte immer wieder zurück zu der eingetrockneten Blutlache und wie hypnotisch angezogen näherte er sich der Stelle, wo der Hausherr sein blutiges Ende gefunden hatte.
Dann sah er es. Klein und kaum lesbar hatte jemand ein Wort in das noch feuchte Blut geschrieben: Gotcha!
In derselben Zehntelsekunde, in der sein Verstand es als die erwartete Falle erkannte, leuchtete um ihn herum ein Symbol ähnlich einer Teufelsfalle auf. Der Boden innerhalb des Symbols entmaterialisierte sich und die einzige Reaktion, zu der Dean noch fähig war, bevor er in der Falle verschwand, war ein gezischtes "Sonofa…!"


Der harte Aufprall nahm ihm für einen Augenblick die Luft, dann atmete er zitternd ein und sah sich um, während er die Hand mit dem Colt im Ärmel verbarg.
Er befand sich in einem Raum oder besser einem Saal, so gleißend hell beleuchtet, dass er die Augenlider halb schloss, um überhaupt etwas erkennen zu können.
In diesem Moment wurde die Beleuchtung etwas gedimmt und er blinzelte überrascht.
Der Boden, auf dem er noch etwas benommen saß, bestand aus einem glänzenden, schneeweißen Material, das er nicht bestimmen konnte – oder wollte, denn in dieser Sekunde fesselte etwas anderes seinen Blick.

Sam!

"SAAAAM!" brüllte er und sprang auf die Füße, um zu ihm zu eilen, doch nach wenigen Schritten prallte er vor eine unsichtbare Barriere.

"Sam?" rief er etwas leiser, beherrschter, doch die Gestalt, die zusammen gekauert mitten im hell erleuchteten Raum hockte, reagierte nicht.

Sein Bruder wiegte seinen ausgemergelten Körper im Rhythmus einer Melodie, die nur er hörte und murmelte leise unverständliches Zeug vor sich hin. Seine Haare hingen ihm klebrig in die blicklos starrenden Augen und sein Kinn war mit einem struppigen Bart bedeckt. Genau genommen sah er aus wie einer der Penner in den Slums in New York.

Dean drückte seine Stirn und die Hände an das ebenso unsichtbare wie undurchdringliche Material, das seinen Bruder umschloss und fühlte sich wie ein Besucher im Zoo. Er schluckte hart. Mein Gott, was hatte dieses Schwein Sam angetan?

"Willkommen zur Party, Dean Winchester!"

Dean fuhr zu der sanften Stimme herum.
Der Sprecher war jung, vielleicht 20, und durchaus stilvoll – und ohne Zweifel teuer – gekleidet. Seine schmalen, manikürten Finger wurden von unzähligen Ringen geschmückt und seine Nägel waren in unterschiedlichen Farben lackiert. Die blondierten Haare umspielten elegant – und sehr weiblich – das dezent geschminkte Gesicht mit den vollen roten Lippen.

Dean konnte sich eines Grinsens nicht erwehren.
"Schnucki, bist du Männlein oder Weiblein? Ich vermute, du bist noch unentschlossen, ja?" lästerte er und zwinkerte dem Musterbeispiel eines Toyboys anzüglich zu.

"Immer für einen blöden Spruch gut, nicht wahr?" Der rote Mund verzog sich gehässig. "Mal sehen, ob dir auch noch nach dummen Witzen ist, wenn du deinem Bruder beim Sterben zusiehst!"

"Nur über meine Leiche!" grollte der ältere Winchester.

"Nichts leichter als das, erst spiele ich ein bisschen mit Sam und dann bist du dran!" flötete der Dämon in der hübschen Hülle und seine babyblauen Augen glommen in einem bösen Feuer.

Dean biss die Zähne zusammen, dass sein Kiefer knackte und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
"Wenn du der bist, der ich denke, der du bist…" Dean schüttelte den Kopf über die eigene verdrehte Formulierung, "… dann hast du das schon mehr als einmal vergeblich versucht, richtig – Meg?", zischte er.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sam inne hielt, zu lauschen schien, bevor er begann, mit spinnendünnen Fingern und wie ein Blinder sein Gefängnis abzutasten.

"Seltsam, dass du mich Meg nennst – immerhin war ich auch mal Sam…" Der Dämon ließ ein blitzendes Lächeln sehen, das mehr an ein Zähnefletschen erinnerte.

"Du warst niemals Sam, du Scheißkerl." Deans Blick ging immer wieder zu seinem Bruder, der sich jetzt wie unter Schmerzen die Ohren zuhielt. Tränen rannen über das schmale, bärtige Gesicht.

"Oh, ich war mehr Sam, als du jemals wissen wirst. Dein Bruder ist nicht der gute Mensch, für den du ihn hältst."
Der blonde Charmebolzen zwinkerte Dean kokett zu. "Du darfst mich Akatash nennen… und jetzt will ich ein bisschen Spaß. Wenn du wüsstest, wie langweilig ihr beide doch ohne den anderen seid…tststs…" fauchte das Jüngelchen gereizt und hob in einer unbestimmten Bewegung eine Hand.


* * *

469.232…469.233…469.234…Lautlos murmelte Sam die Zahlen. Er hatte nach der letzten 'Mahlzeit' wieder bei 1 begonnen und hatte keine Ahnung, wie lange die her war, aber sein Magen hatte das Knurren längst aufgegeben. Hunger war ein Dauerzustand, ebenso wie das Zittern - vor Kälte ebenso wie vor Schwäche.

Nicht mehr lange… nicht mehr lange…

Neuerdings beschäftigten ihn auch Halluzinationen. Jetzt gerade glaubte er Deans Stimme zu hören und nachdem er einen Moment gelauscht und sich der Illusion hingegeben hatte, tastete er zum zig-tausendsten Mal die Mauern seines Gefängnisses ab – ohne Resultat…
Die Stimme war noch immer da und zum ersten Mal seit langem stiegen Tränen in seiner Kehle auf.
Dean… warum hatte er ihm niemals gesagt, dass er der beste Bruder war, den er sich nur hätte wünschen können?
Deans Bariton klang ungewohnt kalt und beißend, aber es war Dean und er hielt sich gequält die Ohren zu, sperrte den so schmerzlich vermissten Klang aus.

In diesem Moment fiel heiß gleißendes Licht in seine Augen und der Schmerz schien seine Augäpfel zu verbrennen, bevor er die Lider schließen konnte. Er stöhnte leise und blinzelte, um sich an das ungewohnte Licht zu gewöhnen. Seine Augen schienen verklebt zu sein und er rieb sie mit den Knöcheln so heftig, dass es schmerzte.
Jetzt konnte er mehr erkennen. Die Mauern seines Gefängnisses waren weg! Oder hatten sie niemals existiert?
Er befand sich in einem riesigen, hell erleuchteten Raum, nirgendwo ein stockfinsteres, 2x2x2m kleines Rattenloch. Er ließ die Lider wieder sinken und zählte langsam bis zehn. Jetzt war es endlich passiert: Er war verrückt geworden, total verrückt… oder war er es bereits während der letzten Wochen und Monate gewesen?

Er blinzelte wieder ins Licht und sah direkt in die grünen Augen seines Bruders.


* * *

Das unterdrückte Stöhnen hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Sam blinzelte, schien Mühe zu haben, in die Realität zu finden und rieb sich die Augen.
Dean presste sich an die Barriere, die ihn von dem Jüngeren trennte, wie ein kleiner Junge an die Scheibe eines Spielzeugladens und seine Lippen zuckten unter mühsam unterdrückten Gefühlen.

"Sammy", flüsterte er ungläubig. In dieser Sekunde sah Sam ihm direkt in Augen.

"SAM" brüllte Dean und schlug mit der geballten Faust auf die unsichtbare Mauer ein.

"Typisch für dich, du schlägst auf alles ein, was du nicht verstehst, oder?" lästerte der angemalte Jüngling, womit er nur erreichte, dass Dean sich auf der Hacke umdrehte und kalt lächelnd mit aller Kraft seine an den Knöcheln bereits blutende Faust auf der hübschen, schmalen Nase platzierte. Blondie stolperte zwei Schritte rückwärts und setzte sich auf den dünnen Hintern.

"Scheiße!" Der Dämon fuhr sich mit der manikürten Hand unter die heftig blutende, jetzt nicht mehr so hübsche Nase und seine Augen begannen bedrohlich gelb zu glühen.
Dean nervte wie immer – aber noch wollte Akatash spielen und mit einer lässigen Handbewegung ließ er die Barriere zwischen Dean und Sam in sich zusammen fallen und schleuderte den jungen Mann wie ein Blatt Papier an die weiß glänzende Wand.

"Dean", krächzte der kaum hörbar und ohne erkennbare Gegenwehr.
Der mentale Griff von Akatash drückte ihm die Kehle zu und das Atmen fiel ihm immer schwerer, während seine Füße und Hände unkontrolliert zu zucken begannen.

Der ältere Winchester sah mit vor Wut bleichem Gesicht, wie der Dämon Sam im Würgegriff zu ersticken drohte, ließ mit einer fließenden Bewegung den Colt aus dem Ärmel gleiten und richtete ihn auf die blutige Fratze.
"Lass ihn sofort runter, du Hurensohn!" drohte er heiser.

"Sonst was, Winchester? Schmeißt du dann mit Kugeln?"

Er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein harter mentaler Stoß Dean das Gleichgewicht raubte und ihn zu Boden schickte. Der Aufprall schlug ihm die Waffe aus der Hand und ließ sie weit außerhalb seiner Reichweite rutschen. Gehetzt sah er sich nach Sam um und erkannte voller Entsetzen, dass er nicht mehr viel Zeit hatte – Sams Gesicht begann vom Sauerstoffmangel blau anzulaufen und er würgte heftig.
Dean rollte sich herum, griff blitzschnell an die Messerscheide am Knöchel, und zog den kleinen, dreieckig geschliffenen Dolch heraus. In der Sekunde, in der er ihn auf den Weg in die Kehle des Dämons schickte, betete er, dass das Training mit Blair geholfen haben möge.
Er würde es nie erfahren – der Dolch vollzog kurz dem Erreichen des Dämons eine Wendung, kam zum Werfer zurück und schlug mit voller Wucht in seinen Oberschenkel nahe der Leiste ein, zerstörte in brennendem Schmerz das Muskelgewebe.
Er ächzte gepeinigt auf, ignorierte aber den wilden Schmerz und versuchte, auf die Füße zu kommen, um seinen Widersacher mit den bloßen Händen anzugreifen.
Der war mittlerweile warm geworden und er verzog den vom Blut verschmierten Mund zu einer grinsenden Grimasse, während er sein Opfer gegen die Wand schleuderte. Dean rappelte sich fluchend wieder auf und versuchte, zu Sam zu kommen, aber der Dämon packte ihn höhnisch kichernd und klatschte ihn mehrmals wie einen nassen Wischlappen an die Wand des weißen Nirgendwo, bis er halb bewusstlos und vor Schmerzen stöhnend zusammen sackte.

"Du lernst auch nichts dazu, oder? Schon klar, warum Sam als der Winchester mit dem Kopf gilt und du als der mit der großen Klappe", höhnte Akatash und holte höhnisch lachend zum letzten, zum tödlichen Schlag aus.

Sam hing an der Wand, fest gepinnt wie ein Käfer. In dem Moment, in dem er Dean halbtot am Boden liegen sah, sein Leben in der Hand des Dämons weniger als Staub im Wind wert zu sein schien, zerbrach etwas in ihm. Mauern fielen, die etwas abgeschirmt hatten, das seit Jahren in ihm schlief, das sein Verstand ebenso lange verleugnet hatte.

Das Jadegrün seiner Augen verschwand unter einer matten, silbernen Schicht, träge über die Augäpfel fließend wie Quecksilber, und ein furchterregendes Fauchen hallte durch den riesigen Raum.

Das Geräusch lenkte Akatash von Dean ab. Er drehte sich um und schaute verblüfft auf den jüngeren Winchester-Bruder, der sich urplötzlich und ohne sichtbare Anstrengung aus dem Würgegriff befreite und breitbeinig und ein wenig schwankend auf die Füße kam.

"Akatash! Du bist SOWAS von tot!" brüllte Sam seinen Peiniger hasserfüllt an und ehe der an Gegenwehr auch nur denken konnte, prallte sein geliehener Körper wie ein Pingpongball erst hart an die Wand, dann gegen die Decke, um anschließend haltlos dem Boden entgegen zu stürzen und hart aufzuschlagen.
Das den Sturz begleitende deutliche Brechen diverser Knochen entlockte Akatash ein gequältes Stöhnen. Wieder wurde er von unsichtbarer Kraft hochgezogen und erneut gegen die Wand geschleudert. Beinahe im Zeitlupentempo rutschte er dieses Mal jedoch dem Boden entgegen, wo er wo er mit furchtbar verrenkten Gliedmaßen wie eine zerbrochene Puppe liegen blieb.
Mit gnadenlosem, kaltem Blick hatte Sam Akatashs Körper gelenkt und starrte ihn angewidert an, ganz so wie man eine eklige, schleimige Kreatur anschaut. Er zog dem förmlich Zerbrochenen den Kopf in den Nacken und schlitzte ihm die Kehle von einem Ohr zum anderen auf, ohne auch nur den kleinen Finger zu rühren.
Das Blut sprudelte fast schwarz aus der klaffenden Wunde, die auf makabre Art und Weise aussah wie ein breites Grinsen und spülte das Leben aus dem geliehenen Körper heraus, bevor der Dämon entfliehen konnte.

Unmittelbar darauf sank Sam in sich zusammen. Seine körperliche Kraft hatte gerade noch für diesen einen gewaltsamen Ausbruch ausgereicht und er verlor das Bewusstsein, während sein Bruder fassungslos und entsetzt mit aufeinander gepressten, blassen Lippen auf das Blutbad starrte, das der Jüngere angerichtet hatte…


Dean hatte unbewusst den Atem angehalten, als er Sams Veränderung bemerkte und stieß zischend die Luft aus, als sein Bruder bewusstlos wurde. Er schloss die Augen, umklammerte den Griff des Messers und zog die Klinge aus seinem Schenkel.
"Aaaaahhh…"

Der Schmerz schoss in heißen Flammen durch sein Bein und hoch in die Leiste. Jetzt, da die Klinge die Wunde nicht länger verschloss, floss das Blut.
Er versuchte, den zerstörten Körper nicht zu beachten, der direkt neben ihm in einer noch immer wachsenden Blutlache lag, und kroch leise stöhnend auf seinen Händen und dem unverletzten Bein zu seinem so lange vermissten Bruder, eine verschmierte Blutspur auf dem Boden hinter sich zurück lassend.

Sam lag zitternd und schlaff wie ein Wäschesack auf dem Boden und hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem großgewachsenen, kräftigen Mann, den Dean vor über zwei Monaten zum letzten Mal gesehen hatte.

"Sam? Sam, Mann, komm zu dir, hey!"
Er ignorierte den glühenden Schmerz in der stark blutenden Wunde und hockte sich neben den flach und schnell atmenden Körper des Mannes, der sein Bruder war.
Liebevoll strich er ihm die langen Ponyfransen aus der Stirn, suchte nach sichtbaren Hinweisen auf Misshandlung oder Folter, aber äußerlich schien Sam unverletzt zu sein. Nichtsdestotrotz wirkte er mehr tot als lebendig, so unglaublich schwach und zerbrechlich. Dean rutschte noch etwas näher an ihn heran und bettete seinen Kopf in seinen Schoß.

"Sam… Sammy… tu mir das nicht an…", seine Stimme brach vor Sorge, seinen Bruder gefunden zu haben und ihn möglicherweise gleich wieder zu verlieren. Seine Finger glitten liebkosend über die trockene Haut, die wie Pergament über den Jochbögen spannte.

"Dean?" Kaum hörbar kam das Wort über die rauen Lippen. "Lass mich los – ich dachte, du hast eine Freundin?" flüsterte er und öffnete einen Spalt weit die nun wieder grünen Augen, um in das Gesicht seines Bruders zu schauen, der ihn in seinem Leben noch nie im Stich gelassen hatte.

Die Erleichterung ließ Deans Kopf auf seine Brust sinken und er schämte sich seiner Tränen nicht. Sein Herz schmerzte bei Sams Anblick und die Art und Weise, wie er den Dämon gnadenlos hingemetzelt hatte, verursachte ihm eine Gänsehaut – aber es war Sam, sein Bruder…

...tbc
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Na endlich ist hier mal was los :D
Ich muss sagen, die Szenen mit Action sind dir bereits definitiv besser gelungen, als in der ersten Geschichte, die du hier gepostet hast. Klar, das Hauptaugenmerk liegt nach wie vor auf den emotionalen Teilen, aber hier hältst du die Spannung eigentlich den ganzen Teil aufrecht und lässt die Winchesters den Dämon auch nicht so schnell abfertigen... wobei ich nach wie vor das Gefühl habe, dass das noch nicht alles war, die Geschichte wär ja sonst direkt kurz ;)

Die Falle finde ich übrigens ziemlich gut, das "Gotcha" hat mir schon damals gefallen, glaub, da wär dann sogar ich irgendwann auf Meg gekommen *gg*
Und wie gesagt, auch die restliche Begegnung mit dem Dämon ist gut geschrieben. Dean dagegen könnte ich grad schlagen. Was muss er das Messer auch aus dem Bein ziehen, damit es ja zu bluten anfängt? Ich meine, er könnte das Ding auch einfach drin lassen, dann blutets wenigstens nicht, aber nein, Herr Winchester muss das Teil rausziehen :D

Also, mach mal schnell weiter, damit ihn vll. doch noch jemand vom Verbluten und Sam vom kraftlosen Wegdämmern abhält^^
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Dein Wunsch sei mir Befehl *aye*
Danke für das nette FB zur Kampfszene. Yup, die ist dann schon ein wenig besser gelungen *gg*



* * *


Die Atmosphäre um die beiden flimmerte, die gleißende Helligkeit erstarb und sie fanden sich in einem nur schwach erleuchteten, viel kleineren Raum wieder, den der Ältere als die Schatzkammer des Film-Moguls identifizierte.

"Dean! Sam! Gottseidank, ihr lebt."

Bobby ließ alles stehen und liegen, sprang auf und eilte zu den Brüdern. Er musterte Dean prüfend, sah Schürfwunden, Prellungen und eine breite Blutspur, die sich auf seinem Oberschenkel bis hinunter zum Saum nass ausbreitete.
"Du blutest stark", stellte er fest und holte einige Lagen Verbandmull aus einem Seitenfach des großen Rucksacks.

"Ist nicht so schlimm. Ich bin nur froh, dass er nicht ein bisschen höher gezielt hat", grinste Dean und verdrehte die Augen, als er das Verbandsmaterial fest auf die Wunde presste.
Er deutete auf Sam. "Ihn hat es deutlich übler erwischt."

Wenn Bobby nicht gewusst hätte, wer das menschliche Wrack war, das der ältere Winchester im Arm hielt, hätte er ihn kaum erkannt.
"Bobby, was ist passiert?" Dean mochte Sam noch nicht bewegen, er sollte erst wieder Kräfte sammeln. Er schaute fragend zu seinem väterlichen Freund auf.

"Du verdammter Idiot – wieso hast du mich eingesperrt?" knurrte Bobby.

"Meinst du, es wäre schlauer gewesen, du wärst mit mir zusammen da runter gegangen… wo immer 'da runter' auch sein mag? Dann wären wir jetzt nicht hier, oder?"
Manchmal waren Deans Argumente von zwingender Logik.
"Also, wie hast du uns da rausgeholt?"

Als Bobby diesen Raum betreten hatte, nur wenige Minuten, nachdem die Falle für Dean zugeschnappt war, hatte das Symbol noch schwach geleuchtet und der ältere Mann hatte die blassen Linien mit einem Schlüssel des Salomon überdeckt und eine Beschwörung durchgeführt.
Mit dem letzten Atemzug des Dämons war die Illusion zerplatzt wie eine Seifenblase. Der Raum, in dem Sam gefangen gehalten worden war, schien in einer anderen Dimension gelegen zu haben, die die uns bekannte Realität überlagerte und mit ihrem Schöpfer starb auch sie. Möglicherweise wären Sam und Dean für immer mit ihr vergangen, wenn Bobby nicht 'gehext' hätte.

"Wie gut, dass ich dich nicht sicherer weggesperrt hab, Bobby!"
Dean klopfte dem Bärtigen auf die Schulter und hielt ihm die Hand hin, um sich aufhelfen zu lassen. Er lugte unter die Mullschichten, die zwischenzeitlich fast durchgeblutet waren und stellte fest, dass die Blutung nachgelassen hatte.

"Hilf mir mit Sam, der ist noch nicht wieder ganz bei uns, würde ich sagen", bat er seinen väterlichen Freund und gemeinsam trugen sie den baumlangen jungen Mann die Treppe hinauf in den gigantischen Wohnraum, dessen Außenwände vollständig aus Glas bestanden. Er hatte seit ihrer Rückkehr noch nicht die Augen geöffnet und murmelte in einem monotonen Singsang vor sich hin.

"Yep, auf die feine Ledercouch, Bobby", bestimmte Dean.

Sie ließen Sam auf die dicken Polster gleiten und während Dean versuchte, den Jüngeren zu wecken und beruhigend auf ihn einsprach, holte Bobby ein feuchtes Tuch aus einem der sechs Luxusbäder und legte es Sam auf die vor Schmutz und Schweiß klebende Stirn. Die Kühle des Tuches ließ ihn endlich die Augen öffnen, aber es lag kein Erkennen in seinem Blick, nur tiefe Verwirrung und Unverständnis.

"Was ist mit ihm passiert?" fragte Bobby leise, während er ihm vorsichtig etwas Wasser einflößte. "Der Junge ist ja vollkommen weggetreten."

"Ich hab keine Ahnung, Bobby." Dean zuckte mit den Schultern.
"Sieht ganz so aus, als wäre er bei unserem ersten Besuch direkt in die Falle von Akatash getappt und der hat ihn in einer Art Zelle gehalten, vermutlich während der gesamten letzten zwei Monate."

Bobby kratzte sich am bärtigen Kinn. "Wer, zur Hölle, ist Akatash?"

"Stimmt, das weißt du ja nicht. Akatash, der Schweinehund, den Sam vorhin gekillt hat, war mal Meg und Sam, oder vielmehr in Meg und Sam." Er runzelte die Brauen.
"Jedenfalls hat Sammy ihm blutig den Garaus gemacht – ohne auch nur einen Finger krumm zu machen."

Bobby riss verblüfft die Augen auf. "Wie das?"

Dean schüttelte langsam den Kopf. "Ich hab nicht die leiseste Ahnung, Mann. Er hat ihm erst die Knochen gebrochen und ihm dann die Kehle von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt, ohne ihn anzufassen. Du hättest seine Augen sehen sollen…"

Er schluckte hart bei der Erinnerung an den mattsilbernen, unmenschlichen Blick des Bruders.
"Sie sahen aus wie Quecksilber, vollkommen gefühllos und kalt. Das war nicht Sam… zumindest nicht der Sam, den wir kennen…"
Seine Stimme erstarb und er suchte nach einem Zeichen des Erkennens bei Sam, aber der schien sie nicht wahrzunehmen, hatte sich total in sich selbst zurück gezogen. Zumindest war sein Puls jetzt kräftiger und sein Atem tief und gleichmäßig und er trank immer wieder gierig von dem Wasser, das Bobby Dean in die Hand gedrückt hatte und das dieser seinem Bruder immer wieder einflößte.

"Ich werde Blair anrufen und ihr Bescheid sagen, dass wir Sam haben und es uns gut geht", meinte Dean nach einer Weile und humpelte aus dem Zimmer.


Er ließ es komplett durchklingeln und wählte noch mal. Als sich erneut niemand meldete, versuchte er es auf Blairs Mobil-Telefon und auch hier ging nur die Mailbox an. Mittlerweile beschleunigte die Sorge um Blair und das Baby seinen Puls und er eilte zurück ins riesige Wohnzimmer, in dem Bobby auf der Kante eines gigantischen Ledersessels saß und Sam mit sichtlichen Unbehagen beobachtete. Der starrte wiederum regungslos an die holzgetäfelte Decke und … zählte…

"Bobby, irgendwas ist nicht in Ordnung, ich kann Blair nicht… "

In diesem Augenblick klingelte sein Telefon und er ließ es in seiner Eile beim Öffnen beinahe fallen. "Blair…? Oh, Cassandra, ja, ich bin' s… ich bin okay, und wir haben Sam… Was??? Verdammt, was ist…? Okay, wir sind auf dem Weg. Und du rufst sofort an, wenn es etwas Neues gibt, ja? Sag Blair… nein, ich sag es ihr selbst. Bye."

Er klappte das Telefon zu und ließ sich auf das Ende des Sofas fallen. Mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen.

"Dean?"
Wie erwachend schaute er auf. "Wie wäre es, wenn du mir sagen würdest, was Sache ist?" fragte Bobby ungehalten.

Sam dagegen wirkte vollkommen desinteressiert am Geschehen und Dean schüttelte zähneknirschend den Kopf.

"Nicht genug, dass mein Bruder ein Zombie ist – meine Frau liegt mit Blutungen im Krankenhaus und wird gerade operiert. Verdammt!" Er fuhr sich verzweifelt mit der flachen Hand über das erschöpfte Gesicht.

*
*
*

"Okay, fahren wir."
Bobby fackelte nicht lange. Er packte alles zusammen und mit vereinten Kräften schafften sie es, Sam auf die Beine zu bringen. Von beiden Seiten stützten sie den viel größeren Mann mehr schlecht als recht, aber ein paar Minuten später standen sie vor dem großen Tor, dem letzten Hindernis zwischen ihnen und den Autos.
Sie sahen sich, an Sam vorbei, ratlos an. Wie sollten sie Sam da rüber bugsieren?

"Ich sprenge mit meiner Schrottkarre das Tor, und fahre mit euch zurück. Ist eh' besser, weil ihr beide angeschlagen seid."
Bobbys Vorschlag klang für Dean annehmbar – immerhin hatte er nicht vorgeschlagen, das Tor mit dem Impala zu rammen!
Sam schwankte ein wenig, nur noch von seinem Bruder gehalten, aber er blieb stehen, während sich seine Hand sich in Deans Schulter krallte. Der sah ihn von der Seite an und bemerkte, wie es im Gesicht des Jüngeren arbeitete, er schien mit sich zu kämpfen, schien um Worte zu ringen, aber dann legte sich wieder der Mantel der Gleichgültigkeit über die ausgemergelten Züge und der Moment war vorbei.
Draußen vor dem Tor grollte der PS-starke Motor von Bobbys altem Van auf. Sekunden später donnerte er mit Vollgas heran und sprengte die vorgelegte, schwere Kette und damit das Tor. In einer Staubwolke bremste er den Wagen ab und setzte zurück, um das demolierte Teil wieder in den Büschen vor flüchtigen Blicken vorbei fahrender Autos zu verbergen.

"Sam? Mann, komm schon, einfach einen Fuß vor den anderen setzen", murmelte Dean seinem Bruder zu, der sich so abgehackt wie eine Marionette bewegte, aber zumindest bewegte er sich!

"Wir müssen zuerst an einem Motel halt machen, Bobby. Ich hab's zwar verdammt eilig, nach Hause zu kommen – aber SO halten wir keine zwei Tage im Wagen mit ihm aus." Dean rümpfte vielsagend die Nase, nachdem sie Sam auf den Rücksitz des schwarzen Musclecar verfrachtet hatten.

"Okay – aber ICH bade ihn nicht", beschied ihn Bobby.


Die Tür des billigen Doppelzimmers fiel hinter Bobby ins Schloss, als er sich auf den Weg machte, um etwas Essbares für sich und die Jungs aufzutreiben. Sie hatten in einem kleinen Motel im nächsten Städtchen eingecheckt und Dean konnte ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken, als er Sam auf das hintere Bett nahe dem Bad sinken ließ. Sein eigenes Bett war das an der Tür – wie seit Jahren.

Er schälte Sam aus den Kleidungsstücken, aus denen er offensichtlich seit seinem Verschwinden nicht heraus gekommen war und schmiss sie auf einen Haufen, über dessen Schicksal er noch entscheiden wollte. Höchstwahrscheinlich würde er einfach alles verbrennen.
Als sein 'kleiner' Bruder nur noch mit Boxers bekleidet vor ihm auf dem Bett lag, abwesend und katatonisch, trieb der jammervolle Zustand des sonst so kräftigen, muskulösen Körpers Dean fast die Tränen in die Augen. Jede Rippe stach hervor, die Schlüsselbeine wirkten wie monströse Kleiderbügel und die Haut spannte stumpf und klebrig über den Knochen.
Er schob einige Handtücher unter die langen, mageren Glieder, was ihm wegen seiner eigenen Verletzung einige Mühe bereitete, und begann, seinen Bruder mit Tüchern abzureiben, die er zuvor im Bad angefeuchtet hatte. Währenddessen sprach er unablässig mit ihm, versuchte, ihm irgendwie eine Reaktion zu entlocken. Nachdem er mit der Waschaktion fertig war, zog er ihm ein sauberes Shirt über den Kopf und musterte das blasse, teilnahmslose Gesicht.

"Hey, denk ja nicht, dass ich dich jetzt immer wasche", witzelte er gutmütig und jetzt entdeckte er ein kleines, vertrautes Zwinkern, begleitet von einem Zucken der Mundwinkel.
Dieses winzige Zeichen eines Erkennens ließ ihn beinahe euphorisch werden und er beugte sich mit beschwörenden Worten über den Jüngeren.

"Sam … Sam, du bist zuhause, du bist bei mir. Alles ist gut. Sprich mit mir – bitte."

Sam sah ihn an – und endlich erschien ein Funke von Leben in seinen Augen.
"Ich…" krächzte er, "ich wusste, dass du kommen würdest…" er schluckte krampfhaft und leckte sich über die trockenen Lippen.

Dean ließ seinen Bruder einen Schluck Wasser trinken. "Sammy, ich hab' doch versprochen, dass ich dich immer beschützen würde", seine Stimme schwankte. "Ich würde alles für dich tun…"

"Okay, dann möchte ich ein Bier", flüsterte Sam mit einem schiefen Grinsen, das seine glanzlosen Augen noch nicht erreichte.

Der mehr oder weniger geglückte Versuch eines Scherzes traf Dean mitten ins wunde, aber nichtsdestotrotz glückliche Herz und er wischte eine vorwitzige Träne fort, die es fast unbemerkt bis auf seine Wange geschafft hatte.

*
*
*

Melissa Sinclair saß in ihrem Lieblingssessel und fühlte, wie die Kraft sie verließ, um zu ihrem Ziel zu strömen – zu ihrer Nachfahrin, die in diesem Augenblick das Licht der Welt erblickte.

Die Farben verließen sie, die Töne um sie herum wurden leiser.
Mit leisem Bedauern ging sie. So gern hätte sie ihre Ururenkelin wenigstens einmal gesehen. Fast unhörbar wisperte sie "Willkommen, Melissa Marie Sinclair", und ihre klugen Augen schlossen sich für immer.


*
*
*

Nachdem er Sam vorsichtig und eher schlampig vom Rauschebart befreit hatte, war der erschöpft eingeschlafen und er konnte sich endlich seiner blutverkrusteten Jeans entledigen, die mittlerweile an der Wunde festgeklebt war. Er biss die Zähne zusammen, als er den angetrockneten Stoff von der Verletzung abknibbelte. Es begann wieder stärker zu bluten und er sah erst jetzt, dass das Messer nicht weit entfernt der Leistenarterie eingedrungen war. Er hatte also in zweifacher Hinsicht Glück gehabt: ein wenig höher und er wäre verblutet und etwas höher und mittig und seine Tochter wäre sein einziges Kind geblieben.

Sein Kind… Blair… er starrte zum Mobil-Telefon, als könne er ein Klingeln herbei zwingen, aber nichts geschah – außer, dass ihm aufgrund des leeren Magens und des Blutverlustes übel wurde und er es gerade noch zum Klo schaffte, um sich zu übergeben.

Sein Magen fuhr Achterbahn, aber nachdem er sich gewaschen, die Wunde gereinigt und verbunden und sich die Zähne geputzt hatte, fühlte er sich beinahe wieder wie ein Mensch.
Als Bobby mit seinen Einkäufen zurück kam, erinnerten nur noch eine sich langsam verfärbende Prellung auf dem Jochbogen und die aufgeschlagenen Knöchel der Rechten an seinen Kampf.
Bobby packte die Wundertüten aus und der Geruch von Burgern, Wedges und Barbeque-Soße durchzog den Raum.

"Hunger…" kam es leise, aber eindringlich von Sam. Bobby und Dean grinsten einander an, packten alles auf Sams Bett und freuten sich am Aufleuchten seiner bisher ausdruckslosen Augen. Er biss in einen Burger wie… ja, wie ein halb Verhungerter.

"Junge, langsam, nicht so schnell. So wie du aussiehst, muss dein Magen sich erst wieder an feste Nahrung gewöhnen…" mahnte der Bärtige.

Sam nickte mit vollem Mund und legte den Burger gehorsam nach ein paar Bissen weg, schien zu überlegen, ob er das Essen bei sich behalten könne – und pickte statt dessen an ein paar Kartoffelstückchen.
Der Sound von Smoke On The Water durchbrach die 'gefräßige Stille' im Motel-Zimmer und Dean war schneller denn je am Telefon.

"Dean Winchester! Ja, Cass, wie geht es Blair?"
Er lauschte, dann schloss er die Augen und ließ eine Sekunde das Telefon sinken. Dann überzog ein breites Lächeln sein Gesicht. "Cass, herzlichen Glückwunsch zum ersten Enkelkind! … es geht uns gut, ja, und wir sind in zwei Tagen zuhause. Sag Blair… nein warte, gib ihr und der Kleinen einen Kuss von mir, machst du das? Okay, bis bald."
Er klappte das Telefon zu und wandte sich strahlend dem Rest seiner Familie zu.
"Ihr dürft mir gratulieren! Ich bin jetzt ein Daddy! Blair und unserem Baby geht es gut."
Als sich seine innere Spannung löste, gaben seine Beine unter ihm nach. Er ließ sich auf sein Bett sinken und verbarg das müde Gesicht mit einem erleichterten Seufzer in beiden Händen, während ihm Bobby mit einem breiten Grinsen auf die Schulter klopfte und gerührt seinen Glückwunsch brummte.

Sam hatte Mühe, den Sinn des Gesagten zu erfassen. Die Tatsache, dass das Kind seines Bruders bereits auf der Welt war, verwirrte ihn.

"Dean?" Er tippte dem Älteren schwach mit den dünnen Fingern ans Bein und Dean sah auf, seine gleichmäßigen Züge sichtlich gezeichnet von seelischer und körperlicher Erschöpfung.
"Wie… lange?" Sam kämpfte um jedes Wort, schien erst langsam wieder in die reale Welt zurück zu finden.

"Zwei Monate, Sammy…" nur zögernd beantwortete Dean Sams unausgesprochene Frage.

Dessen Gesicht spiegelte die Emotionen wieder, die in ihm arbeiteten. Einerseits war er geschockt, dass er eine so lange Zeit in dämonischer Gefangenschaft verbracht hatte, andererseits hatte er zeitweise das Gefühl gehabt, sogar Jahre dort verbracht zu haben … zitternd, hungernd, hoffend…

*
*
*
... tbc
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Was für ein schöner neuer Teil! Langsam könnte tatsächlich alles wieder gut sein - aber wie gesagt, ich glaub ja nicht, dass es hier schon aufhört ;).
Aber zumindest in diesem Teil ist alles schön stimmig und a la "Friede, Freude, Eierkuchen"^^ Sam ist gerettet, den beiden Brüdern geht's gut, Melissa ist auf der Welt... Da macht selbst die Tatsache, dass Blairs Ur-Großmutter stirbt, nicht so viel aus, da man weiß, dass der "Circle of Life" mit ihrer Ururenkelin weitergeht und alles einen Sinn hat.

Aber wie gesagt, ich glaube nicht, dass das alles war ;) Von daher: weiter^^
 
AW: [Supernatural] - Second Life

OK -weiter...


* * *


Blair öffnete noch ein wenig schläfrig die Augen, als jemand ihre Hand ergriff und sanft drückte. Dean war da – endlich!

"Rotschopf, warum hast du nicht auf mich gewartet - hattest du Angst, ich flirte mit der Hebamme?"
Er beugte sich über seine Gefährtin und küsste sie liebevoll auf ihre noch etwas blassen Lippen.
Sie griff mit beiden Händen nach ihm und zog ihn zu sich herunter, um ihn zu umarmen. Er fühlte sich gut an und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihn mehr oder weniger heil und gesund wieder hatte, den Vater ihrer kleinen Tochter. Sein warmer Atem strich über ihren Hals, während seine Arme sie wie haltsuchend umklammerten, sich vergewissernd, dass sie wirklich bei ihm war. Er dachte an die schrecklichen Stunden, in denen er hatte befürchten müssen, sie und das Baby zu verlieren, nachdem er seinen Bruder mehr tot als lebendig wiedergefunden hatte und die Erleichterung, sie gesund und munter vorzufinden, ließ ein altbekanntes Brennen in seiner Kehle aufsteigen.

"Geht es dir gut? Du siehst – mit Verlaub gesagt – ziemlich bescheiden aus."
Ihre Fingerspitzen glitten vorsichtig über die Prellung auf seinem Jochbein und die dunklen Bartschatten auf seinen schmalen Wangen. Die Übermüdung hatte tiefe Ränder unter seinen Augen hinterlassen.

"Ich bin in den letzten zwei Tagen kaum zum Schlafen gekommen, weil wir durchgefahren sind, aber ich bin okay. Wie konntest du mir nur so einen Schrecken einjagen?" fragte er vorwurfsvoll, strich ihr eine vorwitzige rote Locke hinter das Ohr und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.
"Hast du sie schon gesehen, Dean? Sie ist so wunderschön." Ihre Augen leuchteten wie Sterne und ihre Wangen nahmen vor Aufregung eine rosige Tönung an.

"Sie KANN nur wunderschön sein – sie ist schließlich deine Tochter – und nein, ich wollte erst dich sehen, meine Süße." Er streichelte unablässig ihre Wange, fühlte die samtige Haut unter seinen Fingerspitzen und sein Blick liebkoste das Gesicht der Frau, die ihm sein Leben zurückgegeben hatte… die sein Leben war.

"Dean, wie geht es Sam, wo ist er?"

Ihre Frage riss ihn aus seinen verträumten Gedanken und er setzte sich auf den Rand des Bettes.
"Sam ist im Moment zuhause bei deiner Mom – aber ich hab keine Ahnung, wie es ihm wirklich geht. Er ist dünn wie ein Kleiderständer und furchtbar schwach. Außerdem zieht er sich geistig immer wieder zurück und reagiert dann nicht auf seine Außenwelt. Dabei zählt er! Du kannst dir nicht vorstellen, wie nervig das ist, wenn dein Beifahrer die ganze Zeit Zahlenkolonnen murmelt: 3254, 3246, 3247… blabla."
Er kratzte sich den Nacken und zuckte ratlos die Schultern.
"Ich hatte erst vor, ihn hierher ins Krankenhaus zu bringen, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass eine fremde Umgebung ihm jetzt weiter hilft. Immerhin bist du Psychologin und aufpäppeln können wir ihn selbst, oder?"

Blair verflocht ihre Finger mit seinen und drückte nachdenklich einen sanften Kuss auf seine verletzten Knöchel.
"Wenn er außer seiner allgemeinen Schwäche körperlich gesund ist, hat er nichts im Krankenhaus verloren, sondern braucht nichts nötiger, als seine Familie. Was denkst du, wie die gucken würden, wenn er von Dämonen, Hexen und Vampiren erzählt?"

Er schmunzelte, als ihm seine lebhafte Fantasie reihenweise in Ohnmacht fallende Krankenschwestern vorgaukelte.

"Dean, ich muss dir was sagen." Blair verschränkte ihre Hände und suchte nach den richtigen Worten.

Dean zog die Brauen argwöhnisch zusammen, als sie zögerte. "Ist etwas mit unserem Baby nicht in Ordnung… oder mit dir?"

"Nein, mir geht es schon wieder prima und unsere Süße ist zwar winzig, aber mopsfidel. Es geht um Nana, Dean … sie ist gestorben." Tränen liefen ihr über das schmale Gesicht, als sie an den großen Verlust dachte, den ihre Familie erlitten hatte – inklusive Dean, der die alte Dame sehr ins Herz geschlossen hatte. Er blieb einen Moment stumm und musste diese Nachricht erst verarbeiten.

"Wann?"
Er knirschte mit den Zähnen und seine Kiefer mahlten. Die alte Lady war auch für ihn zu einer Großmutter geworden und die Zuneigung zwischen ihnen war gegenseitig gewesen. Sie nach so kurzer Zeit wieder zu verlieren, war ein herber Verlust.

"Der Arzt hat den Todeszeitpunkt sehr genau angeben können, da ein Nachbar sie am Morgen gefunden hat. Sie scheint in derselben Stunde gestorben zu sein, in der unsere Tochter geboren ist."

"Das … das ist … unheimlich", kam es stockend über Deans Lippen. "Glaubst du, das hat was zu bedeuten?"

Blair lächelte unter Tränen. "Was für eine Frage von einem Mann, der schon sein ganzes Leben mit Übernatürlichem zu tun hat. Natürlich hat es etwas zu bedeuten. Wir sollten uns warm anziehen – deine Tochter wird so manche Überraschung für uns parat haben. Wollen wir jetzt der Schwester Bescheid sagen oder holst du deine Tochter selber aus dem Kinderzimmer?"

"Darf ich wirklich?" Sein Gesicht strahlte auf wie das eines kleinen Jungen unter dem Weihnachtsbaum und dann war er auch schon weg.


Es war spät am Abend und die Station lag bereits im Halbdunkel der Nachtbeleuchtung, als sich Dean auf dem Flur zu orientieren versuchte, wo das Kinderzimmer wohl liegen könnte.
Weiter hinten im Gang sah er ein beleuchtetes Symbol, das auf die Babystation hinwies und machte sich auf den Weg. Das große Besucherfenster wies das große Zimmer am Ende des Ganges als Säuglingszimmer aus und Dean betrat es auf leisen Sohlen.
An einem der Babybettchen am Fenster stand offensichtlich jemand vom Personal und sah sich das darin liegende Baby an. Dean überlegte, ob er nach seiner Tochter fragen sollte, aber an jedem der kleinen durchsichtigen Betten hing ein Namensschild und so tastete er sich immer weiter vor, bis ihn nur noch wenige Betten von der Person in der letzten Reihe trennte, die ihn in diesem Augenblick ansah.

Weiße Augen leuchteten Dean gespenstisch entgegen und mit einem Wutschrei hetzte er zu dem Bett, in dem nur seine Tochter liegen konnte. Als er nur noch zwei Schritte entfernt war, löste sich die Gestalt in einen dunklen Nebel und anschließend in Nichts auf und ließ ihn zähneknirschend und mit leeren Händen zurück.

Sie hatten Witterung aufgenommen. Verdammt, eine kleine Pause wäre schön gewesen.
Er schloss einen Moment die Augen, um den aufkommenden Zorn zu unterdrücken und seine geballten Fäuste entspannten sich, als eine Bewegung in dem Babybettchen seine Aufmerksamkeit erregte.
Das winzige Kind, das ihn dort aus jadegrünen Augen aufmerksam ansah und leise glucksend mit einem kleinen Fäustchen zu winken schien, hatte ungeheure Ähnlichkeit mit Blair. Ihr Haar war kupferrot wie das ihrer Mama und ihr Blick fesselte ihn und er musste nicht auf das Namensschild sehen, um sicher zu sein, dass das hier zweifellos Melissa war, seine Tochter. Er nahm die Kleine aus dem Bettchen und eilte zurück zu Blair.

"Rotschopf, kannst du aufstehen und dich anziehen, wenn ich dir helfe?" Besorgnis schwang in seiner Stimme, als er mit dem Baby auf dem Arm ins Zimmer fegte, leicht humpelnd, aber höchst motiviert.

"Dean, wir müssen das Kind nicht stehlen – es ist unseres", grinste sie amüsiert und ahnungslos und streckte die Arme nach ihrer Tochter aus.

Dean schüttelte den Kopf. "Lilith war hier und sie war bei Melissa, gerade eben. Wir müssen hier weg – SOFORT!"

Sein entschlossener Ton ließ keinen Widerspruch zu und er legte das Baby auf der weichen Bettdecke ab, um Blairs Kleidung aus dem Spind zu holen und ihr beim Anziehen zu helfen, wobei sein Blick immer wieder neugierig zu dem winzigen Bündel Mensch glitt, das ihn nicht aus den Augen zu lassen schien.

Blairs Bauchwunde war natürlich knapp zwei Tage nach der Schnittentbindung nicht mal ansatzweise geheilt, aber sie verdrängte die Schmerzen – immerhin ging es um das nackte Überleben, ihres und das ihres Kindes. Sie mussten schnellstmöglich ins Haus ihrer Mutter, in dem sie sicher waren.

Nachdem er die Reisetasche geschultert und Blair ihre Tochter in eine Decke gehüllt in ihrem Arm geborgen hielt, öffnete er vorsichtig die Zimmertür und spähte hinaus. Flucht aus dem Krankenhaus – das war selbst für ihn eine Premiere.
Der Gang wurde von der Nachtbeleuchtung nur unzureichend beleuchtet und er bedeutete Blair, ihm, an die Wand gepresst und die Schatten als Deckung nutzend, zu folgen. Nach wenigen Schritten bemerkte er, dass sie ihm nicht folgte, sondern mit schmerzverzerrtem Gesicht, das Baby an die Brust gepresst, an der Wand lehnte und ihn hilfesuchend durch einen Tränenschleier ansah.

Er nahm ihr das Baby aus dem Arm und strich besorgt über ihre bleiche Wange.
"Süße, ich denke, wir müssen zurück. Ich muss einen Rollstuhl holen… oder ich rufe Bobby an."

"Das dauert zu lange. Es geht schon."
Entschlossen biss sie die Zähne aufeinander und marschierte los, während Dean verblüfft die Braue hochzog und ihr dann eiligst folgte.
Er hatte vorgehabt, das Gebäude durch das Treppenhaus zu verlassen, aber angesichts Blairs Zustandes zog er es vor, den Aufzug zu benutzen. Die Türen schlossen sich leise und seine Nackenhaare sträubten sich bei dem Gedanken, möglichen Angreifern mit dem Baby im Arm auf engstem Raum entgegen treten zu müssen. Er atmete erleichtert auf, als der Aufzug in der Lobby der Klinik anhielt und die Türen den Ausgang mit einem leisen 'Pling' freigaben.
Blairs Gesicht hatte eine fahle Blässe angenommen und sie presste eine Hand auf ihren Unterbauch, als sie ihm mit schleppenden Schritten zum Ausgang folgte. Er legte auf dem Weg über den Parkplatz stützend den freien Arm um ihre Taille, aber es schien ihm wie eine Ewigkeit, bis sie den Wagen erreichten und Blair sich erschöpft auf dem Beifahrersitz niederließ.
Er warf die Tasche auf den Rücksitz und ließ sich vorsichtig hinters Lenkrad gleiten. Er konnte es kaum fassen, dass sie das Krankenhaus verlassen hatten, ohne dass seine Tochter auch nur einen Laut von sich gegeben hatte! Die grünen Augen schauten ihn unverwandt an und in ihnen stand viel mehr Bewusstsein, als er bei einem Neugeboren je vermutet hätte.
Außerdem …

"Blair, haben neugeborene Babys nicht immer blaue Augen?"

Sie fühlte sich völlig ausgepumpt und für einen Moment war ihr schwarz vor Augen geworden, als Dean sie mit seiner Frage in die Realität zurück riss.
Schwach lächelte sie ihn an. "Sie ist offensichtlich kein normales Durchschnittsbaby. Mom hat mir erzählt, meine Urgroßmutter habe auch bereits bei ihrer Geburt ihre spätere Augenfarbe gehabt, nämlich bernsteinfarben."

Dean griff nach einer der winzigen Hände und küsste sie andächtig. "Gott, sie ist so schön, Blair."

"…und wir müssen jetzt fahren, sonst schaffe ich es nicht bis nach Hause, Dean", fiel sie ihm mit dünner Stimme ins Wort und streckte die Arme nach ihrer Tochter aus, damit er fahren konnte.

"Blair? Ist alles in Ordnung?" Er startete den Wagen und schaute voller Besorgnis die junge Frau an, die kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen schien.

"Nichts ist in Ordnung! Ich habe eine frische, zehn Zentimeter lange Bauchwunde, unser Baby ist fast einen Monat zu früh dran gewesen und nun kommt ein Dämon und will es töten und wir fliehen bei Nacht und Nebel aus dem Krankenhaus. Und DU fragst mich, ob alles in Ordnung ist??? Verdammt, jetzt fahr endlich", fauchte sie ihn heftig an.

*
*
*

Er hatte Cassandra bereits während der Fahrt von ihrem überstürzten Aufbruch aus dem Krankenhaus benachrichtigt und als er den Wagen in der Einfahrt stoppte, war sie auch schon da, um ihre Tochter zu stützen und ihr ins Haus zu helfen, nachdem Dean ihr viel zu gern seine Tochter abgenommen hatte. Sie sacht in seinem Arm wiegend blieb er auf der magisch gesicherten Veranda stehen.

"Schau, die Sterne, Meli. Jeder einzelne ist ein Engel, der über dich wacht. Du wirst niemals allein sein. Der große leuchtende Stern dort ist deine Großmutter Mary und der da hinten… genau, das ist dein Großvater John."
Deans Stimme brach bei der Erinnerung an seine Eltern und er schluckte die Tränen herunter, die brennend in seiner Kehle aufgestiegen waren.
Er küsste seine Tochter auf die hohe, runde Stirn und drückte sie sanft an sich. Verwundert stellte er fest, dass der Kummer nachließ und das Gefühl der Einsamkeit, das ihn auch in Anwesenheit seines Bruders immer gefangen gehalten hatte, verging. Tiefe Zufriedenheit erfüllte ihn. Die Liebe zu seiner Tochter schien alles in seinem Leben zu relativieren und ins rechte Licht zu rücken.
Er hatte sie, ihre Mutter und Sam – ganz abgesehen von seiner Wahlfamilie Bobby und Cassandra. Wann war er jemals von soviel Wärme und Liebe umgeben gewesen?
Er seufzte und wandte sich vom Sternenhimmel ab, um hinein zu gehen und nach Blair und anschließend nach Sam zu sehen.

"Sag hallo zu deinem Onkel, Mäuschen. Das ist Sam – Sam, das ist deine Nichte Melissa."
Sam hatte wie ein Toter geschlafen, seit Dean und Bobby ihn bei Cass abgeliefert hatten, aber Dean musste ihm einfach seine Tochter zeigen. Er saß auf der Bettkante und hielt das Baby so, dass Sam in das kleine runde Gesichtchen mit den grünen Winchester-Augen sehen konnte. Er wusste nicht, WAS er bei dem desolaten Zustand des Jüngeren erwarten konnte, aber Sams Reaktion haute ihn vom Hocker. Sein Blick war zum ersten Mal seit seiner Befreiung hellwach und er streckte die Hand aus, um mit dünnen, plötzlich ganz ruhigen Fingern die weiche Wange des winzigen Hexenkindes zu streicheln.
Ein sanftes Lächeln verschönte seine hageren Züge und er flüsterte: "Sie ist so süß, Dean."

"Hm, bei DEN Genen…." grinste der stolze Vater und konnte die Wandlung, die sein Bruder in diesem Moment erlebte, kaum fassen. Aber es machte ihn unheimlich glücklich und gab ihm Hoffnung, dass Sam seine Erlebnisse verarbeiten und wieder der Alte werden würde. Ein leises Wimmern und das Schmatzen seiner kleinen Tochter an seinem Finger erinnerte ihn an gewisse menschliche Bedürfnisse und als er sie zum Füttern zu ihrer Mama brachte, folgte ihm Sams Blick zur Tür hinaus.

Eine Stunde später saßen Dean, Cassandra und Bobby jeder mit einer Tasse Kaffee um die Couch herum, auf die Cassandra ihre Tochter genötigt hatte, weil sie dazu neigte, kaum aus dem Krankenhaus wieder alles selbst in die Hand zu nehmen.
Bobby erzählte nochmals, wie er den Brüdern den Weg aus der Dämonenwelt oder wie man diese Dimension auch immer nennen wollte, zurück geebnet hatte und dann warteten alle voller Spannung auf Deans Schilderung der Ereignisse in und um Sams Gefängnis.
Sams körperlicher Zustand sprach eine deutliche Sprache über die Umstände seines … 'Aufenthaltes'.

"Er hockte mitten in einem riesigen, hellerleuchteten Raum, aber nach seiner Körpersprache zu urteilen, glaubte er, sich in einem finsteren, winzigen Loch zu befinden. Er tastete mit geschlossenen Augen wie ein Blinder die Begrenzung eines sehr kleinen Raumes ab und ich glaube nicht, dass er dort genug Platz hatte, um sich aufzurichten."
Dean sprach leise, konzentriert, bemüht, sich von den Emotionen nicht überwältigen zu lassen, die ihn beim jammervollen Anblick seines Bruders erfasst hatten.

"Er klebte vor Dreck, stank wie ein Klo und dass er keine Motten im Bart hatte, lag sicher nur dran, dass es die in Demon-Town nicht gibt. Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie er aussah, bevor ich ihm den kompletten Vollwaschgang verpasst habe!" versuchte er mit Tränen in den Augen zu witzeln … aber keiner der Anwesenden lachte. Sie sahen ihn nur beklommen an, sich der Tragik vollkommen bewusst.

Blair griff nach seiner Hand und hielt sie, ganz bewusst einen Teil seiner Empfindungen in sich aufnehmend, damit er weiter erzählen konnte.
"Du hast gesagt, Sam habe Akatash getötet?" fragte sie vorsichtig.

"Blair, ich weiß nicht…" Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, versuchte, bei dem Gedanken an Sams blutige Rache an seinem Kerkermeister die Fassung nicht zu verlieren.

"Ich verstehe, dass du nicht darüber sprechen möchtest – noch nicht. Aber Dean – falls Sam eine Gefahr für uns darstellt, sollten wir das wissen, oder?" Cassandras Stimme klang belegt. Immerhin war der jüngere Winchester Teil ihrer Familie und sie hatte ihn schon lange ins Herz geschlossen.

Er nickte resigniert und fuhr stockend fort.
"Ich vermute, zusehen zu müssen, wie dieser Schweinehund mich umbringen wollte, nachdem er ihn fast um den Verstand gebracht hatte, hat bewirkt, dass irgendwas in Sam durchbrach, das er sonst unbewusst unter Kontrolle hält."
Dean suchte nach den passenden Worten. "Ich bin allerdings nicht sicher, ob diese Kraft dämonischen Ursprungs ist. Ja, seine Augen verfärbten sich wie bei den Dämonen, die wir kennen. Aber sie waren nicht gelb oder schwarz - sie hatten die Farbe von Quecksilber."

Er holte tief Luft und warf seine Theorie dazu in den Raum – auf die Gefahr hin, dass die anderen ihn für total bescheuert hielten: "Ich habe solche Augen schon mal auf einem Gemälde gesehen…
…auf dem Bild war ein Erzengel abgebildet…"

Einen Moment herrschte sprachlose Stille.

"Okay, wer bestellt die Jungs mit den weißen Jacken?" Dean grinste verlegen und zog demonstrativ das Handy aus der Hosentasche.
"Ihr denkt, ich spinne, richtig?"

Bobby kratzte sich das bärtige Kinn. "Keinesfalls, Junge, warum müssen übernatürliche Kräfte immer dämonischer Natur sein? Ich meine, Melissa und ihre Familie sind der beste Beweis gegen diese Theorie."

Blair hielt noch immer Deans Hand und streichelte gedankenverloren seinen Handrücken. "Diese Fähigkeiten, die er angewendet hat… du hast gesagt, es ist früher schon mal geschehen, dass er übermenschliche Kräfte an den Tag gelegt hat, ja?"

"Hm, ja, mindestens ein Mal, als er Gordon Walker mit bloßen Händen getötet hat. Aber dieses Mal hat er getötet, ohne auch nur einen Finger zu rühren."
Ihm lief ein Schauer den Rücken hinunter, als er an den Ausbruch eiskalter, brutaler Gewalt dachte und sein Gesichtsausdruck hielt die Anwesenden zumindest für diese Nacht davon ab, nach Einzelheiten zu fragen.

"Seine Kräfte können nicht dämonisch sein, Dean. Denk an all die Schutzvorrichtungen, über die dieses Haus verfügt. Wir hätten ihn niemals ins Haus bekommen." gab Cassandra zu bedenken. "Das macht deine Theorie zum Wahrscheinlichsten, was wir haben."

Da es mittlerweile fast zwei Uhr morgens war, vertagten sie ihre Diskussion auf den nächsten Tag. Einmal darüber zu schlafen würde auch nicht schaden.

*
*
*
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Soll ich jetzt schreiben, ich hab's doch gleich gesagt? ;) War ja klar, dass die ganze Sache nicht mit Sams Rettung ausgestanden ist. Wäre so ja schließlich auch direkt langweilig gewesen :D

Ansonsten ist der Teil wie gewohnt gut geschrieben, selbst für einen Übergangsteil, der er ja eigentlich ist. Ich kann mir die kleine Tochter der beiden richtig gut vorstellen, wie sie hellwach alles verfolgt, was um sie herum passiert und vor allem mit diesen tollen Dean-Augen *hach* Der werden die Jungs bestimmt mal scharenweise hinterher laufen. ;)
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Yup, wenn jetzt alles in Butter wär'.... *gähn* ;)


* * *



Sie wusste zwar nicht, welcher Art die Verletzung war, die ihn zwang, das rechte Bein zu schonen, aber vorsichtshalber nahm sie ihre Tasche mit in das gemeinsame Zimmer, als sie sich zum Schlafen zurückzogen.
"Ist nichts Besonderes, Rotschopf. Ich hab' s schon selbst verarztet", versuchte Dean die Verletzung zu verharmlosen.

Blair nickte nur grinsend. Sie ließ sich von ihm nicht hinter' s Licht führen. "Ist mir schon klar, Winchester – ich kann mir lebhaft vorstellen, wie das ausgesehen hat: Pflaster drauf und fertig ist die Laube! Runter mit der Hose!"

"Hey, Süße, meinst du nicht, es ist nach deiner OP noch ein bisschen früh dafür?"
Dean zwinkerte ihr anzüglich zu, schob aber gehorsam die Jeans mitsamt den Shorts von den schmalen Hüften.
Blair biss sich auf die Lippe. Der Verband war nicht schlecht angelegt – für einen Laien – und saß so hoch oben auf seinem muskulösen Oberschenkel, wie es eben möglich war. Demnach befand sich die Verletzung ganz nahe der Leiste. Die Wunde musste ihn während der langen Autofahrt stark geschmerzt haben und das Blut hatte den Verband fast vollständig durchweicht.
Sie schnitt das vom getrockneten Blut hart gewordene Verbandmaterial vorsichtig auf und sah sofort, dass sie es nicht würde lösen können, ohne es zuvor mit warmem Wasser aufzuweichen.

"Leg dich auf's Bett", wies sie Dean an und bedeckte den verkrusteten Verbandmull mit einem nassen Tuch, bis sie ihn vorsichtig abziehen konnte, ohne die Wunde wieder aufzureißen. "Shit, das hättest du nähen lassen müssen, Dean! Es sieht verdammt tief aus!" schimpfte sie.

Er griff nach dem Messer aus seinem Knöchelholster und hielt ihr die Klinge hin. "Genau SO tief", seufzte er voller Selbstmitleid.

"Aha, du hast dich mit deiner eigenen Waffe verletzen lassen. Hatte der andere keine mitgebracht und du hast sie ihm freundlicherweise zur Verfügung gestellt?"

"Jede andere Frau wäre glücklich, ihren Mann lebend wieder zu haben…", maulte Dean, der sich gerade noch das Sam gegenüber obligatorische 'Bitch' verkneifen konnte, und steckte das Messer wieder weg.

"Es tut mir leid", kam es sehr viel sanfter von Blair und sie neigte sich vor, um ihn auf die schmollenden Lippen zu küssen. Ehe sie noch ahnte, was er vorhatte, schlossen sich seine Arme wie Stahlklammern um sie und sein Kuss wurde tiefer und heißer, bevor er sie mit einem resignierten Seufzer wieder frei ließ.
"Ich weiß… wir dürfen noch lange nicht."

Ihr Blick drückte dasselbe Bedauern aus, das er empfand. Er sehnte sich nach ihrer Umarmung – aber dabei würde es auch noch ein paar Wochen bleiben.

Er zog bedauernd die Boxer-Shorts wieder hoch, nachdem sie die Wunde mit einem sterilen Verbandpflaster abgedeckt hatte.
"Wenigstens hab ich die Familienjuwelen gerettet", grinste er breit.

"Das will ich dir auch geraten haben", kicherte Blair und kuschelte sich in Deans Arm, vorsichtig darauf bedacht, ihren Bauch nicht anzuspannen. Einen Moment schwiegen beide, die Nähe des anderen genießend.

"Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe, Blair Sinclair?" flüsterte er rau an ihrem Ohr. "Ich könnte platzen vor Glück, wenn ich unsere Tochter im Arm halte."

Sie legte ihre Hand auf seine Brust, fühlte seinen stetigen, starken Herzschlag und schloss die Augen. Dieses Herz war so groß - es hatte Platz für sie und Meli, für seinen Bruder, Bobby und ihre Mutter und endlich schien auch er daran zu glauben, dass er es wert war, geliebt zu werden.

"Ich liebe dich auch, Dean Winchester, mehr, als ich sagen kann…" erwiderte sie leise.

*
*
*

Sie war erschöpfter, als sie gedacht hatte. Die Nerven aufreibende Flucht aus dem Krankenhaus hatte sie so kurz nach der schweren OP viel Kraft gekostet. Sie schlief wie eine Tote und als Dean in der Dämmerung von einem leisen Quengeln geweckt wurde, glitt er lautlos aus dem Bett, damit Blair nicht erwachte. Er hob sein winziges Töchterchen aus der Wiege und schlüpfte wieder unter die Decke. Kaum hatte er es sich und Meli bequem gemacht, als Blair schlaftrunken zu ihm hinüber langte und ihm kommentarlos das Baby aus dem Arm entführte.

"Hey, was soll denn das?" protestierte er verdutzt.

"Solange du ein Messer unter dem Kissen hast, lasse ich unsere Tochter nicht in dein Bett!" verkündete sie leise, aber bestimmt.

Seine Hand zuckte unter das Kopfkissen und förderte sein rasiermesserscharfes Jagdmesser zutage. Er starrte es an wie einen bösen Geist. Alte Gewohnheiten starben nicht so leicht. Er hatte immer mit einem Messer unter dem Kissen geschlafen, solange er zurück denken konnte – aber das war in einer fremden Umgebung, in immer wieder wechselnden Motels auch angebracht. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er noch immer, auch hier im Haus, in Blairs Bett, auf dieser Waffe geschlafen hatte. Es war ihm ein wenig peinlich und er legte das Messer langsam auf das Nachttischchen.

"Es tut mir leid, Rotschopf, daran habe ich nicht gedacht", wollte er sich entschuldigen, aber sie schüttelte den Kopf.

"Es ist okay, Dean, es war okay für mich. Aber eines Tages wird unsere Tochter nicht mehr so still in deinem Arm liegen, sondern toben und wühlen, und dann sollte ihr tunlichst keine tödliche Waffe in die kleinen Hände fallen, oder?"

"Kein Messer mehr im Bett – versprochen." Er hob beschwörend die Rechte.
"Gibst du sie mir jetzt wieder?" Sein bettelnder Blick hätte einen Stein erweichen können und nach einem innigen Kuss auf die kleine Stirn reichte Blair ihm seine Tochter zurück.

Er bettete sie gekonnt in seinen Arm und streichelte liebevoll das kleine Gesichtchen, während er sie wiegte. Innerhalb kürzester Zeit war Meli wieder eingeschlafen. Blair konnte sich kaum an ihrem weichgespülten Winchester sattsehen. War DAS der kaltschnäuzige und manchmal harte Mann, der zeitlebens seine Gefühle vor sich selbst und der Welt zu verbergen versucht hatte?
Er ließ das schlafende Kind nicht aus den Augen, schmiegte sein Gesicht an die weiche Babywange und sog den typischen Babyduft ein. Selbst im Schlaf klammerten sich die zarten Fingerchen mit erstaunlicher Kraft um seinen Zeigefinger und er lächelte hingerissen.
Sein intensiver Blick traf Blairs und hielt ihn fest, als er sich über das Baby hinweg zu ihr beugte und sie küsste. Die Gefühle, die von ihm zu ihr herüber schwappten, kamen aus übervollem Herzen und waren unmöglich in Worte zu fassen – zumindest für ihn.


Blair war nicht dazu zu überreden, im Bett zu bleiben. Sie wollte am Leben der Familie teilhaben und außerdem war sie neugierig, wie sich Sam in den nächsten Tagen geben würde. Sie hatte ihn am Vorabend nur ganz kurz gesehen und war ansonsten auf die Schilderungen von Dean und Bobby angewiesen, um sich ein Bild von seinem Zustand zu machen. Als Psychologin war ihr klarer als jedem Anderen hier, wie traumatisiert er möglicherweise war, obwohl sie das Ausmaß seiner erlittenen Qualen noch nicht ermessen konnte. Sie rechnete auch nicht damit, dass er sich allzu schnell öffnen würde und hielt es für höchst unwahrscheinlich, dass das Dean gegenüber der Fall sein würde, so sehr Sam seinen Bruder auch liebte. Aber der anerzogene Macho-Kodex der Winchesters und möglicherweise die Scham über das Erlebte würden eine Aussprache zwischen den Brüdern verhindern. Ihre Chancen, zu ihm durchzudringen, waren wahrscheinlich ungleich größer.

Er kam aus seinem Zimmer, langsam und bedächtig, als müsse er über jeden Schritt erst nachdenken, was durchaus der Fall sein konnte, wenn man bedachte, wie lange er keine Bewegung gehabt hatte. Dean wartete, bis Sam saß, in Lauerstellung, um ihm notfalls zu Hilfe zu springen, falls seine schwachen Beine unter ihm nachgaben.
Dann schob er ihm grinsend einen Teller mit Rührei und Toast hin.

"Hau rein, College-Boy. Du siehst aus wie eine Vogelscheuche."

Sein Scherz brachte ihm immerhin ein typisches bitchface von Sam ein, diesen was-redest-du-nur-wieder-für-einen-Scheiß-Blick und Deans Grinsen wurde noch breiter.

Sam schaufelte die Rühreier in sich hinein, als gäbe es kein Morgen… aber das schien Blair normal. Menschen, die gehungert hatten, verspürten meist das Bedürfnis, nachzuholen, was sie versäumt hatten oder einfach auf Vorrat zu essen, falls es wieder zu einem Nahrungsengpass kommen sollte.
Dean stieß sie unter dem Tisch mit dem Fuß an und runzelte beunruhigt die Brauen, als sie ihn daraufhin fragend ansah. Aber sie wusste, was er fürchtete und legte ihre Hand auf Sams Unterarm, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

"Sam, lass dir Zeit – dein Magen wird…" Sie unterbrach den begonnenen Satz, als Sam die Hand vor den Mund schlug, aufsprang und hastig die Küche verließ.

Mit einem heiseren 'Verdammt' sprang Dean auf, um Sam hinterher zu eilen, als Blair ihn am Ärmel fest hielt. "Dean, lass ihn, ich glaube nicht, dass er dich dabei haben will…"

"Ich bin sein Bruder, Blair..." Er entzog ihr seinen Arm.

Schon in der Tür drehte er sich zu ihr um. "Ich weiß, du bist hier die Psycho-Tante – aber ich kenne Sam besser als jeder andere", und sein Blick bat um Verständnis.

Sam hatte sich übergeben und hockte mit käseweißem Gesicht neben dem WC auf dem Fußboden. Er hielt sich den schmerzenden Magen und die viel zu langen Ponyfransen klebten von der Anstrengung durch die Magenkrämpfe an seiner hohen Stirn. Dean enthielt sich jeden Kommentars, befeuchtete ein Handtuch und tupfte seinem Bruder fürsorglich die kaltschweißige Stirn ab, bevor er ihm aufhalf und zusah, wie Sam mit unsicheren Schritten zum Bett wankte und sich darauf fallen ließ.

"Ich fühle mich Scheiße", murmelte er mit geschlossenen Augen und Dean bestätigte:
"So siehst du auch aus, Mann."

Sam öffnete einen Spalt weit die Augen und warf Dean für seine einfühlsamen Worte einen giftigen Blick zu.
Dean stand neben dem Bett, die Hände in den Hosentaschen und sah auf seinen 'kleinen' Bruder herab, der sicherlich einige Zeit benötigen würde, bis er wieder daran denken konnte, mit dem Älteren auf die Jagd zu gehen. Eine Frage brannte ihm auf der Seele.

"Sam…" Er zögerte. "Kannst du dich erinnern, was passiert ist? Ich meine, was geschehen ist, bevor wir diese Dämonen-Dimension verlassen haben?" Gespannt auf die Antwort, fixierte er seinen Bruder mit schmal zusammen gezogenen Augen.

In Sam arbeitete es. Seine Kiefer mahlten und er kaute auf der Innenseite der Wange, während er angestrengt überlegte.
"Du warst plötzlich da und… dann lagst du am Boden und Akatarsch wollte dich umbringen…" Ein herzhaftes Lachen unterbrach Sams Worte und er musterte seinen gröhlenden Bruder irritiert. "Was?"

"Du hast…" Dean schnappte nach Luft. "Du hast ihn echt AkatARSCH genannt?" Er japste und hielt sich den Bauch. "Verdammt, kein Wunder, dass der angepisst war!"

Sams Mundwinkel zuckten und dann grinste er breit… ein Grinsen, das Dean so sehr an den 'alten' Sam erinnerte, dass er beinahe sein eigenes Verbot für Chick-Flick-Momente unterlaufen und Sam umarmt hätte.

"Erzähl weiter."

"Nichts weiter. Ich hab keine Ahnung, was danach geschehen ist. Ich lag auf dieser riesigen Couch aus glattem, kaltem Leder und du und Bobby wart da – und du offensichtlich okay und Gottseidank nicht tot."
Er zuckte mit den Schultern. "Sag du mir, was passiert ist."

Dean wusste nicht, was er sagen sollte, jedenfalls war er nicht bereit, dem Bruder von seinem Gala-Auftritt zu erzählen – zumindest noch nicht.

"Ich hab Hunger." Sam setzte sich auf und rieb sich den Bauch, in dem nun wieder massig Platz sein musste.

Der Moment war offensichtlich vorüber und Dean drängte seinen Bruder vorerst nicht weiter. "Dann lass uns zu den anderen gehen."
Er zog den Jüngeren auf die Beine und sie begaben sich wieder in die Küche, wo Cass lächelnd einige geröstete Toastscheiben vor Sam hinstellte.

"Die werden deinem Magen besser bekommen, als die Eier, Junge."
Sie fuhr liebevoll durch die zerzausten dunkelbraunen Haare und lächelte ihrer Tochter zu, die sich gerade auf den Weg ins Schlafzimmer machte, aus dem energisches Schreien überdeutlich machte, dass ihre Tochter kurz vor dem Verhungern stand. In dem sicheren Gefühl, dass sein Bruder bei Cass und Bobby in guten Händen war, folgte ihr Dean.

*
*
*

"Darf ich…?"

Blair hatte ihr Töchterchen auf die Wickelauflage gelegt und begann, es zu entkleiden, als Dean ihr bittend über die Schulter schaute.

"Meinst du, du kommst klar?" fragte sie und sah ihn skeptisch von der Seite an.

"Ich bin Weltmeister im Windelwechseln…", vermeldete er im Brustton der Überzeugung und schob sich neben sie, um da weiter zu machen, wo sie aufgehört hatte. Geübt und mit sanfter Hand zog er seiner Tochter den winzigen Strampler aus und pflückte sie aus der Einwegwindel.

Blair konnte es kaum fassen. Er hatte tatsächlich nichts verlernt seit der Zeit, als er sich um Klein Sammy gekümmert hatte! Er säuberte Meli und knuddelte dabei mit ihr herum, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, als Babys zu versorgen. Als er mit viel Luft auf den kleinen, runden Babybauch prustete, zappelte seine Tochter ganz aufgedreht und zog eine Schnute, die stark an Deans 'Blue Steel' erinnerte. Blair kicherte und auch der überaus stolze Vater kriegte sich kaum ein über die niedliche Grimasse.

Aber Melis gute Laune wich schnell wieder dem Hungergefühl und Dean beeilte sich, sie frisch anzuziehen, um sie Blair zu überlassen, die es sich zum Stillen auf dem Bett bequem machte. Dean zögerte, das Zimmer zu verlassen.

"Bleibst du bei uns?"
Bittend sah sie ihn an, während sie das Shirt hochzog und das Baby an die Brust legte. Die Intimität dieses Augenblicks war etwas vollkommen Neues für ihn. Brüste waren für ihn bisher ausschließlich Quelle sexuellen Genusses gewesen, aber sie so mit dem Baby zu sehen, rührte ihn bis ins Innerste an.
Er ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder und konnte seinen Blick nicht davon losreißen, wie sich Meli förmlich an der Brustwarze festsaugte und dabei leise, genüssliche schmatzende Laute von sich gab. Ein Tröpfchen Milch entwich dem Mundwinkel des Babys und rann träge an Blairs runder Brust hinab. Instinktiv fing Dean die Flüssigkeit mit dem Finger auf, um sie abzulecken, während sein Blick ihren fesselte, ganz gefangen in der erotischen Intimität dieses Augenblicks.
Blairs Atem beschleunigte sich bei dem Gedanken, dass er es wäre, der an ihrer Brust saugte und in ihrem Unterleib baute sich die vertraute Hitze auf, die nur er in ihr erzeugen konnte.

"Dean…"
Es klang wie ein Schluchzen. Wie sollte sie das nur mindestens vier Wochen aushalten? Ihm nah zu sein, aber ihn nie ganz fühlen zu dürfen, schien ihr vollkommen unmöglich zu sein.

Er atmete ebenso schwer wie sie und seine Augen waren verschleiert vor Sehnsucht. Er schloss einen Moment die Lider und versuchte, sich auf etwas ganz anderes zu konzentrieren. Ihm wollte nichts einfallen außer Baby…Brust…Bauch…Hitze… Leidenschaft…Schweiß…
Verdammt!!!
Er gab es auf und küsste Blair hastig auf die bebenden Lippen.
"Rotschopf, ich… ich muss raus, sorry."

Er strich liebevoll mit der großen Hand über die feine, rote Haartolle seiner Tochter, dabei streiften seine Finger wie zufällig Blairs volle Brust und die Lust durchzuckte sie wie ein Blitz. Sie schloss die Augen, überrascht von der Intensität des Gefühls und als sie sie wieder öffnete, hatte sich die Tür bereits hinter ihm geschlossen.
Sie lächelte gequält. Das sah ihr verdammt nach Flucht aus…

"Ist alles in Ordnung, Dean?"
Cass hatte gerade die Küche aufgeräumt, als er an ihr vorbei stürmte. Er stoppte kurz vor der Außentür und drehte sich mit einem verwirrten Lächeln zu ihr um.

"Alles bestens… übrigens… wie lange ist Sex nach einer Entbindung tabu?", platzte er heraus.
Er konnte kaum glauben, dass er ausgerechnet Blairs Mutter danach gefragt hatte – aber nun war es raus und er grinste schief.

Cass unterdrückte ein Lächeln. Er konnte seine Erregung nicht verbergen – wirklich nicht!
"Vier Wochen solltet ihr schon warten… wohlgemerkt mit dem RICHTIGEN Sex, du weißt, was ich meine?" Sie zwinkerte ihm zu und er runzelte die Stirn. Klar, machte Sinn.

Er brauchte jedenfalls erstmal frische Luft und trat vor die Tür, wo er Sam auf den Stufen der Veranda sitzen sah. Die Tür klappte hinter ihm zu und er lehnte sich an den Rahmen, um Sam zu beobachten. Sein Bruder saß dort still wie ein Denkmal, die Hände entspannt auf den Knien liegend und sah zum wolkenlosen Frühlingshimmel auf.
Das Bild wirkte normal und friedlich, aber Dean lief eine Gänsehaut das Rückgrat hinunter, als er sah, dass sich Sams Lippen beständig bewegten… er schien wieder mit Zählen beschäftigt zu sein. Er hatte sich zu ihm setzen wollen, aber der Bruder hielt sich offensichtlich wieder in seiner eigenen Welt auf, einer Welt, die ihn möglicherweise am Leben gehalten hatte, während er auf den Älteren gewartet hatte… aber nichtsdestotrotz einer Welt, zu der Dean keinen Zutritt hatte und die er nicht verstand.
Deprimiert ließ er den Kopf hängen und schob die Hände tief in die Hosentaschen. Er hatte seinen Bruder nach Hause geholt – aber war er wirklich wieder hier?
Es schien nicht so…

*
*
*
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Das muss ja jetzt eigentlich erst mal Horror pur für Dean gewesen sein, kein Sex.... :D Der Arme tut mir richtig Leid^^
Jedenfalls ist auch der Teil definitiv schön geschrieben, die kleine Meli mag ich schon jetzt total gern und Dean scheint ja als Vater richtig aufzublühen. Finde es allerdings auch besser, wenn er das Messer aus dem Bett nimmt, damit der Kleinen nichts passiert *g*

Und Sam, ja, der tut mir definitiv Leid. Er hat ja doch so Einniges durchgemacht und in diesem Teil sieht man extrem, dass es mit seiner Rettung nicht einfach vorbei ist. Aber das ist an sich sehr realistisch und gefällt mir daher auch gut.
 
AW: [Supernatural] - Second Life

*seufz*... DAS wäre mir mit einem Mann wie Dean auch der pure Horror ;)


* * *


Deans Schlaf war leicht und störanfällig, seit er und Bobby Sam nach Hause zurück gebracht hatten. Dessen offensichtliche Traumatisierung und seine eigenen Befürchtungen bezüglich Sam und seinen Fähigkeiten und deren ungeklärter Herkunft ließen ihn nicht wirklich zur Ruhe kommen und wenn er schlief, dann den dumpfen Schlaf der Erschöpfung.

In dieser Nacht erwachte er mit dem starken Gefühl, Sam brauche seine Hilfe – jetzt.

Er schüttelte den Kopf, versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen. Sein Bruder schlief im Zimmer nebenan und war in Sicherheit. Dean schluckte trocken und stand leise auf, um in die Küche zu gehen. Er brauchte unbedingt einen Schluck Wasser.

Als er auf nackten Sohlen das Zimmer seines Bruders passierte, erweckte dessen raue Stimme seine Aufmerksamkeit. Sie gewann und verlor an Lautstärke und eskalierte in einem heiseren Schrei. Er stieß die Tür einen Spalt auf und schob sich ins Zimmer, die Tür leise wieder hinter sich schließend, um niemanden sonst im Haus zu wecken. Lauschend blieb er an der Tür stehen, um seine Augen an die herrschenden Lichtverhältnisse zu gewöhnen, eilte aber sofort zu Sams Bett, als sich erneut ein dumpfer Schrei aus dessen Kehle löste. Im blassen Mondlicht, das den Raum diffus erhellte, konnte er seinen Bruder erkennen, der zusammen gerollt wie ein Fötus auf seinem Bett lag, die langen Glieder zuckend, als taste er sein enges Gefängnis ab. Seine Lippen bewegten sich monoton wie im Gebet und er warf den Kopf von einer Seite auf die andere, um dann nach Luft zu schnappen wie ein Ertrinkender.

Dean fühlte sich hilflos wie ein Matrose auf dem sinkenden Schiff und er fröstelte, als er sich auf der Bettkante nieder ließ und nach Sams eiskalten Händen griff. Beruhigend sprach er leise auf Sam ein, redete einfach vor sich hin, erzählte von Meli und Blair, davon, wie er den Jüngeren vermisst und wie unsagbar blöd er sich in dieser Zeit gegenüber dem Rest der Familie verhalten hatte.
Sam reagierte auf Deans Worte, wie er es auch in der Vergangenheit bereits getan hatte, er atmete wieder ruhiger, seine Haltung entspannte sich und seine Hände lagen still in Deans, der einfach weiter redete. Als ihm der aktuelle Stoff ausging, setzte er seine Erzählung mit einem vor vielen Jahren selbst zusammen geklöppelten Märchen fort, um Sam weiter ruhig schlafen zu lassen…

Dean erwachte, als die ersten blassen Strahlen der Morgensonne ins Zimmer leckten. Er reckte vorsichtig die schmerzenden Glieder und streckte das verletzte Bein von sich. Er war beim 'Märchenerzählen' eingeschlafen und lag auf der Bettkante neben Sam, der natürlich den Großteil des Bettes für sich mit Beschlag belegte. Dean setzte sich auf und sah sich nach dem Jüngeren um. Der schlief ruhig und die bösen Träume schienen sich im Laufe der Nacht verzogen zu haben, wie seine entspannte Lage zeigte.

Zufrieden schlich er zurück in das Schlafzimmer, das er mit Blair und Meli teilte. Er wollte eben wieder unter die Decke schlüpfen, um noch ein wenig Schlaf mitzunehmen, als ein leises Quietschen aus der Babywiege ihn nach seiner Tochter schauen ließ.

Sie sah ihn aus großen, dunklen Augen an und streckte ihre Händchen nach ihm aus. Er strich sanft über ihre weiche, runde Wange und flüsterte: "Süße, hast du mich zu Sam geschickt?"
Er konnte spüren, wie viel Einfluss dieses süße, kleine Mädchen auf ihn und seine Gefühlswelt hatte. Warum sollte sie nicht auch gefühlt haben, dass Sam ihn brauchte? Immerhin hatten vor einiger Zeit bereits Sams Gefühle und Alpträume Melis Mutter um ihren Schlaf gebracht.

*
*
*

In den nächsten Tagen erholte sich Sam zusehends – zumindest körperlich.
Er gewann wieder an Substanz, driftete aber immer wieder in seine Zahlenwelt ab, in der nur Platz für ihn allein war. Zwischen diesen Phasen grübelte er und seine gequälte Miene deutete darauf hin, dass er nach Gedanken und Lösungen forschte, wo keine zu finden waren. Seine Distanz zum Rest der Familie vergrößerte sich in dem Maße, wie er versuchte, zu ihr zurück zu finden.

Dean versuchte immer wieder, seine Erinnerungen anzuzapfen, aber wie Blair schon vermutet hatte, konnte und wollte der Jüngere nicht über seine Erlebnisse sprechen – und schon gar nicht mit seinem Bruder.


Zwei weitere Wochen vergingen und der gehetzte und ratlose Ausdruck in Sams Augen war noch immer nicht verblasst. Als Dean es nicht mehr aushielt, bat er Blair um Rat.

"Kannst du etwas tun? Glaubst du, mit dir würde er sprechen?"
Er verzweifelte bei dem Gedanken, dass sein Bruder sich nicht von ihm helfen lassen wollte. Dabei musste er zugeben, dass er monatelang nicht anders gehandelt hatte, als er innerlich vor Angst jeden Tag ein bisschen mehr gestorben war, während er darauf wartete, dass sein letztes Stündchen anbrechen würde. Aber das war er – Sam war normalerweise ganz anders.

"Ich weiß es nicht, Dean, aber ich werde es versuchen."

Blair hatte schon eine Idee, wie sie möglicherweise an ihn heran kommen konnte. Sie hatte beobachtet, dass Sam seinen Blick kaum von Klein Melissa losreißen konnte, wenn sie mit ihr in Sichtweite war. Das wollte sie ausnutzen.
Sie wartete ab, bis er sich wieder einmal nach draußen verzogen hatte und eilte dann mit ihrer Tochter im Arm zu ihm auf die Veranda, wo sie sich suchend umsah.
"Sam, hast du Dean gesehen?"

Er schüttelte abwesend den Kopf, ohne sie anzusehen.

"Ich muss Mom unbedingt bei einer Rezeptur helfen, aber ich kann Meli dabei nicht gebrauchen. Ach Sam, nimm du sie doch bitte so lange."

Ohne lange zu fackeln, drückte sie ihm den Winzling in den Arm und flitzte auch schon wieder ins Haus, wo sie hinter der Tür still stehen blieb und beobachtend abwartete, was er tun würde. Hinter ihr betrat Dean das Zimmer und schaute neugierig über ihre Schulter, um zu sehen, was sie draußen so interessierte. Als er Sam sah, der Melissa in seinen riesigen Händen hielt, griff er instinktiv nach der Türklinke, um hinaus zu eilen und sie ihm zu entreißen, aber Blair hielt ihn am Ärmel fest.

"Blair, nicht! Was, wenn er ihr etwas antut? Du hast nicht gesehen…"
Panik klang in seiner Stimme mit, als er sich erinnerte, wie gnadenlos Sam Akatash nieder gemetzelt hatte. Er liebte seinen Bruder – aber er kannte ihn gar nicht mehr!

"Mach dir keine Sorgen, Meli macht das schon, wirklich", besänftigte sie ihn im Vertrauen auf die wundervolle Gabe ihrer Tochter und vollauf davon überzeugt, dass nichts Böses geschehen würde.


Es war wie ein Erwachen. Seine Hände umfassten den kleinen, zarten Babykörper und schienen von allein zu wissen, wie man ein solches Wesen hielt, ohne ihm weh zu tun.
Große jadegrüne Augen schauten ihn an, an sähen sie ihm in die Seele und irgendetwas oder irgend Jemand flüsterte in seinem Kopf "alles ist gut".
Der Gedanke breitete sich in seinem Körper aus, ließ ihn endlich wieder tief durchatmen. Die Panik in ihm, das Gefühl, einen Teil von sich verloren zu haben – es floss ab wie Wasser aus einem Becken, aus dem jemand den Stöpsel herausgezogen hatte.

Ein sanftes Lächeln legte sich um seine Mundwinkel und er legte die Kleine auf seine langen Oberschenkel, um die Hände frei zu haben. Vorsichtig kitzelte er den runden Babybauch und sein Lächeln wurde breiter, als Meli eine Schmollschnute zog und sich leise quietschend unter den neckenden Fingern wand wie ein kleiner Aal. Dann lag sie plötzlich ganz still, sah verträumt zum Himmel und pupste laut und vernehmbar.
Sam lachte.
Er lachte, bis ihm der Bauch weh tat und für einen glücklichen Moment fiel die allgegenwärtige Finsternis von ihm ab. Sonne, Licht, Luft – das Leben war hier und er hatte daran teil. Er lebte, weil Dean ihn zurückgeholt hatte, ihn niemals aufgab. Das war alles, was zählte.

Wenige Schritte entfernt, jenseits der Tür, hätte sich sein Bruder beinahe die Augen gerieben vor Überraschung und er blinzelte, als sich eine Träne in seinen langen Wimpern fing.
Als sein Blick Blairs traf, signalisierten seine Lippen ein tonloses 'danke', und seine Arme umfingen sie stürmisch und voll tiefempfundener Freude.


Wenn es nicht sein kleiner Bruder gewesen wäre, der ihm den Platz als DER Mann im Leben seiner Tochter streitig gemacht hätte, wäre Dean in den nächsten Tagen sicherlich eifersüchtig geworden. Er konnte froh sein, dass ihm sein kleiner Schatz wenigstens in der Nacht gehörte, wenn Blair und er mit ihr allein waren und sie satt und sauber leise in seinem Arm schlief.
Tagsüber ließ Sam seine Nichte nicht aus den Augen und anstatt vor sich hin zu brüten, wiegte er Meli, trug sie herum und sprach zu ihr, als könne sie jedes Wort verstehen. Nach und nach klärten sich seine Gedanken und er wurde nicht mehr von Ängsten und Erinnerungen überrollt, sondern konnte sie wenigstens zeitweise abschalten und sich wieder wie ein Mensch fühlen. Nach zwei Wochen 'Baby-Therapie' hatte er beinahe sein altes Gewicht wieder, trainierte im Garten – zur Freude der Nachbarin – um wieder zu Kräften zu kommen und seine Augen hatten Anteil an seinem Lächeln. Und er lächelte viel, vor allem, wenn das Baby in der Nähe war…

Der Gedanke, dass seine Tochter anders war als andere Kinder, hatte Dean anfänglich beunruhigt, aber nun erkannte er ihre besondere Gabe. Sie konnte durch ihre bloße Gegenwart…. nein, durch körperliche Nähe, Sam seelisch gesunden lassen. Sie heilte… aber sie heilte nicht Körper, sie heilte wunde Seelen. Auch die in ihm selbst verbliebenen Verletzungen, Träume von Dämonen und Höllenhunden, Überbleibsel aus der Zeit, bevor sie seinen Deal mit der Hölle gebrochen hatten, hatte sie ausradiert. Sie war schlicht ein Wunder… sein Wunder. Wenn ein Freak wie er ein so wundervolles Kind haben konnte, war alles möglich…


Die volle Windel landete zielsicher mit einem Plumps im Eimer und der Deckel legte sich ebenso zielsicher über den Eimerrand, um den strengen Geruch nicht mehr hinaus dringen zu lassen.

"Angeber", lästerte Blair von ihrem Beobachtungspunkt aus.

Sie hatte es sich mit einem Buch auf dem Bett bequem gemacht, aber statt zu lesen schaute sie schmunzelnd über den Buchrand hinweg ihrem Freund dabei zu, wie er seine abendliche Dean-Show mit dem Baby abzog.
Aus dem Windelwechseln war ein Wurfwettbewerb geworden und das stinkige Teil wurde zielsicher blind 'eingetütet'. Und seit er irgendwo gelesen hatte, dass es gut für die gesunde Entwicklung von Kindern sei, mit ihnen zu turnen, machte er allabendlich mit den kleinen runden Beinchen Radfahrübungen und knuddelte zwischendurch mit Meli herum.
Seine intuitive Sicherheit im Umgang mit der Kleinen war phänomenal – oder teilte ihm seine kleine Süße mit, was sie gern hatte? Blair wusste es nicht, aber bestand kein Zweifel daran, dass ihre gemeinsame Tochter ein echtes Papa-Mädchen war und ihn längst um die winzigen Fingerchen wickelte.

"Hast du gesehen, dass Bobby mit deiner Mom flirtet?" fragte er unvermittelt.

Als keine Antwort kam, schaute er sich über seine Schulter nach ihr um. Sie saß aufrecht im Bett, das Buch war runtergefallen, ebenso wie ihre Kinnlade.

"Das… das meinst du nicht ernst, oder?"

Dean kicherte leise. Sie war SO sensitiv und hatte es nicht bemerkt? "Findest du es schlimm? Du siehst so entgeistert aus."
Er grinste ins nackte Bäuchlein seiner Tochter und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

"Deine Mom glaubt wohl, ihre Mutter sei jenseits von Gut und Böse", flüsterte er in das kleine rosige Ohr und ein breites, zahnloses Grinsen war die Antwort seiner Tochter. Sie lachte! Er konnte es nicht fassen.
Lachend drehte er sich zu Blair um.

"Siehst du, da lacht sogar deine Tochter! Komm, sei kein Frosch, freu dich, wenn die beiden sich mögen."

"Im Gegenteil, ich finde es toll. Meine Mom hatte so lange keinen Menschen, für den sie mehr empfinden konnte als Freundschaft und Bobby ist ein unheimlich lieber Mann. Ich bin nur überrascht. Wahrscheinlich war ich zu sehr mit meinen Mutterpflichten beschäftigt."

Blair schwang die Beine vom Bett und tapste auf bloßen Füßen zu ihm. "Sie hat gelacht? Hat sie wirklich gelacht? Das ist früh, weißt du, die meisten Babys lachen nicht so früh."

Sie platzte beinahe vor Stolz. Sie nahm ihre mittlerweile von einem perfekten Daddy frisch angezogene Tochter auf den Arm und schritt im Wiegegang mit ihr durch das Zimmer.

Dean lehnte mit dem Rücken am Wickeltisch und sah ihr mit verschränkten Armen bei ihrer Wanderung zu. Gott, wie er sie liebte! Schon sie nur anzusehen, ließ sein Herz wild klopfen.
Sie hatte ihre wenigen überschüssigen Babypfunde fast vollständig verloren und sah unheimlich sexy aus in der weiten, lose auf der Hüfte sitzenden Pyjamahose und dem kurzen Trägertop, das einen breiten Streifen Bauch und Rücken freiließ und dessen tiefer Ausschnitt seine Fantasie beschäftigte. Die mittlerweile fast schulterlangen roten Locken bauschten sich unordentlich um ihr schmales, sommersprossiges Gesicht und ihre Augen… sie leuchteten in einem tiefen Meeresblau, als sie ihn über das kupferhaarige Köpfchen des Babys ansah. Es lag etwas in ihrem Blick, das ihm augenblicklich den Atem nahm und seine Knie weich werden ließ und er begann schnellstens nachzurechnen…

*
*
*

Er grinste voller Vorfreude, als er ihre Art, ihn anzusehen, deutete. Sie zog ihn förmlich mit den Augen aus und so gern er sich auf sie gestürzt und sie ins Bett geschleppt hätte – er wartete. Als sie endlich das schlafende Baby liebevoll in die Wiege bettete, startete sein Herz einen wilden Galopp.

Sie drehte sich wie in Zeitlupe zu ihm um, mit soviel Begehren im Blick, dass ihm heiß wurde. Während sie sich langsam mit schwingenden Hüften auf ihn zu bewegte, stieß er sich von der Kommode ab und kam ihr entgegen.
Sie blieben voreinander stehen, ihre Blicke ineinander verflochten, als wären sie schon vereint, und umkreisten einander langsam, berührten sich aber nicht körperlich. Dean fühlte sich wie unter Strom gesetzt. Zwischen ihnen schien die Luft zu vibrieren und ohne sie aus den Augen zu lassen, zog er mit einer fließenden Bewegung sein Shirt über den Kopf und ließ es achtlos fallen. Mit einem leisen Zucken der Mundwinkel zog Blair nach – und ihr Top über den Kopf mit der mittlerweile vollen, wilden Lockenmähne. Beim Anblick ihrer vollen Brüste, die sich ihm voller Vorfreude entgegen reckten, blieb ihm für einen kurzen Augenblick die Luft weg und mit dem Bett im Rücken blieb er stehen, während er die Knöpfe seiner Jeans öffnete und sie sich von den Hüften schob.
Blair zuckte es bei seinem Anblick in den Fingern, sie wollte so gern… sie wollte…
Aber sie hatte das Spiel begonnen und sie würde es nicht unterbrechen. Sie versuchte, das Beben ihrer Finger unter Kontrolle zu halten, während sie ihre Pyjamahose herunter streifte … sich selbst unter Kontrolle zu halten. Aber seine Reaktion auf ihren nackten Körper war so unmittelbar, so erregend, dass sie, kaum aus der um ihre Füße liegenden Hose heraus gestiegen, sich nicht mehr beherrschen konnte. Mit einem leisen, unterdrückten Schrei sprang sie ihn förmlich an, warf die Beine um seine Hüften und brachte ihn aus dem Gleichgewicht, sodass er nach hinten auf das Bett kippte, das unter diesem Überfall gefährlich quietschte. Dean presste sie mit einem sinnlichen Lachen an sich, ließ sie sein Begehren und die Hitze seines ungeduldigen Körpers fühlen, während er sich mit ihr aufsetzte und seine heißen Lippen ihren lockenden Mund eroberten. Seine Zähne nagten an ihrer Unterlippe und seine Zunge drängte in ihre warme Mundhöhle, wo sie einen verführerischen Tanz mit ihrer begann, bis sie ihren eigenen, wild hämmernden Puls bis in die Kopfhaut spüren konnte. Seine Hände umfassten ihre Brüste und seine Daumen rieben sanft ihre dunklen, erregten Nippel, um dann über ihre Hüften hinunter zur Leiste und zu den Innenseiten ihrer Oberschenkel zu gleiten. Seine Finger begannen ein erregendes Spiel, das sie leise wimmernd den Kopf in den Nacken werfen und ihre Hüften gegen ihn drängen ließ. Sie stützte sich nach hinten auf seinen muskulösen Schenkeln ab und seine heißen Finger in ihr und das Drängen seiner Härte unter ihr ließ sie innerlich verglühen.
Sie zitterte unter seinen Händen wie im Fieber und als er sie leicht anhob, um sie auf sich herabgleiten zu lassen, biss er sich auf die Lippen, um nicht laut aufzustöhnen. Sie umschloss ihn wie ein heißer, feuchter Handschuh und er traute sich einen Moment lang nicht, sich zu bewegen, sondern schloss die Augen, um nicht - von diesem unglaublichen Gefühl und ihrem Anblick angeregt - sofort zu kommen. Er hatte zu lange gewartet, sie wieder lieben zu dürfen, um es jetzt zu ruinieren – für sie und sich selbst.
Als ihr Höhepunkt verebbte, beugte sie sich vor, um in sein angespanntes Gesicht zu sehen. Seine Augen glühten dunkel vor Leidenschaft und er leckte sich über die vor Begehren trockenen Lippen. Sein Brustkorb hob und senkte sich hastig und unter ihren Fingern fühlte sie seinen rasenden Puls. Allein das Gefühl, ihn so erregen zu können, hätte sie beinahe im selben Moment wieder über die Klippe katapultiert. Sie ließ ihre Hände über die flachen, unter ihren Fingerspitzen zuckenden Bauchmuskeln gleiten, zeichnete die Rippen nach. Als ihr das nicht mehr genügte, beugte sie sich über ihn, leckte vorsichtig über seine Brustwarzen und blies dann zart darauf, bis sie sich wie winzige Knöpfchen hart aufrichteten.
Damit war es um seine Beherrschung geschehen. Mit einem tiefen, kehligen Stöhnen stieß er hart in sie, ungeduldig und stürmisch, und als sie den Rhythmus aufnahm und sich mit ihm bewegte, bohrten sich seine langen Finger hart in ihre Hüften und sein Blick bannte ihren auf ihrem Weg in den Abgrund…

"Ich komme mir vor wie damals auf der Highschool", flüsterte er in ihr Ohr.
"Wie… so jung?" flüsterte sie zurück.
"Nein, so schnell", zischte er und gluckste leise.
"Hm… dann müssen wir das wohl noch üben… oder was denkst du?"
Herausfordernd bewegte sie sich mit ihm. Sie lag auf ihm, die Beine angezogen und ihre feuchte Haut klebte an seiner, während sie auf das sich langsam beruhigende Geräusch seines Herzschlags lauschte. Er rollte sich auf die Seite, sie mit der Hand am Rücken an sich gepresst haltend und nicht bereit, sich aus ihr zurück zu ziehen.
Sein gewispertes "gleich… " war eindeutig ein Versprechen.

"Du fühlst dich so gut an, Rotschopf." Er seufzte leise.
"Hab ich dir schon gesagt, wie unglaublich schön du bist?" Worte, die früher meist nur Mittel zum Zweck waren, drangen wie von selbst über seine Lippen, als er in die tiefblauen Augen sah, die unzähligen Sommersprossen zählte, die weichen Lippen mit der Zunge kitzelte.

"Jaaaa… hast du, aber du darfst es so oft sagen, wie du willst", lächelte Blair und küsste ihn federleicht auf die feingezeichneten, vollen Lippen. "Weißt du, was ich dachte, als ich dich zum ersten Mal sah?"

Er blinzelte neugierig. "Nein – was?"

"Ich dachte, der Mann ist viel zu schön. Der wird mich nicht eines Blickes würdigen. Vergiss ihn schnell wieder."

Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Ich glaube, ich war schon verloren, als du so unerwartet an unserem Tisch auftauchtest und zum ersten Mal meine Hand berührtest."

"Das war der Moment, in dem ich wusste, dass du der Mann meines Lebens bist", sagte sie leise und legte ihre Hand um seine stoppelige Wange.

Er griff nach ihren Fingern und bedeckte ihre Handfläche mit kleinen, feuchten Küssen. "Und… dann… hast du… beschlossen, mich zu verführen?"

"Nein – ich dachte nur: Warum kann es nicht Sam sein – der ist viel eher mein Typ." Sie kicherte leise, als sie sein entgeistertes Gesicht sah.

"Das meinst du nicht ernst, oder? Ich meine, du wolltest eigentlich Sam?"

"Was denkst du? Ich wollte Sam und du hast mich einfach umgehauen? Nein, Winchester, ich wusste, ein Mann wie du bringt einer hilflosen Frau wie mir nur Probleme."
Er bewegte sich bedächtig in ihr und grinste anzüglich. "An welche Art Probleme hast du da hauptsächlich gedacht, du unheimlich hilflose Frau?"

Ihre Augen glänzten noch von der Sensation der eben entfesselten Leidenschaft, aber er schaffte es wirklich innerhalb von Minuten, die Hitze in ihr erneut anzufachen. Sie presste sich mit dem ganzen Körper an seine langen Glieder und flüsterte: "Hm… den Verlust jeglicher Selbstbeherrschung vielleicht?"

* * *
 
AW: [Supernatural] - Second Life

>Lilith beobachtete Sam. Sie beobachtete ihn besonders interessiert, seit er endlich seine wahre Natur offenbart hatte.
Als Akatash Sam entführt hatte, war sie versucht gewesen, sich einzumischen. Sam gehörte ihr allein. Aber dann machte es Spaß, zuzusehen, wie Sam sich in seinem Gefängnis fast verlor… aber nur fast.
Sie rieb sich die Hände voller Vorfreude, als Akatash die plumpe Falle für Dean errichtete und der, wie geplant und vorhergesehen, hinein tappte. Allerdings war Lilith klar, dass Dean nicht deshalb in die Falle gegangen war, weil er sie nicht als solche erkannt hätte, sondern eben genau deshalb, weil er wusste, dass er nur auf diesem Weg seinen Bruder wiederfinden würde. Und endlich hatte Sam sein Wesen nicht mehr verleugnet, hatte sich ihrer würdig erwiesen, indem er gnadenlos tötete. Der lächerliche Grund dafür – die Liebe zu einem Sterblichen, dem Bruder - war unwichtig. Diese Gefühle würde er bald hinter sich gelassen haben. Er brauchte noch ein bisschen Ermunterung… dafür konnte sie sorgen und dann musste sie nur noch warten…

Sie konnte warten. Sie hatte Jahrtausende auf ihn gewartet – auf ihren wiedergeborenen Gefährten Samael…<


* * *

"Dean?"
Sam saß auf einer Kiste neben dem Wagen, an dem Dean gerade arbeitete, und reichte dem Bruder die Flasche Bier, die er eben geöffnet hatte.

"Hm, was?"
Der Ältere fuhr sich mit den ölverschmierten Fingern durch das kurze Haar und schaute prüfend zum Himmel, an dem sich mehr und mehr schwarze, drohende Wolkenberge formierten. Er würde nicht mit der Reparatur fertig werden, bevor das Gewitter sie erreichte. Also ließ er die Haube zufallen und lehnte sich mit dem Hintern an den Kotflügel, bevor er einen Schluck aus der Flasche nahm und Sam auffordernd anblinzelte, der zögernd die Flasche zwischen den Fingern drehte.

"Bist du in Ordnung?"
Nachdem ihm Sam monatelang mit dieser Frage den letzten Nerv geraubt hatte, empfand er eine gewisse Genugtuung dabei, jetzt ihn damit zu löchern.
Sam störte sich nicht daran. Er schaute gedankenvoll die Straße hinunter, wandte sich dann seinem Bruder zu und fragte ohne Umwege: "Hast du manchmal das Gefühl, beobachtet zu werden?"

Dean kratzte sich den Nacken, in dem sich Staub und Schweiß zu einer homogenen, juckenden Masse verbunden hatten, und grinste den Jüngeren dann an. "Mist, ist es so offensichtlich, dass wir dich alle anstarren?"

"Blödsinn, du weißt genau, dass ich nicht davon rede!"

"Okay. Wovon genau sprichst du dann?" Dean nahm noch einen Schluck Bier.

"Ich habe das Gefühl schon, seit ich wieder hier bin. Irgendwas oder Jemand starrt mich an. Selbst wenn ich im Haus bin, also eigentlich vor Blicken geschützt, fühle ich mich beobachtet, wie ein Insekt unter dem Mikroskop."
Er sah seinem Bruder in die skeptisch zusammen gekniffenen Augen. "Sag' s ruhig. Ich werde verrückt." Er stützte den Kopf in die Hände und raufte sich die dunklen Haare, die ihm mittlerweile bis auf den Hemdkragen reichten.

"Hm, du bist zwar manchmal eine furchtbare Nervensäge…", Dean grinste flüchtig. "… aber nein, verrückt wirst du sicher nicht. Deine Visionen waren nie falsch – oder zumindest selten – warum also solltest du jetzt daneben liegen?" Nachdenklich schaute Dean auf den dunklen Kopf vor ihm und hätte am liebsten tröstend darüber gestrichen.
Gott, wann war er so weich geworden? Er grinste über die emotionalen Anwandlungen, die ihn neuerdings erfassten – und nicht wenig verwirrten. Vater zu sein, schien ihm diesbezüglich nicht zu bekommen…

"Was tun wir also? Können wir überhaupt was tun?" Sam stand von der Kiste auf und ging vor dem Wagen unruhig mit langen Schritten auf und ab.

"Ich hab keinen Schimmer. Wir können Bobby fragen, was er davon hält. Aber höchstwahrscheinlich wird uns nichts übrig bleiben, als abzuwarten. Solange du nur eine Ahnung hast, haben wir nichts in der Hand."
Dean zuckte bedauernd mit den Schultern und trank sein Bier aus, während er möglichst unauffällig den Blick über die umgebenden Vorgärten schweifen ließ. "Lass uns reingehen, bevor es richtig los geht."

Die ersten schweren Regentropfen zerplatzten auf der schwarzglänzenden Motorhaube des Impala und beide sprangen über das Geländer auf die geschützte Veranda, um von dort dem beginnenden Naturschauspiel zuzusehen. In Windeseile leerte sich die bis dahin noch von spielenden Kindern belebte Vorstadtstraße und innerhalb weniger Minuten war es so dunkel, als stünde die Nacht kurz bevor. Die eben noch frischen Frühlingsfarben verblassten zu gedämpften Grautönen. Schiefergraue Wolken bedeckten den Himmel und Blitze zuckten in kurzen Abständen über den Himmel.

"Weißt du noch, wie oft du mich früher trösten musstest, weil ich Angst vor Gewittern hatte?"
Sam lehnte am Pfosten der Veranda, die Hände in den Hosentaschen vergraben und sah lächelnd zu seinem Bruder, der in ähnlicher Haltung den anderen Pfosten 'stützte'. Dessen Gesicht wurde in Abständen vom weißen Licht der Blitze beleuchtet und wirkte mit seinen klar gezeichneten Linien wie das eines Helden einer Graphic Novel.

"Yeah… und dabei hab ich mir selbst oft genug vor Angst fast in die Hosen gemacht", grinste er. "Aber ich war der Ältere. Wer sonst hätte diesen Job machen sollen?" Sein Blick verlor sich im glitzernden Regengrau vor dem Haus.

"Richtig… wer sonst?" murmelte Sam fast unhörbar.
Es war überflüssig, über die Versäumnisse des Vaters zu lamentieren, dafür war ihm dieser friedliche Moment zu wertvoll.
Gedankenvoll beobachtete er seinen Bruder, den Fixpunkt in seinem Leben. Seit er sich wieder als Mensch fühlte, sortierte er die Puzzle-Teile dieser zwei Monate, in denen er nur mehr existiert, aber nicht wirklich gelebt hatte und er wusste, zumindest in einem Punkt konnte ihm nur ein Mensch Auskunft geben.
"Dean, ich will es wissen", sprudelte es aus ihm heraus. "Was ist mit Akatash geschehen und wie sind wir da raus gekommen?"

Sein drängender Tonfall lenkte Dean vom Schauspiel der Blitze ab, die so schnell aufeinander folgten, dass sich ein kompliziertes, verästeltes Netzwerk bildete und dessen Anblick ein Bild in seinem Kopf aufflackern ließ, eine flüchtige Erinnerung wie aus einem anderen Leben, die er nicht zuordnen konnte. Der Gedanke zerfaserte wie Nebel im Sonnenlicht und er konzentrierte sich auf die Frage seines Bruders – vielmehr darauf, was er ihm eigentlich nicht hatte erzählen wollen. Aber ihm war immer klar gewesen, dass er die Umstände seiner Rettung aus dem Verlies des Meg/Sam/Akatash-Dämons nicht ewig vor Sam verheimlichen können würde. Dazu war sein Bruder viel zu klug und vor allem zu neugierig.

"Bobby hat das Tor zu dieser Dimension wieder geöffnet und uns dorthin zurück geholt, wo wir beide in Falle gelaufen sind – in die Schatzkammer von Mills."
Er antwortete betont ausdruckslos, als sei nichts Besonderes geschehen, in der vagen Hoffnung, Sam würde sich damit abspeisen lassen. Aber eigentlich wusste er es besser.

"Dean, versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen. Du weißt genau, was ich meine, nämlich den Teil der Geschichte, um den du schon seit Wochen einen Bogen machst!"
Zum ersten Mal seit langem wurde Sam laut, sein Tonfall schneidend. Er wollte sich nicht mehr hinhalten lassen und sein Bauch sagte ihm deutlich, dass Dean ihm etwas Ungeheures verschwieg.

Der Ältere wandte sich zu ihm um und suchte nach den richtigen Worten, etwas, das ihm schwer fiel, besonders in diesem Fall.
"Du hast ihn getötet, Sam." Seine Stimme war leise und er wich Sams Blick aus.

"Wie?" hakte Sam heiser nach. Dean schwieg einen Moment, dann sah er seinem Bruder fast verzweifelt direkt in die Augen.

"Du hast ihm erst alle Knochen gebrochen und ihm anschließend die Kehle aufgeschlitzt." Keine Ausreden mehr - Lügen hätte Sam durchschaut und zu beschönigen war in diesem Fall nichts.

Er brach nicht zusammen.
Sam hatte damit gerechnet, dass etwas Ungewöhnliches, möglicherweise etwas Bizarres geschehen war, zu lange hatte Dean das Thema gemieden. "Aber wie? Ich bin niemals stark genug, einen Dämon zusammen zu schlagen oder mit dem Messer auch nur in die Nähe seiner Kehle zu kommen, und erst recht nicht nach zwei Monaten bei Wasser und Brot…"

"Du hast ihn nicht angefasst, Sam. Du hast keinen Finger gerührt. Du hast ihn tot sehen wollen und den Rest hast du mit deinen Gedanken getan."

Es fiel Dean nicht leicht, seinem Bruder die Wahrheit zu sagen. Sam war davon überzeugt, eines Tages dem dunklen Ursprung seiner Fähigkeiten zu erliegen und erwartete ernsthaft von Dean, ihn in diesem Fall zu töten, wie es ihm vom Vater aufgetragen worden war. Der Ältere hatte niemals daran geglaubt, dass es soweit kommen würde – nicht glauben wollen! - und auch jetzt war er nicht sicher, dass das, was er gesehen hatte, wirklich dämonischer Natur war.
Sam schwieg. Er versuchte Deans Worte zu verarbeiten und seine Augen schweiften unruhig hin und her, schienen nach einem sichtbaren Ausweg zu suchen.

"Das heißt, ich bin ein Dämon und Dad hatte Recht." Zäh wie Teer tropften die Worte aus seinem Mund, schienen sein Todesurteil zu besiegeln. "Du wirst mich töten müssen, Dean."

"Du redest Blödsinn. Denk mal nach. Könnte ein Dämon dieses Haus betreten? Und glaubst du, ein Dämon könnte ein Kind wie Meli hinter's Licht führen?" Dean hatte sich vorgebeugt und sah Sam beschwörend ins zerquälte Gesicht.

"Sam! Ich habe da keinen Dämon gesehen außer Akatash. Du hast mir das Leben gerettet. Er hatte mich an den Eiern und um Haaresbreite wäre ich doch noch in der Hölle gelandet, wenn du nicht gewesen wärest! Du bist ausgerastet, als er die Hand zum tödlichen Schlag gegen mich hob. Du hast deine Fesseln gesprengt und ihn getötet – und dann bist du zusammengebrochen! Klingt das nach einem Dämon?" Er hatte nach Sams Armen gegriffen und schüttelte ihn leicht, suchte seinen Blick, der ihm auszuweichen versuchte.

"Störe ich?"

"Ja!" kam es unisono aus zwei Winchester-Kehlen, bevor sich zwei Paar grüne Augen zu dem Neuankömmling umdrehten. Von beiden unbemerkt hatte Blair die Veranda betreten.

"Okay. Hört auf zu zanken, dann stör ich auch nicht. Ich will Meli ihren ersten Regenbogen zeigen." Sie musterte die angespannten Gesichter der Brüder und ohne zu erkennen zu geben, dass sie die letzten Sätze ihrer Unterhaltung im Haus belauscht hatte, drückte sie kurz entschlossen Sam seine aufgeregt zappelnde Nichte in die großen Hände.
Dean sah sie fragend an, vertraute aber auf ihre Intuition, wie meist.

"Blair, bitte, du weißt nicht, was du tust. Ich meine… ich weiß nicht, ob…" Sams Stimme stockte und er sah seinen Bruder flehend an. "Erklär's ihr – bitte…"

Die kleinen Hände griffen nach seiner Nase und ein breites, zahnloses Grinsen erhellte das niedliche runde Gesicht. Seufzend bettete er die Kleine bequem in seinen Arm und wartete… wartete darauf, dass Dean Klartext redete, darauf, dass er seine Lieblingsnichte nie wieder sehen würde.

Dean schüttelte nur den Kopf. "Du Starrkopf hast nichts verstanden, überhaupt nichts. Ich sage es dir noch einmal zum Mitschreiben: Ich vertraue dir. Du bist mein Bruder. Du bist KEIN Dämon. Alles klar soweit?"

Er stieß die Fäuste in die Hosentaschen und dreht sich demonstrativ zu dem herrlichen, farbenprächtigen Regenbogen um, der einer Brücke gleich die Stadt überspannte, das Baby seinem Bruder demonstrativ ausliefernd.
Sam wandte sich an Blair und hielt ihr hilfesuchend ihre Tochter hin.

"Du weißt nicht, was ich bin, Blair. Bitte, du darfst mir Meli nicht anvertrauen. Was, wenn ich ihr weh tue?"

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte betont freundlich zu ihm auf: "Dann reiße ich dir höchstpersönlich den Arsch auf, Sam. Aber das sehen wir dann."

Als sie sich zu Dean umdrehte, legte der seinen Arm um sie und seine Lippen flüsterten ein lautloses "Ich liebe dich", bevor er sie an sich zog.

Sam drückte das Baby an sich und schaute auf den kupferroten Haarflaum hinab, unentschlossen, was er tun sollte. Er fürchtete, dass sein Bruder einfach alles zu rosig sah, und er wusste, dass Dean immer und jederzeit eine Entschuldigung für ihn, den kleinen Bruder, finden würde. Im Moment, nach dieser Offenbarung, hätte er selbst jede Wette abgeschlossen, dass da etwas Dämonisches in ihm an Kraft gewann, das er nicht kontrollieren konnte. Wann würde er zu einer Gefahr für seine Umgebung werden?

Der Regenbogen war verblasst und die Abendluft jetzt nach dem Regen frisch und klar. Dean griff nach Blairs Hand und zog sie mit sich zur Tür, als Sam eine letzte Frage abschoss: "Was war mit meinen Augen? Waren sie schwarz oder gelb?"

Sein Bruder antwortete ihm über die Schulter hinweg: "Sie waren silbern, Sam", und verschwand im Haus.

*
*
*

Der Laptop kam wieder zum Einsatz. Lange Wochen hatte sein Besitzer ihn stiefmütterlich behandelt und dem wenig computerfreundlichen Älteren ausgeliefert. Jetzt lief er wieder heiß unter den schnell tippenden, langen Fingern, auf der Suche nach 'Dämonen, Augen, silbern' und nach speziellen Kräften und alten Legenden, in denen sich dazu Material finden ließ.
Sam war in seinem Element und fühlte sich wie ein Fisch im Wasser – allerdings verfolgt von einem riesigen Haifisch, der bereits hungrig sein riesiges Maul hinter ihm aufgesperrt hatte und ihn zu verschlucken drohte.


"Nope, du kriegst den Wagen nicht. Entweder ich fahre oder du nimmst den Bus."
Dean blieb unerbittlich. Er hatte nicht vor, Sam allein in die Stadt fahren zu lassen, wo er in der Bibliothek nach einem bestimmten, uralten Werk über religiöse Mythen suchen wollte.
Der Jüngere war bei seiner verbissenen Suche auf Hinweise gestoßen, die ihm selbst so absurd vorkamen, dass er sie weder mit Bobby noch mit Dean zu teilen bereit war. Er fürchtete, Dean würde sich totlachen über das, was sein Bruder in den Tiefen der Mythologie gefunden hatte: ERZENGEL… uralt, mächtig, immer wieder geboren… und Besitzer silberfarbener Augen!
Was er natürlich nicht ahnte – Dean und sein väterlicher Freund bewegten sich auf derselben Spur, der einzigen, die bisher Erfolg versprach.
Er brauchte das Buch… er musste nur Dean abhängen, bevor der mitkriegte, worum es darin ging!

"Okay, Mann, lass uns fahren."
Er ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und murmelte "sturer Hund", bevor er seinem Bruder überfreundlich breit zulächelte. Dean warf ihm einen misstrauischen Blick zu, bevor er den 'Mullet-Rock-Antrieb' zuschaltete und den großen, schwarzen Wagen aus der Einfahrt lenkte, der seit der jüngsten Reparatur wieder wie ein Kätzchen schnurrte.

"Verdammt, wenn ich schon mal ein Buch wirklich brauche!" Sam schlug mit der Faust auf das Armaturenbrett. Von der Erschütterung sprang das Handschuhfach auf und schlug ihm hart auf das Knie.
"… und wann reparierst du endlich dieses scheiß Handschuhfach!?"
Er knallte nachdrücklich die schwarze Kunststoffklappe zu.

Sam war stinksauer.
Er hatte in dieses Werk große Hoffnungen gesetzt und normalerweise waren derartige Bücher echte Staubfänger in jeder Bibliothek – nur in diesem Fall nicht. Nachdem Dean ihn an der Bibliothek abgesetzt hatte, um einiges in der Stadt zu erledigen, hatte er die Nummer des Buches aus dem Verzeichnis gesucht und sich auf die Suche gemacht. Allerdings hatte er – wohl aus Nostalgie – einen Umweg durch die juristische Abteilung gemacht und bis er den Gang mit den Bänden über religiöse Mythologie erreichte, waren bereits zwei Stunden vergangen. Dort, wo er es hätte finden müssen, klaffte eine Lücke zwischen den staubigen Folianten und er verbrachte weitere zwei Stunden damit, alle Titel in diesem Gang und in den Nachbarregalen abzusuchen, für den Fall, dass es möglicherweise falsch einsortiert war. Letztendlich war ihm nichts übrig geblieben, als den Studenten an der Information nach dem Buch zu fragen – nur um zu erfahren, dass es soeben verliehen worden war… kurz vor Dienstbeginn des jungen Mannes, also vor gut zwei Stunden!

Der Song Supermassive Black Hole dröhnte durch den Impala und Sam drehte gereizt lauter.
Dean hob verdutzt die rechte Braue. Das musste er fett und rot im Kalender ankreuzen– Sammy übte Aggressionsbewältigung per Rockmusik…
ER hatte bekommen was er wollte – am Grund seines Rucksacks schlummerte ein uraltes Buch, dessen Titel ihm schon die Zunge verknotete, Patrozinium Arcangelum - Erzengel.

Als sie zuhause ankamen, hatte die Musik-Therapie gewirkt und Sams Zorn hatte sich gelegt. Er hatte sich schon eine andere Möglichkeit überlegt, an einschlägige Literatur heran zu kommen: Kirchen. Erzengel und Kirche gehörten schließlich zusammen, wie Exorzismus und Weihwasser.

Dean schaute erstaunt auf Cass, die mit einer Hand die kleine Babywippe mit ihrer Enkelin in Bewegung hielt und mit der anderen in einem großen Topf voll Suppe rührte, die appetitlich nach Chili und anderen leckeren, scharfen Sachen duftete.

"Wo ist Blair", fragte er, als er das kleine Mädchen liebevoll knuddelte.

"Oben in ihrem alten Zimmer. Magst du probieren?"
Sie hielt ihm den Kochlöffel hin und strich sich eine lange Strähne aus dem erhitzten Gesicht. Während er kostete, sah er sie über den Rand des Löffels hinweg nachdenklich an. Sie trug eine legere Leinenhose und eine schmal geschnittene weiße Bluse, die ihre an den richtigen Stellen gerundete Figur vorteilhaft zur Geltung brachte. Mit den langen roten Haaren war sie eine wirklich auffallend gutaussehende Frau, selbst wenn man ihr Alter außer Acht ließ. Sie war ohne Zweifel noch immer sehr sexy und Dean freute sich wie ein Schneekönig bei dem Gedanken, dass Blair in zwanzig Jahren sicher genauso aussehen würde. Er konnte Bobby verdammt gut verstehen.

"Hmmm… superlecker. Ich schau nach deiner Tochter, wenn du weiter nach meiner schaust", grinste er und verschwand nach oben.

Er riss die Tür zum Sargzimmer, wie er es nannte, auf und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. "Wow… das… das sieht richtig…" er schluckte "… richtig scheiße aus. Was, zum Teufel, machst du da, Rotschopf?"

Blair hatte während der letzten Stunden die Möbel in der Mitte des Zimmers zusammen geschoben und mit einigen alten Decken abgedeckt. Dann hatte sie Farbe besorgt. Leider hatte der Maler um die Ecke nur noch einen etwas blassen Rosa-Ton vorrätig gehabt, aber im Moment war ihr alles Recht – Hauptsache nicht schwarz!
Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihn gereizt an.
"Wenn dir die Farbe nicht passt, fahr doch selber los und hol andere! Du musstest ja in der Weltgeschichte rumfahren, während ich wie ein braves Mütterchen hier zuhause hocke!"

"Hohoo… was ist los? Ist der dritte Weltkrieg ausgebrochen und ich hab's verschlafen?" Dean fühlte sich leicht überfahren.

"Mach keine blöden Witze. Es ist nicht komisch. Ich kann nicht arbeiten, ich kann nicht schlafen, kann nicht aus dem Haus. Ich sitze hier und spiele den Babysitter."
Sie hatte sich in Rage geredet und klatschte die hässliche schweinchenrosa Farbe an die Wand.

"Blair… ist ja okay, ich fahre los und kaufe eine andere Farbe. Wie wäre es mit…" er runzelte die Stirn. "… grün?"

"Ach, und was denkst du, machen wir dann mit dieser Farbe hier? Die hat mir der Maler auch nicht hinterher geschmissen."

Deans Mundwinkel zuckten. Blair stemmte die Hände in die Seiten des alten, viel zu großen Overalls , auf dem modisch abgestimmt Unmengen fetter, rosa Farbspritzer verteilt waren, und giftete ihn an: "Was gibt's da zu lachen, Winchester?"

Sie sah so niedlich aus mit der Malerverkleidung und dem farbbeklecksten, wütenden Gesicht, dass er unwillkürlich breit grinsen musste. Gott, war diese Frau eine Schau!
Er war mit zwei langen Schritten bei ihr, entwand ihr den breiten Pinsel und schloss sie in die Arme. Ihr widerstrebendes Zappeln und Strampeln ignorierte er und hielt sie mit einem kräftigen Arm fest, während er mit dem Daumen der anderen Hand den dicken Farbklecks von ihrer Oberlippe wischte und dann seine Lippen auf ihre legte. Ihre Abwehr erlahmte unter seinem verführerischen Mund, wie immer, wenn er sie um den Verstand küsste.

"Hmmm…." summte sie leise an seinen Lippen und ihr Körper schmiegte sich weich und nachgiebig an ihn, während sie ihre Hände liebkosend an seine Wangen legte. Er gab ihren Mund frei und sah in die tintenblauen Augen, die ihn voller Liebe anfunkelten… und voller Schabernack.

"Steht dir gut…. dieses Schweinchenrosa…" Blair kicherte und trat einen Schritt zurück, sodass er sich im Spiegel der Kommode sehen konnte, die zwischen den anderen Möbeln mitten im Raum stand. Sie hatte ihm eine nette Kriegsbemalung verpasst, während er damit beschäftigt gewesen war, ihre Laune durch Mund-Zu-Mund-Beatmung zu verbessern.

"Du Luder, das wirst du büßen!" knurrte er und setzte ihr nach, als sie die Flucht antrat.

Sie versuchte, rechts anzutäuschen, um dann links an ihm vorbei zu springen, aber seine langjährige Erfahrung als Jäger ließ ihn das Aufblitzen in ihren Augen richtig deuten und sie landete exakt da, wo sie vordergründig gesehen jetzt gerade nicht hin gewollt hatte: an seiner Brust.
Er fasste ihre Handgelenke mit eisernem Griff, hielt sie an sich gepresst und brummte heiser "Rache…", bevor er seine farbverschmierte Nase an ihrem Gesicht rieb.

"Das ist unfair. Du bist viel stärker als ich", jammerte Blair, vergeblich in seinem festen Griff zappelnd. Ihre Zehenspitzen traktierten seine Schienbeine, worauf er ihr – selbstverständlich in Notwehr *gg* - beide Beine unter dem Körper weg zog und sie im Fallen unter sich begrub. Einen Moment sahen sie einander in die Augen – dann prusteten sie beide wie auf Kommando los.

"Lass uns die Farbe loswerden." Dean stützte sich auf den Ellbogen auf und wischte sich die Lachtränen aus den Augen.

"Okay… aber denk dran, wir müssen Wasser sparen, wir wollen doch meiner Mom nicht auf der Tasche liegen", bestimmte Blair todernst und ihre Augen blitzten voller Vorfreude…

*
*
*
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Als ob die zwei jetzt Wasser sparen... *hust*

Ja, erst mal sry, bei mir hat es etwas länger gedauert mit dem Feedback, wie immer ist die Uni schuld. Ich weiß, ich werde langweilig, aber 'ne bessere Ausrede habe ich leider nicht ;)
Aber immerhin bin ich jetzt zum Lesen gekommen und kann dich mal wieder loben!

Dass der "spannende" Teil noch nicht ausgestanden ist, war mir sowas von klar und die ganze Sache mit Lilith und Sam verspricht spannend zu werden. Dass ausgerechnet Dean Sam das Buch aus der Bibliothek vor der Nase wegschnappt, fand ich irgendwie total witzig^^

Und endlich dürfen Dean und Blair wieder... entsprechend - "heftig" - ist dann natürlich auch die erste Szene der beiden wieder vereint. Aber definitiv gut geschrieben, da sag ich dir ja absolut nichts Neues mehr!

Von daher kann ich natürlich auch wie immer nur sagen: Weiter bitte!
 
AW: [Supernatural] - Second Life

Autsch... hab dich verd*** lange warten lassen. Sorry dafür!


* * *


Die Jeans locker auf der Hüfte und mit dem Handtuch um den nackten Oberkörper lehnte Dean in der Badezimmertür und beobachtete Blair, die sich nach ihrer gemeinsamen Duschorgie die roten Locken trocken föhnte.

"Ich will dich mal wieder ganz für mich allein", sprach er die Gedanken aus, die ihn bei ihrem Anblick überfielen. Er rieb sich mit dem Handtuch die kurzen Haare trocken und warf es über den Wannenrand, um sich an ihren Rücken zu kuscheln, das Kinn auf ihrem roten Schopf.

"Ich möchte wieder mal mit dir allein einen Dämon killen oder ein paar dumme Jungs verhauen."
Er ließ seine großen Hände nach unten um ihre Taille gleiten und genoss das Gefühl ihres schlanken Körpers an seinem. Blair legte den Föhn zur Seite und drehte sich zu ihm um, legte ihr Gesicht an seine glatte Brust. Sie fand ihn wunderschön, aber sie würde den Teufel tun und ihm das sagen! Er war auch so schon eingebildet genug!

"Wie wäre es, wenn wir die Maschine rausholen und ein bisschen die Straßen unsicher machen?" dachte sie laut nach.

Dean druckste ein wenig rum und pustete eine rote Locke aus seinem Sichtfeld. "Ich würde gern… ich meine, darf ich sie mal fahren?" fragte er ungewohnt schüchtern und mit bettelndem Welpenblick.

Blair legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzusehen. "Ich wusste nicht, dass du Motorrad fahren kannst."

"Ich fahre alles, was Räder hat", bestätigte Dean ohne besonderen Stolz. Das war etwas, das in seiner Ausbildung zum Jäger Priorität gehabt hatte und zum Grundrüstzeug gehörte.

"Klar, blöde Frage."
Blair schlug sich vor die Stirn. "Macht Sinn… wenn du vor einem Wendigo auf der Flucht bist und deine einzige Fluchtmöglichkeit ist ein Traktor, solltest du nicht lange überlegen müssen, oder?"

Sie kicherte und tapste auf bloßen Füßen ins Schlafzimmer, um sich ein sauberes T-Shirt über den Kopf zu ziehen und begann, im Schrank zu wühlen. "Verdammt."

"Hm, was?" fragte Dean aus dem Bad.

"Meine Motorradhose… klingelt da was bei dir?"
Er streckte den Kopf ins Zimmer.
"Nee, sollte es?... Oooohhh… Moment… meinst du DIE Hose?"
Er grinste breit, als ihm einfiel, bei welcher Gelegenheit diese besagte Lederhose das Zeitliche gesegnet hatte. Sie war zwar nicht kaputt… aber es war zeitaufwändig, neue Schnüre einzuziehen und rund um Schwangerschaft und Babykriegen hatte Blair das Teil schlicht vergessen.

"Yeah… DIE Hose! Aber Jeans tun's auch. Schau doch mal, ob Sam Zeit hat, sich um Meli zu kümmern. Ich glaube, Mom wollte mit Bobby was unternehmen."

"Hört – hört! Bobby und Cass - also doch."
Dean zog ein sauberes Shirt an, klemmte sich seine Boots unter den Arm und machte sich auf die Suche nach einem Babysitter.


"Sam, ich brauch 'nen Babysitter…" Er hielt sich nicht mit langen Vorreden auf, sondern fiel direkt mit der Tür ins Haus.

Sam klappte hastig, wie ertappt, das Notebook zu und legte auffällig unauffällig die Hand darauf. Dean ließ sich auf Sams Bett fallen und während er die Füße in die klobigen Schuhe steckte und begann, sie fest zuzuschnüren, grinste er Sam anzüglich an.

"Hey, meinetwegen musst du die Pornoseiten nicht zumachen, Bro."

Sams Gesicht überzog sich mit einer leichten Röte. "Quatsch, ich hab Besseres zu tun."
Dean schaffte es doch jedesmal wieder, ihn mit seinen doofen Kommentaren aus dem Konzept zu bringen. "Babysitter? Habt ihr was vor?"

"Yep, Blairs heißer Ofen braucht Bewegung."

"Okay, vernachlässigt ihr euer Kind ruhig – ich bin ja da."
Sam grinste seinen Bruder gespielt gehässig an, aber er liebte das kleine Mädchen heiß und innig und freute sich viel zu sehr, sie für sich zu haben.

"Ich seh' das anders – großzügig, wie ich nun mal bin, leihe ich dir mein Kind aus, bis du es selbst zu einem bringst", meinte Dean, winkte Sam flüchtig zu und verließ das Zimmer, um sich Blair anzuschließen, deren leichten Schritt er den Flur entlang kommen gehört hatte.


Die schwarzgoldene V-Max flog zwischen zartgrünen Feldern und Wiesen hindurch, der Abenddämmerung entgegen.
Dean genoss das Gefühl des kraftvollen Motors unter sich und das Vibrieren der 140 PS an den Schenkeln. Sein Impala war sein Baby, weil er lange Jahre sein Zuhause ersetzt hatte, aber es war ein ganz besonderes Gefühl, diese Maschine durch den Wind zu reiten, seine Frau auf dem Sozius an seinen Rücken gepresst mit ihren Händen unter seiner Jacke. Das war unleugbar erotischer als jedes Auto.

Als die Sonne den Horizont berührte, hatte es ihn zu einer ihm gut bekannten Stelle in der Stadt getrieben – das Ufer des Providence-River.

Der Himmel verfärbte sich im Westen in unglaublich intensiven Farben in einem Spektrum von leuchtendem Blau über ein kühles Türkis, Blassgrün und Gelb in ein tiefes, warmes Orangerot, während der Himmel über dem anderen Ufer des Flusses ein immer tieferes Blau annahm und die Lichter der Stadt aufglühten.

Blair und Dean hatten die Maschine am Wegrand abgestellt und waren zum Ufer hinunter gegangen, an die Stelle, die Dean insgeheim als 'Sex and the City' bezeichnete.
Eng aneinander geschmiegt saßen sie im hohen Gras und lauschten dem betriebsamen Summen, das von der Stadt herüber klang und dem Zirpen der vorwitzigen Grillen, die der sonnige, warme Tag vor der Zeit heraus gelockt hatte. Wärme und Zufriedenheit erfüllte Dean und ihm fehlte nur eins zum vollkommenen Glück dieses Momentes: seine Tochter.
Er gluckste leise und Blair hob den Kopf von seiner Schulter und sah ihn fragend an.

"Hm…da haben wir mal ein bisschen Zeit für uns und das einzige, woran ich denken kann, ist unsere kleine Hexe."

Er schwieg, aber Blair merkte, dass etwas an ihm nagte. Er setzte mehrmals an, um es auszusprechen. Sie ließ sich auf den Rücken sinken und zog ihn mit sich. Sein Gesicht lag im Schatten der aufkommenden Nacht und sie zog seinen Kopf zu sich herunter, um ihn liebevoll zu küssen. Sie ließ ihre Gefühle ebenso zu ihm fließen, wie sie seine aufsog. Sie fühlte Sorge um die Zukunft, um sie und um das Baby, Sorge um Sams Leben. Im Gegenzug schickte sie ihm ihren Mut, ihre Zuversicht und ihr Vertrauen in ihn.
Als er den Kuss beendete, war er bereit, über das zu sprechen, das ihn nicht erst seit heute beschäftigte. Er entzog sich ihrer Umarmung und setzte sich auf, um über den Fluss zu schauen, in dem sich die in der Dämmerung aufflammenden Lichter der Stadt spiegelten.

"Blair, ich denke schon länger darüber nach, wie unsere Zukunft aussehen soll… unsere Zukunft als Familie."
Er rupfte einen kräftigen Grashalm aus und kaute einen Moment darauf herum.
"Über meine eigene Zukunft als Jäger hab' ich mir niemals Illusionen gemacht. Jäger, die Fehler machen, werden nicht alt und Jäger, die lange genug überleben, werden bittere, einzelgängerische Trinker oder paranoide Spinner", erklärte er ihr.

"Aber Bobby…", unterbrach ihn die junge Frau.

"Bobby ist eine absolute Ausnahmeerscheinung… aber nur, weil er quasi Sam und mich adoptiert hat, also Familie hat." Er stockte einen Moment, um zuzusehen, wie die Sonne mit einem imaginären Zischen unter den Horizont sank.

"Sam und ich haben, wie unser Dad, unser Leben durch Kreditkartenbetrug und Einnahmen aus Poker- und Billardspielen finanziert, wie du weißt… Aber so geht es nicht weiter, jetzt nicht mehr. Jetzt gibt es dich und Meli. Wir brauchen ein Leben, ein richtiges Leben. Und jetzt wird's schwierig. Ich bin Jäger… und sonst nichts. Sam könnte wieder zur Schule gehen, aber ich?"
Dean kaute gedankenvoll auf dem Grashalm und sie fühlte seine Anspannung.

"Dean, ich werde in kurzer Zeit wieder arbeiten. Ich hatte gedacht, ich bleibe noch ein wenig in der Praxis meiner Mutter und dann eröffne ich eine eigene. Wir könnten uns ein kleines Häuschen für uns suchen, in dem Platz für ein oder zwei Behandlungsräume ist."

Dean lächelte. "Ich weiß, dass du uns locker ernähren könntest und dass du viel zu klug bist, um ohne deine Arbeit zufrieden und erfüllt zu sein, Rotschopf. Versteh' mich nicht falsch – das liebe ich besonders an dir, deine Klugheit und deine Unabhängigkeit, und ich bin stolz darauf, mir so eine tolle Frau geschnappt zu haben… Aber ich muss auch etwas beitragen… Ich will eine Rolle spielen in dieser Familie, nicht der Schmarotzer sein, der sich in der Weltgeschichte rumtreibt und es seiner Frau überlässt, zuhause alles zusammen zu halten." Er klang frustriert bei den letzten Worten. Er wusste einfach nicht, wo sein Platz sein würde… sein konnte.

"Welche deiner Fähigkeiten könntest du zu einem Beruf machen, Winchester?" Blair legte den Kopf schräg und sah ihn forschend an.

"Ich kann töten."
Seine Stimme war vollkommen ausdruckslos. Dinge zu töten, war sein Job.

"Dean, ernsthaft, du kannst recherchieren, Spuren lesen, schießen und mit nahezu jeder Waffe umgehen, Hinweisen nachgehen und bist körperlich in Bestform. Du bist ein äußerst effizienter und intuitiver Ermittler! Daraus müsstest du etwas machen können." Blair klang ganz aufgedreht.
"Das ist eine geile Idee, Rotschopf", antwortete er sarkastisch.
"Ich werde wegen mehrfachen Mordes, Grabschändung und Kreditkartenbetrugs gesucht und gebe morgen höchstpersönlich mein Bewerbungsformular für die Polizeischule ab… oh, halt, warum nicht gleich für' s FBI!"

Diese Argumente ließen sich nicht von der Hand weisen. "Du hast Recht, es tut mir leid, daran hab ich eben nicht gedacht", erwiderte Blair kleinlaut.

"Glaub nicht, dass ich auch schon in diese Richtung gedacht habe." Er holte tief Luft.
"Ich könnte Söldner werden…" Er ließ mutlos den Kopf hängen und zog die Schultern hoch.

"Vergiss es, da gehe ich lieber selbst mit dir auf die Jagd nach Werwölfen und Vampiren!" Sie schüttelte sich und zog sanft mit den Fingern seine klare Kinnlinie nach. Er hatte verbissen die Zähne aufeinander gepresst, aber unter ihrer Hand entspannte er sich und küsste ihre Fingerspitzen.

"Jedenfalls werden Sam und ich endlich ein Leben haben, eines, das sich nicht zwischen Motelzimmern und dem Auto abspielt. Meinst du, Sam könnte sich in Harvard bewerben? Ich bin nicht sicher, wie tief er mittlerweile im System steckt. Das muss ich noch in Erfahrung bringen."
Sein nachdenklicher Blick verlor sich im Lichtermeer der Stadt jenseits des Flusses…

*
*
*

Die kleinen, molligen Hände griffen in sein raspelkurzes Haar und ein rosiges Bäckchen schmiegte sich sanft an seine raue, unrasierte Wange. Er liebte es, dieses warme, nach Muttermilch und Babypuder duftende Menschlein in seinem Arm zu halten und er schloss einen Augenblick genießerisch die Augen. In diesem Moment fühlte er ein zartes Tasten wie von winzigen Fingerchen in seinem Hirn und zog den Kopf zurück.
Er schaute seiner Tochter ungläubig kopfschüttelnd in die aufmerksamen grünen Augen, die seinen eigenen so ähnlich waren und schmunzelte.
"Süße, das ist NICHT witzig – meine Gedanken sind nicht jugendfrei, wenn deine Mom in der Nähe ist…"

"Böser Daddy. Unsere Tochter kann noch nicht mal sprechen und du verdirbst sie schon", kicherte Blair hinter ihm. Sie waren vor wenigen Minuten von ihrem Trip zurück gekommen und Dean hatte nichts Eiligeres zu tun, als seine Tochter aus den Klauen des Erzengels zu befreien, wie er Sam insgeheim nannte.

"Ich kann nichts dafür, wenn du zu sexy für mich bist. Du bist selbst schuld, wenn mein Körper auf das Reserve-Hirn umschaltet", brummte er mit kaum unterdrückter Leidenschaft in ihr Haar und drückte seine Lippen auf ihre, als sie ihm das Baby abnahm, um es ins Bettchen zu bringen.

Als sie in seine Arme flog, hob er sie mit Leichtigkeit hoch, sodass sie ihre Beine um seine Hüften schlingen konnte und sie klammerte sich an seinen Nacken, um sich in einem verzehrenden Kuss seinem sinnlichen Mund zu widmen. Seine Zähne schabten über ihre Lippen und seine Zunge forderte nachdrücklich Einlass. Sie schloss die Augen und seufzte leise an seinen Lippen – er würde ihr noch irgendwann den Verstand aus dem Hirn küssen. Als er sie absetzte, um die Hände für Wichtigeres frei zu haben, zog sie ihm in Windeseile das Shirt über den Kopf, um sich gleich darauf an seine glatte, warme Haut zu schmiegen und ihre Hände über die festen Muskeln gleiten zu lassen. Es gab keinen Ort auf der Welt, an dem sie sich sicherer gefühlt hätte, als in seinen Armen. Ihr Finger glitten über seinen Rücken zu seinem Nacken und wieder abwärts in den Bund der Jeans, während er ihr das Top abstreifte und seine großen Hände ihre Brüste umfassten und sanft kneteten. Sie ließ mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken fallen und genoss die erregende Berührung seiner Hände und die neckenden Lippen auf ihren vom Stillen des Babys prallen Brustwarzen. Ein tiefes Stöhnen entrang sich Deans Brust und er hob sie hoch, um sie zum Bett zu tragen, nachdem er sich mit einem hastigen, prüfenden Blick versichert hatte, dass die Wickelkommode nicht standhalten würde. Damit war sein Kontingent an logischen Gedanken für die nächste Stunde erschöpft…

Ihre Glieder waren schwer, träge von gesättigter Lust und miteinander verflochten. Dean glaubte, sich nie wieder bewegen zu können… oder vielleicht ein wenig… wenn er sich viel Mühe gab… Seine Hand glitt schmeichelnd Blairs seidigen Rücken hinunter zu den handlichen Rundungen am unteren Ende.

"Willst du es Sam sagen?" Blairs zeichnete imaginäre Linien und Symbole auf Deans glatter Brust, ließ die Fingerspitzen über die flachen Bauchmuskeln über den Rippenbogen zu seinem Herzen gleiten.

"Hm… was – dass ich über einen Rückzug aus der Hunter-Szene nachdenke oder die Tatsache, dass er mit Hilfe riesiger, silberner Flügel durch meine Träume flattert?"

Blair kicherte leise. "Ihr werdet über beides sprechen müssen – aber im Moment meine ich eher deine Idee über die Natur seiner besonderen Kräfte."

"Er wird mich auslachen. Er ist schon so lange der Überzeugung, zu einem Dämon zu werden, dass er diese Möglichkeit erst gar nicht in Betracht ziehen wird."
Er schnalzte leise mit der Zunge und zog die Brauen über der Nasenwurzel grübelnd zusammen. "Wie – zum Teufel – soll ich ihm erklären, dass ich ihn für einen Erzengel halte?"
Er schüttelte ratlos den Kopf und drückte den schlanken Frauenkörper noch ein wenig fester an sich.

"Versuch's einfach. Ich habe gestern einen Blick über Sams Schulter auf den Bildschirm des Laptops erhascht, bevor er ihn hastig zuklappte, und ich bin mir fast sicher, dort etwas über Engel gesehen zu haben. Möglicherweise ist er längst auf derselben Fährte wie du und fürchtet ebenfalls, ausgelacht zu werden, weil es ihm zu absurd erscheint?"

Dean stützte sich auf den Ellbogen und lächelte mit einem listigen Funkeln in den grünen Augen auf sie herab. "Hab ich dir schon gesagt, dass mich kluge Frauen höllisch scharf machen?"

"Hm… nein, aber gut zu wissen…" flüsterte sie und zog ihn an sich.

*
*
*

Dean griff zu einem einfachen, aber wirkungsvollen Schachzug – wie er glaubte. Er ließ den Folianten, den er aus der Bibliothek geliehen und gemeinsam mit Bobby gründlichst durchkämmt hatte, offen auf dem Tisch neben Sams Laptop liegen. Da lag es nun und die Engel auf dem ledergeprägten Einband grinsten Sam frech an… Patrozinium Arcangelum.
Er konnte es nicht fassen! Dean war also derjenige gewesen, der ihm den wertvollen alten Band vor der Nase weg geschnappt hatte! Er schmunzelte und begann systematisch damit, die porösen, vergilbten Seiten nach Verweisen und Legenden zu durchsuchen. Er war sich allerdings der Tatsache bewusst, dass Dean offensichtlich derselben Spur folgte.
Dieser Verrückte! Dean würde alles glauben – außer, dass sein Bruder tatsächlich ein Dämon wäre. Aber allein die Idee, über die Kräfte eines Erzengels zu verfügen, war… keine Ahnung... vollkommen irre…

Er grinste seinen Bruder breit an, als der etwas später barfuß in Jeans und Shirt und mit dekorativ zerwühlten Haaren die Küche betrat und schnuppernd die Fährte des frischen Kaffees aufnahm.

"Wow… siehst du munter aus", lästerte Sam gutmütig.

Der ältere Winchester blinzelte verschlafen und ein verträumtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. "Ooohhh… mir geht es bestens, Sammy. Da fällt mir ein – was macht eigentlich Sarah?"

Sam kicherte leise. "Alles klar, Mann, deine Nacht war eindeutig heiß."
"Huhh?" Dean zog fragend die Braue hoch.

"Yep, dann kommt immer dieses mitleidige 'wie geht es eigentlich Sarah'." Sam war gegen diese eindeutigen Anspielungen längst immun.
"Was anderes… ich glaube, wir haben einen Fall. Schau mal." Er drehte den Laptop zu Dean herum, der ihm gegenüber am Tisch Platz genommen hatte und vorsichtig den heißen Kaffee schlürfte.

"Bin noch zu müde. Lies vor." Er gähnte demonstrativ und reckte sich ausgiebig, sodass seine Wirbel leise knackten.

"Die 'Bangor Times' berichtet von erneuten Grabschändungen auf dem lokalen Friedhof."

"Hm, und ausnahmsweise waren wir nicht in der Nähe, das ist erstaunlich", fiel Dean dem Jüngeren spöttisch ins Wort.

"Richtig… aber wir hinterlassen auch keine Schweinerei wie diese. Es wurden Gräber geplündert, die noch verhältnismäßig frisch waren, höchstens ein paar Monate alt. Das bereits reichlich verweste Fleisch wurde von den Gebeinen abgefressen und diese weit um das Grab herum verstreut aufgefunden."

Dean verzog angewidert das Gesicht. "Ew… klingt eklig. Wilde Hunde?"

"Unwahrscheinlich…"
Sam sah seinen Bruder zweifelnd an. "Ich glaube nicht, dass die für verrottetes Fleisch zwei Meter tief buddeln. Allerdings wurden tatsächlich Spuren gefunden, die hundeähnlich zu sein scheinen. Ein ortsansässiger Biologe spezifizierte sie als Spuren von Hyänen. Klingelt da was bei dir?"

Der Ältere kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe.
"Ghouls vielleicht? Die fressen gern totes Fleisch und können sich in Hyänen verwandeln, richtig?"

"Bingo! Ist auch mein Ansatz. Wir sollten uns drum kümmern, oder?"

"Du hast Recht, sollten wir. Wir könnten Bobby mitnehmen – umso schneller ist die Angelegenheit erledigt." Dean nahm den letzten Schluck aus dem großen Kaffeebecher und stellte die leere Tasse in die Spüle, während Sam sich den Rest aus der Kanne eingoss… gerade genug, um den Boden seiner Tasse zu bedecken. Sein genervter Blick folgte Dean zur Tür.

"Was ich noch sagen wollte - Kaffee ist alle", der Ältere zwinkerte seinem Bruder über die Schulter zu, bevor er die Küche verließ.

Auf dem Weg zurück zum Schlafzimmer, um Blair das Baby einige Zeit abzunehmen, stolperte Dean förmlich über Bobby, der gerade Cass' Zimmertür hinter sich schloss. Dean zog gespielt nachdenklich die Stirn kraus.

"Hm, ich vermute, du hast mit Cass wichtige übersinnliche Aktionen durchgeführt." Er grinste vielsagend.

"So gut kann keine Ausrede sein, dass du sie mir morgens um Acht abnimmst, oder, Junge?" brummte Bobby und zwinkerte dem jüngeren Mann zu.

"Du brauchst keine, immerhin seid ihr beide erwachsen und wisst vermutlich, was ihr tut." Dean schlug Bobby verständnisvoll auf die Schulter.
"Wir haben einen Fall, Bobby. Ich denke, es gibt da ein paar schleimige Ghouls zu erledigen. Sam hat die Einzelheiten für dich."

"Wo?" fragte der Ältere knapp.

"Du wirst lachen – ausgerechnet in Bangor, dem Heimatort von Stephen King!" Er grinste und tappte weiter ins Schlafzimmer.

*
*
*
 
AW: [Supernatural] - Second Life

So, diesmal hab ich dich aber auch warten lassen, das Semesterende war leider etwas stressig^^

Aber jetzt bin ich endlich wieder dazu gekommen, deinen neuen Teil zu lesen und bin natürlich wie immer begeistert und sofort wieder voll drin in der Geschichte... hätte gerne noch weiter gelesen :)
Hoffe natürlich, dass dafür dann jetzt bald ein neuer Teil kommt, diesmal habe ich auch etwas mehr Zeit, um zu lesen und Feedback zu geben, sind ja immerhin Ferien ;)

Und ich hab diesmal auch wieder 'ne Lieblingsstelle:

"Süße, das ist NICHT witzig – meine Gedanken sind nicht jugendfrei, wenn deine Mom in der Nähe ist…"
 
Werbung:
AW: [Supernatural] - Second Life

Oups... jetzt hatte ich so oft vergeblich hier reingesehen, dass ich glatt verpasst hab, dass du wieder da bist *gg*
Geht schon weiter....


* * *


>Der Erzengel Camael
Als Herr des Krieges und des Mars, des Planeten der feurigen Leidenschaft, spielt er in der Überlieferung der Engel eine zwiespältige Rolle, denn ihm werden sowohl düstere als auch lichte Charaktereigenschaften zugeschrieben.
Als Samael oder Samiel wird er mit Satan gleich gesetzt.
Er stammt von Azazel ab, wird aber in Licht geboren. Durch eine Bluttaufe kann er initiiert und auf den Weg in die Schatten geleitet werden. Seine Kraft ist ursprünglich weder dem Guten noch dem Bösen zuzuordnen, sondern er hat die Wahl, entscheidet sich in jedem Dasein neu. Wendet er sich dem Guten zu, so lehrt er uns, kämpferische Aggression in sanfte Kooperation zu verwandeln.
Er kann uns auch Strenge und Mut verleihen, wenn wir Opfer von Aggressionen werden. Er ist ein großer Lehrer und Beschützer und verleiht uns die Tapferkeit und Bestimmtheit, um alle Hindernisse zu überwinden.
Entscheidet er sich aber dafür, seiner dunklen Seite zu folgen, wird er Krieg und Hass säen und schicksalhaft der Gefährte von Lilith, der Kindsräuberin, sein.<


Cass zitierte die Übersetzung aus dem Patrozinium Arcangelum, die sie gemeinsam mit Bobby erstellt hatte. Ihr Blick suchte immer wieder Sam, der unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte und versuchte, keinen der Anwesenden anzusehen.
Nachdem sie geendet hatte, herrschte Schweigen. Jeder versuchte, eine Verbindung zwischen Sam und Camael herzustellen.

Dean brach als erster das Schweigen. "Wenn man wie bei allen Legenden oder selbst der Bibel nur den Kern sieht, scheint die Beschreibung auf Sam zu passen. Auch die Verbindung zu Azazel existiert, wenn ich auch nicht weiß, was mit der Bluttaufe gemeint sein könnte." Er sah sich fragend in der Runde um.

Bobby und Cass schüttelten den Kopf und auch Blair wusste keine Antwort.
Aber Sam wusste, dass der Moment der Wahrheit gekommen war. Er hatte Dean niemals davon erzählt, dass der YED ihm als Baby sein Blut zu trinken gegeben hatte – ein Tatsache, die der Dämon ihm damals in der Geisterstadt in einer Vision offenbart hatte. Er räusperte sich.

"Es gab eine Bluttaufe." Die Worte tropften schwer wie Teer in das Schweigen.

Aller Blicke richteten sich auf ihn und ihm brach der Schweiß aus, weil er wusste, dass Dean ihn in der Luft zerreißen würde, weil er ihm diese… 'Kleinigkeit' verschwiegen hatte.

"Damals in der Geisterstadt, als ich mit Ava, Jake und den anderen um den Rang des Anführers kämpfen sollte, hat mir der YED in der Nacht einen Besuch abgestattet. Er offenbarte mir, ich sei sein auserwählter Favorit und zeigte mir, was in jener Nacht, als Mom starb, wirklich geschah."

Sam sah in Deans Gesicht, das vor Anspannung scharf und kantig wirkte, sein Blick konzentriert und hellsichtig. Es gab kein Zurück.
"In dieser Nacht, als er an meinem Bett stand, ließ er sein Blut in meinen Mund tropfen…"

Bobby entfuhr ein entsetztes Ächzen und Blair fühlte, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufstellten.
"Verdammt!" fluchte Cass ganz untypisch, während Deans Gesicht die Farbe von saurer Milch annahm. Seine aufeinander gepressten Lippen bildeten einen weißen Strich und er presste trügerisch ruhig hervor: "Wann hattest du vor, mir davon zu erzählen?"

Seit Sams Visionen beiden Brüdern den Schlaf geraubt hatten, fürchteten beide weitere Veränderungen in Sam und es schien, als ob John mehr über das Schicksal seines jüngeren Sohnes gewusst hatte, als er mitzuteilen bereit gewesen war. Aber diese Initiation durch das dämonische Blut konnte das Zünglein an der Waage bedeuten und die Enttäuschung darüber, dass Sam ihm etwas derart Wichtiges verschwiegen hatte, machte ihn zwar wütend, aber schlimmer wog das Gefühl, verraten worden zu sein.
Sam konnte die unendliche Traurigkeit in den grünen Augen kaum ertragen. Mit Deans Zorn konnte er umgehen, nicht aber mit seiner Enttäuschung.

"Hau mir eine auf's Maul, na los!" stieß er hervor und hielt dem Älteren demonstrativ das Gesicht zum Schlag hin.

"So einfach mache ich es dir nicht, Kleiner", knurrte Dean und seine Hände ballten sich zu Fäusten und lösten sich wieder, als er Blairs Hand sanft und beruhigend auf seinem Rücken spürte.

"Wenn also auch dieser Teil der Legende Realität ist – was spricht überhaupt noch dagegen, dass ausgerechnet Sam Winchester der wiedergeborene Camael ist…?" brachte er es möglichst sachlich auf den Punkt.

Bobby und Cass sahen einander an und erklärten einstimmig: "Nichts", während Blair nur zweifelnd die Schultern hob.

"Leute, das ist doch Quatsch. Ein Erzengel! Die Idee ist total schräg", versuchte Sam das Ganze ins Lächerliche zu ziehen.

"Klar – aber dass du ein Dämon sein könntest, findest du weniger schräg?" fauchte Dean mit funkelnden Augen. "Warum scheint dir das Böse durchaus glaubhaft, die Alternative aber lachhaft…?
Bist du so scharf drauf, dass ich dir den Hals umdrehe? Verdammt, mir reicht es langsam! Erst verlangt Dad von mir, dich zu töten und dann scheinst du es kaum erwarten zu können. Wann fragt endlich mal jemand danach, wie es mir dabei geht? Interessiert es denn kein Schwein, wie ich mich fühle, wenn man von mir verlangt, den Menschen zu töten, der mir am nächsten steht!?"
Dean war aufgesprungen und seine Stimme klirrte vor Zorn und Verzweiflung wie zerbrechendes Glas.

Mit langen Schritten verließ er den Raum. Er brauchte Luft und ließ sich auf der Veranda auf den Treppenstufen nieder, den Kopf schwer in die Hände gestützt.
Immer, wenn er glaubte, sein Leben im Griff zu haben, machte ihm jemand oder etwas einen Strich durch die Milchmädchenrechnung. Er wusste nicht, wie lange diese Verzweiflung schon in ihm nagte, aber es war definitiv zu lange. Er hatte das Gefühl, die Sorge um Sam fräße ihm ein Loch ins Herz. Seit er denken konnte, drehten sich seine Gedanken um Sams Leben und sein Wohlergehen und er hätte – und hatte – sich jederzeit für den jüngeren Bruder in Stücke reißen lassen.
Er fühlte, dass er an seine Grenzen stieß, körperlich und seelisch, dass er der Selbstzerstörung immer näher kam. Nur die Verantwortung für Frau und Kind hielt ihn zusammen und wenn er wirklich aussteigen wollte, war es höchste Zeit.

Eine große Hand legte sich auf seine Schulter. "Es tut mir leid. Ich wollte es dir erzählen, aber es schien einfach nie der richtige Zeitpunkt zu sein."

Das Holz knarrte, als Sam sich neben seinen Bruder auf die von der Witterung ausgebleichte Stufe setzte. Dean sah in Sams katzenhaftes Gesicht unter den langen, braunen Ponyfransen und schüttelte resigniert den Kopf.

"Lass… es ändert nichts."
Er wischte sich mit der flachen Hand über das Gesicht und seufzte.
"Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass du selbst entscheidest, ob du deine Kräfte zum Guten oder zum Bösen anwenden willst. DU musst an dich glauben, Sam." Seine Stimme klang beschwörend. "Ich habe dir schon einmal gesagt – solange ich bei dir bin, kann dir nichts Böses geschehen. Ich werde es nicht zulassen!"

Er stand auf und boxte den Jüngeren auf den Oberarm. "Wir haben einen Job zu erledigen, mein Engel", und ein freches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als Sam prompt mit seinem patentierten Bitch-Face auf Deans Necken reagierte.

*
*
*

"Pass gut auf mein Mädchen auf, Rotschopf."
Dean küsste das Baby auf die Stupsnase und strich ihm noch einmal über die seidig feinen roten Löckchen, die seinen Kopf bedeckten. Meli zappelte widerstrebend, als er sie Blair in den Arm drückte und schien ihn vorwurfsvoll anzuschauen. Sich von Blair und Meli zu trennen, wurde emotional immer anstrengender, vor allem, weil ihm die drohenden Gefahren überdeutlich bewusst waren.
Sein Blick glitt zu Sam, der bereits hinter das Lenkrad des Impala gerutscht war und geduldig auf seinen Bruder wartete. Sam war offensichtlich mehr als glücklich, dass Deans Stimmung sich wieder aufgehellt hatte. Aber es war, wie der immer sagte - er konnte seinem Bruder einfach nicht lange böse sein…

Blair küsste Dean über Melis Kopf hinweg zärtlich und es fiel ihr sichtlich schwer, ihn gehen zu lassen – wieder einmal. Sie lächelte tapfer und kuschelte mit ihrer Tochter, um ihre Tränen zu verbergen und winkte dann dem von der Auffahrt rollenden Wagen hinterher. Sie blieb noch einen Moment vor dem Haus stehen und sah zum Himmel auf, dessen strahlendes Blau nur von wenigen Schäfchenwolken unterbrochen wurde. Ein schöner Tag erwartete Providence und sie würde ihn nutzen.

Sie packte Klein Melissa in den Maxi-Cosi, den der fürsorgliche Papa in den Kombi von Cass eingebaut hatte und machte sich auf den Weg in die Stadt. Ihre Mutter hatte ihr eine lange Liste von Erledigungen und Einkäufen mitgegeben und sie ging systematisch an ihre Abarbeitung. Nach langem Überlegen hatte sie ein Baby-Tragetuch angeschafft und nun hatte sie Meli hautnah bei sich und trotzdem die Hände frei.
Sie genoss es, sich in der Kosmetik-Boutique mit neuer Creme einzudecken und an diversen Pröbchen zu schnuppern. Sie hatte monatelang kein Schuhgeschäft betreten und das war eindeutig der wichtigste Punkt auf ihrer Liste, nachdem die Pflichtaufgaben erledigt und die Einkäufe im Kofferraum verstaut waren. Ein Paar halbhohe Biker-Stiefel hatten es ihr angetan. Modisch nicht gerade der letzte Schrei, aber praktisch, wenn man ein kleines Messerholster am Knöchel unterbringen wollte. Sie fackelte nicht lange – die Stiefel passten und wurden eingetütet.
Während der Verkäufer ihre Karte checkte, flirtete er mit einer super gelaunten Meli, die ihn eindeutig sympathisch fand und mit einem breiten, wenn auch mit ihren zehn Wochen zahnlosen Lächeln bedachte. Blair war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass ihre Tochter ein besonderes Baby war. Sie greinte oder jammerte nicht, während Mama den Einkaufswagen und den Kofferraum füllte und auch nicht, als sie Schuhe probierte oder Mascara kaufte. Im Gegenteil: sie schien - typisch weiblich - bereits einen Einkaufstag zu genießen und zappelte fröhlich mit den kleinen, dicken Beinchen, während sie ihre Umgebung in Augenschein nahm.

"Blair? Blair Sinclair? Hey, wir haben uns ja unglaublich lange nicht gesehen!"

Sie drehte sich zu der Sprecherin um und lächelte erfreut, als sie Julie Myers erkannte, eine der wenigen Schulkameradinnen, mit denen sie mehr als nur die unbedingt notwendigen Worte gewechselt hatte.

"Hi Julie! Wie schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?"

Sie reichte ihr die Hand, wurde aber von der jungen Frau kurz heran gezogen und mit Küsschen rechts – links – rechts begrüßt.
Julie war fast einen Kopf größer als Blair und im typischen Büro-Schick gekleidet, also hochhackige Pumps, knielanger Rock mit Jackett und Bluse darunter, das brünette Haar tadellos am Hinterkopf zum Knoten gesteckt.

"Mir geht es großartig. Ich arbeite hier in der Stadt und habe gerade Mittagspause. Gestern hab ich hier ein Paar traumhafte Peeptoes gesehen, die ich unbedingt haben musste. Schau mal." Sie zog einen wirklich schönen schwarzen Lackschuh aus der Tüte und drehte ihn stolz vor Blairs Augen.

"Sag mal, seit wann bist du verheiratet? Ist ja süß, deine Kleine. Dudududu…"
Sie fuchtelte ein wenig unkoordiniert mit dem Zeigefinger vor Melis Nase herum. Allerdings schien sie nicht den Ton zu treffen, der Meli glücklich machte – die Kleine drehte den Kopf auf der Suche nach der Mutter und begann, ein wenig zu nörgeln, während die kleinen Füßchen unzufrieden nach hinten gegen Blairs Bauch traten.

Blair verdrehte die Augen. Babysprache… das wusste doch jedes Kind, dass kein Baby darauf reinfiel.
"Ich bin nicht mit Melis Vater verheiratet, aber wir arbeiten dran", lächelte sie, um ihre rebellischen Gedanken wieder gutzumachen.

Julie sah sie einen Moment irritiert an, dann fragte sie eifrig: "Blair, ich habe noch eine halbe Stunde Pause. Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee? Um die Ecke gibt es eine nette Kaffeebar. Du musst mir unbedingt erzählen, was du so machst – außer Kinderkriegen", sie kicherte.

"Warum nicht?" meinte Blair und schloss sich ihrer früheren Freundin an. Eine halbe Stunde würde sie ihre Gesellschaft schon ertragen und wann hatte sie schon Gelegenheit, mit ihrer süßen Tochter zu prahlen?

Es waren wirklich nur drei Minuten zu Fuß zu dem Coffeeshop um die Ecke, zu dem Julie sie lotste. Julie bestellte sich einen Café Latte, während Blair sich auf einen Cappuccino freute… Mädchenkaffee ohne dumme Bemerkungen. Dazu genehmigte sie sich eine Waffel, von der sie kleine Stückchen Meli in das hungrige Mäulchen schob. Sie quengelte bereits, seit sie das Schuhgeschäft verlassen hatten und wand sich ungemütlich in dem Tragetuch, während Blair Julie erzählte, dass sie Ärztin geworden war und Melis Vater eine Art Privatdetektiv sei, oft unterwegs. Sie wohne deshalb momentan bei ihrer Mutter, um nicht mit dem Baby allein zu sein. Julie dagegen war Assistentin in einem der tausend Anwaltsbüros der Stadt und momentan ohne feste Beziehung. Blair hielt die Unterhaltung an der Oberfläche. Sie hätte nicht sagen können, wieso, aber Julie hatte sich seit ihrer Schulzeit sehr verändert, was natürlich kein Wunder war nach zwölf Jahren, aber sie war ihr schlicht fremd geworden. Sie war fast erleichtert, als Meli immer unzufriedener schien, jammerte und ausdauernd, aber vergeblich versuchte, sich zu ihrer Mom umzudrehen.

"Julie, entschuldige, ich geh' kurz mit Meli nach hinten. Wahrscheinlich fehlt ihr nur eine frische Windel. Ich bin gleich zurück."

Sie klemmte ihre Tasche unter den Arm und nickte Julie kurz zu, bevor sie die Tür ansteuerte, die durch ein Symbol als Damentoilette mit Wickelgelegenheit gekennzeichnet wurde. Es handelte sich um eine saubere, geräumige Doppeltoilette mit einer Wickelauflage neben dem Waschbecken und Blair machte sich sofort daran, Meli aus dem Tragetuch zu befreien, um sie auf der Kunststoffablage abzulegen.
Das kleine Mädchen war still, fixierte sie, als wollte sie ihr etwas mitteilen und Blair überlegte einen Moment, ob ihr etwas entgangen sein könnte.

In dieser Sekunde kreischte Meli erschrocken auf und Blair erkannte in dem breiten Spiegel über Wickelauflage und Waschbecken Julie hinter sich. Ihre Augen flackerten in der diffusen Toilettenbeleuchtung kurz wie winzige Spiegel auf, dann verlor sich dieser Eindruck. Blair hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn in derselben Sekunde packte Julie sie mit unmenschlicher Kraft und schmetterte sie gegen die Wand gegenüber dem Eingang, wo sie, zur Bewegungsunfähigkeit verdammt – regungslos sitzen blieb. Jeder Versuch, sich aufzurichten oder auch nur einen Finger zu rühren war vergeblich, ihr Körper war wie eingefroren.

"Julie? Was ist mit dir?" presste sie mit einem besorgten Blick zu Meli heiser hervor.

"Dummchen… Julie ist nicht hier. Solltest du es nicht besser wissen – als Frau eines Hunters?"

Die Augen flackerten erneut und Blair war klar, was sie vor sich hatte – einen Shapeshifter!
Sie war in tödlicher Gefahr – Meli war in tödlicher Gefahr!
Der Shapeshifter wandte sich dem Baby zu, das leise weinte, aber plötzlich verstummte. Blair versuchte verzweifelt zu erkennen, was dieser Dämon ihrem Kind antat, sah aber nur, dass die falsche Julie Melissa anstarrte und einen Schritt zurück trat. Sie drehte sich um, packte Blair in einem Würgegriff und fixierte sie mit einem gehässigen Blick.

"Du wirst nie erfahren, was aus deinem Baby geworden ist. Die gute Lilith hat sich etwas Nettes für dein kleines Mädchen ausgedacht. Wie schade, dass weder du noch Dean Winchester lange genug leben werdet, um diese Pläne noch zu erleben."

Blair versuchte krampfhaft, Luft in ihre nach Sauerstoff schreienden Lungen zu pumpen, aber der Griff des Julie-Shapeshifters war zu kräftig. Aber dann, urplötzlich, war sie frei – frei von der würgenden Hand ebenso wie von der Lähmung, die ihren Körper zuvor ergriffen hatte.
Sie griff blitzschnell in das Messerholster am Knöchel und zog den rasiermesserscharfen Dolch heraus, den sie auf Deans Anweisung stets bei sich trug, wann immer sie das Haus verließ. Der Dämon war mehrere Schritte rückwärts getaumelt, von irgendeiner Kraft gehörig gebeutelt, und bot so ein sicheres Ziel für Blair. Das Messer verließ ihre Hand ohne das leiseste Zögern und durchbohrte den Hals der falschen Julie, die daraufhin umfiel wie ein Kartoffelsack.

Blair rieb sich die schmerzende Kehle, während sie nach einem kurzen Kontrollblick auf Meli zunächst überprüfte, ob der Dämon wirklich erledigt war. Sie steckte das Messer sorgsam wieder ein, nachdem sie es am schicken Jackett der angeblichen Business-Lady abgewischt hatte.
Sie hatte es für völlig überzogen gehalten, ein Messer am Körper zu tragen – aber sie würde Deans Anweisungen diesbezüglich niemals wieder anzweifeln.

"Meli, meine Süße, ist alles in Ordnung?" Sie hob ihre Tochter auf den Arm und sog scharf die Luft ein, als sie in das kleine Gesicht sah – sie hatte das Gefühl, ihrer Urgroßmutter Melissa zu begegnen! Ein weiser Blick aus scheinbar uralten goldenen Augen schien ihr zu versichern, dass alles gut war, bevor sich der bernsteinfarbene Glanz verflüchtigte und das strahlende Winchester-Grün freigab. Plötzlich war ihr klar, wieso sie sich wieder hatte bewegen können – Meli hatte sie beide gerettet!

Sie schloss überwältigt die Augen und presste ihre Tochter an sich.
Himmel hilf… sie ist so stark, schon jetzt…

Ihr Adrenalin-Spiegel sank mit atemberaubender Geschwindigkeit und sie lehnte sich mit Beinen, die sich wie Pudding anfühlten, an den Waschtisch hinter ihrem Rücken, die Augen noch immer geschlossen. Sie versuchte, möglichst tief durchzuatmen und nicht zu dem toten Dämon zu schauen, der sie aus toten Augen vorwurfsvoll anstarrte.

Ihr Handy klingelte mit dem für Dean voreingestellten AC/DC-Titel und tausend Gedanken rasten durch ihren Kopf. Als sie nach dreimaligem Klingeln den Anruf annahm, wusste sie, was sie zu tun hatte.
"Hey, Winchester! Hast du jetzt schon Langeweile?" fragte sie betont burschikos und versuchte, die Resterregung in ihrer Stimme zu unterdrücken, während sie, noch immer ungläubig, ihrer kleinen Tochter ins rosige, engelhaft lächelnde Gesicht schaute.

"Rotschopf, ist alles okay? Ich mach mir Sorgen…" Deans Stimme klang nervös.

"Uns geht's prima, Dean. Wie kommst du darauf, das etwas nicht in Ordnung sein könnte?" log sie ihn ohne die geringsten Skrupel an. Er sollte sich auf seinen Job konzentrieren – hier war nichts mehr für ihn zu tun.

"Ich weiß nicht – ich hatte gerade so ein Gefühl, als ob…", er unterbrach sich. "Das war sicher nur Einbildung…"

"…oder Blähungen", hörte sie Sam im Hintergrund lästern und grinste.

Die Kraft kehrte langsam in ihre erschlafften Glieder zurück und mit ihr die Sicherheit, dass es absolut richtig und notwendig war, Dean über die gerade überstandene tödliche Gefahr zunächst im Unklaren zu lassen.

"… aber da ich kein Psykid bin wie gewisse hier Anwesende", gab Dean Sams kleinen Seitenhieb zurück, "glaubt mir meine Ahnungen kein Mensch… Blair, du verschweigst mir doch nichts?"
Verdammt, warum musste er einen so untrüglichen Instinkt besitzen?

"Okay, die Wahrheit ist, Meli und ich wurden gerade von einem Shapeshifter überfallen, haben ihn aber gemeinsam zur Hölle geschickt." Meli quietschte und schien sich über diese wahre Lüge zu amüsieren.

Eine Sekunde herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann ertönte eine beleidigte Stimme: "Du findest es also auch lustig, wenn ich mir Sorgen um euch mache. Okay, ich hab's verstanden. Ich melde mich wieder, wenn ich meinen Kopf unter dem Arm trage." Die Leitung war unterbrochen.

Blair seufzte. Er schmollte… aber besser, als wenn er sich weiter Sorgen machte und völlig unnötig die 300 Meilen mit einem Höllentempo wieder nach Hause gejagt kam!
Sie schob mit aller Kraft die dämonischen Überreste in eine der beiden Toilettenkabinen, um sich wenigstens einen kleinen Vorsprung zu verschaffen, verpackte Meli wieder im Tragetuch und verließ den Waschraum. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie, nachdem sie die Rechnung bezahlt hatte, ohne übertriebene Eile den Coffee-Shop verließ, jederzeit gewärtig, dass jemand sie aufhalten und nach der Polizei rufen würde. Als sie ohne Zwischenfall vor der Tür angelangt war, steuerte sie das Parkhaus an, in dem sie den großen Kombi ihrer Mutter abgestellt hatte. Sie hatte erst wenige Schritte hinter sich gebracht, als erneut der Metal-Sound von Back in Black ertönte.

"Rotschopf… was ich noch sagen wollte – du fehlst mir…"
Er konnte ihr genauso wenig lange böse sein wie sie ihm…

*
*
*

Dean klappte das Telefon zu, lehnte sich an die Motorhaube des Impala und grub die Zähne grübelnd in die Unterlippe. Bei seinem Versuch einer Erklärung, was da gerade geschehen war, liefen die letzten nervenaufreibenden Minuten noch einmal vor ihm ab.

Sie waren bereits seit fast fünf Stunden unterwegs und bis nach Bangor war es nur noch ein Katzensprung, als ein heißkalter Schauer ihn ergriffen hatte und er sich fühlte, als wäre er in Eiswasser getaucht worden. Dunkle Flecken zerhackten sein Blickfeld in kleine Puzzleteile und während er die Straße nur noch bruchstückhaft erkennen konnte, schien in seinem Kopf jemand einen monströsen Gong zu schlagen.
Es kostete ihn alle Konzentration, die er aufbringen konnte, den schweren Wagen in einem Stück an den Straßenrand zu lenken.

"Aaaarrrrhhhhh…", er barg das gequälte Gesicht stöhnend in den Händen und krallte die Finger in die Kopfhaut, nicht in der Lage, die besorgten Stimmen von Sam und Bobby überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn, darauf zu reagieren. Nach wenigen Sekunden endete der Spuk ebenso plötzlich, wie er begonnen hatte und er schaute benommen in Sams Gesicht, ungläubig, dass es vorbei zu sein schien. Er fühlte die Hand des Bruders auf seiner Schulter.

"Es ist okay, Sammy. Es ist vorbei", krächzte er mit belegter Stimme und versuchte den Klumpen, der sich in seiner Kehle gebildet hatte, herunter zu schlucken.

Sein Instinkt hatte ihm suggeriert, dass dieser Beinah-Zusammenbruch mit Blair zu tun hatte. Er war sich so sicher gewesen, dass das, was ihm eben widerfahren war, ein Hilferuf gewesen sein musste – aber sie war in Ordnung. Gottseidank war sie in Ordnung!
Aber was konnte es dann gewesen sein?
Ein Schwächeanfall?
Migräne?
Oder ein frecher, gelangweilter Dämon, der mit seinen vorwitzigen, spitzen Fingern in seinem, Deans, Hirn stocherte?

"Glaubst du, sie lügt?" fragte Bobby in die Stille und kratzte sich nachdenklich am bärtigen Kinn.

"Ich bin nicht sicher. Was, wenn sie jemand gezwungen hat, zu sagen, dass sie okay ist?" Dean rieb sich mit den Fingerknöcheln die Schläfen, hinter denen sich ein stechender Schmerz breit gemacht hatte.

"Dean, ich bin sicher, das hättest du gemerkt. Ich glaube nicht, dass sie dir was vormachen kann", mischte sich Sam ein.

"Lasst uns fahren und diese Schleimbeutel zur Hölle schicken. Umso eher sind wir wieder zuhause." Dean warf Sam die Autoschlüssel zu und machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem, in der Hoffnung, seinen schmerzenden Kopf zu beruhigen.

* * *
 
Zurück
Oben