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Life's End

Josh Tempest

1.000er-Club
Registriert
28 Januar 2003
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4.156
Life’s End

00 – Preface


Life’s End ist für mich persönlich eine sehr wichtige Geschichte, die mir fast durch Zufall in den Sinn gekommen ist, die mich aber seit her nicht mehr los lässt.
In dieser Geschichte soll es um den 17 jährigen Lennox Glennsdale gehen, der, auf Grund seiner reichen Eltern, die nach New York umziehen, ihren Sohn aus seinem gewohnten Lebensumfeld herausreisen. Lennox lebt in einem goldenen Käfig und fühlt sich unwohl auf dem steifen Internat, das er von nun an besucht. Doch schließlich lernt er auf einem spießigen Internatsball seinen Mitschüler Leif enger kennen, der ihn daraufhin auf andere Partys mitnimmt.
Doch seine eigene Lebenssituation, die Unzufriedenheit, die Machtlosigkeit gegen die gefühlskalten Eltern machen ihn zu einem all zu leichten Opfer für Drogen. Was mit kiffen beginnt entwickelt sich nach und nach zu einem Sog aus Alkohol, Kokain und Heroin, die langsam, aber stetig damit beginnen, Lennox’ Leben zu zerstören.

Dies ist keine Geschichte, die ich schreibe, obwohl ich von der Thematik keine Ahnung habe. Ich habe mich mehrere Wochen damit beschäftigt bevor ich begonnen habe zu schreiben. Die Story soll Drogenabhängige auf keinen Fall anklagen, denn diese Leute sind in fast allen Fällen nicht Schuld an der Lage, in der sie sich befinden. Sie sind fast alle in dieses Milieu geraten, nur „um es mal zu versuchen“ oder um Frust, Trauer und Angst einmal einfach vergessen zu können, dann aber von den Drogen in Besitz genommen wurden und sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien können und die Selbstzerstörung nicht mehr aufzuhalten ist.

Ich möchte auf diese Katastrophe hindeuten und vor allem auch zeigen, dass Drogenabhängigkeit keines Falls eine „Krankheit“ von armen Menschen ist, sondern nahezu jeder in diesen Sog hineingezogen werden kann, bevor er es selber überhaupt merkt und dann nicht mehr zurück kann. Drogenabhängige sind keine Schuldigen, sondern Opfer.

Die Geschichte soll aber nicht nur düster und traurig werden. Sie soll auch Dinge widerspiegeln, die jeder junge Erwachsene kennt und auch von Themen, wie Liebe, Schule, Freundschaft und alltäglichen Problemen handeln. Ich hoffe ich werde es schaffen, dass sich jeder ein Stück weit mit den Personen in der Geschichte identifizieren kann.
 
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Life’s End

01 – Tears in Heaven

Das einzige, auf was sich Lennox auf diesem Flug nach New York gefreut hatte wurde ihm nun durch ein Unwetter genommen. Die imposante Skyline von Lower Manhattan versank, blickte man aus dem Fenster, hinter einer hässlichen grauen Wand aus Wolken, Nebel und Regen. Zunächst hatte das Flugzeug auf Grund heftiger Turbulenzen den Landeanflug auf den JFK Airport abbrechen müssen, doch nun befanden sie sich unmittelbar vor der Landung – die schwach glänzenden Lichter des Flughafens kamen immer näher. Lennox lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss langsam die Augen. Er wollte diesen Flughafen nicht sehen, bedeutete die Ankunft in dieser Stadt doch gleichzeitig die Besiegelung seines alten Lebens.

Lennox Glennsdale war vor 2 Monaten 17 geworden und hatte bis vor wenigen Tagen zusammen mit seinen Eltern in einem kleinen Ort in Tennessee gelebt. Er war groß gewachsen, hatte eine schlanke, sportliche Figur und seine schulterlangen gelockten Haare, fielen ihm oft vor die dunklen Augen, hinter denen sich ein verträumter junger Mann versteckte. Lennox war immer schon ein guter Schüler gewesen: interessiert und intelligent war er der Liebling der Lehrer, gleichzeitig war er aber auch Mittelpunkt eines großen Freundeskreises. Seine beiden besten Freunde Adrian und Jake und er waren zusammen groß geworden, wie Brüder und wie genau sie sich, damals noch im Sandkasten, kennen gelernt hatten wussten sie schon gar nicht mehr. Von da an hatte sie nichts trennen können und auf der High School hatte es keine Party gegeben auf denen die drei nicht gefeiert hätten. Neben diesen Zweien gab es da aber noch jemanden: Jenny. Lennox konnte sich noch genau an den Moment erinnern, als er sie zum aller ersten Mal gesehen hatte. Sie war in jenem Sommer vor einem Jahr neu auf die Schule gekommen und wie das Schicksal es so wollte in Lens Klasse.

Len kramte in seinem Handgepäck und zog aus dem Rucksack ein eingerahmtes Bild hervor, auf dem er von hinten mit den Armen Jennys Taille umschlingt und sie beide in die Kamera lächeln. Das letzte gemeinsame Jahr mit ihr war wohl die beste Zeit seines Lebens gewesen und besonders sie und Lens Freunde Adrian und Jake traf es, als Lennox’ Eltern beschlossen hatten nach New York zu ziehen. Sein Vater hatte vor Jahren seine eigene Firma gegründet, die billige Klimaanlagen herstellte und diese mittlerweile überall im Land verkaufte. Das Unternehmen hatte nun Produktionsstätten in vielen Städten der Vereinigten Staaten und da es das Management für unabdingbar hielt, dass Mr. Glennsdale in der Nähe des Hauptsitzes der Firma, nämlich New York, wohnte hatten sich die Glennsdales kurzer hand entschlossen hier her zu ziehen. Lennox war vor vollendete Tatsachen gestellt worden und innerlich kochte er auch heute noch, wenn er an den Moment zurückdachte, als ihm seine Eltern von dem bevorstehenden Umzug berichteten. Es war wie ein Schlag in den Magen gewesen und Len war für Minuten nicht fähig gewesen überhaupt darauf zu reagieren. Seine Reaktion daraufhin fiel allerdings umso heftiger aus. Er explodierte förmlich, schrie seine Eltern an, wie sie es eigentlich wagen könnten, ihn so vor den kopf zu stoßen, ob sie nicht wissen, was es für ihn bedeutete weg gehen zu müssen und all seine Freunde und besonders seine Freundin zurückzulassen. In diesem Moment hatte er erwartet, dass seine Eltern wenigstens etwas Verständnis gezeigt hätten, doch weit gefehlt. Ob Len vergessen hätte, was für Privilegien er, auf Grund des vielen Geldes, das sein Vater verdiente, hatte – welche Möglichkeiten. Er sei selbstsüchtig und egoistisch. Natürlich wusste Lennox, dass sie Geld hatten – viel Geld, mehr, als alle seine Freunde aus der Schule. Er hatte immer im größten Haus gewohnt, als einziger einen Swimmingpool im Garten gehabt… doch letztendlich hatte sich Len nie wohl gefühlt. Denn seine Eltern waren reich und wollten das auch zeigen. Ein steriles, mit Designermöbeln und teuren Antiquitäten voll gepumptes Haus, in dem regelmäßig wichtige Geschäftspartner seines Vaters, zusammen mit ihren in viel zu enge Kleider gesteckte Frauen, zu Gast waren, um von all dem Prunk beeindruckt zu werden. Er selbst hatte in einem Anzug beim Essen zu sitzen, den Mund zu halten und hatte sich dabei immer überlegt, wie man nur so oberflächlich, kühl und geldgeil wie seine Eltern sein konnte. Sobald er zu hause war, lebte er in einem goldenen Käfig, doch durch seine Freunde war dies alles erträglich und Lennox wusste nicht, wie er nun in New York, wo eben diese Freunde nicht mehr da waren, mit dem Leben seiner Eltern klar kommen sollte.
Als Lennox seinen Eltern nun vorwarf, sie hätten ihn zwar mit all diesem Geld leben lassen, jedoch sich nie um ihn geschert hatten, schrieen sich Sohn und Eltern nur noch an. „Wann wart ihr da, wenn ich Probleme hatte? Nie, niemals!“ Noch am selben Abend beschlossen die Eltern ihren Sohn in New York auf ein Internat zu schicken. Die plötzliche Unzufriedenheit von Lennox sei das Ergebnis des Umgangs mit „diesen Leuten“, womit sie Adrian, Jake und besonders Jenny meinten.
Jetzt setzte das Flugzeug auf der nassen Landebahn auf und Lennox spürte einen Kloß in seinem Hals und gleichzeitig Zorn auf seine Eltern. Neben sich zog gerade seine Mutter einen Spiegel hervor, um sich vor dem Aussteigen aus der Maschine noch etwas zu Recht zu machen. Dieses Verhalten kam Lennox, angesichts seiner eigenen Probleme absurd vor. Durch Teilnahmslosigkeit an seinem Leben hatte sich seine Mutter schon immer ausgezeichnet. Warum er auf der Welt war, war ihm in Situationen wie diesen ein Rätsel. War er da um Eindruck auf andere Mitglieder der Highsociety zu machen? War er ungewollt geboren, entstanden durch einen „Unfall“? Oder liebten ihn seine Eltern vielleicht doch?
Zumindest konnte sich Len an eine Zeit erinnern, in der sein Verhältnis zu den Eltern besser gewesen war. Damals, Lennox konnte damals nicht älter als 8 oder 9 gewesen sein, war seines Vaters Firma zwar Gewinn bringend, aber noch lange nicht so erfolgreich und arbeitsaufwendig wie heute. Damals war er mit seinen Eltern oft an einen See in der Nähe ihres Hauses (welches damals noch lange nicht zu einer Prachtvilla ausgebaut war), wo er mit seinem Vater Boot fuhr, sie picknickten und einfach miteinander sprachen. Doch mit dem Erfolg des Vaters und des kommenden Geldes änderte sich die Situation schlagartig. Sein Dad hatte viel Stress, wenn er mal zu Hause war, dann ruhte er sich aus, telefonierte mit Kunden oder saß am Schreibtisch. Zunächst litt seine Mum unter den neuen Umständen, doch irgendwann fügte sie sich wohl und akzeptierte das neue Leben. Und nicht nur das, sie machte sich den Reichtum auch zu Eigen, plante selbst den Ausbau des Hauses, die neue Einrichtung und bald gab es für sie nichts mehr schöneres, als Gäste in ihrem Luxus herumzuführen. Irgendwo zwischen Arbeit und Angeberei war der eigene Sohn da verschwunden. Lennox machte keine Probleme, brachte gute Noten mit nach Hause, also warum sich um ihn kümmern, es war doch viel leichter, sich auf die oberflächlichen Probleme der Arbeit zu stürzen, zumindest erschien es Lennox so.

„Leg doch das Bild weg! Du machst es dir nur noch schwerer, wenn du stundenlang an diese Leute zurückdenkst.“ Dröhnte plötzlich die schrecklich aufgesetzte Stimme seiner Mutter in seine Gedanken. Wo früher Liebe und Wärme geklungen war, wenn sie ihren Sohn ansprach, dann redete sie heute mit ihm, genau so wie mit der alten Nachbarin, die sie nur eingeladen hatte, um sie zu beeindrucken, ihr Honig ums Maul zu schmieren, obwohl man sich eigentlich gar nicht leiden konnte. „Du wirst noch merken Lennox, dass es für junge Menschen in deinem Alter noch keine wahre Liebe gibt. Ich verstehe gar nicht, wie du das Leben in dieser Einöde, dem Leben hier in der Großstadt vorziehst.“ Lennox antwortete nicht, er sah seine Mutter nur mit ausdruckslosen, ja verständnislosen Augen an. Er konnte nicht fassen, wie jemand, der eigentlich der Mensch sein sollte, den er am meisten liebt und von dem diese Liebe auch erwidert wird, nun so abweisend, kalt und arrogant mit ihm reden konnte. Wie in Trance schob er das Bild wider zurück in den Rucksack und stand von seinem Sessel auf. Sie waren die einzigen Fluggäste in der Business Class gewesen, selbstverständlich hatte seine Mutter nicht darauf verzichtet auch in fast 10000 Fuß Höhe noch allen möglichen nur Komfort zu genießen. Langsam folgte er seinen Eltern, sich immer an dem protzigen Merzmantel seiner Mutter haltend, die damit beschäftigt war ihrem Mann die Haare zu Recht zu machen.
Als Len nun aus dem Flugzeug stieg, hoffte er doch noch einen Blick auf die imposante Kulisse Manhattans werfen zu können, doch es schien gerade so, als hätte sich die Wetterlage an diesem Tag, Lennox’ Stimmung angepasst. Der Regen fiel in dünnen, langen Tropfen so dicht zu Boden, dass sogar das Flughafengebäude kaum zu sehen war. Es war eigentlich erst kurz nach 16 Uhr, doch auch mitten in der Nacht konnte es nicht sehr viel dunkler sein, dachte sich Lennox, während er seinen Blick von der Richtung abwandte, wo irgendwo in diesem Nebelmeer die riesigen Wolkenkratzer der Megacity sein mussten.



 


Er war schon einmal in New York City gewesen. Eigentlich erst vor wenigen Monaten. Seine Klasse war für eine Woche hier her geflogen. Das war in der Zeit, als es zwischen ihm und Jenny so langsam ernster wurde. Len musste heute noch lächeln, wenn er sich daran zurückerinnerte, wie er Adrian und Jake für eine Nacht aus dem gemeinsamen Hotelzimmer heraus lotste und sich Jenny dann mitten in der Nacht zu ihm schlich. Sie waren beide so aufgeregt gewesen, hatten sie doch beide noch keine Erfahrung im sexuellen Sinn. Doch trotzdem lief Len heute noch ein warmes Gefühl durch den Magen, wenn er an diese Nacht zurückdachte. Es war die schönste seines Lebens gewesen und nie hatte er sich Jenny näher gefühlt. Leider waren Jake und Adrian etwas zu früh zurückgekommen und hatten sie sozusagen „erwischt“, was aber nicht schlimm gewesen war, sondern eigentlich im Nachhinein lustig und sie hatten auch alle zusammen darüber lachen können. Auf jeden Fall war sich Lennox seit dieser Nacht sicher, dass Jenny für ihn nicht eine typische Teenager Verliebtheit war, sondern dass er genau wusste, dass er diese junge Frau liebte. Der Abschied von ihr, vor zwei Tagen, gehörte wohl zu den schlimmsten Erlebnissen, die er je erlebt hatte. Er hatte sie ein letztes Mal besucht. Sie hatte ihn ihrem Zimmer gestanden und wie vom Teufel besessen aufgeräumt, während er auf dem Bett saß und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Hör auf, Lennox. Hör auf! Ich kann dass nicht... Ich kann nicht mit dir über deine Abreise reden und so tun, als ob ich mir sicher wäre, dass wir uns irgendwann wieder sehen werden und dass es für uns weiter geht. Jedes dieser Worte, mit denen du es mir leichter machen willst, tut mir nur noch mehr weh, weil ich auch weis, wie schwer die ganze Geschichte für dich ist. Ja noch schwerer als für mich, schließlich musst du hier alle zurück lassen. Aber ich… ich…“ Daraufhin war sie total in Tränen ausgebrochen und war zu Boden gesunken. Ohne noch etwas zu sagen hatte er sie hochgezogen und ihn den Arm genommen und sie hatten beide geweint. Keine Ahnung, wie lange sie da gestanden hatten. Doch irgendwann wussten sie beide, dass es jetzt Zeit war und mit einem Lächeln hatte sie ihn geküsst und er war dann gegangen, in der Gewissheit sie nicht mehr wieder zu sehen, zumindest nicht in absehbarer Zeit.
Vor dem Flughafengebäude stand bereits ein Wagen mit einem Chauffeur aus Mr. Glennsdales Firma für die Familie bereit. Für was brauchte eine dreiköpfige Familie eine Limousine in der gut dreimal so viele Leute Platz gefunden hätten, fragte sich Lennox. Vermutlich wollten sich seine Eltern Susan und Herbert Glennsdale die Gelegenheit nicht entgehen lassen gleich Eindruck auf die Nachbarn zu machen. Susan Glennsdale war davon überzeugt, dass sie in ihrer neuen Residenz, die im Stadtteil Upper East Side liegt, endlich unter „ihresgleichen“ leben würde, schließlich gilt die Upper East Side, als das Stadtviertel der Elite von New York. Wer hier lebt, der hat es geschafft – gesellschaftlich, wie finanziell. Über den East River erreichte die Limousine schließlich den Stadtteil, der von nun an Lennox’ neues zu hause darstellen sollte. In einer Seitenstraße der 2nd Avenue hielt das Fahrzeug schließlich vor einem dreistöckigen Haus. Die Außenfassade war aus hellem Marmor, die Fenster hoch, wie schwarze leere Augen und ein ordentlicher Garten befand sich zwischen dem hohen, abweisenden Zaun und den Treppen, die zum Doppelflügelportal hinaufführte. Das Haus machte auf Lennox den Eindruck, den es wohl auch auf seine Eltern machte: protzig, abweisend, kühl, mächtig. Nur, dass seine Eltern dies als die größte Stärke des Gebäudes ansahen, der Grund, warum sie es überhaupt gekauft hatten, jedoch für Lennox bedeutete dies die Beschreibung des Hauses, indem er am aller wenigsten gern wohnen würde. „Komm, mein Junge. Es wird dir gefallen.“ Sagte sein Vater mit drängender Stimme und schob seinen Sohn durch das Tor im Zaun über den gepflasterten Weg zur Treppe. Noch bevor die die Stufen hinaufgestiegen waren öffnete sich bereits die Eingangstür und ein älterer Mann in einem altmodischen Frack nickte den Eintreffenden kurz zu. „Mr. und Mrs. Glennsdale, darf ich sie recht herzlich begrüßen. Ich habe in den letzten Tagen alles für ihre Ankunft bereit gemacht und hoffe sie werden sich wohlfühlen.“ Susan nickte ihm kurz zu und trat dann ein. „Danke Ted!“ Lennox wurde klar, dass dies der Butler war, den seine Eltern eingestellt hatten, damit er das Haus nach ihren Wünschen einrichten ließ und in Zukunft zusammen mit einer Köchin das Haus in Ordnung halten und für die Familie sorgen sollte. Lennox fand schon den Gedanken unangenehm sich von einem Menschen wie Ted bedienen zu lassen. Schon jetzt, kam er sich an diesem Platz so fremd vor, dass die ganze Szenerie auf ihn etwas Unwirkliches hatte. Nun führte sie Ted durch das Haus. Durch den Eingang gelangt man direkt in eine Halle, die abgesehen von teuren Perserteppichen und einigen Sesseln und einem Kamin leer war. Während man durch Türen in ein riesiges Wohnzimmer (das furchtbar altmodisch eingerichtet war) oder die Küche, sowie einem Bad und den Zimmer der Bediensteten gelangte, befanden sich im ersten Stock ein Esszimmer, in dem Lennox der wuchtige Marmortisch auffiel, zwei Räume in denen seine Eltern vor hatten ihre Gäste zu empfangen und außerdem dem Arbeitszimmer, dass wohl jeden Geschäftspartner seines Vaters Herbert sofort einschüchtern musste, wenn er zu Besuch war. Im obersten Stockwerk befand sich ein weiteres Bad, nebst dem Schlafzimmer von Susan und Herbert (das mit einem begehbaren Kleiderschrank ausgestattet war, aus dem man ein weiteres Zimmer hätte gestalten können) und natürlich Lennox Zimmer. Während der Butler seine Eltern wieder nach unten führte und sich daran machte, das letzte Gepäck der Familie an seinen Platz zu bringen, trat Lennox in sein Schlafzimmer. Zwischen zwei riesigen Fenstern, von denen er auf die Straße blicken konnte, stand ein antik wirkendes Eisenbett. Außerdem befanden sich im Zimmer noch ein Schreibtisch, auf dem Lens Computer stand, der schon vor einigen Tagen zusammen mit fast allen Habseligkeiten der Familie nach New York voraus geschickt worden war, ein Kleiderschrank, mehrere Regale und seine Musikanlage. Alles in allem hatten seine Eltern in der Einrichtung des Raumes auf das Alter ihres Sohnes Rücksicht genommen. Statt dem kalten Steinboden, der den rest des Hauses dominierte war hier ein Laminatboden verlegt worden und die Wände waren nicht ganz so altmodisch tapeziert wie sonst im Haus. Insgesamt musste Lennox zugeben, dass er von der neuen Wohnung schlimmeres erwartet hatte. Er war oft bei „freunden“ seiner Eltern in ihren Villen dabei gewesen und die waren meist noch weit spießiger und bonziger eingerichtet gewesen. Es war fast seltsam, dass seine Eltern hier doch etwas sparsamer gewesen waren in ihrem Luxus, wenn man bei einem riesigen haus an der Upper East Side mit zwei Angestellten überhaupt noch von sparsam reden kann. Er räumte die wenigen Dinge aus seinem Rucksack noch in das Zimmer ein, bevor er das Bild von Jenny und sich auf den Nachttisch stellte. Er ließ sich daraufhin auf das Bett fallen und starrte eine Weile an die Decke. Hatte er eigentlich überhaupt das Recht sich in dieser Umgebung unwohl zu fühlen, obwohl es so vielen anderen Menschen viel schlechter ging? Nach etwa einer viertel Stunde klopfte Ted an der Tür und bat Len zum Essen hinunter ins Esszimmer. Seine Eltern saßen bereits am Tisch. „Ist das Haus nicht herrlich, Lennox? Ich freue mich schon darauf, wenn du deine Mitschüler hierher einladen wirst!“ Lennox setzte sich. „Vorausgesetzt ich finde an dieser Schule Freunde.“ Antwortete er flapsig, was seine Mutter ziemlich zu verärgern schien. „Lennox, ich erwarte, dass du dich auf dieser Schule einlebst. Es bringt dir gar nichts, wenn du dich jetzt zurückziehst und an deine alten Kumpane aus Tennessee zurückdenkst. Wir leben jetzt hier.“ Len schüttelte nur leicht den Kopf, während er bemerkte, dass die Wut wieder in ihm hoch stieg. Lange aßen sie ohne zu sprechen, der Streit hatte die Stimmung auf den Nullpunkt sinken lassen. Lennox stocherte die ganze Zeit in seinem Essen herum und aß nur wenig. Schließlich sah sein Vater von seinem Teller auf und blickte zu seinem Sohn. „Ted wird dich morgen früh zum Internat fahren, stehe also nicht zu spät auf!“ Len sollte zwar auf dieses Internat gehen jedoch nicht dort wohnen, was zur Folge hatte, dass der Butler ihn jeden Morgen die dreiviertel Stunde zur Schule fahren musste.
Nach diesem Essen zog sich Lennox wieder nach oben zurück und legte sich schon früh in sein Bett. Noch während seine Gedanken um die letzten tage in seinem Kopf kreisten fielen ihm langsam die Augen zu – sein Leben in New York hatte begonnen.




 

Das Internat bestand aus mehreren Backsteinbauten, die, umgeben von Wiesen und Bäumen, viele Kilometer außerhalb von New York – die Schule ausmachte, wo sich die Kinder der Eltern wieder fanden, die viel wert auf den Namen der High School legen, auf die ihre Söhne und Töchter gehen. Lennox hatte bereits in einem Schreiben Auskunft erhalten in welches Klassenzimmer er sich am ersten Schultag wenden sollte. Als er nun diesen Raum betrat schien er von den anderen Schülern zunächst gar nicht beachtet zu werden. Die meisten redeten entweder miteinander oder hatten ihre Köpfe schon in die Schulbücher gesteckt. Einer der Schüler, die als erstes zu ihm blickten, saß direkt am Fenster und er sah Lennox abschätzend und auch etwas missgünstig an. Als Lennox ihm zunickte wandte er den Kopf in Richtung Fenster. In diesem Moment betrat die Lehrerin die Klasse. Es war eine nette, ältere Dame, ziemlich korpulent, was sich durch ihre geringe Größe noch verstärkte. Sie grinste, als sie Lennox sah, der sie um mehr als zwei Köpfe überragte und begann, mit einer hellen Stimme ihn zu begrüßen. „Ah, sie müssen also Lennox Glennsdale sein, willkommen, willkommen. Mein Name ist Mrs. Blooms.“ Sie begab sich zum Pult. „Guten Morgen meine Damen und Herren. Darf ich ihnen ihren neuen Mitschüler vorstellen: Lennox Glennsdale. Er ist erst kürzlich nach New York gezogen.“ Sie blickte sich scheinbar zufrieden mit ihrer Ansprache eine Weile im Klassenzimmer um. Lennox versuchte unaufgesetzt zu lächeln, was aber gar nicht so einfach war, da es ihm eher peinlich war, dass nun alle Augen auf ihn gerichtet waren. „Ähm, Leif?!“ sprach sie eben den Schüler an, der als einziger in der Klasse alleine saß und Len vorher so eindringlich angeschaut hatte. „Würden sie Lennox später die Schule etwas zeigen, ja? Wir setzen ihn am besten zu ihnen, sonst haben wir ja keinen Platz mehr.“ Sie wies Lennox, freundlich lächelnd an, sich auf den leeren Platz neben Leif zu setzen und wandte sich dann ihren Büchern und Ordnern zu. „Also, wo waren wir noch mal letzte Stunde stehen geblieben...“ begann sie schließlich mit dem unterricht. Len hatte sich so unauffällig wie möglich neben Leif gesetzt. „Hey...“ sagte er leise, als er bemerkte, dass ihn Leif unscheniert anstierte. Der nickte nur fast unmerklich und blickte dann zur Tafel.

In der Mittagspause saß Lennox zunächst alleine in der großen Cafeteria der Schule. Den ganzen Schultag über hatte ihn niemand angesprochen, jedoch war ihm aufgefallen, dass ständig Augen auf ihn gerichtet gewesen waren. Er musste an die Mittagspausen daheim in Tennessee zurückdenken, als er diese Zeit zusammen mit Adrian, Jake und Jenny verbracht hatte. „Hey... Lennox, richtig?“ Lennox verschluckte sich fast, als er so plötzlich angesprochen wurde. Er blickte auf und vor ihm stand ein Mädchen aus seiner Klasse, zumindest glaubte er, dass er sie vorhin im Klassenzimmer sitzen gesehen hätte. „Ich wollte dich zu unserem Klassenstufenball einladen.“ Sie reichte ihm einen kleinen Zettel, auf dem Zeit und Ort des Balls draufstanden. „Ähm... danke!“ er lächelte die ziemlich kleine Frau an. Sie hatte lange dunkle Haare, die unten leicht gelockt waren – er fand sie auf Anhieb für unglaublich gut aussehend. „Ich würde mich freuen, wenn du kommen würdest.“ Mit diesen Worten verschwand sie auch schon wieder. Während Lennox noch froh darüber war, vielleicht doch etwas Anschluss hier zu finden ließ ein anderer junger Mann plötzlich sein Tablett ihm gegenüber auf den Tisch fallen. Es war Leif. „Aha, haben sie dich also auch auf ihren Ball eingeladen.“ Fragte er mürrisch und nickte in Richtung des Zettels, den Len noch immer in der Hand hielt. Lennox nickte und musterte Leif nun etwas genauer. Er war mindestens genauso groß wie er, hatte aber kürzere Haare, die er wild durcheinander gestylt trug. „Ich hatte gedacht, dass würde vielleicht ganz lustig werden… ich meine ich kenne hier ja noch niemanden.“ Sagte Lennox weiter. „Len, ich darf dich doch Len nennen?“ Bevor er überhaupt auf eine Antwort wartete, redete er gleich weiter. „ Man merkt, dass du bisher auf keinem Internat warst. Hier läuft alles etwas anders ab. Hier ist alles etwas feiner, spießiger und langweiliger, als auf den öffentlichen High Schools.“ Lennox lehnte sich zurück. „Gefällt es dir hier nicht?“ Leif schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht.. genau genommen fühle ich mich hier beschissen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier so viele freiwillig sind. Man ist hier, weil es die Eltern auch waren oder sie es so wollen. Zumindest ist es bei mir so.“ Len musste an seine eigene Situation denken, die eigentlich mit dem, was Leif gerade gesagt hatte übereinstimmte. „Ich werde am Freitag auch auf dem Ball sein, und wenn du es dann dort ebenfalls so langweilig findest, dann kann ich dir gleich zeigen, wo man hier richtig feiert.“

 


Schon eine halbe Stunde später wäre Lennox lieber gewesen, Leif hätte ihm gezeigt, wo sich der nächste Raum befand, in dem Unterricht stattfand. Als er sein Ziel endlich gefunden hatte, hatte der Unterricht schon begonnen. Der Lehrer für Mathematik funkelte Len gleich böse an, als dieser eintrat und zeigte nur auf einen freien Platz, ohne ihn zu begrüßen oder sonst etwas zu sagen.
Die nächsten vier Tage bis Freitag kam Len öfters mit den Leuten aus seiner Klasse zusammen, doch erstaunlicher Weise gehörte Leif zu den wenigen Personen, die Lennox sympathisch waren. Vielleicht lag das daran, dass Leif, genau wie Len, eher verträumt war, manchmal regelrecht abwesend. Als Lennox am Freitagabend die Aula der Schule erreichte, wo die Party stattfinden sollte, wartete Leif bereits vor der Eingangstür. „Da bist du ja endlich! Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr!“ sagte Leif und zusammen betraten sie die Aula. Die Schulband hatte bereits damit begonnen mehr schlecht als recht zu spielen, was die meisten jedoch trotzdem nicht davon abhielt zu tanzen. Am Rand des großen Saales war ein großes Buffet aufgebaut, außerdem hatte man die kleinen Tische und Stühle aus der Cafeteria hier her geschafft. Leif drängelte sich schnurstracks zum Buffet durch. „Eins muss man den Leuten vom Festkomitee lassen, auch wenn sie jedes Jahr für die gleiche schlechte Musik sorgen, ist das Essen einfach spitze.“ Während Leif sich den Leckereien widmete, sah sich Len nun etwas genauer im Saal um. Die meisten Gesichter waren ihm noch gänzlich unbekannt, doch hier und da entdeckte er auch die Leute aus seiner neuen Klasse, die ihn aber nicht zu bemerken schienen. Und plötzlich entdeckte er das Mädchen wieder, das ihn vor einigen Tagen auf den Ball eingeladen hatte. Sie saß mit einigen anderen, offenbar ihren Freundinnen, an einem Tisch. Da er im Moment nichts Besseres zu tun hatte und sich Leif immer noch um das Buffet kümmerte beschloss er ihr hallo zu sagen. Schon als er näher kam, lächelte sie ihm zu und stand auf. „Freut mich, dass du gekommen bist, Lennox.“ Len erwiderte das Lächeln. „Eine so nette Einladung konnte ich doch nicht ablehnen. Sag mal, wie heißt du eigentlich?“ fragte er sie dann schließlich. „Maya, Maya Larson. Bist du alleine hier?“ Lennox schüttelte den Kopf und suchte mit den Augen nach Leif. „Nein, ich bin mit Leif hier. Ich bin mir gerade nur nicht sicher wo er steckt.“ Maya sah ihn nachdenklich an und sprach dann etwas leiser weiter. „Pass mit Leif ein bisschen auf.“ Len sah sie verwundert an. „Warum?“ Maya sah sich um, als wollte sie sich vergewissern, dass Leif nicht in den nächsten Sekunden zu ihnen kommen könnte. „Na ja, er ist allgemein nicht sehr beliebt. Er will mit uns anderen nichts zu tun haben, zieht sich zurück und einige sagen, er wäre in illegale Angelegenheiten verstrickt.“ Lennox war überrascht, dass das, was er gerade über Leif gehört hatte, ihn kaum verwunderte. „Ich pass schon auf, keine Sorge.“ Er lächelte sie erneut an und in diesem Moment kam Leif zu ihnen. „Wo hast du denn gesteckt, Len?“ fragte er übertrieben fröhlich, doch schaute plötzlich finster drein, als er Maya entdeckte. „Oh... hab ich euch gerade bei etwas gestört?“ Lennox schüttelte sofort den Kopf. „Nein... hast du nicht.“ „Na dann ist ja gut.“ Leif grinste und zog Len am Arm mit sich. „Man sieht sich!“ rief Lennox noch schnell Maya zu, bevor Leif ihn aus dem Saal heraus zerrte. „Was war das denn eben? Hast dich in die Larson verguckt, oder?“ fragte Leif. „Nein, nein überhaupt nicht. Ich habe eine Freundin.“ Leif schaute erstaunt. „Ach, tatsächlich? Und wo ist sie heute Abend. Ich meine zu solchen Anlässen kommt man ja dann nicht alleine.“ Len blickte zu Boden. „Sie lebt in Tennessee, in dem Ort aus dem ich hier her gezogen bin.“ Leif bemerkte den traurigen Gesichtsausdruck, als Len von Tennessee sprach. „Weißt du was, wir gehen jetzt auf eine richtige Party. Ein Kumpel von mir feiert heute seinen Geburtstag, und unterwegs erzählst du mir mal von deiner Freundin.“

Und was Lennox nie für möglich gehalten hätte, geschah nun doch. Leif war der Mensch, dem er nun alle seine Probleme erzählen konnte und Leif hörte ihm auch zu. Was er die letzten Tage immer herunterschlucken hatte müssen, die Wut, der Hass, die Ohnmacht, all das wurde er nun los. Sie gingen schon mindestens eine halbe Stunde, als er fertig wurde. „Es muss sich absurd anhören – ein 17 jähriger Sohn einer reichen Familie beklagt sich über sein Leben...“ sagte Lennox schließlich. „Nein, überhaupt nicht. Ich glaube ich kann dich nur allzu gut verstehen.“ Len blickte zu Leif. Er verstand in diesem Moment nicht mehr, was Maya und die anderen gegen diesen jungen Mann hatte. Vermutlich kannten sie ihn gar nicht wirklich, hatten sich ein Urteil gebildet, bevor sie sich die Mühe gemacht hätten ihn näher kennen zu lernen. „Wir sollten uns ein Taxi nehmen. Es fängt glaube ich gleich an zu regnen und bis nach Manhattan können wir nicht laufen.“ Per Handy rief Leif also das Taxi und sie setzten sich auf eine Mauer, die unter einem Dach stand, dass sie einigermaßen vor dem nun einsetzenden Unwetter schützte. „Und was ist mit dir? Du bist ja auch nicht freiwillig auf dieser Schule.“ Fragte Len schließlich Leif. „Nein, bin ich nicht. Allerdings habe ich auch nie darüber nachgedacht meinen Eltern zu widersprechen. Von Anfang an stand es für sie fest, dass meine Noten gut zu sein hatten, ich auf dieses Internat gehen sollte und mein Vater hofft, mich später auf einem College wie Harvard oder Yale zu sehen.“ Lennox bemerkte mehr und mehr, dass er und Leif in einer ähnlichen Lage steckten. Vielleicht verstanden sie sich deshalb auf Anhieb so gut. Außerdem waren sie auf ihrer Schule im Moment beide Außenseiter: Leif, weil er anders war, als der Durchschnittsschüler und Len, weil er neu war. „Und was würdest du gerne machen? Ich meine, wenn du die Wünsche deiner Eltern mal vergessen könntest?“ Leif musste nicht lange überlegen. „ Ich würde gerne Schauspieler werden. Mein Vater hat fast einen Herzinfarkt bekommen, als er erfahren hat, dass ich seit über einem Jahr in einer Theatergruppe spiele. Er hat dann alles daran gesetzt, um mich daran zu hindern und schlussendlich musste ich tatsächlich aufhören.“ Sie waren beide gefangen in einem goldenen Käfig. Darum gab es in diesem Moment auch nicht mehr zu sagen. Schließlich fuhr das Taxi vor und Leif ließ sie in ein ziemlich heruntergekommenes Viertel New Yorks bringen.


 

Lennox glaubte, dass es nicht weit von der Bronx entfernt sein konnte, wenn es nicht schon in ihr lag. „und hier wohnt dein Kumpel?“ fragte er etwas ungläubig, nachdem sie das Taxi verlassen und den Fahrer bezahlt hatten. „Ja, dort drüben in dem Hochhaus.“ Sie betraten ein etwa 10 stockiges Gebäude, dessen Putz schon vor Jahren abgefallen sein musste. Das Treppenhaus war voller Graffitis, Müll und leerer Karton. Sie stiegen einige Treppen nach oben, bis Leif schließlich an einer Tür klingelte. Von drinnen dröhnte bereits laute Musik heraus. Lennox musste daran denken, was für ein Gesicht seine Eltern wohl machen würden, wenn sie ihn nun hier sehen würden. Doch das war ihm im Moment so ziemlich egal, ihm war es sogar wichtig, gerade etwas zu machen, was seine Eltern auf die Palme bringen würde. Hatten sie jemals Rücksicht auf ihn genommen in den letzten Jahren? Nein! Er würde nun hier mit Leif Spaß haben, egal was es für Konsequenzen haben könnte. Dann wurde die Tür geöffnet. Ein junger Mann, ein bisschen älter als sie beide sah sie an. Ihm war anzusehen, dass die Party wohl schon in vollem Gange war. Er war nass geschwitzt, seine Haare fielen im wild ins Gesicht, das seltsam bleich war und seine Augen waren rot. „Hey Leif... Hätte nicht gedacht, dass du noch kommst. Komm rein!“ Ohne Lennox zu beachten zog er Leif in die Wohnung hinein, ließ die Tür aber offen, so dass auch Len eintreten konnte. Er versuchte die Tür so leise wie möglich hinter sich zu schließen, was eigentlich keinen Sinn machte, die Musik war so laut, dass mein sein eigenes Wort kaum verstand. Die Wohnung gehörte dem Veranstalter wohl alleine, zumindest konnte sich Len nicht vorstellen, dass es Eltern gab, die ihren Sohn die Wohnung derart demolieren lassen würden. Außer der Küche und dem Bad gab es nur noch einen Raum, der wohl Schlaf und Wohnzimmer in einem war. In ihm standen nur eine alte Musikanlage, ein Tisch und ein altes, aus allen Nähten platzendes Sofa. Mindestens dreißig Leute drängelten sich hier. Nur wenige tanzten, die meisten saßen auf dem Boden verstreut mit Bierflaschen in den Händen. Auf die Toilette hatte sich wohl schon ein Pärchen zurückgezogen, worüber sich ein anderer junger Mann extrem aufregte, denn er hatte wohl schon zu tief ins Glas geschaut – mehr als er eigentlich vertrug und nun war ihm schrecklich schlecht geworden.

Lennox sah sich nach Leif um und sah ihn schließlich, mit dem, der sie rein gelassen hatte in einer Ecke vor dem Fenster sitzen. Leif blickte auf und winkte ihn zu sich hinüber. „Das, Jason, ist Len. Hat in letzter Zeit ein paar Probleme mit seinen Alten und muss mal wieder ein bisschen ausspannen.“ Jason nickte Lennox kurz grinsend zu und erst jetzt bemerkte Len, dass Jason dabei war einen Joint zu drehen. Natürlich hatte es auch in Tennessee genug Leute gegeben, die gekifft hatten. Aber direkt waren er und seine Freunde nie damit in Kontakt gekommen. Es hatte einfach nie einen Grund dazu gegeben, wenn es dafür überhaupt einen Grund geben kann. Nachdem Jason fertig war, steckte er den Joint an und begann daran zu ziehen, bis er ihn an Leif weiter reichte. Der hielt ihn aber gleich Lennox hin. „Hier, Lennox. Danach können wir unsere Alten endlich eine Weile vergessen und dann gibt es mal nur uns und diese Party.“ Len wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er hatte noch nie gekifft, ja noch nicht einmal richtig geraucht. Natürlich hatte er hier und da auf einer Party früher auch schon eine Zigarette geraucht, aber er war nie Raucher gewesen. „Nein, danke... ich glaube ich hole mir erstmal ein Bier.“ „Wie du meinst, dann bleibt mehr für mich übrig.“ Antwortete Leif, als Len aufstand und in die Küche ging.

Lennox fühlte sich plötzlich unwohl auf dieser Party. Es lag nicht an der Musik – die fand er sogar ziemlich gut, Punkrock, wie er sie auch immer hörte, solange seine Eltern nicht sauer wurden. Es lag auch nicht an den Leuten, an Jason oder an Leif. Vermutlich lag es schlicht und einfach an ihm selber. Es störte ihn, dass ihm gerade ein Joint angeboten worden war. Regte er sich etwa darüber auf, keinen Zug davon genommen zu haben. Nicht gezeigt zu haben, dass er sich auch gegen den Einfluss der Eltern auflehnen will und bewusst etwas Verbotenes zu tun? Oder war sein Problem, dass er allen Ernstes überhaupt daran gedacht hatte zu kiffen, etwas was er bis dato für unnötig, ja sogar gefährlich gehalten hatte. Während er sich an einigen anderen Leuten vorbei in die Küche schob und sich aus dem Kühlschrank eine Bierflasche nahm musste er an Jake denken. Er war immer derjenige gewesen, der alles ausprobieren musste. Er hatte als erstes Alkohol getrunken, als erstes geraucht und er hatte auch als einzigem, in Lens damaligem Freundeskreis, gekifft und auch etliche Monate nicht mehr damit aufgehört. Als seine Eltern dahinter gekommen waren, hatte er es gelassen. Nicht, wie er behauptet hatte, wegen seiner Eltern, sondern weil sich das Kiffen irgendwann bei ihm verselbstständigt hatte. Es war zur Gewohntheit geworden. Man konnte nicht behaupten, dass er wirklich süchtig danach gewesen war, zumindest nicht körperlich. Es hatte ihm einfach Kicks, Adrenalinschübe gegeben, die er irgendwann glaubte ohne das Kiffen nicht haben zu können. Im Nachhinein war er froh, es bleiben gelassen zu haben und unter den Freunden war es kaum noch zur Sprache gekommen.

Len öffnete die Flasche und nippte daran. Jake hatte ganz einfach wieder aufhören können, warum sollte er selbst es dann nicht einfach auch mal versuchen. Die meisten Leute haben es irgendwann in ihrer Jugend mal versucht, und wenn nicht jetzt, wann denn dann? Nachdem er einen weiteren großen Schluck von seinem Bier genommen hatte, hatte er es bereits beschlossen auszutesten, als er in seiner Hosentasche plötzlich den Vibrationsalarm seines Handys spürte.
Leif, der nun nicht nur den halben Joint, sondern auch schon einiges an Alkohol intus hatte, war wieder aufgestanden und langsam in Richtung Küche getorkelt, wo er Len stehen sah, der offenbar mit jemand telefonierte. Wäre er in nüchternem Zustand gewesen, dann hätte er vielleicht gesehen, dass aus Lens Gesicht jede Farbe gewichen war. Noch bevor er ihn erreichte, hatte Lennox bereits die Küche verlassen und rannte förmlich aus der Wohnung. Nicht mehr im Stande sich richtige Sorgen zu machen machte Leif wieder kehrt und ließ sich auf das Sofa fallen.


 

Lennox stürmte aus dem Gebäude und suchte nach irgendeinem Schild, das ihm zeigen könnte, mit welchem Bus oder welcher U-Bahn er jetzt am besten zurück in die Upper East Side kommen könnte. Der Butler Ted hatte am Telefon von einem Telefongespräch seines Vaters mit einem Kunden in Europa geredet, das Herbert Glennsdale wohl so aufgeregt hatte, dass er kurz darauf mit Schmerzen im Herz zusammengebrochen sei. Herbert war ein schlanker Mann, allerdings nicht schlank, auf Grund von Sport oder guter Ernährung, sondern wegen Stress. Er sah schon seit Jahren nicht mehr gesund aus, war alt geworden, mit etlichen Falten und eingefallenen Wangen. Lennox wusste, wie schnell sich sein Vater aufregen konnte, wenn es entweder um seinen Sohn oder um geschäftliches ging. Dann steigerte er sich oft stundenlang in die Sache hinein, bis es sich in einen richtigen Wutanfall entwickelte. Verwunderlich wäre ein Herzinfarkt sicherlich nicht. Es kam Len wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich eine U-Bahnstation erreichte, die eine direkte Verbindung zu seinem Stadtviertel hatte. Dort ausgestiegen, wusste er allerdings nicht, in welche Richtung er genau musste und so dauerte es insgesamt fast eine drei viertel Stunde, von seinem Aufbruch von der Party, bis er endlich zu hause war. Ein Notarzt und ein Krankenwagen standen mit Blaulicht vor dem Haus. Die Tür war offen und in ihr stand Ted. Die Köchin, Etha, saß auf der kleinen Bank am Fuß der Treppe und schien zu weinen. Gerade als Lennox dem Gartentor näher kam, trugen zwei Sanitäter eine bahre aus dem Haus, auf dem sein bewusstloser Vater, an unzählige Schläuche und Geräte angeschlossen, lag. Hinter ihnen kam der Notarzt, der auf Susan einredete, die völlig aufgelöst neben ihnen her rannte. Len viel sofort auf, dass sie trotz ihrer Tränen immer noch ihre schrille aufgesetzte Stimme bewahrt hatte. Selbst in einem Moment wie diesem schaffte sie es einfach nicht, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Len blieb vor dem Zaun stehen, als die Sanitäter und seine Mutter an ihm vorbeikamen. Zunächst glaubte er, seine Mum hätte ihn übersehen. Als der Kranke in den Wagen geschoben worden war, drehte sich Mrs. Glennsdale allerdings doch zu ihrem Sohn um. „Verdammt noch mal wo warst du!“ kreischte sie ihn an. „Kannst du nicht wenigstens zu hause sein, wenn du gebraucht wirst? Ganz alleine war ich mit deinem Vater.“ Mit verheulten Augen stieg sie, ohne auf eine Antwort ihres Sohnes zu warten, ja ihm auch nur die Gelegenheit zu geben Anteil an dem Unglück zu nehmen, stieg sie in den Krankenwagen, der sich kurz darauf in Bewegung setzte und mit Blaulicht und Sirene in die Nacht verschwand. Es hatte wieder zu regnen begonnen, was Len gar nicht aufgefallen war. Die Worte seiner Mutter hatten ihn schwer getroffen. Die völlig nassen Haare fielen ihm ins Gesicht, verdeckten seine Augen, an denen sich die Regentropfen mit Tränen vermischten. Lennox wusste nicht, wie lange er so im Regen gestanden hatte, bis hinter ihm plötzlich Ted mit einem Schirm erschien. „Master Lennox, kommen sie. Ich fahre sie ins Krankenhaus.“ Willenlos ließ sich Len von dem Butler zum Wagen bringen, mit dem Ted kurz darauf aus der Einfahrt heraus bog und in Richtung des Krankenhauses davonfuhr.

Ted war ein herzensguter Mensch, wenn auch etwas verstaubt. Lennox glaubte, dass der alte Butler seine Probleme erraten hatte und Ted tat wirklich alles dafür, dass sich Len in der neuen Umgebung wohl fühlte. „Ihrem Vater wird es sicher bald wieder besser gehen. Vertrauen sie mir.“ Lennox, der den beginn der Fahrt über nur ins Leere geblickt hatte schaute nun zu Ted. „Haben sie gesehen, wie sie mich angeschaut hat? Sie gibt mir die Schuld daran.“ Ted schüttelte energisch den Kopf und sprach tröstend weiter. „Das glaube ich nicht. Ihre Mutter befand sich in einer schwierigen Situation. Sie war alleine mit ihrem Vater, als er zusammenbrach. Sie muss einen Schock erlitten haben.“ Und was war mit Lennox? War es für ihn nicht auch furchtbar gewesen am Telefon von dem Herzinfarkt zu erfahren? Wäre das nicht ein Moment gewesen, in dem Mutter und Sohn hätten zusammenhalten müssen?

Diese Fragen konnte er in diesem Moment nicht beantworten. Sie schossen ihn nur durch den Kopf, unfähig über seine Lage oder die seiner Mutter ein Urteil zu bilden. Schließlich fuhr der Wagen der Familie Glennsdale vor dem Krankenhaus vor. Familie Glennsdale, zeigte diese Situation nicht, dass Herbert, Susan und Lennox nur noch eine hohle Fassade bildeten? Ted und Len wurden von einer Schwester in einen abgeschotteten Warteraum gebracht, wo sie Susan auf einem Stuhl kauernd vorfanden. „Ich lasse sie eine Weile allein. Wenn sie meine Dienste benötigen, finden sie mich auf dem Flur.“ Ließ Ted noch verlauten und schloss dann hinter Len die Tür. So alleine war Lennox die ganzen letzten Jahre nicht mit seiner Mutter gewesen. Sie blickte nicht auf, als er sich setzte. „Operieren sie ihn?“ Sie sah nicht auf, sondern sagte nur mit einem vorwurfsvollen Klang in der Stimme. „Ja, was denn sonst?“ Lennox wurde so langsam wütend. Was war zwischen ihnen nur geschehen, dass sie so kalt zu ihrem eigenen Sohn sein konnte. „Mum ich weiß, dass du mir die Schuld...“ er konnte nicht mehr sagen, bevor seine Mutter ihn unterbrach. „Hör auf, dich schon wieder zu beklagen. Du machst uns beide ganz krank mit deiner Nörglerei. Kannst du nicht wenigstens jetzt, an deinen Vater denken. Wir lassen dir alle Freiheiten und du bleibst bis mitten in der Nacht weg und bist natürlich nicht zu hause, wenn wir dich am nötigsten brauchen.“ Lennox fühlte ich den Vorwürfen seiner Mutter hilflos ausgeliefert in diesem Moment und jedes Wort von ihr tat ihm weh. Nun stand Susan auf und ging auf ihren Sohn zu. Dann kniete sie sich vor ihn. „Wir müssen wieder eine Familie werden, Lennox. Wir müssen endlich wieder eine Familie werden.“ Len überraschten diese Worte seiner Mum. Doch genauso überrascht, wie er war, dass sie bemerkt hatte, dass sie keine wirkliche Familie waren, verärgerte es ihn, dass sie ihm alleine die Schuld zuschob. „Lass dich von Ted heimfahren, hier kannst du ja doch nichts ausrichten. Ich rufe an, wenn es etwas Neues gibt.“ Sagte sie, während sie langsam aufstand und zum ersten Mal seit Jahren, sprach sie in einem normalen Ton, ohne ihre Stimme zu verstellen, ohne eine Maske zu tragen.

Er stand auf und verließ das Zimmer. Die ganze Heimfahrt über sprach er kein Wort mehr und als sie wieder zu Hause waren ging er sofort in sein Zimmer hinauf. Ohne das Licht anzuschalten blickte er auf die Straße. Gegen die Fensterscheiben pochten die schweren Tropfen des Regens und von den Lichtern der City erhellt, erkannte man die Wolkentürme, die sich über der Stadt aufgebaut hatten. Und nun begann Lennox wirklich zu weinen. Er weinte über seinen Vater, seine Mutter. Jenny, Jake, Adrian und all die anderen, die er zurückgelassen hatte und mit unglaublicher Wut nahm er den Baseballschläger, den sein Vater ihm zum 10. Geburtstag geschenkt hatte und schmetterte ihn mit so großer Kraft gegen die Wand, dass er strauchelte und stürzte. Schwer atmend blieb er auf dem Boden liegen und schloss schließlich die Augen.

Ende – Chapter 01

 
Wow... *für einen Moment ganz sprachlos bin*

Echt, die Story ist einfach super... Genial...

*immer noch nicht die richtigen Worte finden kann* ;)

Du hast den Personen, vor allem Len so richtig leben eingehaucht. Etwas, was nicht wirklich einfach ist. Da hab ich schon so meine Erfahrungen gemacht. Auf jeden Fall, hast du es mal wieder geschafft, dass ich richtig begeistert bin und schon beinahe ungeduldig auf den nächsten Teil warte. Mag unbedingt wissen, wie's weitergeht...

LG
Seraina
 
:umschauen Oh mein Gott... das ist... einfach wow. Ich finde es echt hammer.
Du hast ein großes Talent zu schreiben und ich mag deinen Schreibstil :zufrieden Einfach genial.

Ich hoffe, es geht bald weiter. Du hast mich neugierig gemacht.

Cat
 
Also im ersten Moment fällt mir so gar nicht wirklich etwas ein, was ich zu deiner Story sagen könnte.

Sie ist wirklich super geschrieben und liest sich wirklich wie ein Roman und das Thema, über das du schreibst, finde ich auch sehr gut, es einmal anzusprechen.

Ich bin jetzt schon mal gespannt, wie es wohl weitergehen wird.
 
So hab nun endlich auch deine FF lesen können und bin echt glücklich darüber.
Ich finde die FF sehr gut geschrieben und deine Wortwahl wieder einfach nur genial.
Der Firgur Len, hasst du mehr als nur ein Leben eingehaucht.
Also ich hoffe das es bald nen neuen Teile gibt und ich kann nur noch zum Aschluß sagen......*wow*


LG Carola
 
wow, deine Geschichte gefällt mir echt gut...
man kann sich ziemlich gut in die person hineinversetzen und wie du seine umgebung schilderst ist echt toll... mach weiter so...
lg Carmen
 
super story, auch wenn die schriftart etwas ungünstig ist

*mirdieaugenreib*

bin ganz sprachlos und das heisst was *normallerweisewasserfallbin*
 
Also erstmal vielen, vielen Dank für das Feedback. Ich freue mich, dass die STory ankommt.

Bitte versteht, dass die einzelnen Chapters immer eine Weile auf sich warten lassen werden, denn sie sind ziemlich lang und ich möchte sie immer am Stück online stellen, auch wenn ich im Kopf die Story schon bis zum Ende geplant habe.

Nochmals vielen Dank,

Josh
 
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*nach den richtigen Wort such*
WOW!!! Das erste Chapter ist echt super geworden :zustimmen
Ich mag deiner Schreibstil und find es klasse, das man sich dadurch so gut in die einzelnen Personen hinein versetzen kann.
Also ich werd auf jeden Fall weiterlesen ;)
 
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