Hey, so langsam dürfte es euch aufgefallen sein, dass ich jeden tag poste, also ja nich hetzen 
Ihr bekommt schon noch jeden Tag euren Teil ^^
Freut mich aber, dass es euch gefällt!!
9.
Der Hunger hatte ihn gezwungen weiter zu laufen. Er konnte nicht mitten auf dem Steg Halt machen. Nicht jetzt. Er konnte nicht mehr. Die Kälte steckte ihm noch in den Knochen und die Hitze ebenfalls. Nie hätte er gedacht, dass ihn so etwas wie Temperaturen so beeinflussen konnten.
Schon wieder hatte er vergessen wer er war. Ständig musste er sich daran erinnern, nicht zu vergessen, was er hier machte und was er vorhatte.
Konzentrieren. Einen Fuß vor den anderen. Immer weiter laufen und nichts vergessen. Bloß nichts vergessen. Und nicht wieder an dieses Ereignis zurück denken, bloß nicht.
Natürlich klappte dies nicht.
Er sah sie wie sie ihn durch die dünne Eisschicht hindurch anblickte. Den Mund nach Luft schnappend geöffnet, mit Wasser gefüllt. Die Augen weit aufgerissen.
Die Hände greife mit blauen Fingern nach der Eisdecke über ihr. Blutig reißen sie auf.
Die Haare sahen faszinierend aus, wie sie so im Wasser zu allen Richtungen schwammen.
Sie sah wunderschön aus, als sie langsam tiefer sank und ihre Hände nur noch in die Leere griffen.
Dieses Bild von ihr sollte er in Erinnerung behalten. Nicht die von ihr im Sonnenschein, fröhlich lächelnd. Nein, dieses unwirkliche, grausam schöne Abbild von ihr ließ ihn nicht schlafen ließ ihn an kaum etwas anderes denken. Ließ sein Blut in seinen Adern gefrieren und seine Hände zittern.
Sein Gesicht hatte er an die Eisschicht unter ihm gedrückt, bis die letzten Sonnenstrahlen nicht in die Tiefe herunterdrangen in die sie verschwand und noch länger.
Er hatte keine Ahnung wie viel Zeit er so zugebracht hatte. Unfähig etwas zu tun und unfähig etwas zu empfinden. Die Trauer kam später ebenso wie der Zorn.
Als im Frühling das Eis aufbrach du schmolz, hatte er Angst davor, welches Bild jenes ersetzte würde, was ihn seit diesem Tage stets verfolgt hatte.
Er hatte sie nie gefunden. Nie konnte er ihren leblosen Leichnam, aufgequollen durch das Wasser in den Armen halten. Nie mehr ihre Lippen küssen. Und ihr nie wieder durch das Haar streichen. Nie wieder ertönte ihr Stimme, nie wieder ihr Lachen.
Er hatte damals jedem Spiegel zerschlagen, der in ihrem Haus hing. Er wollte sich nicht sehen, nie wieder. Wie er sie nie wieder sehen konnte.
Jedes Mal wenn er sich selbst betrachtet hatte, hatte er auch sie gesehen, durch sein Spiegelbild hindurch.
Sie hatten sich schon immer ähnlich gesehen. Die Gesichtszüge, die Augen, der schmale Mund. Nur sah er jetzt auch ihr wirbelnden Haare und den mit Wasser gefüllten Mund, der wie zu einem Schrei geöffnet war.
Es war als wäre ein Teil von ihm selbst in diesem See verschwunden.
Unwiederbringbar.
Er fühlte sich das erste mal in seinem Leben einsam.
Und dieses Gefühl konnte er einfach nicht loswerden.
Er hatte bei weitem alles versucht.
Nach einigen Monaten, die er sich zusammen mit Bildern von ihr abgekapselt und in eine nicht schlimmere Einsamkeit verzogen hatte, als sie sowieso schon war, begann er wieder sich unter Leute zu mischen.
Viele Frauen hatten das Glück seine Bekanntschaft zu machen. Aber immer nur kurz und nach einer Nacht war er am Morgen so einsam wie am Tag zuvor.
Er empfand selten noch irgend etwas. Was ihm nichts weiter ausmachte. Er war schließlich nicht mehr er selbst, er war das schwache Abbild seines früheren Ichs.
Er hatte sie verloren.
Die Liebe seine Lebens.
Seine einzige richtige Freundin.
Seine Zwillingsschwester.