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AW: [Schillerstraße] - Die Geschichte der sieben kleinen Scherzkekse


Die Welt um sie herum schien sich zu drehen. Das konnte nicht wahr sein, es durfte nicht wahr sein, doch sie wusste, dass es so war. Annette hatte nur einen kleinen Blick in den Bungalow geworfen, doch der hatte bereits gereicht. Bernhards Augen, aus ihren Höhlen herausgerissen hatten sie, von einem Tisch aus, angestarrt. Sie spürte wie erneut ein Gefühl der Übelkeit in ihr aufstieg und übergab sich ein zweites Mal. Cordula stand hinter ihr. Michael hatte es geschafft, sie davon abzuhalten ebenfalls in den Bungalow zu blicken und das war auch besser so. Langsam stand Annette auf, und ging, gefolgt von der schweigenden Cordula zurück zum See. Sie brauchte kaltes Wasser, doch auch das würde die Sache nicht viel besser machen. Sie wusste plötzlich, dass es kein Fluch war, wie Cordula zunächst vermutet hatte. Aber die Wahrheit war auch nicht sehr viel besser. Irgendein Psycho trieb sich hier im Wald herum, und hatte vermutlich auch Ralf umgebracht. Ob er auch für Ilkas Tod verantwortlich war? Wenn, dann müssten die Ärzte doch bald feststellen, dass sie keinen Selbstmord begangen hatten. Und dann würde man sich um sie sorgen, und sie retten kommen, oder etwa nicht? Hatte Tetje es überhaupt bis in die nächste Stadt geschafft oder hatte der Irre auch ihn vorher umgebracht? Annettes Gedanken rasten. Sie fühlte sich wie in einem schlechten Horror-Film, in dem nach und nach alle umgebracht wurden, und sie war mitten drin. Doch das war kein Film, das hier war die Realität. In den Filmen wurden die Leute ja auch immer von irgendeinem Freund umgebracht, der sich unauffällig im Hintergrund hielt, und dann im richtigen Augenblick zuschlug. Der Gedanke traf sie wie ein Schlag. Wo war eigentlich Oliver? Wo war er heute Morgen gewesen, als er behauptete er wäre im Wald gewesen. Überhaupt, was tat man eine halbe Stunde im Wald? Und was hatte er getan, während sie nach Bernhard suchten? War er etwa derjenige,… Aber das konnte nicht sein. Nein, wie gesagt, es war irgendein Psycho, der aus einer Anstalt entkommen war und jetzt im Wald sein Unwesen trieb. Doch die plötzliche Angst blieb. Annette sah auf, und merkte wie Cordula sie ansah, bevor sie leise fragte: „Annette, was… Was ist denn los? Was war in diesem Bungalow?“ Annette stöhnte auf. Schon wieder dieses Bild, diese Augen, die sie irgendwie vorwurfsvoll anstarrten. Sie unterdrückte den Würgereiz und murmelte nur: „Es ist Bernhard.“ Sie wollte Cordula die grausigen Details ersparen, aber andererseits würde sie es vermutlich auch wissen wollen. Dann sah sie, dass Michael blass und langsam auf sie zutrat. Während sie weggerannt war, war er in den Bungalow hineingegangen um nach Bernhard zu sehen, und offensichtlich hatte er ihn auch gefunden. Dafür sprach jedenfalls sein trauriger, leicht angewiderter Blick. „Geht’s wieder?“ fragte er sanft und nahm Annette in die Arme. Sie nickte und spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen, doch sie unterdrückte sie, erst einmal musste sie erfahren, was mit Bernhard passiert war. „Setzt euch mal,“ sagte Michael, immer noch in diesem sanften Tonfall und gehorsam setzten Annette und Cordula sich auf den Boden. Er hatte wohl vermeiden wollen, dass sie umkippten oder ähnliches. Einen Moment zögerte er noch, dann berichtete er schließlich den Beiden, in was für einem Zustand er Bernhard aufgefunden hatte, die abgeschnittene Zunge auf dem Boden liegend und daneben die Ohren. „Die drei Affen,“ murmelte Cordula, wie zu sich selbst. Annette, der schon wieder schlecht war, hatte ihr kaum zugehört, doch Michael fragte interessiert nach: „Was?“ Cordula sah ihn erstaunt an, und wiederholte: „Die drei Affen. Sie sehen nichts, hören nichts und sagen nichts.“ Michael runzelte leicht die Stirn, und auch Annette blickte Cordula interessiert an: Sollte dies alles vielleicht doch nur ein komischer Zufall sein? War es möglich, dass Ilkas Tod ein Selbstmord, Ralfs Tod ein Unfall und Bernhards Tod ein Mord war? Wollte irgendjemand verhindern, dass Bernhard etwas sagte? Hatte Bernhard etwas gesehen, wovon sein Mörder auf keinen Fall wollte, dass er es ausplauderte? Ein teil in Annette wollte, dass dies die Lösung war. Sie wollte nicht in Gefahr sein, wollte nicht von einem Verrückten gejagt werden, wollte nicht dass einem ihrer Freunde auch noch etwas passierte, dass sie alle auf grausigste Art sterben mussten. Sie wollte, dass das alles nur ein dummer Zufall war, dass sie mit Cordula, Michael und Oliver am nächsten Tag unbehelligt in die Stadt zurückkehren könnte. Doch ein Teil von ihr wusste, dass es nicht so sein würde. Als sie aufblickte, entdeckte sie Oliver, der langsam vom Waldrand aus, auf sie zugeschlendert kam, und erneut drängte sich ihr die Frage auf, wo er gewesen war. Schnell sprang sie auf, und auch Cordula und Michael erhoben sich. „Und, irgendein Zeichen von Bernhard?“ fragte Oliver, nachdem er die kleine Gruppe erreicht hatte und sah in die Runde. „Wo bist du gewesen?“ fragte Annette scharf und sah Oliver unverwandt an. Dieser zog die Stirn kraus und entgegnete mit einem fragenden Unterton: „Im Wald? Auf der Suche nach Bernhard? Wieso, was ist denn los?“ „Und wo warst du heute morgen, zu dem Zeitpunkt, wo Bernhard verschwunden ist?“ hakte sie nach, den Blick nicht von ihm nehmend. Oliver antwortete nicht, doch Michael wollte verwunden wissen: „Annette, was soll das denn jetzt?“ da fing sie an zu weinen und entgegnete: „Bernhard ist ermordet worden, und der einzige, der als er verschwunden ist, nicht da war, war Olli. Und der einzige, von dem wir nicht wissen, wo er die letzte Stunde war, ist auch Olli.“ Oliver sah Annette erschüttert an, dann rief er plötzlich: „Du spinnst wohl!“, holte aus und versetzte Annette eine Ohrfeige. Erschrocken schrie sie auf und hielt sich die schmerzende Wange, jetzt wirklich weinend. „Hast du noch alle Tassen im Schrank?“ brüllte Michael und wollte sich Oliver vorknüpfen, doch der riss sich los und schrie: „Ich lasse mich doch nicht als Mörder abstempeln! Sie -,“ er deutete auf Annette, „ist ja völlig hysterisch. Ich musste ihr eine Ohrfeige geben, damit sie wieder klar denken kann.“ Annette, die mittlerweile in Cordulas Armen lag, und weinte sah ihn nicht an, doch er fügte noch hinzu: „Es war ja nicht feste, und Annette, es tut mir leid, aber es musste sein.“ Annette sagte nichts, doch sie wusste, dass er Recht hatte. Sie hatte die Kontrolle verloren, hätte ihn nicht beschuldigen dürfen. Wenn sie sich jetzt gegenseitig misstrauten, waren sie wirklich alle in Gefahr. Sie mussten zusammenhalten, durften sich nicht durch solche Vorwürfe, für die es ja nicht einmal einen Beweis gab, auseinander bringen lassen. Es war keiner von ihnen gewesen. Warum auch? Weder Ilka, noch Ralf, noch Bernhard hatten einem von ihnen irgendetwas getan. Es gab einfach keinen Grund sie umzubringen. Und Oliver kannte Ilka ja nicht einmal besonders gut. Warum sollte er jemanden umbringen, den er nicht einmal kannte? Zwar konnte es ja auch immer noch sein, dass Ilkas Tod ein Selbstmord war, aber daran glaubte Annette immer weniger. Nein, es war irgendein Wahnsinniger gewesen, der sich, vor der Polizei im Wald versteckte. Vielleicht hatte er sich sogar in einem der Bungalows häuslich niedergelassen und sah sie jetzt als Bedrohung an und hatte Angst vor Entdeckung. Oder Bernhard hatte ihn sogar entdeckt, was auch das Zeichen mit den drei Affen erklären würde. Ja, das würde es sein. Sie müssten einfach nur von hier verschwinden, am besten sofort, dann würde er sie in Ruhe lassen. Oder er würde sie verfolgen, weil er befürchtete, dass sie direkt die Polizei holen würden, was ja auch nahe lag. Am wichtigsten aber war wirklich, dass sie zusammenhielten und auch zusammenblieben. Keiner durfte mehr alleine irgendwohin gehen und am nächsten Morgen würden sie direkt in die Stadt zurücklaufen und alles würde wieder gut werden. Annette holte einmal tief Luft und brachte schließlich ein leises „Mir tut es leid,“ hervor. Oliver kam zu ihr und nahm sie in die Arme, und damit war zu mindestens das wieder geklärt.


Hatte sie sich womöglich in dem Bungalow versteckt, in dem Bernhard...? Sie wusste es nicht und wollte es auch irgendwie nicht wissen. Es war alles so dunkel gewesen und irgendwie hatte sie vollkommen die Orientierung verloren. Sie war einfach in irgendeinen der Bungalows gestürzt und hatte sich hinter dem Sofa versteckt, in blinder Panik. Der Gedanke, dass Bernhard hier vielleicht immer noch irgendwo saß, ließ das altbekannte Gefühl von Übelkeit in ihr aufsteigen. Aber sie wusste, dass sie sich zusammenreißen musste. Sie war bestimmt nicht ausgerechnet in den Bungalow geflohen, in dem er Bernhard umgebracht hatte. Doch wer konnte das schon wissen? Im Grunde genommen sahen die Bungalows doch alle gleich aus. Sie schloss die Augen und versuchte an etwas anderes zu denken, doch anstellte des toten Bernhards trat jetzt wieder das Bild der tot an einem Baum hängenden Ilka vor ihr Auge. Sie stöhnte leise auf und kniff die Augen nur noch fester zusammen.


Sie hatten sich zu viert in den großen Bungalow zurückgezogen, um zu beratschlagen, was nun zu tun war. Cordula wollte weg. Sie wollte nicht eine Sekunde länger hier, in diesem Park bleiben, denn jetzt war sie immer mehr der Meinung, dass der Ort verflucht war. Und wenn schon nicht verflucht, dann trieb sich auf jeden Fall ein Verrückter hier herum, der sie umbringen wollte. Aber warum? Sie hatten doch niemandem etwas getan. „Ich denke wirklich, dass Bernhard vielleicht etwas beobachtet hat und deshalb umgebracht wurde,“ sagte Oliver jetzt. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass hier irgendjemand herumläuft und irgendwelche Leute umbringt. Das mit Ralf war einfach ein tragischer Unfall und Ilka, na ja, wer kann schon wissen, was in ihrem Kopf vor sich ging?“ Entschieden schüttelte Michael den Kopf: „Nein, Olli, das glaube ich einfach nicht. Das kann doch kein Zufall sein. Drei Tote in weniger als einem Tag.“ Cordula verdrehte die Augen. So diskutierten die Beiden jetzt schon eine ganze Weile, Oliver, der einfach nicht daran glauben wollte, dass auch er in großer Gefahr war und Michael, der der Auffassung war, dass sich ein Wahnsinniger im Wald herum trieb. „Eure blöde Diskussion führt doch zu nichts,“ sagte sie schließlich aufgebracht, „können wir nicht einfach mal überlegen, was wir jetzt tun sollen? Ich will hier weg.“ Annette, die sich genau wie Cordula aus der Diskussion herausgehalten hatte, nickte bei diesen Worten leicht mit dem Kopf. „Cordula,“ sagte Michael jetzt ruhig, „wir können nichts tun. Du hast Recht: Wir wissen nicht, was hier vor sich geht. Sei es, dass Olli Recht hat, oder dass ich Recht habe. Auf jeden Fall ist es zu gefährlich, sich jetzt hinaus zu wagen.“ Cordula wusste, dass es stimmte. Sie hatten mittlerweile nach 16 Uhr und in weniger als zwei Stunden würde es im Wald stockdunkel werden. Sie hatten keine funktionsfähigen Taschenlampen mehr und selbst wenn sie immer auf der Hauptstraße blieben, es war einfach zu gefährlich. Wie leicht könnte jemand stolpern und sich sonst was brechen und dann würden sie wirklich ziemlich dumm da stehen. „Aber was ist, wenn du Recht hast?“ fragte sie leise und sah Michael ernst an, „was ist, wenn sich tatsächlich ein Psycho hier herumtreibt, der uns alle umbringen will? Wenn wir hier bleiben, dann sind wir doch eine leichte Beute für ihn.“ „Nein,“ Michael schüttelte den Kopf. „Er wird nicht einfach hier reinplatzen und uns erschießen oder so, das hätte er schon viel früher machen können. Wenn dann wird er abwarten wollen, bis er einen von uns alleine erwischt. Und das,“ sagte er leise, „darf einfach nicht passieren.“ „Ja,“ stimmte Oliver zu, „wenn wir einfach hier zusammen in dem Bungalow bleiben, dann kann uns nichts passieren. Morgen früh, sobald es hell wird, machen wir uns dann gemeinsam auf den Weg.“ „Wenigstens stimmen wir in dem Punkt überein,“ entgegnete Michael und lächelte etwas. Dann stand er auf und machte sich an den Kisten zuschaffen, die Tetje, Ilka und Bernhard am Vorabend in den Bungalow getragen hatten. Er holte für alle Becher heraus und füllte sie mit Wasser, um jedem einen zu reichen. Dann holte er auch etwas von dem trockenen Toastbrot, das eigentlich fürs Frühstück gedacht war. Sie hatten den ganzen Tag noch nichts gegessen und jetzt erst merkte Cordula, dass sie Hunger hatte. Es war komisch, da waren drei ihrer Freunde tot, und sie dachte daran, dass sie eigentlich Hunger hatte. Sie biss ein kleines Stück des Brotes ab und dachte daran, wie sie gestern Abend Ilka gefunden hatten. Doch in ihren Gedanken war keinerlei Emotion mehr vorhanden, als wäre sie durch das, was in den letzten Stunden passiert ist, völlig abgestumpft. Vermutlich würde der Schock, über das, was geschehen ist, erst einsetzen, wenn sie wieder sicher zurück in der Stadt war. Jetzt, wo sie selber in so einer Lebensgefahr schwebte, fiel es ihr irgendwie schwer, um ihre toten Freunde zu trauern. Es war ja doch nicht mehr zu ändern, jetzt zählte nur, dass sie vier am nächsten Morgen unbeschadet in die Stadt zurückkamen. Während sie ein weiteres Toaststück abbiss, beobachtete sie, wie Michael versuchte, Annette dazu zu überreden, auch etwas zu essen, doch sie wollte nicht. Cordula konnte es verstehen. Sie war froh, dass ihr der Anblick von Bernhards Augen erspart geblieben war. Plötzlich fragte sie sich, wie Michael es hatte ertragen können, sich die Leiche Bernhards anzusehen.


Er würde nur abwarten müssen. Sie hatten nun erkannt, dass Ilka und Ralf nicht zufällig gestorben waren. Gut, das hatte er gewollt. Er wollte, dass sie sich vor Angst fast in die Hose machten. Früher oder später würde er schon den nächsten von ihnen erwischen, alleine erwischen. Und wenn er bis morgen früh würde warten müssen. Spätestens, wenn sie morgen losliefen, wäre seine Chance gekommen. Er lächelte immer noch daran denkend, wie sie ausgesehen hatten, als sie Bernhard gesehen hatten. Vermutlich dachten sie, dass er sich für sie genau das Gleiche ausgedacht hätte. Aber das war ja albern. Viel zu einfach. Und langweilig. Nein, nein, er hatte sich für alle etwas besonders ausgedacht, etwas, was passte. Er musste nur aufpassen, dass er sich nicht verriet. Auf jeden Fall so lange nicht, bis nur noch einer von ihnen übrig war. Er lächelte. Ja, er hatte Zeit. Er würde warten können.


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