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AW: [Supernatural] - Second Life


*gg*... Bei diesem Mann wäre ich auch verdammt besitzergreifend... ;)



* * *




"Passt auf euch auf", flüsterte Blair und eine Ahnung drohenden Unheils zog ihren Magen zu einem kleinen harten Ball zusammen. Sie fühlte Tränen aufsteigen und senkte den Kopf, um Deans prüfendem Blick auszuweichen. Ohne Erfolg.


Mit zwei Fingern hob er ihr Kinn an, um in ihre Augen sehen zu können.

"Blair, wir sind bald wieder da, mach dir keine Sorgen", versprach er mit fester Stimme.

"Ich liebe dich." Sein Blick war ruhig und voller Liebe und seine Hand strich leicht über ihren Bauch. "Ich liebe euch…"


"Ich liebe dich auch, Dean", Blair schluckte mühsam, aber eine Träne entkam ihren Bemühungen und rann einsam die blasse Wange hinunter, aufgefangen von Dean, der ihr Gesicht mit den Händen umfing, mit dem Daumen die kleine glitzernde Perle stoppte und sie auf die zitternden Lippen küsste.


"Kommt in die Puschen, Mädels, es wird schon gleich wieder dunkel", spöttelte Sam, der an der Beifahrerseite stand, die Hände auf dem Dach des Impala verschränkt. Er hatte Blair bereits kurz, aber herzlich umarmt und schaute nun gespielt gelangweilt der Abschiedsszene der Beiden zu.

Deans Kuss war unendlich zärtlich und er konnte sich kaum aufraffen, seine Lippen von ihren zu lösen. War er denn bescheuert, eine Jagd auf eine dumme Waffe dem Zusammensein mit ihr vorzuziehen…?

Blair fühlte seinen Zwiespalt und schob ihn mit sanfter Gewalt von sich.


"Fahrt vorsichtig und prügelt die alte Lady nicht so", meinte sie gespielt fröhlich, während sie die Hand über den glänzenden schwarzen Kotflügel des Impala gleiten ließ.

"Vielleicht könnte ihr auf dem Rückweg bei Bobby vorbei fahren und den 'Ray mitbringen?" Der Gedanke war ihr eben erst durch den Kopf geschossen und sie grinste erfreut, als Dean den Schlüssel ihres Oldies klimpernd aus der Jackentasche zog.


"Steht schon auf dem Plan, Rotschopf."


Er stieg ein, startete den PS-starken Motor des Musclecars und schaute auffordernd zu Sam, der seine nahezu zwei Meter Körperlänge auf dem Beifahrersitz zusammenfaltete.


"Können wir jetzt endlich fahren, Kleiner?" fragte er mit schiefem Grinsen in einem Tonfall, als habe er bereits stundenlang nur auf den Jüngeren gewartet.

Auch wenn er sich ungern von seiner Freundin trennte – die Aussicht auf einen ausgedehnten Roadtrip mit Sam ließ seinen Fuß auf dem Gas zappelig werden. Er drehte die Scheibe der Fahrertür herunter und lächelte der jungen Frau zu. "Pass auf unsere kleine Hexe auf – und auf dich!"


Blair drückte einen Kuss auf ihre Fingerspitzen und legte sie für einen Moment auf seine Lippen. "Nun fahrt endlich, umso eher seid ihr zurück…"

Sie winkte nur kurz, als der Wagen anrollte, dann ging sie schnell ins Haus, in die Sicherheit des magisch gesicherten Zuhauses, das Herz schwer von dunklen Ahnungen, die leider zu vage waren, um hilfreich zu sein.


*

*

*


"Du bist sicher, Mills ist nicht hier?" Dean ließ den Blick über das luxuriöse, überdimensionale Holz-Chalet schweifen, das sie seit einer Stunde observierten. Es wirkte unbewohnt. Die dunklen Fenster sahen aus wie hohle, tote Augen und das hohe, schmiedeeiserne Tor war verschlossen.

"Er ist definitiv in LA", bestätigte Sam und Sekunden später waren beide bereits über das Tor geklettert und näherten sich, jede sich bietende Deckung nutzend, dem protzigen Holzhaus.


"Du oder ich?", signalisierte Sam in Richtung seines Bruders.


"Ich bin schneller als du", brummte Dean und zog das Etui mit den Dietrichen aus der Jackentasche. Die Tür verfügte über mehrere Schlösser mit unterschiedlichen Schließmechanismen, die selbst bei ihm, geübt in B&E, einige Minuten schweißtreibender Konzentration abverlangten.


"Dude, du wirst alt, brauchst du 'ne Brille?" frotzelte Sam leise mit kaum unterdrückter Schadenfreude und erntete ein zickiges Grinsen just in dem Moment, als sich die Tür lautlos öffnete.

Drinnen kam Sams Einsatz. Er hatte ein Händchen für Alarmanlagen und kümmerte sich um das weiße Kästchen hinter der Haustür, an dem eine kleine rote LED-Leuchte im schnellen Rhythmus blinkte und noch 48 Sekunden bis zum stillen Alarm bei der örtlichen Polizeistation oder einem ortsansässigen Sicherheitsdienst anzeigte. Dean wippte nervös auf den Zehenspitzen und behielt die Einfahrt im Auge, während Sam mit einem kleinen elektronischen Helfer versuchte, dem Code der Sicherheitsanlage auf die Spur zu kommen.


11…10…9…8…7… blinkte das kleine rote LED-Auge.


"Hab's", zischte Sam triumphierend, als die rote Leuchte bei sechs Sekunden Restzeit auf grünes Dauerlicht umsprang.


"Ich geh' nach oben", bestimmte Dean und schlich leichtfüßig die Stufen der geschwungenen Treppe hinauf, die kleine Taschenlampe in einer Hand und die geladene Pistole abstützend darunter in der anderen.

Sam durchsuchte routiniert das Erdgeschoss, während er von oben gedämpfte Geräusche von Schubladen und Schranktüren vernahm. Er checkte die protzigen Wohnräume, die ganz sicher von einem Innenarchitekten ohne festgelegtes Limit ausgestattet worden waren und eindeutig selten genutzt wurden. Selbst er erkannte, dass die Küche jeden Fernsehkoch vor Wonne aufseufzen lassen würde, riesig und bestens ausgestattet, wie sie war.


Er fand nichts, was in irgendeiner Weise auf einen Fan von Okkultem hinwies und sah sich suchend in der bombastischen Küche um, als seinem geübten Blick ein Vorsprung auffiel, der von dem davor platzierten Regal nur teilweise verdeckt wurde. Er tastete die unbehauene Backstein-Wand nach versteckten Schließmechanismen oder fühlbaren Kanten ab und stieß auf einen Stein, der lose zu sein schien. Als er ihn leicht anstieß, schnappte wie von Geisterhand das  Regal aus seiner Halterung, löste sich ein paar Zentimeter von der dahinter liegenden Wand und gab eine schmale Tür mit einem Sicherheitsschloss frei. Sam überlegte eine Sekunde, ob er Dean rufen sollte, beschloss aber, sich erst mal dem Schloss zu widmen, ehe er die Pferde scheu machte. Dean hatte mit Sicherheit oben selbst genug zu durchsuchen.

Sam brauchte kaum länger als Dean vorhin an der Haustür, um das mehrfach gesicherte Schloss zu öffnen und als die Tür aufsprang, drang abgestandene Luft aus dem Spalt, hinter dem er im Schein der Taschenlampe eine Treppe erkennen konnte, die abwärts führte.


"Mist, bestimmt der Vorratskeller…" murmelte er, erkannte aber in derselben Sekunde, dass ein normaler Vorratskeller ganz sicher weder mit einem Regal getarnt noch mit einem komplizierten Schloss gesichert wäre – es sei denn, es handelte sich bei den Vorräten um goldene Kartoffeln.

Er lauschte und rief dann in die Stille "Dean! … Dean!"


Keine Reaktion. Er wiederholte seinen Ruf, und nach weiteren zehn Sekunden unentschlossenen Wartens gewann seine Neugier die Oberhand und er schob die Tür auf, um die Treppe hinunter zu schleichen, vorsichtig jede Stufe mit der Lampe ableuchtend und mit der Waffe im Anschlag.

Am Fuß der Treppe erwartete ihn ein… tja, was war es, ein Vorraum, ein Wartezimmer? Eine bequeme riesige Sitzlandschaft nahm einen Großteil des Raumes ein und ihr gegenüber hing ein übergroßer LCD-Monitor.

Direkt unter der Treppe gab es eine weitere Tür und er ging ohne zu zögern mit dem Einbruchsbesteck an die Arbeit. Sie war erstaunlich schlecht gesichert und sprang schon nach wenigen Sekunden leise zischend auf. Dahinter war gedämpftes, blassgelbes Licht erkennbar, das wie ferngesteuert an Intensität und Helligkeit zunahm, als er den Raum betrat. Das war's! Das musste das Allerheiligste sein, die Schatzkammer sozusagen, die Normalsterblichen verborgen blieb. An den Wänden standen mehrere große, gut ausgeleuchtete Vitrinen, in denen Kreuze verschiedenster Art, Amulette, Edelsteine in verschiedenen Schliffen, Dolche und Armbrüste ausgestellt waren.


Im Zentrum des Raums erregte eine kleinere, durch eine indirekte Lichtquelle erleuchtete Vitrine seine Aufmerksamkeit, in ihrem Inneren auf einem kleinen Gestell lag er... DER Colt, Samuel Colts Meisterwerk, die Dämonen vernichtende, ultimative Waffe, die Bela aus ihrem Besitz entwendet und an Mills verscherbelt hatte!


Sam atmete scharf aus und sah sich noch einmal gründlich im Raum um. Sein Eindringen hier schien so einfach… ZU einfach, aber er konnte keine Fallen oder weitere Sicherungsmaßnahmen erkennen und so schritt er zur Tat, sprich zum Colt.


Es waren nur etwa sechs Schritte bis zu dem Glasbehälter, in dem sich die tödliche Waffe befand und er hatte eben die Hälfte geschafft, als der Boden unter ihm in einer vollendeten Kreislinie rot aufglühte und ein Symbol sichtbar werden ließ, das entfernt einer Teufelsfalle ähnelte. Der Boden innerhalb des Symbols wurde durchsichtig und verschwand.

Sam fiel hindurch und sein überraschter Schrei erstarb abrupt, als die Fläche sich wieder materialisierte und das magische Zeichen verblasste, als hätte es niemals existiert…


*

*

*


Dean stellte derweil das Obergeschoss auf den Kopf. Allerdings gab es nichts, das den Aufwand gelohnt hätte, außer einer Großpackung Viagra auf dem Nachtisch neben dem riesigen Prunkbett. Die Decke darüber war verspiegelt und Dean konnte nicht widerstehen – er musste sich auf das Bett werfen, um die Aussicht zu bewundern. Er grinste seinem Abbild breit zu und machte sich dann wieder an die Arbeit, die momentan darin bestand, Anzüge, Kleider und Unterwäsche zu filzen, leider keine besonders interessante Aufgabe, denn die Dame des Hauses trug anscheinend Konfektionsgröße Zirkuszelt und er schüttelte sich, als er einen überdimensionalen Liebestöter hochhielt. Schnell stopfte er das trotz aller offensichtlichen Kostspieligkeit eher unansehnliche Teil zurück in die überreichlich gefüllte Schublade und nahm sich in gewohnter Gründlichkeit die restlichen Räume der oberen Etage vor.

Nach ein paar Minuten glaubte er, Sam rufen zu hören und trat lauschend auf den Flur hinaus, aber von unten war nichts mehr zu vernehmen. Mit einem Schulterzucken fuhr er fort, die übrigen Schlaf- und Badezimmer nach verborgenen Türen und doppelten Wänden zu untersuchen.

Als seine Suche ergebnislos blieb, eilte er die Treppe hinunter zu Sam. Vielleicht hatte dieser ja mehr Glück gehabt. In der Eingangshalle orientierte er sich und rief leise nach dem Bruder.


"Sam?" Nur seine Stimme durchbrach die Stille im Haus. "Sam, wo bist du?"


Auch nach einem weiteren, lauteren Ruf antwortete der Jüngere nicht und während Dean begann, systematisch die Räume im Erdgeschoss zu durchsuchen, breitete sich ein ungutes Gefühl in seinem Magen aus. Er blieb immer wieder reglos stehen, um zu lauschen, aber kein Geräusch war zu hören, außer denen, die er selbst verursachte.

Als letzter Raum verblieb die Küche und dort fiel ihm sofort das von der Wand abgerückte Regal ins Auge. Das sah ganz nach Sam aus. Er hatte es einfach nicht erwarten können und war ohne ihn weiter marschiert. Verdammt! dachte Dean und pirschte sich seitlich die Stufen hinunter. Überrascht hob er die rechte Braue, als er den leger, aber weniger prollig als die oberen Wohnräume eingerichteten Kuschelbereich in Augenschein nahm. Die Tür unter der Treppe lockte ihn. Sie war zwar geschlossen, aber vielleicht hatte Sam sie hinter sich zugemacht.

Er hämmerte gegen das massive Holz. "Sam!"

Die Tür war dick, verdammt dick. "SAM… mach die Tür auf!"

Mittlerweile kochte Dean auf kleiner Flamme. Wenn man den Jüngeren aus den Augen ließ… er hätte es besser wissen müssen.

Er kramte den Dietrich raus und verschaffte sich Zutritt zu dem Ausstellungsraum des Film-Moguls. Als die Tür aufschwang, entschlüpfte ihm ein verblüfftes "wow…" und er schaute sich überwältigt um. Hier gab es wirklich alles, was das Hunter-Herz begehrte. Viele dieser Gegenstände waren ihm aus Berichten und Legenden bekannt, verschollen im Strom der Zeit – in Wahrheit gebunkert in diesem Tresor eines gierigen Sammlers. Waffen, erschaffen, um das Böse zu vernichten, jetzt zur Nutzlosigkeit verdammt und weggesperrt in gläsernen Schaukästen.

Der Colt – da war er! Aber wo, zum Teufel, steckte Sam?


Der ältere Winchester ging langsam auf den Kasten mit der alten Waffe zu, stutzte aber nach wenigen Schritten. Ein kalter Hauch strich über ihn hinweg und ein Schauer lief seine Wirbelsäule entlang. Er horchte, schaute sich um – er spürte die Nähe seines Bruders, konnte ihn fast körperlich wahrnehmen.

Hochkonzentriert drehte er sich langsam mehrfach um die eigene Achse und nahm den Raum mit allen Sinnen in sich auf. Als er in einer Ecke unter einem der Schaukästen etwas aufblitzen sah, hockte er sich hin und langte danach. Seine Finger ertasteten einen runden länglichen Gegenstand und als er ihn hervor zog, erkannte er das Gegenstück zu seiner eigenen Taschenlampe. Er schloss die Augen und biss sich auf die Lippe. Sein Gesicht hatte jegliche Farbe verloren und sein Puls raste, während er auf den Knien verharrte. Seine Gedanken purzelten wild durcheinander, ohne Zusammenhalt und Substanz.

Er versuchte, tief durchzuatmen, während seine Finger unruhig mit der Leuchte spielten und zwang sich zur Ruhe. Panik würde Sam nicht helfen.

Er war hier gewesen und jetzt war er verschwunden. Wie konnte das sein? Er musste noch irgendwo im Haus sein! Dean schnellte auf die Füße und begann, das riesige Haus systematisch nochmals zu durchkämmen … und noch einmal. Seine Verzweiflung wuchs in dem Maße, wie seine Möglichkeiten, den Bruder noch zu finden, schwanden und seine erfolglose Suche endete wiederum in dem mit Waffen vollgestopften Raum im Keller.

Er sah sich frustriert und ratlos um – Sams Präsenz schien verflogen zu sein, zumindest konnte er ihn nicht mehr fühlen. Nichtsdestotrotz weigerte er sich, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Sam tot sein könnte. Er war sich sicher, dass er es spüren würde, ebenso, wie er damals gefühlt hatte, dass der Vater am Leben war, obwohl sie schon seit Monaten kein Lebenszeichen von ihm gefunden hatten.


Sam. SAM!


Bittere Magensäure stieg seine Kehle hinauf und Verzweiflung ballte sich in seinem Inneren zu einem schier unlösbaren Knoten. Er dachte an den Tag vor über einem Jahr, als er seinen Bruder bereits einmal verloren hatte, an den Deal, den er damals abgeschlossen hatte, um ihn zurück zu holen. Er dachte an Blair und das Baby, die zuhause auf ihn warteten und die Aussichtslosigkeit seiner Lage zwang ihn auf die Knie und ließ ihn gequält aufbrüllen…


"SAAAAAM!"



*

*

*


Blair setzte sich mit einem Ruck im Bett auf. Dean? Sie lauschte auf die Geräusche der Nacht, die aber vom Echo von Deans Stimme in ihrem Kopf übertönt wurden. Etwas stimmte ganz und garnicht! Er war in Not, in furchtbarer Seelenqual!

Ihre Ahnungen bewahrheiteten sich.


Sie schlang zitternd die Arme um den Oberkörper und wiegte sich hin und her beim Versuch, ihre Ruhe wieder zu gewinnen. Ihr Verstand raste. Was war geschehen, das Dean zu einer solchen Verzweiflung trieb, dass er sie mental aufschrecken konnte, fast 2000 Meilen entfernt?

Der einzig mögliche Grund für diesen herzzerreißenden Schrei konnte sein, dass Sam etwas Schreckliches zugestoßen war. Der Gedanke setzte sich in ihr fest und trieb ihr die Tränen in die Augen. Er war ihr Bruder, wenn auch nicht durch Blutsverbindung, so doch gefühlsmäßig und es würde Dean umbringen, wenn er ihn verlieren würde – erneut verlieren würde. Er hatte so viel durchgemacht, um den Jüngeren zurück zu holen und er hatte in seinem Leben bereits zu viel verloren…

Alles in ihr drängte danach, Dean anzurufen… oder sollte sie warten, dass er sie anrief?


"Ruf ihn an, Kleines."

Cassandra strich sich eine Strähne des zerzausten roten Haares aus dem

verschlafenen Gesicht, während sie mit der Kaffeemaschine hantierte. Es war zwar erst 3 Uhr früh, aber an Schlaf war nicht mehr zu denken. Die Winchester-Jungen waren Teil der Familie geworden und sie hätte eigene Söhne kaum mehr lieben können, als Dean und Sam. Während der Kaffee durchlief, setzte sie sich mit sorgenvoll gefurchter Stirn an den Tisch und umschloss tröstend die eiskalten Hände ihrer Tochter.

"Du wirst doch keine Ruhe haben, bevor du nicht weißt, was geschehen ist… und ich auch nicht."


Blair hatte das Handy vor sich auf dem Tisch liegen und starrte es an, wie ein Kaninchen die Schlange, hoffend, dass Dean sich melden würde – aber nichts geschah. Mit zittrigen Fingern klappte sie es auf und wählte die Kurzwahlnummer, unter der Dean gespeichert war.

Es klingelte… und klingelte. Er ging nicht ans Telefon und Blair blickte mit angstvoll aufgerissenen Augen ihrer Mutter ins blasse Gesicht.


*

*

*


…Smoke on the water… schrammelte es aus Deans Jackentasche.

Er saß im Wagen und starrte blicklos zur Windschutzscheibe, sah nicht die dicken Regentropfen, die breite Schlieren auf dem staubigen Glas zogen, sah nicht den diffusen Schein der Morgendämmerung am östlichen Nachthimmel. Alle Sinne schienen ausgeschaltet. Der Kummer und das Entsetzen über Sams Verschwinden hatten ihn paralysiert. Nicht ein Muskel rührte sich, er schien nicht einmal mehr zu atmen.

Aber in seinem Inneren arbeitete es.

Wie hatte er nur zulassen können, dass das geschah?

Wieso hatte er nicht besser auf den Jüngeren aufgepasst? Er hatte nur eine Aufgabe im Leben und die hatte er – wieder mal! – versaut. Er hatte nicht die leiseste Vorstellung, wo er mit der Suche nach Sam beginnen sollte, keinen noch so kleinen Anhaltspunkt. Sollte er diesen Milliardär mal kurz 'befragen', was er da in seinem 'Vorratskeller' hortete? Vielleicht war er gar kein Mensch? Vielleicht…


Sein Brustkorb hob sich kräftiger, als er die Augen einen Moment zufallen ließ und tief durchatmete. Er würde noch einmal hinein gehen, er würde dieses Haus in seine Einzelteile zerlegen und mitnehmen, was er für richtig und notwendig hielt. Die Waffen in diesen Vitrinen waren einmal dazu erdacht und konstruiert worden, das Böse zu vernichten und nicht, als Schaustücke versteckt gehalten zu werden. Genau diesem Zweck würde er sie wieder zuführen. Aber zuerst musste er telefonieren.


"Dean!" gellte Blair, als sie seine erschöpfte Stimme erkannte. "Was ist passiert? Geht es dir gut? Und was ist mit Sam?" sprudelte es aus ihr heraus.

Völlig untypisch für ihn, bekam sie zunächst keine Antwort von Dean, als müsste er erst nach den richtigen Worten suchen.

Sehr viel leiser und sanfter hakte Blair nach. "Dean? Sprich mit mir."


"Sam… er ist…" seine Stimme klang erstickt, "Sam ist verschwunden."


Blair schluckte. Es zu vermuten war etwas ganz anderes, als es bestätigt zu bekommen.

"Wie…?"


"Ich war nicht da, und…" seine Stimme brach und Blair hörte die Tränen darin.

Sie schloss die Augen und sprach sanft auf ihn ein, sich wünschend, ihn in den Arm nehmen zu können.

"Dean, er ist erwachsen und du kannst nicht ständig seine Hand halten." Sie hörte ihn tief atmen und sprach weiter. "Ist er entführt worden oder was meinst du mit 'verschwunden'?"


"Wir haben das Haus von Mills durchsucht, ich oben, er unten und als ich runter kam, war er nicht mehr da. Die einzige Spur von ihm habe ich in dem Raum gefunden, in dem der reiche Fatzke seine Sammlung antiker okkulter Waffen ausgestellt hat, unter anderem den Colt – unseren Colt."


"Glaubst du… glaubst du, dass er lebt?" Sie traute sich kaum, diese Frage zu stellen.


Seine Stimme klang jetzt fester. "Ich bin ganz sicher, dass er lebt. Ich würde fühlen, wenn er tot wäre. Irgendwer oder irgendwas hat ihn entführt und ich muss ihn finden." Leiser, aber mit mehr Nachdruck fügte er hinzu: "Ich werde ihn finden."


"Was wirst du jetzt tun?" Sie versuchte, sachlich zu bleiben.


"Ich weiß es nicht, ich denke, ich werde zuerst zu Bobby fahren und mit ihm besprechen, welche Optionen wir haben – und dann komme ich nach Hause…"

Diese Worte, nach Hause, ließen ihn sich etwas weniger verloren fühlen und er stellte sich Blairs freches kleines Gesicht vor, das jetzt während der Schwangerschaft förmlich glühte. Er wusste, warum jetzt alles anders war, als vor einem Jahr. Damals hatten er und Sam nur einander und ohne den Bruder schien sein Leben sinn- und richtungslos. Jetzt hatte er die Verantwortung für weitere Personen übernommen und seine Familie war gewachsen. Er musste sie einbeziehen in seine Pläne, durfte sie bei seinen Entscheidungen nicht außen vor lassen.


"Dean? Du wirst ihn finden – wir werden ihn finden. Komm bald heim… bitte."


*

*

*


"Junge, was ist passiert?"

Knorrig wie ein alter Baum, mit zotteligem Bart und der obligatorischen Schirmmütze auf dem struppigen Kopf, öffnete Bobby Singer die Tür. Bei Deans Anblick fuhr ihm der Schreck tief in die Glieder. Es hätte ihm niemand sagen müssen, dass etwas Schreckliches passiert war. Dunkle Ränder unter viel zu tief in den Höhlen liegenden Augen hoben die unnatürliche Blässe des jungen Mannes hervor, der wie ein Sohn für ihn geworden war. Als Dean keine Anstalten machte, aus freiem Willen sein Haus zu betreten, zog er ihn kurzerhand hinein.

Nichts hatte sich seit dem letzten Besuch der Brüder in Bobbys Haus verändert. Bücher stapelten sich wacklig in jeder Ecke, die Decken zierten in jedem Raum Teufelsfallen und die Fensterbänke quollen über von Salz.


"Du siehst aus, als könntest du etwas zu Essen gebrauchen, Sohn. Such dir ein Plätzchen und schmeiß einfach runter, was drauf liegt." Bobby machte Anstalten, in die Küche zu verschwinden, als Dean ihn am Ärmel zurück hielt.


"Nicht, Bobby, ich will nichts essen." Er stockte. Sam... er..."


"Ich weiß, Blair hat angerufen. Junge - wir werden ihn finden!" Bobbys Stimme war rau vor mühsam in Schach gehaltenen Emotionen. "Ich habe schon den Kofferraum des Stingray mit Büchern vollgepackt, und wir können auf jeden Fall die Hilfe von Melissa Sinclair gebrauchen. Aber erst solltest du was essen und dich ein bisschen hinlegen. Du siehst aus wie der Tod auf Socken."


"Mir geht's gut, Bobby. Ich will nicht schlafen, ich will Sam finden." Verzweiflung diktierte Deans Worte, ad absurdum geführt durch seine blutunterlaufenen Augen, die von Schlafmangel und unterdrückten Tränen zeugten.


"Okay, Junge, dann setz dich wenigstens erst mal hin. Im Gegensatz zu dir muss ich was essen, bevor wir losfahren", brummte Bobby und fegte mit einer Handbewegung mehrere dicke Wälzer über dämonische Besessenheit von einem alten, abgesessenen, aber bequemen Ohrensessel. Dann drückte er Dean mit sanfter Gewalt hinein. Der ältere der Winchester-Jungen lehnte den Kopf an die Rückenlehne, um ein paar Minuten die Augen zu schließen, nur so lange bis Bobby soweit war, dass sie losfahren konnten…


* * *


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