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AW: [Supernatural] - Second Life


>Lilith beobachtete Sam. Sie beobachtete ihn besonders interessiert, seit er endlich seine wahre Natur offenbart hatte. 

Als Akatash Sam entführt hatte, war sie versucht gewesen, sich einzumischen. Sam gehörte ihr allein. Aber dann machte es Spaß, zuzusehen, wie Sam sich in seinem Gefängnis fast verlor… aber nur fast. 

Sie rieb sich die Hände voller Vorfreude, als Akatash die plumpe Falle für Dean errichtete und der, wie geplant und vorhergesehen, hinein tappte. Allerdings war Lilith klar, dass Dean nicht deshalb in die Falle gegangen war, weil er sie nicht als solche erkannt hätte, sondern eben genau deshalb, weil er wusste, dass er nur auf diesem Weg seinen Bruder wiederfinden würde. Und endlich hatte Sam sein Wesen nicht mehr verleugnet, hatte sich ihrer würdig erwiesen, indem er gnadenlos tötete. Der lächerliche Grund dafür – die Liebe zu einem Sterblichen, dem Bruder -  war unwichtig. Diese Gefühle würde er bald hinter sich gelassen haben. Er brauchte noch ein bisschen Ermunterung… dafür konnte sie sorgen und dann musste sie nur noch warten…


Sie konnte warten. Sie hatte Jahrtausende auf ihn gewartet – auf ihren wiedergeborenen Gefährten Samael…<


* * *


"Dean?"

Sam saß auf einer Kiste neben dem Wagen, an dem Dean gerade arbeitete, und reichte dem Bruder die Flasche Bier, die er eben geöffnet hatte.


"Hm, was?"

Der Ältere fuhr sich mit den ölverschmierten Fingern durch das kurze Haar und schaute prüfend zum Himmel, an dem sich mehr und mehr schwarze, drohende Wolkenberge formierten. Er würde nicht mit der Reparatur fertig werden, bevor das Gewitter sie erreichte. Also ließ er die Haube zufallen und lehnte sich mit dem Hintern an den Kotflügel, bevor er einen Schluck aus der Flasche nahm und Sam auffordernd anblinzelte, der zögernd die Flasche zwischen den Fingern drehte.


"Bist du in Ordnung?"

Nachdem ihm Sam monatelang mit dieser Frage den letzten Nerv geraubt hatte, empfand er eine gewisse Genugtuung dabei, jetzt ihn damit zu löchern.

Sam störte sich nicht daran. Er schaute gedankenvoll die Straße hinunter, wandte sich dann seinem Bruder zu und fragte ohne Umwege: "Hast du manchmal das Gefühl, beobachtet zu werden?"


Dean kratzte sich den Nacken, in dem sich Staub und Schweiß zu einer homogenen, juckenden Masse verbunden hatten, und grinste den Jüngeren dann an. "Mist, ist es so offensichtlich, dass wir dich alle anstarren?"


"Blödsinn, du weißt genau, dass ich nicht davon rede!"


"Okay. Wovon genau sprichst du dann?" Dean nahm noch einen Schluck Bier.


"Ich habe das Gefühl schon, seit ich wieder hier bin. Irgendwas oder Jemand starrt mich an. Selbst wenn ich im Haus bin, also eigentlich vor Blicken geschützt, fühle ich mich beobachtet, wie ein Insekt unter dem Mikroskop."

Er sah seinem Bruder in die skeptisch zusammen gekniffenen Augen. "Sag' s ruhig. Ich werde verrückt." Er stützte den Kopf in die Hände und raufte sich die dunklen Haare, die ihm mittlerweile bis auf den Hemdkragen reichten.


"Hm, du bist zwar manchmal eine furchtbare Nervensäge…", Dean grinste flüchtig. "… aber nein, verrückt wirst du sicher nicht. Deine Visionen waren nie falsch – oder zumindest selten – warum also solltest du jetzt daneben liegen?" Nachdenklich schaute Dean auf den dunklen Kopf vor ihm und hätte am liebsten tröstend darüber gestrichen.

Gott, wann war er so weich geworden? Er grinste über die emotionalen Anwandlungen, die ihn neuerdings erfassten – und nicht wenig verwirrten. Vater zu sein, schien ihm diesbezüglich nicht zu bekommen…


"Was tun wir also? Können wir überhaupt was tun?" Sam stand von der Kiste auf und ging vor dem Wagen unruhig mit langen Schritten auf und ab.


"Ich hab keinen Schimmer. Wir können Bobby fragen, was er davon hält. Aber höchstwahrscheinlich wird uns nichts übrig bleiben, als abzuwarten. Solange du nur eine Ahnung hast, haben wir nichts in der Hand."

Dean zuckte bedauernd mit den Schultern und trank sein Bier aus, während er möglichst unauffällig den Blick über die umgebenden Vorgärten schweifen ließ. "Lass uns reingehen, bevor es richtig los geht."


Die ersten schweren Regentropfen zerplatzten auf der schwarzglänzenden Motorhaube des Impala und beide sprangen über das Geländer auf die geschützte Veranda, um von dort dem beginnenden Naturschauspiel zuzusehen. In Windeseile leerte sich die bis dahin noch von spielenden Kindern belebte Vorstadtstraße und innerhalb weniger Minuten war es so dunkel, als stünde die Nacht kurz bevor. Die eben noch frischen Frühlingsfarben verblassten zu gedämpften Grautönen. Schiefergraue Wolken bedeckten den Himmel und Blitze zuckten in kurzen Abständen über den Himmel.


"Weißt du noch, wie oft du mich früher trösten musstest, weil ich Angst vor Gewittern hatte?"

Sam lehnte am Pfosten der Veranda, die Hände in den Hosentaschen vergraben und sah lächelnd zu seinem Bruder, der in ähnlicher Haltung den anderen Pfosten 'stützte'. Dessen Gesicht wurde in Abständen vom weißen Licht der Blitze beleuchtet und wirkte mit seinen klar gezeichneten Linien wie das eines Helden einer Graphic Novel.


"Yeah… und dabei hab ich mir selbst oft genug vor Angst fast in die Hosen gemacht", grinste er. "Aber ich war der Ältere. Wer sonst hätte diesen Job machen sollen?" Sein Blick verlor sich im glitzernden Regengrau vor dem Haus.


"Richtig… wer sonst?" murmelte Sam fast unhörbar.

Es war überflüssig, über die Versäumnisse des Vaters zu lamentieren, dafür war ihm dieser friedliche Moment zu wertvoll.

Gedankenvoll beobachtete er seinen Bruder, den Fixpunkt in seinem Leben. Seit er sich wieder als Mensch fühlte, sortierte er die Puzzle-Teile dieser zwei Monate, in denen er nur mehr existiert, aber nicht wirklich gelebt hatte und er wusste, zumindest in einem Punkt konnte ihm nur ein Mensch Auskunft geben.

"Dean, ich will es wissen", sprudelte es aus ihm heraus. "Was ist mit Akatash geschehen und wie sind wir da raus gekommen?"


Sein drängender Tonfall lenkte Dean vom Schauspiel der Blitze ab, die so schnell aufeinander folgten, dass sich ein kompliziertes, verästeltes Netzwerk bildete und dessen Anblick ein Bild in seinem Kopf aufflackern ließ, eine flüchtige Erinnerung wie aus einem anderen Leben, die er nicht zuordnen konnte. Der Gedanke zerfaserte wie Nebel im Sonnenlicht und er konzentrierte sich auf die Frage seines Bruders – vielmehr darauf, was er ihm eigentlich nicht hatte erzählen wollen. Aber ihm war immer klar gewesen, dass er die Umstände seiner Rettung aus dem Verlies des Meg/Sam/Akatash-Dämons nicht ewig vor Sam verheimlichen können würde. Dazu war sein Bruder viel zu klug und vor allem zu neugierig.


"Bobby hat das Tor zu dieser Dimension wieder geöffnet und uns dorthin zurück geholt, wo wir beide in Falle gelaufen sind – in die Schatzkammer von Mills." 

Er antwortete betont ausdruckslos, als sei nichts Besonderes geschehen, in der vagen Hoffnung, Sam würde sich damit abspeisen lassen. Aber eigentlich wusste er es besser.


"Dean, versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen. Du weißt genau, was ich meine, nämlich den Teil der Geschichte, um den du schon seit Wochen einen Bogen machst!"

Zum ersten Mal seit langem wurde Sam laut, sein Tonfall schneidend. Er wollte sich nicht mehr hinhalten lassen und sein Bauch sagte ihm deutlich, dass Dean ihm etwas Ungeheures verschwieg.


Der Ältere wandte sich zu ihm um und suchte nach den richtigen Worten, etwas, das ihm schwer fiel, besonders in diesem Fall.

"Du hast ihn getötet, Sam." Seine Stimme war leise und er wich Sams Blick aus.


"Wie?" hakte Sam heiser nach. Dean schwieg einen Moment, dann sah er seinem Bruder fast verzweifelt direkt in die Augen.


"Du hast ihm erst alle Knochen gebrochen und ihm anschließend die Kehle aufgeschlitzt." Keine Ausreden mehr - Lügen hätte Sam durchschaut und zu beschönigen war in diesem Fall nichts.


Er brach nicht zusammen.

Sam hatte damit gerechnet, dass etwas Ungewöhnliches, möglicherweise etwas Bizarres geschehen war, zu lange hatte Dean das Thema gemieden. "Aber wie? Ich bin niemals stark genug, einen Dämon zusammen zu schlagen oder mit dem Messer auch nur in die Nähe seiner Kehle zu kommen, und erst recht nicht nach zwei Monaten bei Wasser und Brot…"


"Du hast ihn nicht angefasst, Sam. Du hast keinen Finger gerührt. Du hast ihn tot sehen wollen und den Rest hast du mit deinen Gedanken getan."


Es fiel Dean nicht leicht, seinem Bruder die Wahrheit zu sagen. Sam war davon überzeugt, eines Tages dem dunklen Ursprung seiner Fähigkeiten zu erliegen und erwartete ernsthaft von Dean, ihn in diesem Fall zu töten, wie es ihm vom Vater aufgetragen worden war. Der Ältere hatte niemals daran geglaubt, dass es soweit kommen würde – nicht glauben wollen! -  und auch jetzt war er nicht sicher, dass das, was er gesehen hatte, wirklich dämonischer Natur war.

Sam schwieg. Er versuchte Deans Worte zu verarbeiten und seine Augen schweiften unruhig hin und her, schienen nach einem sichtbaren Ausweg zu suchen.


"Das  heißt, ich bin ein Dämon und Dad hatte Recht." Zäh wie Teer tropften die Worte aus seinem Mund, schienen sein Todesurteil zu besiegeln. "Du wirst mich töten müssen, Dean."


"Du redest Blödsinn. Denk mal nach. Könnte ein Dämon dieses Haus betreten? Und glaubst du, ein Dämon könnte ein Kind wie Meli hinter's Licht führen?" Dean hatte sich vorgebeugt und sah Sam beschwörend ins zerquälte Gesicht.


"Sam! Ich habe da keinen Dämon gesehen außer Akatash. Du hast mir das Leben gerettet. Er hatte mich an den Eiern und um Haaresbreite wäre ich doch noch in der Hölle gelandet, wenn du nicht gewesen wärest! Du bist ausgerastet, als er die Hand zum tödlichen Schlag gegen mich hob. Du hast deine Fesseln gesprengt und ihn getötet – und dann bist du zusammengebrochen! Klingt das nach einem Dämon?" Er hatte nach Sams Armen gegriffen und schüttelte ihn leicht, suchte seinen Blick, der ihm auszuweichen versuchte.


"Störe ich?"


"Ja!" kam es unisono aus zwei Winchester-Kehlen, bevor sich zwei Paar grüne Augen zu dem Neuankömmling umdrehten. Von beiden unbemerkt hatte Blair die Veranda betreten.


"Okay. Hört auf zu zanken, dann stör ich auch nicht. Ich will Meli ihren ersten Regenbogen zeigen." Sie musterte die angespannten Gesichter der Brüder und ohne zu erkennen zu geben, dass sie die letzten Sätze ihrer Unterhaltung im Haus belauscht hatte, drückte sie kurz entschlossen Sam seine aufgeregt zappelnde Nichte in die großen Hände.

Dean sah sie fragend an, vertraute aber auf ihre Intuition, wie meist.


"Blair, bitte, du weißt nicht, was du tust. Ich meine… ich weiß nicht, ob…" Sams Stimme stockte und er sah seinen Bruder flehend an. "Erklär's ihr – bitte…"


Die kleinen Hände griffen nach seiner Nase und ein breites, zahnloses Grinsen erhellte das niedliche runde Gesicht. Seufzend bettete er die Kleine bequem in seinen Arm und wartete… wartete darauf, dass Dean Klartext redete, darauf, dass er seine Lieblingsnichte nie wieder sehen würde.


Dean schüttelte nur den Kopf. "Du Starrkopf hast nichts verstanden, überhaupt nichts. Ich sage es dir noch einmal zum Mitschreiben: Ich vertraue dir. Du bist mein Bruder. Du bist KEIN Dämon. Alles klar soweit?"


Er stieß die Fäuste in die Hosentaschen und dreht sich demonstrativ zu dem herrlichen, farbenprächtigen Regenbogen um, der einer Brücke gleich die Stadt überspannte, das Baby seinem Bruder demonstrativ ausliefernd.

Sam wandte sich an Blair und hielt ihr hilfesuchend ihre Tochter hin.


"Du weißt nicht, was ich bin, Blair. Bitte, du darfst mir Meli nicht anvertrauen. Was, wenn ich ihr weh tue?"


Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte betont freundlich zu ihm auf: "Dann reiße ich dir höchstpersönlich den Arsch auf, Sam. Aber das sehen wir dann."


Als sie sich zu Dean umdrehte, legte der seinen Arm um sie und seine Lippen flüsterten ein lautloses "Ich liebe dich", bevor er sie an sich zog.


Sam drückte das Baby an sich und schaute auf den kupferroten Haarflaum hinab, unentschlossen, was er tun sollte. Er fürchtete, dass sein Bruder einfach alles zu rosig sah, und er wusste, dass Dean immer und jederzeit eine Entschuldigung für ihn, den kleinen Bruder, finden würde. Im Moment, nach dieser Offenbarung, hätte er selbst jede Wette abgeschlossen, dass da etwas Dämonisches in ihm an Kraft gewann, das er nicht kontrollieren konnte. Wann würde er zu einer Gefahr für seine Umgebung werden?


Der Regenbogen war verblasst und die Abendluft jetzt nach dem Regen frisch und klar. Dean griff nach Blairs Hand und zog sie mit sich zur Tür, als Sam eine letzte Frage abschoss: "Was war mit meinen Augen? Waren sie schwarz oder gelb?"


Sein Bruder antwortete ihm über die Schulter hinweg: "Sie waren silbern, Sam", und verschwand im Haus.


*

*

*


Der Laptop kam wieder zum Einsatz. Lange Wochen hatte sein Besitzer ihn stiefmütterlich behandelt und dem wenig computerfreundlichen Älteren ausgeliefert. Jetzt lief er wieder heiß unter den schnell tippenden, langen Fingern, auf der Suche nach 'Dämonen, Augen, silbern' und nach speziellen Kräften und alten Legenden, in denen sich dazu Material finden ließ.

Sam war in seinem Element und fühlte sich wie ein Fisch im Wasser – allerdings verfolgt von einem riesigen Haifisch, der bereits hungrig sein riesiges Maul hinter ihm aufgesperrt hatte und ihn zu verschlucken drohte.

 


"Nope, du kriegst den Wagen nicht. Entweder ich fahre oder du nimmst den Bus."

Dean blieb unerbittlich. Er hatte nicht vor, Sam allein in die Stadt fahren zu lassen, wo er in der Bibliothek nach einem bestimmten, uralten Werk über religiöse Mythen suchen wollte.

Der Jüngere war bei seiner verbissenen Suche auf Hinweise gestoßen, die ihm selbst so absurd vorkamen, dass er sie weder mit Bobby noch mit Dean zu teilen bereit war. Er fürchtete, Dean würde sich totlachen über das, was sein Bruder in den Tiefen der Mythologie gefunden hatte: ERZENGEL… uralt, mächtig, immer wieder geboren… und Besitzer silberfarbener Augen!

Was er natürlich nicht ahnte – Dean und sein väterlicher Freund bewegten sich auf derselben Spur, der einzigen, die bisher Erfolg versprach.

Er brauchte das Buch… er musste nur Dean abhängen, bevor der mitkriegte, worum es darin ging!


"Okay, Mann, lass uns fahren."

Er ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und murmelte "sturer Hund", bevor er seinem Bruder überfreundlich breit zulächelte. Dean warf ihm einen misstrauischen Blick zu, bevor er den 'Mullet-Rock-Antrieb' zuschaltete und den großen, schwarzen Wagen aus der Einfahrt lenkte, der seit der jüngsten Reparatur wieder wie ein Kätzchen schnurrte.

 

"Verdammt, wenn ich schon mal ein Buch wirklich brauche!" Sam schlug mit der Faust auf das Armaturenbrett. Von der Erschütterung sprang das Handschuhfach auf und schlug ihm hart auf das Knie.

"… und wann reparierst du endlich dieses scheiß Handschuhfach!?"

Er knallte nachdrücklich die schwarze Kunststoffklappe zu.


Sam war stinksauer.

Er hatte in dieses Werk große Hoffnungen gesetzt und normalerweise waren derartige Bücher echte Staubfänger in jeder Bibliothek – nur in diesem Fall nicht. Nachdem Dean ihn an der Bibliothek abgesetzt hatte, um einiges in der Stadt zu erledigen, hatte er die Nummer des Buches aus dem Verzeichnis gesucht und sich auf die Suche gemacht. Allerdings hatte er – wohl aus Nostalgie – einen Umweg durch die juristische Abteilung gemacht und bis er den Gang mit den Bänden über religiöse Mythologie erreichte, waren bereits zwei Stunden vergangen. Dort, wo er es hätte finden müssen, klaffte eine Lücke zwischen den staubigen Folianten und er verbrachte weitere zwei Stunden damit, alle Titel in diesem Gang und in den Nachbarregalen abzusuchen, für den Fall, dass es möglicherweise falsch einsortiert war. Letztendlich war ihm nichts übrig geblieben, als den Studenten an der Information nach dem Buch zu fragen – nur um zu erfahren, dass es soeben verliehen worden war… kurz vor Dienstbeginn des jungen Mannes, also vor gut zwei Stunden!

 

Der Song Supermassive Black Hole dröhnte durch den Impala und Sam drehte gereizt lauter.

Dean hob verdutzt die rechte Braue. Das musste er fett und rot im Kalender ankreuzen– Sammy übte Aggressionsbewältigung per Rockmusik…

ER hatte bekommen was er wollte – am Grund seines Rucksacks schlummerte ein uraltes Buch, dessen Titel ihm schon die Zunge verknotete, Patrozinium Arcangelum - Erzengel.

 

Als sie zuhause ankamen, hatte die Musik-Therapie gewirkt und Sams Zorn hatte sich gelegt. Er hatte sich schon eine andere Möglichkeit überlegt, an einschlägige Literatur heran zu kommen: Kirchen. Erzengel und Kirche gehörten schließlich zusammen, wie Exorzismus und Weihwasser.


Dean schaute erstaunt auf Cass, die mit einer Hand die kleine Babywippe mit ihrer Enkelin in Bewegung hielt und mit der anderen in einem großen Topf voll Suppe rührte, die appetitlich nach Chili und anderen leckeren, scharfen Sachen duftete.


"Wo ist Blair", fragte er, als er das kleine Mädchen liebevoll knuddelte.


"Oben in ihrem alten Zimmer. Magst du probieren?"

Sie hielt ihm den Kochlöffel hin und strich sich eine lange Strähne aus dem erhitzten Gesicht. Während er kostete, sah er sie über den Rand des Löffels hinweg nachdenklich an. Sie trug eine legere Leinenhose und eine schmal geschnittene weiße Bluse, die ihre an den richtigen Stellen gerundete Figur vorteilhaft zur Geltung brachte. Mit den langen roten Haaren war sie eine wirklich auffallend gutaussehende Frau, selbst wenn man ihr Alter außer Acht ließ. Sie war ohne Zweifel noch immer sehr sexy und Dean freute sich wie ein Schneekönig bei dem Gedanken, dass Blair in zwanzig Jahren sicher genauso aussehen würde. Er konnte Bobby verdammt gut verstehen.


"Hmmm… superlecker. Ich schau nach deiner Tochter, wenn du weiter nach meiner schaust", grinste er und verschwand nach oben.


Er riss die Tür zum Sargzimmer, wie er es nannte, auf und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. "Wow… das… das sieht richtig…" er schluckte "… richtig scheiße aus. Was, zum Teufel, machst du da, Rotschopf?"


Blair hatte während der letzten Stunden die Möbel in der Mitte des Zimmers zusammen geschoben und mit einigen alten Decken abgedeckt. Dann hatte sie Farbe besorgt. Leider hatte der Maler um die Ecke nur noch einen etwas blassen Rosa-Ton vorrätig gehabt, aber im Moment war ihr alles Recht – Hauptsache nicht schwarz!

Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihn gereizt an.

"Wenn dir die Farbe nicht passt, fahr doch selber los und hol andere! Du musstest ja in der Weltgeschichte rumfahren, während ich wie ein braves Mütterchen hier zuhause hocke!"


"Hohoo… was ist los? Ist der dritte Weltkrieg ausgebrochen und ich hab's verschlafen?" Dean fühlte sich leicht überfahren.


"Mach keine blöden Witze. Es ist nicht komisch. Ich kann nicht arbeiten, ich kann nicht schlafen, kann nicht aus dem Haus. Ich sitze hier und spiele den Babysitter."

Sie hatte sich in Rage geredet und klatschte die hässliche schweinchenrosa Farbe an die Wand.


"Blair… ist ja okay, ich fahre los und kaufe eine andere Farbe. Wie wäre es mit…" er runzelte die Stirn. "… grün?"


"Ach, und was denkst du, machen wir dann mit dieser Farbe hier? Die hat mir der Maler auch nicht hinterher geschmissen."


Deans Mundwinkel zuckten. Blair stemmte die Hände in die Seiten des alten, viel zu großen Overalls , auf dem modisch abgestimmt Unmengen fetter, rosa Farbspritzer verteilt waren, und giftete ihn an: "Was gibt's da zu lachen, Winchester?"


Sie sah so niedlich aus mit der Malerverkleidung und dem farbbeklecksten, wütenden Gesicht, dass er unwillkürlich breit grinsen musste. Gott, war diese Frau eine Schau!

Er war mit zwei langen Schritten bei ihr, entwand ihr den breiten Pinsel und schloss sie in die Arme. Ihr widerstrebendes Zappeln und Strampeln ignorierte er und hielt sie mit einem kräftigen Arm fest, während er mit dem Daumen der anderen Hand den dicken Farbklecks von ihrer Oberlippe wischte und dann seine Lippen auf ihre legte. Ihre Abwehr erlahmte unter seinem verführerischen Mund, wie immer, wenn er sie um den Verstand küsste.


"Hmmm…." summte sie leise an seinen Lippen und ihr Körper schmiegte sich weich und nachgiebig an ihn, während sie ihre Hände liebkosend an seine Wangen legte. Er gab ihren Mund frei und sah in die tintenblauen Augen, die ihn voller Liebe anfunkelten… und voller Schabernack.


"Steht dir gut…. dieses Schweinchenrosa…" Blair kicherte und trat einen Schritt zurück, sodass er sich im Spiegel der Kommode sehen konnte, die zwischen den anderen Möbeln mitten im Raum stand. Sie hatte ihm eine nette Kriegsbemalung verpasst, während er damit beschäftigt gewesen war, ihre Laune durch Mund-Zu-Mund-Beatmung zu verbessern.


"Du Luder, das wirst du büßen!" knurrte er und  setzte ihr nach, als sie die Flucht antrat.


Sie versuchte, rechts anzutäuschen, um dann links an ihm vorbei zu springen, aber seine langjährige Erfahrung als Jäger ließ ihn das Aufblitzen in ihren Augen richtig deuten und sie landete exakt da, wo sie vordergründig gesehen jetzt gerade nicht hin gewollt hatte: an seiner Brust.

Er fasste ihre Handgelenke mit eisernem Griff, hielt sie an sich gepresst und brummte heiser "Rache…", bevor er seine farbverschmierte Nase an ihrem Gesicht rieb.


"Das ist unfair. Du bist viel stärker als ich", jammerte Blair, vergeblich in seinem festen Griff zappelnd. Ihre Zehenspitzen traktierten seine Schienbeine, worauf er ihr – selbstverständlich in Notwehr *gg* - beide Beine unter dem Körper weg zog und sie im Fallen unter sich begrub. Einen Moment sahen sie einander in die Augen – dann prusteten sie beide wie auf Kommando los.


"Lass uns die Farbe loswerden." Dean stützte sich auf den Ellbogen auf und wischte sich die Lachtränen aus den Augen.


"Okay… aber denk dran, wir müssen Wasser sparen, wir wollen doch meiner Mom nicht auf der Tasche liegen", bestimmte Blair todernst und ihre Augen blitzten voller Vorfreude…

 

*

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