Was ein arroganter Typ, oder so was gibt´ s an jeder Straßenecke
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, musste ich mich erst einmal sortieren.
Im ersten Moment wusste ich nicht wirklich, wo ich mich befand. Es war jedenfalls nicht mein heimisches Schlafzimmer, soviel stand fest. Ich ließ meine Gedanken wandern und sah mich dann im Zimmer um.
Okay. Ich war soeben nicht aus einem Traum erwacht. Dies hier war real und wirklich.
Ich griff nach meinem Handy auf der Nachtischanlage neben dem Bett und sah auf die Displayuhr. 8:50 Uhr zeigte sie mir an. Pono, der hawaiianische Fahrer der Produktion, würde um 10:30 Uhr vor dem Hotel warten und mich dann zum Iolani Palace fahren, wo Peter das Treffen für 11:00 Uhr angesetzt hatte.
Also war es an der Zeit aus den Federn zu kriechen und sich fertig zumachen.
Mein Blick fiel auf meinen Koffer, der aufgeklappt auf der Kofferbank lag, aber noch darauf wartete, ausgepackt zu werden.
Gut. Würde ich das dann Mal als Erstes erledigen. Schließlich brauchte ich ja auch frische Kleidung für das Meeting.
Nicht gerade besonders sorgfältig füllte ich den Schrank mit meinen Sachen. Das Teil war jedoch so riesig, das sich meine paar Hosen, Blusen und T-Shirts darin ziemlich verloren vorkommen mussten. Na ja, vielleicht hatte ich ja mal Zeit, um ausgiebig shoppen zu gehen. Vor allem was Schickes würde ich mir wohl zulegen müssen. Denn so etwas hatte ich natürlich nicht eingepackt.
Mit diesem Gedanken begab ich mich ins Bad, wo ich meine Morgentoilette erledigte. Einige Minuten später stand ich dann wieder vor dem Schrank und überlegte, was ich wohl anziehen sollte. Viel Auswahl blieb nicht. Jeans. Das war schon mal klar. Was anderes an Hosen hatte ich nicht mit genommen. Mein Blick ging nach draußen, durch das große Fenster. Herrlicher Sonnenschein. Verdammt, warum hatte ich nicht wenigstens einen Rock eingepackt? Na immerhin lagen ein paar T-Shirts im Schrank. Nichts Besonderes, aber wir waren hier ja auch nicht auf einer Modenschau und die anderen würden ja wohl kaum in Haute Couture zu diesem ersten Treffen einlaufen. Also ein einfaches schwarzes T-Shirt drüber und fertig. In leichte Sneakers geschlüpft und ich war bereit. Auf Strümpfe verzichtete ich. Wenn ich schon lange Hosen tragen musste, dann sollten wenigstens meine Füße ein bisschen Luft kriegen.
Noch mal ins Bad. Make-up? Darauf verzichtete ich bewusst. Bei Temperaturen von knapp dreißig Grad, würde mir dieses, sowie so innerhalb kurzer Zeit, im Gesicht verlaufen. Meine langen blonden Haare band ich nach hinten zusammen.
Ein letzter, prüfender Blick in den Spiegel.
Okay, so konnte ich mich halbwegs unter die Leute trauen.
Auf zum Frühstück.
Als Pono dann pünktlich um 10:30 Uhr vor dem Hotel wartete, war ich doch mehr aufgeregt, als ich mir zunächst eingestehen wollte. Dieses Treffen konnte mein gesamtes bisheriges Leben auf den Kopf stellen.
Ich ließ mir während der Fahrt noch einmal alles durch den Kopf gehen. Aber eigentlich hatte ich mich schon beim Frühstück entschlossen das Angebot von Peter an zunehmen. Es war einfach zu verlockend. Und was nach dem halben Jahr sein würde, darüber konnte ich mir später immer noch Gedanken machen.
Aber trotzdem wollte ich zuerst sehen, mit wem meine Charaktere besetzt worden waren, erst wenn das passte, würde ich Peter meine endgültige Entscheidung mitteilen.
Nach fünfzehn Minuten Fahrt hielten wir wieder vor dem Iolani Palace.
Diesmal kannte ich den Weg bereits und begab mich daher selbstständig in das obere Stockwerk, wo ich Peter am Tisch, mit einer Kaffeetasse vor sich, vorfand. Als er mich hereinkommen sah, stand er sogleich auf, begrüßte mich äußerst herzlich und bot mir auch gleich einen Kaffee an, den ich dankbar entgegen nahm. Denn trotz, dass ich schon im Hotel zwei Tassen des schwarzen Getränks zu mir genommen hatte, fühlte ich mich nicht wirklich fit.
Irgendwie lag mir der Jetlag wohl doch noch in den Knochen.
Und dann war es soweit.
Als Erster spazierte ein blonder Herr herein. Ganz locker gab er sich, als Peter mich mit ihm bekannt machte. „Alex, das ist Scott Caan. Er wird die Rolle des Detektivs Williams spielen.“
Scott reichte mir seine Hand und lächelte mich dabei an. Ich bemerkte seinen etwas erstaunten Gesichtsausdruck als Peter mich ihm vorstellte, aber ich dachte mir nichts dabei. Ich empfand seine Gegenwart als sehr angenehm. Aber mein Typ war er nicht. Dazu hätte er dann wohl mindestens zehn Zentimeter größer sein müssen. So aber war er noch kleiner als ich. Aber gut. Ich war ja auch schließlich nicht hier, um mir einen Mann fürs Leben zu suchen.
Wir standen noch am Tisch und plauderten locker, als eine asiatisch angehauchte Frau den Raum betrat. Ihre langen glatten fast schwarzen Haare trug sie offen und ihre Figur konnte man schon nicht mehr als schlank bezeichnen. Sie war eine ziemlich zierliche Person, zudem erschien sie mir sehr jung. Hinter ihr kam direkt noch jemand herein. Es handelte sich um einen Mann. Ebenfalls Asiate, wie ich schätzte. Peter stellte mir die beiden als Grace Park und Daniel dae Kim vor. Grace würde den Part von Kono übernehmen, während Daniel, Chin verkörpern würde. Allerdings hatte ich mir in dieser Rolle jemanden vorgestellt, der etwas älter war. Jedenfalls schien Daniel nicht älter, als Mitte dreißig zu sein.
Beide begrüßten mich ebenfalls äußerst liebenswürdig, aber auch in ihrem Gesichtsausdruck lag Erstaunen, als Peter ihnen meinen Namen nannte. War mein Name so ungewöhnlich? Ich machte für mich die Notiz sie bei Gelegenheit danach zufragen.
Wir setzten uns, nachdem sie sich ebenfalls einen Kaffee genommen hatten und ich antwortete brav auf ihre Fragen. Wie es mir bisher hier gefallen würde, wie man auf die Idee kam, solch ein Skript zu schreiben und es dann auch noch von Deutschland aus in die USA zuschicken? Es herrschte eine angenehme Atmosphäre und wir plauderten alle ziemlich locker.
So erfuhr ich dann auch, dass Grace immerhin vier Jahre älter war, als ich und Daniel sogar schon die vierzig überschritten hatte. Beiden sah man ihr Alter überhaupt nicht an.
Während der gesamten Unterhaltung war von Arroganz oder Verkrampftheit nicht das kleinste Anzeichen zu vernehmen.
Ich spürte, dass ich wohl keine Schwierigkeiten haben würde, ihnen die Charaktere auf den Leib zu schreiben. Allerdings fehlte noch einer in der Runde. Der Hauptdarsteller. Der, dem Peter den Seriennamen Steve McGarrett gegeben hatte.
Und der Herr ließ uns warten.
Okay, damit hatte er sich bei mir schon disqualifiziert. Denn, wie ich bereits sagte: Ich hasse Unpünktlichkeit. Ich kriege einfach eine Lebenskrise, wenn ich warten muss. Und da war es mir auch ganz egal, ob es sich um den Kanzler oder einen Schauspieler handelte. Wobei ich Letzteren nicht einmal kannte. Nur eine durfte es sich heraus nehmen mich warten zu lassen. Und das war Rebecca.
Tja und dann hatte er seinen großen Auftritt. Endlich kam er herein geschlendert. So als hätte er alle Zeit der Welt und wäre Minimum eine Stunde zu früh, als fast eine Stunde zu spät.
Er ging zuerst auf Peter zu. Die beiden schienen sich einigermaßen gut zu kennen, so wie die Begrüßung ausfiel. Dann wandte er sich zuerst den anderen zu und strafte mich mit Nichtachtung.
So hatte ich immerhin Zeit ihn mir ein wenig genauer anzuschauen, ohne dass es peinlich wurde. Er überragte die anderen um einiges. Ich schätzte seine Größe auf knappe 1,90 Meter. Sein Körper schien einigermaßen durchtrainiert zu sein. Seine dunklen, leicht gewellten und nicht ganz kurz geschnittenen Haare, wirkten ein wenig zerzaust.
Was hatte Becci gestern Abend noch am Telefon gesagt? „Glaub mir, du wirst dich auf den ersten Blick in ihn verlieben. „Ha, dass ich nicht lache! Selbst auf den hundertsten Blick könnte DER Typ mir im Leben nicht gefährlich werden. Soviel stand fest.
Dann endlich ließ der Herr sich herab und schenkte mir Beachtung. „Hi, ich bin Alex,“ drehte er sich zu mir um, streckte mir seine Hand entgegen und setzte dazu ein Lächeln auf.
Dieses Lächeln sollte betörend und umwerfend sein??? Nein, also das konnte ich in diesem Augenblick nun wirklich nicht bestätigen. Das war nicht umwerfend. Es war einfach nur dämlich und auch ein Stück weit selbstverliebt und arrogant.
Der Höfflichkeit halber nahm ich die mir angebotene Hand und sah dabei zu ihm hoch, denn er war gut fünfzehn bis zwanzig Zentimeter größer als ich. „Ganz meinerseits.“ Erwiderte ich auf seine nicht ausgesprochene Freude mich kennenzulernen. „Und ja, auch Alex.”
Ach du liebe Zeit! Genau in diesem Moment begriff ich, was Helen gestern mit, "noch ein Alex," gemeint hatte und warum auch alle anderen so erstaunt geguckt hatten, als sie meinen Namen hörten.
Wir beide machten wohl ziemlich dumme Gesichter, jedenfalls fingen alle an, zulachen.
Mir hatte es glatt die Sprache verschlagen. Mein Gegenüber war, der Erste der sich fing:
„Dann hab ich es also einer Alex zu verdanken, das ich bei vierzig Grad in Cargopants, T-Shirt und Hemd drüber, dazu eine schusssichere Weste und Boots an den Füssen, stundenlang durch die Gegend laufen darf. Außerdem frage ich mich, ob ich in einer Folge auch mal mein Shirt anbehalten darf.“
Er sah mit einer unglaublichen Überheblichkeit zu mir herunter, was mein Blut in Wallung brachte und mich fast überschäumen ließ.
Was bildete sich der Kerl eigentlich ein, wer er war?
Und dann fing dieser arrogante Kerl auch noch an, total dämlich zu grinsen und deutete mit dem Finger auf mein T-Shirt. „Ja das sieht man. Braucht man nicht extra zu betonen. “
Was wollte der Typ? Ich verstand kein Wort von dem, was er mir sagen wollte. Ich sah aber trotzdem an mir herunter.
Ach du liebe zeit! Nein, das durfte jetzt nicht wahr sein! Ich hatte heute Morgen dummerweise nicht so genau hingesehen, welches schwarze T-Shirt ich aus dem Schrank genommen hatte. Blöderweise das Einzige mit einem total bescheuerten Aufdruck hinten sowie vorne. Und das Ganze auch noch auf Englisch, sodass es dieser Blödmann natürlich verstand.
Hinten stand, “Behind“ drauf. Das konnte er nicht sehen. Aber den Aufdruck vorne dafür umso besser. "Front" prangte dort in großer leuchtend grüner Schrift.
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Wahrscheinlich konnte man meinen Kopf gerade als Rundumleuchte für die Feuerwehr nutzen. Zumal dieser Hinweis auf dem T-Shirt ja völlig überflüssig war. Ich war zwar ziemlich schlank, bei einer Körpergröße von 1,68 wog ich gerade mal 54 Kilo aber meine Oberweite konnte sich durchaus sehen lassen. Und genau darauf spielte dieser Alex jetzt an.
Na das konnte ja heiter werden. Ich überlegte ernsthaft, das Angebot aus zuschlagen und postwendend den Heimflug anzutreten. So einem arroganten und überheblichen Sack sollte ich meinen Hauptcharakter auf den Leib schreiben?