*PiperHalliwell
500er-Club
Dann werd ich, wie versprochen, auch mal dafür sorgen, daß sich dieser Bereich ein wenig füllt.
Da die Idee für meinen Wettbewerbsbeitrag damals ein wenig umfangreich war, kommt hier eine längere Fassung
Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen und würde mich über FB freuen.
LG Claudia
• Titel: When your past returns
• Autor: *PiperHalliwell
• Genre: Action / Drama
• Disclaimer: Alle Charaktere der Serie NCIS sind geistiges Eigentum ihrer Erfinder Donald P. Bellisario und Don McGill und unterliegen dem Copyright von Bellisario Productions, Paramount Pictures und CBS.
Diese Story dient lediglich zur Unterhaltung, und ich beabsichtige nicht, Geld damit zu verdienen. Die Hintergrundgeschichten der Charaktere - sofern sie nicht der Wahrheit entsprechen - sind frei erfunden. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
• Pairing: keins
• Zeitliche Einordnung: Anfang der zweiten Staffel (also keine Spoiler)
• Anmerkung: Rückblenden in kursiver Schrift
Da die Idee für meinen Wettbewerbsbeitrag damals ein wenig umfangreich war, kommt hier eine längere Fassung
Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen und würde mich über FB freuen.
LG Claudia
• Titel: When your past returns
• Autor: *PiperHalliwell
• Genre: Action / Drama
• Disclaimer: Alle Charaktere der Serie NCIS sind geistiges Eigentum ihrer Erfinder Donald P. Bellisario und Don McGill und unterliegen dem Copyright von Bellisario Productions, Paramount Pictures und CBS.
Diese Story dient lediglich zur Unterhaltung, und ich beabsichtige nicht, Geld damit zu verdienen. Die Hintergrundgeschichten der Charaktere - sofern sie nicht der Wahrheit entsprechen - sind frei erfunden. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
• Pairing: keins
• Zeitliche Einordnung: Anfang der zweiten Staffel (also keine Spoiler)
• Anmerkung: Rückblenden in kursiver Schrift
When your past returns
Baltimore, 17. November 2000
„Preston Collins! Baltimore Police, Sie sind verhaftet.“ Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, hallte ein Schuss durch meine Wohnung und ein höllischer Schmerz breitete sich von meiner Schulter über meinen gesamten linken Arm aus, so dass ich im ersten Moment nicht dazu fähig war, darauf zu reagieren. Ich kämpfte für einige Sekunden dagegen an, ehe ich meine Zähne zusammen biss und die Verfolgung des Verdächtigen aufnahm. Wenig später rannte ich bereits die Treppen nach unten, das peinigende Gefühl ignorierend, das ich bei jeder Erschütterung verspürte. Glücklicherweise war meine Kondition, im Gegensatz zu der des Flüchtigen, ausgezeichnet, und ich hatte ihn, als er aus meinem Appartementhaus auf die Straße lief, beinahe eingeholt. Die Dunkelheit hatte sich bereits vor Stunden über die gesamte Stadt gelegt, so dass mein Weg nur durch die wenigen erhellten Fenster und die Laternen am Rande des Bürgersteigs beleuchtet wurde. Meine rechte Hand hielt noch immer meine Dienstwaffe fest umklammert, die ich in der Eile aus meinem Nachttisch gezogen hatte. Die vereinzelten Nachtschwärmer, die auch zu dieser späten Stunde unterwegs waren, und die uns umgebende Finsternis hatten mich jedoch davon abgehalten, diese zu benutzen. Der vergangene Tag war der erste seit Wochen gewesen, an dem es nicht geregnet hatte, was mir in diesem Moment zugute kam, denn ich trug lediglich meine Hausschuhe an den Füßen und hätte sonst Mühe gehabt, nicht auf dem glitschigen Pflaster auszurutschen. Obwohl der Verdächtige wenigstens bei der Wahl seines Schuhwerks mir gegenüber klar im Vorteil war, verfolgte ich ihn dennoch mit hoher Geschwindigkeit. Mittlerweile war das weiße Shirt, das ich zum Schlafen getragen hatte, größtenteils von meinem Blut durchtränkt, doch das Adrenalin pumpte sich so stark durch meinen Körper, dass ich die Schmerzen nicht mehr fühlte.
Genauso schlecht wie die Kondition dieses Verrückten waren, zu meinem Glück, auch seine körperliche Fitness und seine Kraft. Deshalb gelang es mir, kaum einen Block von meiner Wohnung entfernt, ihn zu überwältigen und ihm die Pistole aus der Hand zu schlagen, so dass ich ihm schließlich problemlos Handschellen anlegen konnte. Schon näherten sich einige Streifenwagen, die ich als Verstärkung gerufen hatte, und meine Kollegen nahmen den Mann ihn Empfang. Doch ehe sie ihn auf den Rücksitz verfrachtet hatten, drehte er sich noch einmal zu mir um und zischte mit seinem widerlichen Grinsen im Gesicht: „Es ist noch nicht vorbei. Wir werden uns wiedersehen.“ Wie immer ließ ich mir äußerlich nichts anmerken, doch seine Worten bereiteten mir eine leichte Gänsehaut, denn ich wusste, dass dieser Mensch zu allem bereit war. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln verbannte ich meine Gedanken jedoch wieder, denn in Kürze würde er sich in einer Gefängniszelle befinden und diese nicht mehr lebend verlassen. Mit diesem Wissen drehte ich mich um und ging langsam zurück, denn die Verfolgungsjagd mit einer Kugel in der Schulter hatte mich doch etwas geschlaucht. Nun da der Adrenalinschub wieder nachließ, kehrten auch die Schmerzen zurück, doch ich musste unbedingt in mein Appartement zurück, so dass ich die Sanitäter ignorierte, die versuchten, mich dazu zu bewegen, sie ins Krankenhaus zu begleiten.
Washington D.C., 11. Juni 2004
„Tut mir leid, dass ich zu spät komme, Boss, aber...“, tönt meine gehetzte Stimme durch das Großraumbüro, als ich aus dem Aufzug zu meinem Schreibtisch eile, doch ich werde sofort unterbrochen: „Spar dir die Ausrede, DiNozzo. Mach dich endlich an die Arbeit.“ Es ist Montag, und wie so oft am Wochenende hatte ich den gestrigen Abend mit einigen Kumpels in einer angesagten Bar verbracht, so dass mir das Aufstehen heute Morgen ziemlich schwer gefallen ist. Die Sonnenstrahlen scheinen durch die großen Fenster und blenden mich ein wenig, da ich meinen Kopf vorsichtshalber etwas eingezogen habe, doch nachdem ich keine weitere Standpauke zu hören bekomme, wende ich mich nun meinen Kollegen zu. Ein wenig verwundert blicke ich unseren Teamleiter an, denn seine Reaktion ist erstaunlich gelassen, und auch die obligatorische Kopfnuss ist bis jetzt ausgeblieben. Doch anstatt auf mich zu achten, bedeutet Gibbs lediglich Kate und McGee mit einem wortlosen Nicken, sich wieder ihren Akten zuzuwenden. Mit einem kaum hörbaren Seufzer lasse ich meinen Rucksack zu Boden gleiten und starte dann meinen Computer. Doch noch immer stehe ich an meinem Arbeitsplatz und verfolge mit den Augen meine Kollegen, die sich auf ihren Stühlen niederlassen, um sich den vor ihnen liegenden Papieren zu widmen. Keiner der Beiden scheint meine Anwesenheit wahr zu nehmen, denn niemand von ihnen sagt auch nur ein Wort. Für einen Moment überlege ich, woran das liegen wird und habe bereits einen lockeren Spruch auf den Lippen, als mich eine unbekannte Stimme inne halten lässt.
Auf dem Plasmabildschirm, auf den Gibbs, Kate und McGee bis vor kurzem gestarrt haben, ist noch immer eine Nachrichtensendung zu sehen: „Der wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Preston Collins hat vor wenigen Minuten die Maryland Correctional Union in Baltimore als freier Mann verlassen. Wie die Staatsanwaltschaft heute Morgen mitteilte, wurde der Vierzigjährige auf Grund eines Verfahrensfehlers freigesprochen...“ Ich realisiere überhaupt nicht, wie meine rechte Hand unwillkürlich zur linken Schulter wandert und meine Finger unter dem Jackett nach der Narbe tasten, die mich Tag für Tag an diesen Menschen erinnert. Für eine Ewigkeit stehe ich wie angewurzelt neben meinem Schreibtisch und starre auf den Reporter, ohne seine weiteren Worte wahrzunehmen. Nicht einmal als Kate mich anspricht, reagiere ich, so dass sie nur mit den Schultern zuckt und sich ihrem Computer zuwendet. Es dauert einige Zeit, bis ich die Aussage verarbeitet habe, doch sie bereitet mir eine unangenehme Gänsehaut und ruft mir sofort die Ereignisse jener Nacht vor fast vier Jahren wieder ins Gedächtnis. Die Drohung bei seiner Festnahme würde er nun, da er aus dem Gefängnis entlassen war, ohne zu zögern wahr machen. Vermutlich hatte dieser Kerl jeden einzelnen Tag damit zugebracht, Rachepläne zu schmieden, die er nun in die Tat umsetzten könnte. „Matt“, entfährt es mir, und ohne ein weiteres Wort bin ich im Aufzug verschwunden, um mich auf den Weg zu meinem Schützling zu machen. Die wütenden Rufe meines Bosses ignoriere ich, denn ich habe keine Zeit, ihm alles zu erklären, und so wird er wohl warten müssen. An die Kopfnuss, die mich für diese Aktion erwartet, möchte ich lieber nicht denken, deshalb konzentriere ich mich in diesem Moment lieber auf mein Ziel. Wieder und wieder spuken die Worte dieses Verrückten durch meinen Kopf, und zu meiner Sorge gesellt sich nun erneut die Wut, die ich schon damals gefühlt hatte.
Baltimore, 20. Oktober 2000
Der Herbst hatte in Baltimore Einzug gehalten, denn seit Tagen goss es in Strömen, und es schien so, als würde es in nächster Zeit nicht damit aufhören. Die dunklen Wolken hingen bedrohlich tief über den Häusern der Stadt, und es wirkte beinahe so, als wollten sie diese verschlingen. Große Wassertropfen prasselten unaufhörlich auf die Scheiben unseres Dienstwagens, und ich wünschte mir, den heutigen Tag im Revier verbringen zu können. Normalerweise machte mir dieses Wetter nichts aus, doch irgendwie beschlich mich, seitdem wir das Büro verlassen hatten, ein seltsames Gefühl, das nichts mit der Nässe da draußen zu tun hatte. Vincent Green, mein Partner beim BPD, und ich hatten an diesem Wochenende Dienst, so dass man uns zu einem Tatort gerufen hatte, wo wir schon von weitem das gelbe Flatterband erkennen konnten, das diesen absperrte. Seufzend öffnete ich die Tür und verließ das warme Auto, während ich den Kragen meiner Jacke hochschlug und den Reißverschluss bis zu meinem Kinn schloss. Wir befanden uns in der Kensington Avenue, die in einem beschaulichen Stadtteil gelegen war und gingen den schmalen Kiesweg entlang, um eines der großzügigen Einfamilienhäuser zu betreten. Die an der ruhigen, von zahlreichen Ahornbäumen gesäumten Straße gelegenen Gebäude waren eine Mischung aus Backsteinbauten im Kolonialstil und moderner Architektur. Die gepflegten Grundstücke mit weitläufigen Gärten ließen erahnen, dass die Einwohner dieses Viertels ausnahmslos wohlhabende Familien waren.
Der Anblick, der sich uns jedoch im Inneren des modernen Hauses bot, zerstörte diese Idylle umgehend, denn im Wohnzimmer lagen die Leichen der ermordeten Bewohner. Thomas und Carrie Morrison waren gefesselt und gefoltert worden, bevor man ihnen die Kehle durchgeschnitten hatte. Ihre Tochter Lilian Marie, ein hübsches neunjähriges Mädchen mit langen blonden Locken, war durch einen Schuss in den Kopf regelrecht hingerichtet worden. In den vergangen Jahren, die ich im Polizeidienst verbracht hatte, musste ich bereits zahlreiche Schauplätze grausamer Mordfälle untersuchen, doch dieser war einer von denen, die mir nahe gingen. Die kleine Familie hatte gemeinsam Mittag gegessen, denn der Tisch war mit noch immer gefüllten Tellern gedeckt. Da keine Spuren eines Einbruchs erkennbar waren, mussten sie den Täter wohl gekannt und ihm geöffnet haben. Einer der Nachbarn, der die nur angelehnte Tür bemerkte, hatte im Haus nachgesehen und dann umgehend die Polizei verständigt. Das war vermutlich auch eine jener Wohngegenden, in der jeder wusste, was der andere tat, und trotzdem hatte niemand etwas gesehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie unser Pathologe herein kam, Vincent und mir kurz zunickte und sich dann neben die Leichen der Eltern hockte. Seufzend wandte ich meinen Blick von den großen Blutlachen ab, um mich ein wenig im Wohnzimmer umzusehen. Ich war noch dabei, mir ein Bild vom Tatort zu machen, als ich ein leises Wimmern aus dem Wandschrank im Flur vernahm. Langsam zog ich meine Waffe aus dem Holster und ging so leise wie möglich näher heran, wobei ich meinem Partner ein Zeichen gab. Dieser verstand sofort und nahm ebenfalls seine Pistole in die Hand, als ich vorsichtig die Schranktür öffnete und eine Sekunde später in die blauen Augen eines verängstigten kleinen Jungen blickte.
Washington D.C., 11. Juni 2004
Mit dem Fahrstil, mit dem ich meinen Wagen durch die Straßen Washingtons lenke, mache ich beinahe Gibbs Konkurrenz, doch die Angst um meinen Schützling lässt mich das Gaspedal noch weiter nach unten treten. Die Sonne brennt mittlerweile schon fast unbarmherzig vom Himmel, doch ich realisiere die Wärme, die sich um mich herum immer stärker ausbreitet, kaum. In der Arlington Road, einer noblen Gegend Washingtons, halte ich mein Auto mit quietschenden Reifen vor einem vornehmen Wohnhaus. Eilig springe ich heraus, haste zu einer der großen, reich verzierten Holzportale und betätige den Knopf neben der Aufschrift 'Young'. Auf die darauf folgende Nachfrage erkläre ich: „Special Agent Anthony DiNozzo, ich muss dringend mit Ihnen sprechen.“ Keine zwei Minuten später stehe ich in der großzügigen Wohnung im ersten Stock einem verunsicherten Ehepaar gegenüber. „Es tut mir leid, dass ich Sie so überfalle, Mr. Young, aber...“ Noch ehe ich meinen Satz beenden kann, fällt mir die aufgeregte Frau ins Wort: „Wir haben die Nachrichten gesehen. Jeremy hat Matty sofort von der Schule abgeholt. Er weiß noch nichts davon, aber dieser Kerl wird ihn suchen.“ Als sie beginnt zu schluchzen, legt ihr Ehemann beruhigend einen Arm um sie und flüstert: „Es wird alles gut, Lauren. Agent DiNozzo wird uns helfen.“ Diese Aussage bestätige ich mit einem Nicken und erkläre: „Mr. und Mrs. Young, es ist das Beste, wenn einer meiner Kollegen Sie beide vorerst in eine sichere Unterkunft bringt. Ich werde Matthew mit ins Headquarter des NCIS nehmen und gemeinsam mit meinem Team für seinen Schutz sorgen.“
Das Ehepaar mustert mich noch immer besorgt, doch dann stimmen sie zu, als eine Stimme aus Richtung Tür ertönt: „Tony! Wieso hast du mich schon so lange nicht mehr besucht?“ Bereits im selben Moment ist ein kleiner Blondschopf durch das Wohnzimmer gelaufen und klammert sich fest an mich. Ich hocke mich vor ihn hin und antworte: „Es tut mir leid, Matt, aber jetzt bin ich da. Als Entschädigung machen wir beide einen Ausflug, und du lernst meine Freunde kennen. Einverstanden?“ Das darauf folgende Nicken lässt mich unwillkürlich lächeln, und ich nehme den Jungen auf den Arm, um mit ihm in sein Zimmer zu gehen. Während seine Mutter einige Sachen für ihn packt, begebe ich mich außer Hörweite und fordere mit meinem Handy Polizeischutz für die Eltern an. Ich führe eine zähe Diskussion mit dem zuständigen Beamten, doch schließlich kann ich ihn mit einigen Drohungen dazu bringen, zwei Polizisten vorbei zu schicken. Sobald ich im Hauptquartier bin, werde ich mit Gibbs reden, dass man Mr. und Mrs. Young vorerst woanders unterbringt. Eine halbe Stunde später klingelt es bereits an der Tür, und ich schildere den davor stehenden Beamten kurz die Situation. Dann gebe ich den beiden noch eine Visitenkarte mit meiner Telefonnummer für Notfälle, woraufhin sie sich in ihren Dienstwagen zurückziehen, von dem aus sie das Haus im Auge behalten. Noch einmal bespreche ich mit den Youngs mein Vorhaben und bitte sie, unter keinen Umständen die Wohnung zu verlassen, bevor ich mich verabschiede. Danach schnappe ich mir die kleine Reisetasche und gehe gemeinsam mit Matthew zu meinem Auto, mit dem wir uns auf den Weg ins Büro machen.
Baltimore, 20. Oktober 2000
Der blonde Junge klammerte sich ängstlich an mich, während ich ihm sanft über den Rücken strich, da sein kleiner Körper von Schluchzern geschüttelt wurde. Langsam ließ ich mich auf dem Bett im Kinderzimmer nieder, denn er sollte unter allen Umständen von dem Bild seiner toten Familie verschont werden. Als ich mich ein wenig im Raum umsah, fiel mein Blick auf die zahlreichen Spielsachen in den Regalen und die Fotos an den Wänden, die eine glückliche kleine Familie zeigten. Das Wissen, dass diese für immer zerstört sein würde, war beinahe noch schlimmer als die Tragödie, die sich vor einigen Stunden im Wohnzimmer abgespielt hatte. Beruhigend redete ich auf den kleinen Kerl in meinen Armen ein und wiegte ihn sanft hin und her, so dass sein Zittern irgendwann nachließ und die Tränen versiegten. Nach einiger Zeit stellte ich erleichtert fest, dass er an meiner Schulter eingeschlafen war, dann legte ich ihn behutsam auf sein Bett und deckte ihn zu. Ein letztes Mal sah ich prüfend auf den Jungen, doch er schien tief in seine Träume abgetaucht zu sein, also verließ ich das Zimmer und schloss leise die Tür hinter mir. Seufzend fuhr ich mir mit der Hand durch meine Haare, atmete tief durch und sah mich auf dem Flur um, doch im Obergeschoss gab es keinen einzigen Anhaltspunkt dafür, dass der Täter hier gewesen war. Nachdem ich kurz einen Blick in die angrenzenden Räume geworfen und nichts auffälliges entdeckt hatte, ging ich die Treppe wieder hinunter und zurück zu meinem Partner, um im Erdgeschoss weiter nach Spuren zu suchen.
„Der Kleine heißt Matthew Ryan Morrison. Er ist vier Jahre alt,“ erklärte Vincent nachdem er das Haus durchsucht und einige Papiere sicher gestellt hatte. Ich nickte schweigend, während ich mich weiter in dem Wohnzimmer umsah und nach Fingerabdrücken suchte. In der Zwischenzeit waren die Leichen bereits abtransportiert worden, so dass der Anblick nicht mehr ganz so schrecklich war, doch noch immer hatte ich das Bild vor Augen, das nicht verschwinden wollte. Als wir dann endlich die Untersuchung des Tatortes abgeschlossen hatten, begann ich, darüber nachzudenken, was ich mit dem Jungen machen sollte. Ein lautes Rufen riss mich jedoch aus meinen Überlegungen: „Mom, Dad, wo seid ihr?“ Eilig verließ ich das Wohnzimmer und fand Matthew, der mitten auf der Treppe in die obere Etage stand, einen Teddy im Arm, während ihm ununterbrochen Tränen über die Wangen liefen. Ich ging vor ihm in die Hocke, und er hielt sich erneut an mir fest, so dass ich ihn hoch nahm und versuche, ihn zu beruhigen. Erschöpft ließ er seinen Kopf an meine Schulter sinken, seinen Bären noch immer fest umklammert und den rechten Daumen im Mund. „Wir müssen die Jugendfürsorge anrufen“, ermahnte mich Vincent leise, doch ich schüttelte heftig den Kopf und gab flüsternd zurück: „Es ist Samstagabend. Wir werden dort niemanden mehr erreichen. Ich werde mich bis zum Montag um ihn kümmern. Außerdem ist es viel zu gefährlich für ihn, so lange der Kerl noch auf freiem Fuß ist.“ Ohne eine Antwort von meinem Kollegen, ging ich mit dem Jungen auf dem Arm nach draußen und brachte ihn zum Wagen.
Washington D.C., 11. Juni 2004
Mit einem achtjährigen Jungen an der Hand stehe ich ein halbe Stunde später im Aufzug des NCIS-Headquarters und warte darauf, dass die Türen sich öffnen. Ich weiß, dass mein Boss mir eine Predigt halten wird, da ich einfach verschwunden bin, doch meine größte Sorge gilt vorerst meinem Schützling. Mit einem leisen 'Pling' öffnen sich die schweren Metalltüren und geben den Blick auf das Großraumbüro frei, das wir nun betreten. Mit großen Augen sieht sich Matt um, während er sich ein wenig eingeschüchtert an mich klammert und keinen Ton von sich gibt. Am Schreibtisch meiner Kollegin angekommen, will ich sie gerade bitten, sich um den Kleinen zu kümmern, als die laute Stimme des Chefermittlers mich zusammen zucken lässt: „DiNozzo, was fällt dir ein, einfach abzuhauen. Wo...“ Doch noch ehe er weiter sprechen kann, unterbreche ich ihn und deute auf den Jungen: „Können wir bitte unter vier Augen reden? Kate, das ist Matt. Würdest du bitte kurz auf ihn achten?“ Die junge Frau sieht erst den Jungen und dann mich verwirrt an, doch dann nickt sie, so dass ich mich an Matt wende: „Das ist meine Partnerin Kate. Sie wird sich kurz um dich kümmern, solange ich mit meinem Boss rede. Ich bin gleich wieder da, Kumpel.“ Nach diesen Worten schenke ich meiner Kollegin noch ein dankbares Lächeln, bevor ich meinem Boss in den Fahrstuhl folge, den dieser sofort, nachdem sich die Türen geschlossen haben, zum Halten bringt.
Gibbs mustert mich mit dem üblichen durchbohrenden Blick aus seinen eisblauen Augen, und so beginne ich, ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Ich hatte gemerkt, dass auch meine Kollegen von Collins und seinen Taten von vor vier Jahren wussten, doch nun berichte ich dem Teamleiter von den Einzelheiten und der Drohung, die er bei seiner Verhaftung ausgesprochen hatte. Bei dessen geistigem Zustand und dem Gefallen, den er am Töten gefunden hatte, ist auch mein Boss der Meinung, dass Matthew in Gefahr ist. Nachdem wir den Mörder der Morrisons vor vier Jahren verhaftet hatten, kümmerte sich die Jugendfürsorge um ihn, und schließlich hatte er in den Youngs eine Pflegefamilie gefunden. Seitdem besuchte ich ihn sehr oft, da wir ziemlich gute Freunde geworden waren, obwohl ich dies in letzter Zeit ein wenig vernachlässigt habe. Gibbs hört sich meine Ausführungen schweigend an, bevor er erklärt: „Ich verstehe dich, Tony. Trotzdem fällt die Sache nicht in den Zuständigkeitsbereich des NCIS.“ Obwohl ich den Einwand meines Bosses einsehe, machen mich diese Worte ziemlich wütend, so dass ich entgegne: „Diese Idioten sind doch nicht einmal in der Lage, auf sich selbst aufzupassen. Ich werde ganz bestimmt nicht zulassen, dass die Cops für Matts Sicherheit sorgen.“ Nur mit Mühe lasse ich mich beruhigen, doch Gibbs verspricht mir, mit unserem Direktor zu reden und eine Lösung zu finden. Ein wenig erleichtert nicke ich und atme kurz durch, denn wie so oft kann ich mich auf meinen Boss verlassen. Das ungute Gefühl, das mich seit dem Fernsehbericht heute Morgen verfolgt und sich in meinem Inneren breit gemacht hat, schwächt sich nach seinen Worten ein wenig ab. Doch nur Sekunden später breitet sich ein unangenehmes Gefühl auf meinem Hinterkopf aus, und ich blicke erschrocken zu Gibbs, der nur erwidert: „Sei froh, dass ich dich nach deinem Zuspätkommen heute Morgen verschont habe.“ Leise in mich hineinmurmelnd reibe ich mir die schmerzende Stelle, erwidere jedoch in weiser Voraussicht nichts darauf.
Baltimore, 17. November 2000
Noch nie zuvor war mir ein Mordfall so nahe gegangen wie dieser, und vor allem seit ich Polizist in Baltimore war, hatte ich viele schreckliche Verbrechen aufklären müssen. Doch dieses Mal war es etwas anderes, vielleicht lag es daran, dass ich mich in dem Kleinen wieder erkannte. Ich konnte es nicht genau sagen, aber ich hatte das Gefühl, ihn unter allen Umständen beschützen zu müssen. Obwohl ich meine Eltern nicht wie er durch ein Verbrechen verloren hatte, konnte ich mir dennoch ausmalen, wie allein er sich fühlen musste. Als ich sechs Jahre alt war, starb meine Mutter bei einem Autounfall, und mein Vater hatte danach nichts anderes mehr im Kopf als seine Firma. Früher hatte ich mich immer gut mit ihm verstanden, aber ihr Tod hatte alles verändert, so dass wir uns nach meinem Schulabschluss komplett entzweit hatten. Deshalb konnte ich mir in etwa vorstellen, wie er sich fühlen musste und wollte ihn wenigstens vorerst vor der Jugendfürsorge bewahren. Mit etwas Hartnäckigkeit konnte ich den Captain dazu überreden, Matthew mit zu mir nehmen zu dürfen, um ihn in Sicherheit zu wissen. Nach einigen Tagen verstanden wir uns immer besser, und der Junge begann, ein wenig aufzutauen. Der Kinderpsychologe hatte mit ihm gesprochen, doch er war zu der Überzeugung gelangt, dass Matt vermutlich nicht viel von dem Mord an seiner Familie mitbekommen hatte, da die Türen zwischen Flur und Wohnzimmer geschlossen waren, als es passierte. Dennoch sprach er nicht über jenen Tag, so dass wir nicht erfuhren, weshalb er sich im Schrank versteckt hatte, während seine Schwester mit den Eltern am Tisch saß.
Leider kamen wir mit der Untersuchung des Falles nicht voran, denn unser Hauptverdächtiger war unauffindbar und mordete Woche für Woche weiter. Obwohl wir Spuren am Tatort gefunden hatten, die auf einen Preston Collins hindeuteten, gab es keinen einzigen Hinweis, wo er sich aufhielt. Der Mann begann, mehr und mehr durchzudrehen, deshalb würde Matt in Lebensgefahr schweben, sobald herauskommt, dass er nicht tot war. Vermutlich hatte der Täter diesen ersten Mord im Affekt ausgeführt und nicht gewusst, dass Thomas und Carrie Morrison zwei Kinder hatten. Bis jetzt hatten wir die Nachricht zurückhalten können, dass ein Mitglied der Familie überlebt hatte, aber es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis die Presse davon Wind bekam. Denn je mehr Menschen durch seine Hand starben, umso größer wurde die Gier der Journalisten nach Neuigkeiten. Dieser ungelöste Fall machte mir mehr und mehr zu schaffen, auch wenn ich den Jungen gern bei mir hatte, war ich doch besorgt um dessen Sicherheit, denn je länger unser Unbekannter frei war, desto gefährlicher würde er werden. In der Nacht, genau vier Wochen nach dem ersten Mord, schreckte mich plötzlich ein lautes Geräusch aus dem Schlaf. Prüfend sah ich zu Matt, der neben mir in dem großen Bett lag, doch er war noch tief in seinen Träumen versunken. Mit einem Griff hatte ich meine Waffe gepackt und tastete mich leise durch mein Schlafzimmer und dann den Flur entlang. Vorsichtig öffnete ich die Tür zum Wohnzimmer, hielt die Pistole schussbereit, als ich eine Gestalt in der Dunkelheit wahrnahm. Meine Hand tastete nach dem Schalter, und mit einem Griff hatte ich das Licht eingeschaltet, an das sich meine Augen jedoch nach zwei Sekunden gewöhnt hatten. Ein Blick in das Gesicht des Eindringlings genügte, um zu wissen, dass Preston Collins in mein Appartement eingebrochen war.
To be continued...