Soraya
1.000er-Club
- Registriert
- 17 September 2003
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Hallo zusammen,
hier nun mein zweites Langzeitwerk nach "Die zehn Gebote der Silbervögel". Es weist sicher am Anfang wie auch schon das erste einige Fragen auf, aber das macht ja Spannung aus. Hoffe jemand gefällts
Jeder neue Anfang setzt ein gewesenes Ende voraus, doch in seiner langen Amtszeit hatte Dr. Harvard noch nie ein derartiges Ereignis erlebt, noch nie einen Fall wie diesen gesehen, von dem er weder Vergangenheit, noch Zukunft kannte. Das Neonlicht warf Schlagschatten an die weißen Wände des kahlen Raumes. Die sterile Atmosphäre, deren destilierter Dunst sich als feiner Nebel Infektionssprays über die Möblierung legte, war keine Umwelt für sie. Doch nichts, was ihm bisher begegnet war, hätte sie beherbergen können. Langsam schritt er näher heran und öffnete die akkurat gefaltete Krankenakte, die den einzigen roten Farbfleck im Zimmer bildete. Keine Angaben verfügbar, Patientin spricht nicht, wirkt äußerst apathisch und suizidgefährdet, las er die Eintragungen der Tagesschicht. Nun war es 23 Uhr und man hatte ihn zur Nachtschicht gerufen, weil er doch angeblich der einzige dieses gottverdammten Krankenhauses war, der sich einem Menschen auch psychologisch annähern konnte. Wenn sie denn überhaupt ein Mensch ist...wanderte sein Blick wieder zu dem kleinen zusammengekauerten Wesen unter der weißen Wolldecke in der Ecke des Zimmers. Stimmen drangen zum Zimmer herein, doch er hatte die Tür verschlossen, wollte mit ihr allein sein, sodass die Wortfetzen vorüberzogen, wollte wenn nötig die ganze Nacht neben ihr sitzen, bis sie ein Wort sprach, vorausgesetzt sie konnte sprechen. Der silberblonde Haarschopf regte sich ein wenig und alabasterfarbene, sehr verletzlich wirkende Hände zogen die Decke ein Stück zurück um ihr Gegenüber betrachten zu können. Eisblaue Kristalle trafen Harvards Augen und er musste eine Hand schützend vor das ermüdete Gesicht heben, diese Augen...stärker als das fluoreszierende Licht nach einem anstrengenden Tag. Noch immer durchbohrten sie seinen Blick, als könnte sie in die tiefsten Tiefen seiner Seele schauen. Es vergingen zwei Stunden des nahtlosen Ansehens und mit jedem reaktionär normalem Schließen der Lider glaubte er den sich knüpfenden Bann unterbrechen zu müssen, um wieder von vorn zu beginnen. Doch er wollte sich ihr nicht entziehen, was immer sie tat. Die Nacht schwärzte das Land rundum dem von lichterfüllten Fensterhöhlen erleuchtete Krankenhaus. Harvard spürte die Zeit wie feinen Sand durch seine Finger rinnen und doch hielt sie keine Sekunde für ihn selbst bereit. Je länger er sie anschaute, desto intensiver wurde er Teil der Prozedur ihrer ausgestreckten Fühler, ihr Blick war kein zartes Tasten eines Kindes mehr. Er malträtierte ihn wie Messerstiche, die ihm das Mark aus dem Leib schnitten. Die vom Wind geführten Äste schlugen immer im gleichen Rhythmus gegen das Fenster und langsam aber sicher schloss Harvard die Augen, doch selbst jetzt ruhte ihr Blick noch auf ihm. Ihre Augen wie zwei hellerleuchtete Aquamarine unbeirrt auf der Suche nach etwas, doch Harvard hörte nicht mal mehr das monotone Piepgeräusch seines Bereitschaftgerätes. Der Schlaf hüllte ihn ein und ließ ihn ins Land der Träume reisen, zurück zu den Morgenstunden, wo man sie gefunden hatte, sie hätte es nicht überleben können, nicht unter normalen Umständen.
Ich spürte Schmerz meine Glieder erstarren lassen, mein Körper wollte wie sooft die natürliche Abwehrreaktion auf dieses Gefühl in Gang setzen, doch diesmal schickte er mir nicht das gewünschte Adrenalin, was mich an Stärke gewinnen ließe. Ich stieß einen Schrei in die Luft, schmerzerfüllt, doch erstickt von der eigenen Stille die rund um mich herrschte, gepaart mit dem Geruch verbrannten Fleisches. War ich die einzige Überlebende? Ich wusste, dass in den Kellern der heiligen Hallen Chemikalien gelagert waren. Die Vorahnung legte sich wie eine kalte Hand auf meinen Rücken und der Angstschweiß stand mir auf die Stirn geschrieben, sobald die Schlacht die unteren Räume erreicht hatte, würde alles unbedeutend neben der Explosion des geschmolzenen Stahles gemischt mit verschiedenen Säuren. Ich versuchte mich aufzurichten, doch mein Körper versagte wieder. Ich prallte hart auf den Hallenboden zurück, es trieb mir die Luft wieder aus der Lunge, nach der ich über dem wabernden Dunst gesucht hatte. Hastig wie ein notleidendes Wassertier an Land, das mit seinen Kiemen nach Luft ringt, schnappte ich danach und versuchte mit allen Mitteln ruhig zu atmen, bis sich meine Lungen endlich wieder an dem erfüllenden Gefühl des hereintretenden Sauerstoffes erfreuen konnten. Mein Herz schlug nun wieder langsamer und regelmäßig, das Blut wurde in die Adern gepumpt. Die Verletzung war von ihnen in mein kindliches Fleisch gerissen worden, tief und schmerzvoll hatten sie sich an meinem Blut gelabt, Opfergaben. Meine kristallklaren Augen gewöhnten sich langsam an die dunkle Einsamkeit, es hörte mich keiner, doch ich konnte auch nicht erwarten, dass Ariel oder Alexandriel mich hier suchen würden. Und es durften auch keine weiteren dieser göttlichen Geschöpfe ihnen zum Opfer fallen. Ich traute mich nicht einen Blick auf die Wunde zu richten, von der der lodernde Schmerz ausging, doch die Ohnmacht war nicht mehr fern. Bevor sich meine Augen der flatternden Schwärze hingaben, streckte ich meine Finger aus und tastete mich zu der Wunde vor, ich würde in rohes Fleisch fassen, sie hatten mich ihrer Götterskulptur offengelegt in einer Passion und Huldigung an diese Statue. Doch alles was ich fühlte war mein warmes aus der tiefen Wunde hervorquellendes Blut, der Schnitt zog sich spürbar über den gesamten Unterleib. Gedehnt tropfte die Flüssigkeit auf den Steinboden, bald würde ich wie eine leere Hülle für verschwundenes Leben diese Halle zieren, in der sie mich gefangen hielten...Bilder...der Todesengel zog seinen schwarzen Kriegsrock an den dafür vorgesehenen Riemen strammer, die prächtigen Votivbänder zierten sein Gewand in etlicher Fülle. Das lange feuerrote Haar schloss unten mit dem schweren um die Hüften gebundenen Schwertgurt ab, in der die Scheide des Flammenschwertes ruhte. Die heilige Waffe führte Gottes Willen aus und sie würde mir den erlösenden Stoß in die Ewigkeit geben, ich verspürte keine Angst. Ich habe ihn schon sooft gesehen. Er tut nur seine Pflicht...das Bild flackerte wieder und eine Stimme zerriss die klaren Konturen. “Sucht nach Überlebenden.”, begleitet von Hundegebell vereitelte mir meine Zweisamkeit mit der Dunkelheit. Schon tropfte Geifer auf meine nackten, goldberingten Füße und eine kühle Hundeschnauze befeuchtete meine Glieder, bevor die Menschen auf mich aufmerksam wurden. Es war ein Gewirr aus Stimmen und erstaunten Blicken und herzzereißenden Schreien, bevor ich meine Sicht endlich der wohltuenden Ohnmacht fügte.
Und wir sahen nicht nur die lebensgefährlichen Verletzungen dieses Wesens, wir sahen vielmehr Narben...unzählige Worte in Haut gebrannt, Gottes Worte, ihr verliehen? Schnitte so präzise tief und sacht genug für die Ewigkeit. Wer hatte ihr dies angetan? Dürfen wir uns nicht zugestehen, von einem Kind zu sprechen? Wer war sie und ist sie jetzt?
hier nun mein zweites Langzeitwerk nach "Die zehn Gebote der Silbervögel". Es weist sicher am Anfang wie auch schon das erste einige Fragen auf, aber das macht ja Spannung aus. Hoffe jemand gefällts
Jeder neue Anfang setzt ein gewesenes Ende voraus, doch in seiner langen Amtszeit hatte Dr. Harvard noch nie ein derartiges Ereignis erlebt, noch nie einen Fall wie diesen gesehen, von dem er weder Vergangenheit, noch Zukunft kannte. Das Neonlicht warf Schlagschatten an die weißen Wände des kahlen Raumes. Die sterile Atmosphäre, deren destilierter Dunst sich als feiner Nebel Infektionssprays über die Möblierung legte, war keine Umwelt für sie. Doch nichts, was ihm bisher begegnet war, hätte sie beherbergen können. Langsam schritt er näher heran und öffnete die akkurat gefaltete Krankenakte, die den einzigen roten Farbfleck im Zimmer bildete. Keine Angaben verfügbar, Patientin spricht nicht, wirkt äußerst apathisch und suizidgefährdet, las er die Eintragungen der Tagesschicht. Nun war es 23 Uhr und man hatte ihn zur Nachtschicht gerufen, weil er doch angeblich der einzige dieses gottverdammten Krankenhauses war, der sich einem Menschen auch psychologisch annähern konnte. Wenn sie denn überhaupt ein Mensch ist...wanderte sein Blick wieder zu dem kleinen zusammengekauerten Wesen unter der weißen Wolldecke in der Ecke des Zimmers. Stimmen drangen zum Zimmer herein, doch er hatte die Tür verschlossen, wollte mit ihr allein sein, sodass die Wortfetzen vorüberzogen, wollte wenn nötig die ganze Nacht neben ihr sitzen, bis sie ein Wort sprach, vorausgesetzt sie konnte sprechen. Der silberblonde Haarschopf regte sich ein wenig und alabasterfarbene, sehr verletzlich wirkende Hände zogen die Decke ein Stück zurück um ihr Gegenüber betrachten zu können. Eisblaue Kristalle trafen Harvards Augen und er musste eine Hand schützend vor das ermüdete Gesicht heben, diese Augen...stärker als das fluoreszierende Licht nach einem anstrengenden Tag. Noch immer durchbohrten sie seinen Blick, als könnte sie in die tiefsten Tiefen seiner Seele schauen. Es vergingen zwei Stunden des nahtlosen Ansehens und mit jedem reaktionär normalem Schließen der Lider glaubte er den sich knüpfenden Bann unterbrechen zu müssen, um wieder von vorn zu beginnen. Doch er wollte sich ihr nicht entziehen, was immer sie tat. Die Nacht schwärzte das Land rundum dem von lichterfüllten Fensterhöhlen erleuchtete Krankenhaus. Harvard spürte die Zeit wie feinen Sand durch seine Finger rinnen und doch hielt sie keine Sekunde für ihn selbst bereit. Je länger er sie anschaute, desto intensiver wurde er Teil der Prozedur ihrer ausgestreckten Fühler, ihr Blick war kein zartes Tasten eines Kindes mehr. Er malträtierte ihn wie Messerstiche, die ihm das Mark aus dem Leib schnitten. Die vom Wind geführten Äste schlugen immer im gleichen Rhythmus gegen das Fenster und langsam aber sicher schloss Harvard die Augen, doch selbst jetzt ruhte ihr Blick noch auf ihm. Ihre Augen wie zwei hellerleuchtete Aquamarine unbeirrt auf der Suche nach etwas, doch Harvard hörte nicht mal mehr das monotone Piepgeräusch seines Bereitschaftgerätes. Der Schlaf hüllte ihn ein und ließ ihn ins Land der Träume reisen, zurück zu den Morgenstunden, wo man sie gefunden hatte, sie hätte es nicht überleben können, nicht unter normalen Umständen.
Ich spürte Schmerz meine Glieder erstarren lassen, mein Körper wollte wie sooft die natürliche Abwehrreaktion auf dieses Gefühl in Gang setzen, doch diesmal schickte er mir nicht das gewünschte Adrenalin, was mich an Stärke gewinnen ließe. Ich stieß einen Schrei in die Luft, schmerzerfüllt, doch erstickt von der eigenen Stille die rund um mich herrschte, gepaart mit dem Geruch verbrannten Fleisches. War ich die einzige Überlebende? Ich wusste, dass in den Kellern der heiligen Hallen Chemikalien gelagert waren. Die Vorahnung legte sich wie eine kalte Hand auf meinen Rücken und der Angstschweiß stand mir auf die Stirn geschrieben, sobald die Schlacht die unteren Räume erreicht hatte, würde alles unbedeutend neben der Explosion des geschmolzenen Stahles gemischt mit verschiedenen Säuren. Ich versuchte mich aufzurichten, doch mein Körper versagte wieder. Ich prallte hart auf den Hallenboden zurück, es trieb mir die Luft wieder aus der Lunge, nach der ich über dem wabernden Dunst gesucht hatte. Hastig wie ein notleidendes Wassertier an Land, das mit seinen Kiemen nach Luft ringt, schnappte ich danach und versuchte mit allen Mitteln ruhig zu atmen, bis sich meine Lungen endlich wieder an dem erfüllenden Gefühl des hereintretenden Sauerstoffes erfreuen konnten. Mein Herz schlug nun wieder langsamer und regelmäßig, das Blut wurde in die Adern gepumpt. Die Verletzung war von ihnen in mein kindliches Fleisch gerissen worden, tief und schmerzvoll hatten sie sich an meinem Blut gelabt, Opfergaben. Meine kristallklaren Augen gewöhnten sich langsam an die dunkle Einsamkeit, es hörte mich keiner, doch ich konnte auch nicht erwarten, dass Ariel oder Alexandriel mich hier suchen würden. Und es durften auch keine weiteren dieser göttlichen Geschöpfe ihnen zum Opfer fallen. Ich traute mich nicht einen Blick auf die Wunde zu richten, von der der lodernde Schmerz ausging, doch die Ohnmacht war nicht mehr fern. Bevor sich meine Augen der flatternden Schwärze hingaben, streckte ich meine Finger aus und tastete mich zu der Wunde vor, ich würde in rohes Fleisch fassen, sie hatten mich ihrer Götterskulptur offengelegt in einer Passion und Huldigung an diese Statue. Doch alles was ich fühlte war mein warmes aus der tiefen Wunde hervorquellendes Blut, der Schnitt zog sich spürbar über den gesamten Unterleib. Gedehnt tropfte die Flüssigkeit auf den Steinboden, bald würde ich wie eine leere Hülle für verschwundenes Leben diese Halle zieren, in der sie mich gefangen hielten...Bilder...der Todesengel zog seinen schwarzen Kriegsrock an den dafür vorgesehenen Riemen strammer, die prächtigen Votivbänder zierten sein Gewand in etlicher Fülle. Das lange feuerrote Haar schloss unten mit dem schweren um die Hüften gebundenen Schwertgurt ab, in der die Scheide des Flammenschwertes ruhte. Die heilige Waffe führte Gottes Willen aus und sie würde mir den erlösenden Stoß in die Ewigkeit geben, ich verspürte keine Angst. Ich habe ihn schon sooft gesehen. Er tut nur seine Pflicht...das Bild flackerte wieder und eine Stimme zerriss die klaren Konturen. “Sucht nach Überlebenden.”, begleitet von Hundegebell vereitelte mir meine Zweisamkeit mit der Dunkelheit. Schon tropfte Geifer auf meine nackten, goldberingten Füße und eine kühle Hundeschnauze befeuchtete meine Glieder, bevor die Menschen auf mich aufmerksam wurden. Es war ein Gewirr aus Stimmen und erstaunten Blicken und herzzereißenden Schreien, bevor ich meine Sicht endlich der wohltuenden Ohnmacht fügte.
Und wir sahen nicht nur die lebensgefährlichen Verletzungen dieses Wesens, wir sahen vielmehr Narben...unzählige Worte in Haut gebrannt, Gottes Worte, ihr verliehen? Schnitte so präzise tief und sacht genug für die Ewigkeit. Wer hatte ihr dies angetan? Dürfen wir uns nicht zugestehen, von einem Kind zu sprechen? Wer war sie und ist sie jetzt?