So hier der langversprochene Teil
Es werden zwei eurer Fragen beantwortet, aber natürlich nur indirekt, versteht sich für mich
Danke für die vielen Feedbacks
Die silbernen Glocken der Michaeli-Kirche riefen zur Morgenandacht und Alexandriel war schon seit Stunden wach, um aus den hohen, bleiverglasten Fenstern seiner Kammer zu sehen. Langsam erwachte das komplette, kolossale Bauwerk der Kathedrale zum Leben und draußen vor den Fenstern, öffnete sich Gottes Auge den Engeln in seiner ganzen Pracht, während einige Fuß unter ihnen eine graue, schwere Wolkendecke das Land überzog. Gottes Auge betrachtete nun wehmütig die sich über die grauen Wolkenschleier ergießenden und in Gold und Koralltönen tauchende Pastellfarben. Lichtspeere brachen die Barrieren auf um die Erde mit Licht und Wärme zu segnen.
Alexandriels Hand zitterte, als er den schweren Vorhang zuzog, um das neugeborene Sonnenlicht auszusperren. Langsam trat er vom Fenster zurück und wendete sich dem Innenraum der Kammer zu, welche er mit dem Bruder Ariel teilte. Ariel war vom Orden der Gabrieliten und sein ehemaliger Scharführer. Sein Gesicht lag im Schatten, als er die Vorhänge vor das Glas gezogen hatte, doch er kannte jeden Zug des Gesichtes seines Bruders, jede Erhebung der glatten Haut, die sich über den Knochen spannte, jeden Blick aus seinen gütigen saphirblauen Augen. Und doch war eben er es, der ihn für diese Dummheit strafte und auf die Erde schickte. Alexandriel wusste, wie sein Antlitz ein jedes Frauenherz erobern konnte. Seufzend legte er sich wieder nieder in Meditation versunken, seine Handflächen zusammengespresst gen Erde weisend, er wollte nicht zurück dorthin...die imposanten Schwingen ragten weit hinter ihm auf und trotz der erhöhten Position des Bettes streiften sie den steinernen Boden mit ihren breiten Schwungfedern. Er war nach Gott geschaffen und dies erfüllte ihn mit Stolz, er strahlte all seine Macht und Erhabenheit aus, des Engels Worte waren die Seinen und seine Hand führte nur Gottes Wille aus und doch würde er ihn wieder von sich weisen, noch heute...
“Was macht ihre neue kleine Freundin, Harvard? Sind sie weiter zu ihr vorgedrungen?”, fragte Dr. Calvin ihren Kollegen musternd und schaute von ihrer Zeitung auf. Harvard seufzte, er konnte Calvin einfach keine Sympathieentgegenbringen, sie wirkte herzlos und kühl und so unpassend in das Puzzle des Krankenhauses und irgendwie beunruhigten ihn ihre fixierenden Blicke jedes Mal. “Sie heißt Maria.”, entgegnete er knapp und machte sich nicht die Mühe ihren Blick zu erwidern. An die Wand projeziert, befanden sich Marias Verletzungen und es faszinierte ihn ein zweites Mal wie das Mädchen diese überlebt hatte. Es grenzte an ein Wunder. Calvin trat an seine Seite und beugtachtete die vielen Frakturen. “Das Mädchen überlebte in erstaunlich guter Verfassung, es ist unerklärlich. Wir sollten sie in eine andere Klink verweisen...dort könnte noch Großes aus ihr werden.” “Inwiefern Großes?”, Harvards Finger verkrampften sich unter dem Druck der Tischplatte und dem inneren Druck, den Calvin auf ihn ausübte, er wusste selbst am Besten, dass Maria kein normaler Mensch war, doch was sie war wollte er schützen und nicht in Versuchslabors verkommen lassen. Aus so einem goldenen Käfig war sie ja überhaupt erst gekommen, aus der zerschlagenen Sekte GIM (God is mortal). “Das werde ich nicht zulassen, sowie ich Sie kenne, würden sie sie sofort nach Maryland schicken, dem Institut für übernatürliche Phänomen.” Calvin schaute nochmals von ihrer Zeitung auf und griff nach der Tasse Kaffee. “Korrekt Harvard, ein Abgesandter ist bereits auf dem Weg hier her, werter Kollege.” Harvard verlor die Kontrolle über seine Faust, die sich hart auf der Tischplatte wiederfand. “Das werde ich nicht zulassen! Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!”, schrie er und verließ das Ärztezimmer mit einer ins Schloss fallenden Tür.
...heute sollte er seinen letzten Weg beschreiten, seinen Weg zur Erde, aus dem Zuhause gerissen sollte er in menschlicher Gestalt Gutes vollbringen oder die Menschen als Schutzengel bewahren. Sein herz müsste jubilieren, bei der Ehre, die die Cherubim ihm boten, doch sein eigener Bruder Ariel hatte dafür plädiert, dass es nicht so sein sollte. Er sollte Qualen auf Erden erleiden und dorthin zurückkehren, wo er das Unheil angerichtet hatte. Die Entbehrung der Unschuld lastete auf Alexandriels Schultern, seine irdische Gestalt sollte in Vergessenheit geraten und seine Tränen sollten auch den Schmerz der Frau lindern, die er dort unten verlassen hatte ohne zu wissen, was er dadurch geschaffen hatte. In ihm krampfte sich alles zusammen, wenn er an die Erinnerungen an sie dachte. Sie war so wunderschön gewesen, sein Bruder selbst hatte ihm dies zugesprochen. Doch Ariel hätte seinen Bruder damals lieber sterben lassen, als ihn mit dieser Schande zurückzubekommen. Und Alexandriels Tochter...alabasterfarbene Haut, silberblondes Haar, einem Engel gleich und doch menschlich. Damals hatte er keinen Namen für dieses irdische Wunder gefunden, doch irgendwann würde sie in ihrem Körper eingesperrt zerbrechen und davor fürchtete er sich. Keine Himmelsseele würde es auf Erden zu Leben bringen.