„Ich glaube, dass ich mich klar und deutlich ausgedrückt habe. Es reicht, ich habe genug von dir und jetzt geh bitte endlich!“, erklärte die junge Brünette noch immer ruhig, aber entschieden, während sie seine Kleidung zusammensuchte und ihm den nicht ganz kleinen Haufen in die Hände drückte, die abwehrend erhoben waren.
Es war eines der Dinge, die sie am Meisten gestört hatten, dass scheinbar überall in ihrem Schlafzimmer seine Klamotten zu liegen schienen, wobei sie noch nicht einmal zusammen wohnten und definitiv auch nie zusammen ziehen würden. Nicht nach heute.
„Eva, bitte. Überstürz das doch nicht. Lass uns darüber reden!“, wiederholte der dunkelhaarige junge Mann und wusste dabei gar nicht, wie oft er diese Sätze bereits versucht hatte. Langsam begann er jedoch einzusehen, dass es wohl keinen Sinn hatte, weiter mit ihr zu diskutieren.
„Ich überstürze gar nichts. Ich habe dir gesagt, was ich zu sagen habe und jetzt nimm die Sachen und geh. Sollte ich noch Sachen von dir finden, werde ich sie zur Seite legen. Du kannst mich anrufen, wenn du sie abholen willst, aber tauch ja nicht unangemeldet hier auf.“
Eine gewisse Kälte lag bei diesen Worten in Evas Stimme, aber sie wollte nicht, dass er merkte, dass sie emotional mit Sicherheit noch nicht mit alledem abgeschlossen hatte. Statt sich also auf eine weitere Diskussion mit ihm einzulassen, öffnete sie die Tür zu ihrer kleinen Wohnung und ließ ihn – einfach mit seinen Sachen in den Händen – hinaus.
Auf der Fußmatte drehte er sich noch einmal um, um ein letztes Mal zu versuchen, mit ihr zu reden, doch Eva hatte bereits die Tür geschlossen und er sah nur auf die hellbraune Holzverkleidung der Tür, durch die er in letzter Zeit so oft voller Erwartung getreten war.
Innen lehnte Eva sich mit einem Seufzen gegen die Tür. Es war ihr nicht leicht gefallen, aber was war ihr im Endeffekt schon anderes übrig geblieben? Ihre linke Hand massierte über ihre Stirn hin bis zur Schläfe, während ihre rechte von dem kleinen Beistelltischchen neben der Tür das Telefon aus der Akkustation nahm und eine Kurzwahlnummer wählte.
„Hi... Du hast Zeit für mich, oder?“, meinte sie mit leiser Stimme, der man deutlich anhören konnte, dass gerade etwas vorgefallen war.
Etwas aufgewühlt stand Eva schließlich vor einer anderen Tür und wartete darauf, dass sie ihr geöffnet wurde. Der attraktive, braunhaarige Mann, der das schließlich tat, hatte gar nicht wirklich Zeit, um sie richtig zu begrüßen, da sie ihm sofort um den Hals gefallen war und ihren Kopf an seiner Schulter ruhen ließ.
Nach einem kurzen Moment der Verwunderung legte er jedoch schließlich seine kräftigen Arme um ihren schmalen Körper und zog sie an sich, wobei er sich mit ihr leicht nach innen drehte und die Tür zu seiner Wohnung mit dem Fuß zu stieß.
„Ich hab Schluss gemacht...“, nuschelte Eva schließlich in sein Hemd, während sie keine Anstalten machte, sich aus seiner Umarmung zu lösen und ihn damit veranlasste, sie noch etwas weiter an sich zu ziehen und mit seiner Hand sanft über ihren Rücken zu streichen.
„Es ist aus.“, wiederholte die junge Frau die Geschehnisse des heutigen Abends dann noch einmal deutlicher und sah ihrem Gegenüber diesmal in die Augen.
Er streichelte ihr sanft über die Wange und ließ seine Hand zu ihrem Kinn wandern, um ihr Gesicht leicht anzuheben und sie zu küssen.
HOW TO BECOME AN ORAL SURGEON
Projekt-FanFiction by Elenia
Soundtrack: Decode by Paramore
How to: loose your guy and get a job
Mit einem erschöpften, aber auch zufriedenen Ausatmen ließ Eva sich nach hinten in die flauschigen Kissen sinken und drehte ihren Kopf zur Seite, um zu Chris zu sehen, der sich ähnlich zurücklehnte, aber zusätzlich noch die Arme in seinem Nacken verschränkt hatte.
Ein kleines Grinsen, das er nicht näher zu erklären brauchte, hatte sich auf seine Lippen gelegt, während der Blick seiner hellblauen Augen auf ihrem Gesicht ruhten und eine unausgesprochene Frage in ihnen lag.
„Keine Sorge, es ist alles in Ordnung.“, antwortete die junge Frau daraufhin, da sie sich inzwischen gut genug kannten, um solche Dinge nicht mehr aussprechen zu müssen. Ihr Lächeln erwiderte sein Grinsen, was ihn jedoch dazu brachte, sie nachdenklich anzusehen.
„Das heißt, du nimmst Chambers’ Angebot an?“, fragte Chris schließlich nach einer kurzen Pause, während er die attraktive Brünette neben sich nicht aus den Augen ließ. Wenn sie den Job annahm, würde es seinen Vorsatz, sie in Zukunft wesentlich öfter neben sich im Bett liegen zu haben, deutlich vereinfachen. Außerdem hatte er ihr bereits vor einigen Wochen, als sie das Angebot zum ersten Mal erhalten hatte, gesagt, dass es absoluter Blödsinn wäre, dies auszuschlagen. Vor allem, wenn sie dies aufgrund ihres Freundes getan hätte.
„Wahrscheinlich schon. Im Endeffekt habe ich keinen Grund mehr, ausgerechnet hier zu bleiben und das Angebot ist wirklich gut. Außerdem hast du es mir ja inzwischen mehrfach empfohlen – in der Hinsicht konnte ich dir ja schon vertrauen, seitdem ich angefangen habe, zu studieren. Und bisher hattest du mit deiner Einschätzung schon immer Recht.“
Eva sprach erst nach einer längeren Pause und auch dann klang ihre Stimme noch immer etwas unentschlossen. Sie wusste nach wie vor nicht, ob dieser Job wirklich der Richtige war und ob sie nicht einfach bei dem bestandenen Staatsexamen und ihrer bereits sicheren Assistenz-Stelle bleiben sollte. Andererseits schadete eine spezialisierte Ausbildung auf dem heutigen Arbeitsmarkt mit Sicherheit nicht und Chambers hatte auf der Ammerlander Insel ein wirklich einzigartiges Zentrum für MKG-Chirurgie errichtet, das inzwischen in ganz Deutschland bekannt war. Zudem kannte sie ihn bereits aus ihren Studienzeiten und konnte ihn im Gegensatz zu einem neuen, unbekannten Chef schon ein wenig einschätzen.
„Kleines, du hast den absolut wichtigsten Punkt bei deiner Entscheidung vergessen. Ich arbeite dort, also was willst du mehr?“, fragte er und brachte sie mit seiner absolut selbstüberschätzten Aussage nun definitiv zum Lachen, was er amüsiert beobachtete. Sie war wirklich hübsch. Eigentlich viel zu hübsch, um sie unter grünen OP-Klamotten zu verstecken.
„Also, was willst du mir jetzt eigentlich zeigen, Peter? Den ganzen Tag schon schmeißt du mit irgendwelchen Andeutungen um dich, und jetzt zitierst du mich hierher und dann kommt nur ein „Warte noch“... Was hast du vor?“, fragte Ben Williams, der seinem Chef extra aus dem OP-Aufenthaltsraum nach draußen in die Ambulanz gefolgt war, was bedeutete, dass er sich drinnen wieder umziehen musste, da er soeben seine OP-Kleidung „kontaminiert“ hatte. Von daher hoffte er, dass Chambers einen wirklich guten Grund hatte, ihn nach draußen zu holen.
„Und wenn du jetzt noch einmal „Warte noch“ sagst, dann gehe ich augenblicklich wieder zurück!“, fügte der Chirurg noch hinzu, und beobachtete, wie Chambers grinsend den Mund schloss, den er bereits zu einer Antwort geöffnet hatte. Die gemeinsame Arbeit tat ihnen nicht wirklich gut, sie kannten sich inzwischen bereits viel zu gut.
„Wir haben heute zwei Neuzugänge. Ausbildung zum Oralchirurgen.“, erklärte der Chefarzt dann nach einer kurzen Pause schließlich und wartete Williams’ Reaktion ab, der mit Sicherheit noch nicht dahinter kam, was daran so besonders war. Schließlich entschlossen sich einige fertige Zahnmediziner nach ihrem Staatsexamen zu einer Weiterbildung zum Facharzt für Oralchirurgie. Und seitdem die Klinik im Starnberger See, die er gegründet hatte, so bekannt geworden war, wurde er mit Bewerbungen geradezu überhäuft.
„Und? Noch mehr Frischlinge, die noch nicht einmal wissen, wie man einen Zahn zieht, was ist daran besonders?“, fragte Ben schließlich auch, wie Chambers es bereits erwartet hatte. Eine Tatsache, die ein Grinsen auf seinem Gesicht erscheinen ließ, das vornehmlich den rechten Mundwinkel nach oben zog.
„Ich würde ja sagen, warte noch, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass du mir dann an die Gurgel gehst.“, meinte Chambers wieder nur und genoss es dabei, Ben noch ein wenig hinzuhalten.
„Dr. Gardener bitte auf Station. Dr. Gardener bitte auf Station.“, unterbrach ein Lautsprecher das Gespräch der beiden Chirurgen, sodass Chambers um eine richtige Antwort herumkam, da diese bereits um die Ecke kam.
Die neuen angehenden Oralchirurgen bei ihrer Klinikführung.
„Das ist doch nicht etwa... Ich meine, seh’ ich richtig?“, murmelte Ben schließlich nach einer kleinen überraschten Pause vor sich hin und sah fragend zu Chambers, der sich ein breites Grinsen nicht verkneifen konnte. Er war in letzter Zeit deutlich genervt von den ständigen Beschwerden seines Freundes und Kollegen gewesen, dass es in ihrem Job eindeutig zu wenige Frauen gab. Natürlich waren so gut wie alle OP- und Stationsschwestern weiblich, aber MKG- oder Oralchirurginnen suchte man zumindest hier an der Klinik noch vergebens. Von daher war Chambers noch einmal erfreuter gewesen, als Eva Stanton, die er bereits bei ihrem Studium kennen gelernt und unterrichtet hatte, sich gemeldet und sein Angebot angenommen hatte. Er hatte sie bereits an der Universität als sehr positiv empfunden, sie hatte die chirurgische Prüfung im Staatsexamen äußerst erfolgreich abgeschlossen und war ihm zudem von Chris Turner empfohlen worden. Außerdem hatte er sie und Sebastian Harrison, den zweiten Neuling, bereits eine Weile bei ihrer Doktorarbeit betreut, was er allerdings beenden musste, nachdem er seine eigene Klinik gegründet hatte.
„Ich fasse es nicht. Du wirst doch wohl nicht auf mich gehört und dich nach einer weiblichen Bewerberin umgesehen haben, oder?“, murmelte Williams nur weiter überrascht vor sich hin. Er wusste nicht einmal mehr, wie er überhaupt darauf gekommen war, dass es an weiblichen Chirurgen mangelte, aber erst einmal bei dem Thema angekommen, hatte er es immer wieder auf den Tisch gebracht und jetzt präsentierte ihm Chambers tatsächlich die erste Chirurgin hier im Haus. Und so auf die Schnelle hatte er auch den Eindruck, dass sie vielleicht für den einen oder anderen Spaß zu haben war – was in diesem von Männern dominierten Job und vor allem auch im OP durchaus wichtig war.
Der Bass der Musik hämmerte bereits vor der Türe des kleinen Clubs in Seesberg, der Stadt, über die die Ammerlander Insel mit dem Festland verbunden war. Hier hatte Chambers wie immer den gesamten Club für die Angestellten der Klinik und ihre Partner gemietet. Zuerst war es damals, als er die Klinik gegründet hatte, quasi als Einstandsfeier gedacht gewesen, aber inzwischen war es zu einer festen Einrichtung geworden, die zweimal im Jahr stattfand und den Ärzten, Schwestern und Verwaltungsangestellten die Möglichkeit bot, sich untereinander besser kennen zu lernen.
Eva stand in ihre Jacke gekuschelt vor dem Eingang zum Club. Trotz des Frühlings wurde es nachts immer noch ziemlich kalt, sodass sie jetzt, wo sie für einige Momente nach frischer Luft schnappen wollte, doch etwas fror.
„He, Kleines, willst du nicht lieber mit reingehen? Nicht, dass du mir hier noch erfrierst.“, hörte die junge Frau in diesem Moment eine Stimme hinter sich, drehte sich um und lächelte Chris zu, der wie immer zu spät kam, einen Arm um ihre Schultern gelegt hatte und sie etwas an sich zog, um sie zu wärmen.
„Ja, lass uns rein gehen.“, stimmte sie ihm zu, nachdem sie für einen kurzen Augenblick ihren Kopf an seine Schulter gelehnt hatte. Er hatte ihr schon immer gut getan.
Um ihr die Tür aufzuhalten, ließ er sie wieder los und hintereinander betraten sie den Club, der ziemlich gut gefüllt war. Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch die Menge, bis sie zu Sebastian und seiner Freundin Alexa Michaels gelangten. Alle vier waren sie seit der Studienzeit befreundet, wobei Alexa damals ihre Ausbildung zur OP-Schwester begonnen hatte, als die anderen drei studiert hatten. Chambers hatte sie schließlich direkt für seine neue Klinik abgeworben und nachdem Eva und Sebastian nun auch hier arbeiteten, waren die vier schließlich wieder zusammen. Auch, wenn Chris nicht immer besonders viel für Alexa übrig hatte.
Sebastian dafür umso mehr, wobei er es erst mit seinem Wechsel an Chambers’ Klinik geschafft hatte, ihr seine Gefühle zu gestehen, die er bereits während des Studiums entwickelt hatte. Nun waren sie seit den zwei Wochen zusammen, die Sebastian und Eva an der Starnberger Klinik arbeiteten.
„Du lebst ja immer noch. Ich hätte dir eigentlich nicht einmal eine Woche gegeben, bevor sie dir zum ersten Mal den Kopf abreißt.“, raunte Chris Sebastian zu, vorsichtig genug, dass Alexa seine Worte nicht hören konnte. Sonst hätte er noch einen weiteren blauen Fleck seiner Sammlung hinzufügen können, die sich stetig vergrößert hatte, seit er vor einem Jahr angefangen hatte, für seinen Doktorvater Chambers zu arbeiten.
„Du hast den Anzieh-Marathon verpasst. Sie hätte mich fast mit irgendwelchen High-Heels erschlagen, nachdem ich ihr nicht sagen konnte, ob mir jetzt das graue oder das grau-schwarze Kleid besser gefällt. Ich habe verdammt noch mal keinen Unterschied bemerkt.“, antwortete Sebastian, dem die einstündige Tortur nur zu gut in Erinnerung geblieben war, bei der er ihr zugesehen hatte, wie sie nach den passenden Klamotten gesucht hatte. Wenn sie sich wenigstens in seiner Gegenwart umgezogen hätte, aber nein, dazu waren sie ja schließlich noch nicht lange genug zusammen. Hallo? Er hatte selbst Eva schon nackter gesehen als seine eigene Freundin, da sie sich in der Uni bei ihren minimalistisch ausgeprägten Spinden ständig nebeneinander umgezogen hatten. Wahrscheinlich kannten sie gegenseitig bereits ihre gesamten Unterwäschekollektionen.
„Redet ihr über mich?“, mischte sich in diesem Moment Alexa ein, die sich bis dahin noch mit Eva unterhalten hatte, aber sofort Verdacht schöpfte, als die beiden Männer miteinander zu flüstern begannen. Eigentlich hatte sie ja Eva dazu bringen wollen, endlich zuzugeben, dass sie mit Chris etwas laufen hatte. Etwas, was sie bereits versuchte, seit die beiden sich kannten.
„Entschuldigung, darf ich mal zur Bar, bitte?“, wandte sich in diesem Moment eine äußerst angenehme, tiefe Stimme an Eva, die sie nach einem kurzen Blick zur Seite Ben Williams zuordnen konnte, der sich in seiner Ausbildung zum Facharzt für MKG-Chirurgie befand und mit dem sie fast tagtäglich im OP zu tun hatte, außerhalb davon jedoch noch kein Wort mit ihm gewechselt hatte. Ohne die OP-Klamotten schien er eigentlich recht attraktiv zu sein. Im OP konnte man ja schließlich kaum mehr als Augen und Ohren erkennen und im Moment war sie ohnehin noch mehr damit beschäftigt, ihren Blick auf den OP-Tisch zu werfen und nicht auf die Leute drum herum.
„Hm, eigentlich könnte ich ja jetzt Wegzoll verlangen, aber ich lasse Sie einfach mal so zur Bar.“, antwortete Eva mit einem kleinen Grinsen, das von ihrem Gegenüber sofort erwidert wurde.
Sie machte ein wenig Platz, um ihren Kollegen durchzulassen, bevor sie sich wieder der Unterhaltung in ihrer kleinen Runde widmete. Nach kurzer Zeit wurde sie davon jedoch bereits wieder abgelenkt, als eine warme Hand auf ihrer Schulter sie aufforderte, sich umzudrehen, wobei ihr augenblicklich ein wahnsinnig toll aussehender Cocktail vors Gesicht gehalten wurde, den sie im ersten Augenblick etwas verwirrt entgegennahm.
„Wegzoll. Zahle ich bei unserer Rettung des weiblichen Geschlechts im Chirurgen-Beruf doch gerne. Abgesehen davon würde ich damit gerne das Du einleiten.“, erklärte Ben mit einem erneuten Grinsen auf den Lippen, das ihn fast ein wenig lausbubenhaft wirken ließ, bevor er und Eva anstießen und auf das Du tranken.
Anschließend entschuldigte sich der Chirurg jedoch relativ schnell wieder, da er zuvor in eine Unterhaltung mit Chambers vertieft gewesen war und diese eigentlich noch fortsetzen wollte, sodass auch Eva wieder in das Gespräch mit ihren Freunden zurückkehrte.
„Na, machen wir uns neue Freunde?“, flüsterte Chris ihr sofort ins Ohr, nachdem sie sich umgedreht hatte. Er kannte Williams ja bereits eine Weile und verstand sich eigentlich recht gut mit ihm, was wohl auch daran lag, dass beide ähnlich engagiert waren, was ihren Beruf anging.
Alexa quittierte das private Geflüster der beiden mit einem Ellenbogenhieb gegen Sebastians Seite, der ihn darauf hinweisen sollte, dass dies nur zu deutlich Alexas Theorie über eine Beziehung der beiden bestätigte, doch statt Gedanken darüber rief sie lediglich ein „Au!“ bei ihrem Freund hervor, das Evas und Chris’ Aufmerksamkeit wieder auf die gemeinsame Runde lenkte.
„Ich habe übrigens die Neuigkeit schlechthin für euch.“, schaffte Alexa es aber sofort, die Aufmerksamkeit von ihrem seltsamen Verhalten abzulenken und sich dafür das ungeteilte Interesse ihrer Freunde zu sichern.
„Ihr werdet hier Gesellschaft bekommen. Chambers hat eine Art Sommer-Uni eingerichtet, in der besonders gute Studenten der verschiedensten Unis einen Platz bekommen können, um sich in den Semesterferien chirurgisch weiterzubilden. Und ihr dürft dreimal raten, es wird ’ne Auskultando-Praktikando-Vorlesung geben.“, erklärte sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, da sie nur zu genau mitbekommen hatte, wie sehr die drei diese Vorlesung in ihrer Studentenzeit gehasst hatten. Dieser Hass wurde nur noch übertroffen von den fertigen Zahnärzten in der chirurgischen Abteilung, die diese Vorlesung für die Studenten halten mussten und es sah ganz so aus, als könnte es ihre drei Freunde dabei treffen, was man auch deutlich an ihren Gesichtsausdrücken erkennen konnte.
„Ähm, ja... Warum mache ich das hier noch mal genau?“, fragte Eva nach einer kurzen Pause mit einem schiefen Blick zu Chris.
„Ja, echt ’ne scheiß Überraschung, Alexa. Studenten... Wer mag denn so was?“, lästerte Chris, was ihm nicht nur eine gezeigte Zunge von Alexa einbrachte, sondern auch einen im Spaß gezeigten Stinkefinger von Eva. Er war derlei Nettigkeiten von ihr gewohnt und sie wollte ihn damit daran erinnern, dass sie selbst auch vor nicht all zu langer Zeit noch Studentin gewesen war, als er bereits schadenfroh mit dem bestanden Staatsexamen vor ihrem Gesicht herumgewedelt hatte.
Deshalb sah er sie als Antwort auch nur kurz aus zusammengekniffenen Augen an, bevor sich die Unterhaltung wieder normalisierte und alle die Tatsache mit der Ferien-Uni erst einmal wieder ignorierten. Heute war feiern angesagt und das hatten die vier auch schon während ihrer gemeinsamen Zeit an der Uni gerne und ausgiebig getan, sodass es sie auch jetzt nicht verwunderte, dass sie gegen drei Uhr so langsam die letzten Gäste waren. Aber trotzdem waren sie noch nicht soweit, bereits nach Hause zu gehen, sondern genossen es, noch etwas unter sich sein zu können.
„Und du warst irgendwann so betrunken, dass du mit der Mühlheimer getanzt und rumgeflirtet hast und das bis 5 Uhr morgens und sie musste dann schon um 8 Uhr wieder eine Wurzelkanalbehandlung machen. Die war nie und nimmer nüchtern.“, rief Eva der kleinen Gruppe wieder eine Geschichte von damals in Erinnerung, die ab einem bestimmten Alkoholpegel wahrscheinlich bei jedem Treffen irgendwann wieder ausgekramt worden war. Aber diesmal schien es Alexa tatsächlich zu stören, dass Sebastian damals ab und an mit seiner Kursleiterin geflirtet hatte, obwohl sie ihn damals – auch Eva gegenüber – noch als absolut ungeeignet für einen Beziehungs-Kandidaten eingestuft hatte.
Eva erkannte diese besondere Laune ihrer Freundin allerdings sofort, weshalb sie die Erinnerungen auch nicht mehr weiter ausführte und stattdessen unter dem kleinen Tisch, an dem die vier saßen, kurz ihre Hand drückte. Was früher war, musste ihr jetzt einfach egal sein, schließlich war sie ja inzwischen mit Sebastian zusammen.
„Ja, ja, zieh du nur über mich her. Aber warte nur, wenn ich erst mal die ganzen Gerüchte über dich wieder ausgrabe, immerhin...“, begann Sebastian gewissermaßen als Rache für die Geschichte über ihn, bevor Alexa ihn allerdings unterbrach und ihm kurz durch die Haare fuhr.
„Das reicht jetzt für heute, lass uns nach Hause gehen, ich bin müde.“, forderte sie ihn auf, was Sebastian nur ergeben nicken ließ. Er gehörte normalerweise eigentlich zu denjenigen, die als Letzte von einer Party nach Hause gingen, aber wenn Alexa ihn um Begleitung gebeten hatte, da sie nicht allein im Dunkeln gehen wollte, hatte er ihr den Gefallen schon immer getan. So war es auch kein Wunder, dass er auch jetzt mit einem kleinen Schulterzucken zu Eva und Chris seiner Freundin folgte und mit ihr den Club verließ.
Eva hob ihr Cocktailglas noch einmal an, um damit kurz an Chris’ Bierglas anzustoßen, bevor sie den letzten Schluck austrank und das Glas dann schwungvoll wieder auf dem Tisch abstellte.
„Es stimmt schon, ein Freund macht sich vielleicht Gedanken über deine romantische Vergangenheit, aber ein echter Freund könnte dich damit erpressen.“, sinnierte sie gedankenverloren vor sich, was Chris dazu brachte, sie kurz in die Seite zu pieksen, was die junge Frau fast von ihrem Stuhl springen ließ.
„He, was soll das? Du weißt genau, dass ich das hasse, wie die Pest!“
„Ja, du siehst also, ich könnte dich nicht mit deiner romantischen Vergangenheit erpressen, um es so übertrieben auszudrücken wie du, sondern auch mit so einigen anderen Sachen. Und jetzt komm, die wollen hier auch noch mal zusperren.“, forderte er seine Freundin grinsend auf und verließ schließlich gemeinsam mit ihr die angenehme Wärme.
„Und, kommst du noch mit zu mir?“, fragte er sie schließlich draußen vor der Tür, die Jacke nun selbst etwas dichter an sich ziehend. Die Antwort erfolgte lediglich als leicht zitterndes Nicken, da Eva wieder einmal viel zu kalt war und sie ihre eigenen Oberarme fest umklammerte.
Mit einem grinsenden Kopfschütteln legte Chris erneut einen Arm um ihre Schultern und gemeinsam machten sie sich auf den Weg, ein Taxi zu finden, dass sie wieder auf die Ammerlander Insel bringen würde.
„Alter Eiszapfen...“, zog er Eva mit unterdrücktem Lachen auf, wofür er sich allerdings einen kleinen, aber gezielten Schlag mit der Faust in seine Seite einhandelte, bevor sie sich wieder an ihn kuschelte, um wenigstens nicht ganz einzufrieren.
Eine Weile lang gingen sie lediglich schweigend nebeneinander her, bevor der junge Chirurg doch wieder seine Stimme erhob.
„Du weißt ja, dass ich mich in so was eigentlich nicht einmische, aber... Wenn du drüber reden willst... ich meine, nicht, dass ich schwul wäre, oder dass es mich interessieren würde. Aber wenn du jemanden zum Reden brauchst, warum du Schluss gemacht hast... Ich werd dir zuhören – zumindest für ’ne Weile.“