AW: Buchclub Runde 6: "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" von Christiane F.
Ich weiß jetzt zwar nicht, wie viele von euch das Buch überhaupt schon haben, bzw. schon fertig sind, aber ich poste meine Meinung jetzt einfach mal, wer sie noch nicht lesen will, sollte also nicht weiterlesen
1. Wie hat dir das Buch gefallen?
Ich habe das Buch bereits vor Jahren mal gelesen, allerdings zu einem Zeitpunkt, wo Drogen für mich eher noch etwas ziemlich Unwirkliches waren und ich auch nicht wirklich viel Ahnung davon hatte, was ich mir unter dem "Babystrich" etc. vorstellen soll. D.h. das Buch hat mich zwar damals auch schon auf eine gewisse Weise berührt, aber ich konnte es nicht in dem Umfang "verstehen", wie es mir jetzt möglich war.
Diesmal war ich von Anfang an gleichzeitig fasziniert und schockiert. Fasziniert auf eine gewisse Weise von der Tragödie in Christianes jungem Leben, aber auch von der Einfachheit, wie man in der falschen Situation am falschen Ort in die Drogenszene reinrutschen kann. Schockiert hauptsächlich davon, mit welcher Selbstverständlichkeit Christiane sich nach jedem Entzug einfach wieder den nächsten Schuss gesetzt hat, mit welcher Klarheit irgendwann nur noch zwei Optionen möglich waren, der endgültige Entzug, oder der Goldene Schuss, und mit welcher Aussichtslosigkeit ihre Mutter und ihr Vater der ganzen Sache gegenüberstehen mussten, die zwar irgendwann immer gemerkt haben, dass sie wieder auf H ist, aber einfach nicht mehr wussten, was sie tun sollten.
2. Was hat dir besonders gefallen, was nicht? (Und warum?)
Naja, ich glaube, diese Frage kann man bei dem Buch nicht wirklich beantworten. Ich zumindest kann es nicht. Denn an sich ist das ganze Buch schrecklich, wenn man daran denkt, was Christiane und ihre Freunde durchmachen, aber auf der anderen Seite macht das ja das Buch aus und dadurch, dass es so gut rüberkommt, dass man permanent Gänsehaut haben könnte, ist die Geschichte ja auch wieder verdammt gut.
3. Welche Figur hat es dir besonders angetan, welche konntest du gar nicht ausstehen? Wieso?
Wenn man das in dem Fall so sagen kann, dann die Behörden und Beratungsstellen, die haben mir gar nicht gefallen. Denn ich hätte jedes Mal verzweifeln können, wenn Christianes Mutter alles für ihre Tochter tun wollte und nirgends Rat oder gar Hilfe bekommen hat. Die Tatsache, dass es eigentlich so gut wie keine Therapieplätze gab, ist auch nicht wirklich toll. Klar will man dann nur denen helfen, die wirklich noch eine Chance haben, aber, wie auch mal im Buch erwähnt wird, müssten die Kinder, die sich nicht mehr selbst helfen können, wirklich dazu gezwungen werden. Es sollte nicht sein dürfen, dass sich so junge Menschen prostituieren, den Körper kaputt fixen und eigentlich keine Aussicht mehr auf eine Zukunft haben, an dieser Stelle sollte man einfach eingreifen dürfen und müssen.
4. Allgemeine Bewertung des Buches auf einer Skala von 1-10 (10 ist das Beste)?
10. Für mich ist es einfach unglaublich erschütternd und emotional, auch, wenn die Ich-Erzählerin trotz allem etwas distanziert wirkt. Aber vielleicht macht auch gerade das den Gänsehaut-Faktor ein wenig aus.
5. Würdest du noch weitere Bücher des Autors/der Autorin lesen?
Tja, in dem Fall gibt es meines Wissens jetzt zwar keine, aber würde ich definitiv. Ich habe mich nämlich heute ein wenig über ihr weiteres Leben informiert und das lief definitiv nicht drogenfrei ab, wie es auch schon der Schluss des Buches angedeutet hat. Christiane F. ist wohl noch öfter mal rückfällig geworden, zuletzt vor gar nicht all zu langer Zeit, sodass ihr ihr damals 11jähriger Sohn erst mal weggenommen wurde. Irgendwie hofft man ja, dass sie es damals geschafft hätte - aber eine Sucht ist einfach was sehr gefährliches. Im Prinzip ist man ein Leben lang süchtig und darf sich dem nicht auch nur ein einziges Mal hingeben. (Off Topic: Mein Dad sagt auch immer, wenn er nur einmal wieder an 'ner Zigarette ziehen würde, dann würde er sofort wieder anfangen.)
6. Falls dir sonst noch was einfällt...
Ich hab ehrlich gesagt während und nach dem Lesen doch einige Male überlegt, ob es gereicht hätte, in einer Szene wie bei Christiane aufzuwachsen, um sich vielleicht doch auf Drogen einzulassen, oder ob dann doch auch noch die Erziehung und der Charakter soweit reinspielt, dass ich auch dann die Finger definitiv davon gelassen hätte.
Da ich in 'nem kleinen Kaff aufgewachsen bin und auch immer noch dort wohne - abgesehen von den Semestern immer - hatte ich generell nie viel Kontakt damit, aber durch die Erziehung meiner Eltern habe ich z.B. nicht einmal auch nur an einer Zigarette gezogen.
Ich überlege halt ein wenig, auf was es alles ankommt, dass man so in diese Drogenszene abrutscht, welche Faktoren da mitspielen müssen. Grad eben erst habe ich auch 'nen Artikel gelesen, dass gewisse Neigungen genetisch programmiert sind. Hat man ein bestimmtes Gen, wird man z.B. zweimal häufiger kriminell, als Leute ohne dieses Gen. Es ist dadurch zwar nichts vorbestimmt, aber die scheinbar spielen diese Gene doch eine bestimmte Rolle und sowas soll es natürlich auch für Suchtverhalten geben.
Für meinen Teil denke ich, dass wohl alles eine gewisse Rolle spielt, die genetische Programmierung, die Erziehung, die eigenen Erfahrung und auch die Situation. Würde mich auch interessieren, wie ihr darüber denkt.