Kennt ihr die Band?
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer spuckt die größten Töne im Land? Für Schweden lässt sich die Frage einfach beantworten. Es sind Mando Diao, fünf Rock’n’Roll-Rotzlöffel aus der hintersten schwedischen Provinz, die allen Ernstes behaupten, gleich mit ihrem Debütalbum die Welt erobern zu können. „Wir glauben ehrlich, dass unsere Platte besser ist als alles von den Who, den Kinks oder den Small Faces. Es ist sogar eine rundere Sache als viele Alben der Beatles und Stones.“ Da muss jeder mündige Musikliebhaber, ganz gleich über welchen Erfahrungsschatz er oder sie verfügt, erst einmal kräftig schlucken. Das erinnert nicht von ungefähr an Oasis, deren großkotzigen Anspruch auf world domination Mando Diao ebenfalls artikulieren.
Genug der Fiktion, wenden wir uns den Fakten zu. Die fünf jungen Burschen von Mando Diao, allesamt gerade mal die Lebensschwelle vom Teenager zum Twen überschritten, kommen aus Borlänge, einem gottverlassenen Kaff inmitten eines prosperierenden Landes. Außer zwei hässlichen Fabriken und viel Brachland hat dieser Ort nichts zu bieten. Es sei denn, man wäre erpicht auf die enorme Drogenkriminalität und die unverhältnismäßig hohe Mordrate. Ein gefährliches Pflaster, vor dem unsere jungen Helden schnell die Flucht in den Rock’n’Roll antraten. Bereits Mitte der Neunziger gab es erste musikalische Gehversuche auf billigstem Equipment, doch erst 1999 trennte sich die Spreu vom Weizen und die heutige Besetzung nahm Form und ihr missionarischer Eifer Gestalt an.
„Es wurde nun richtig ernst“, erinnert sich Gustaf Norén, der sich mit Björn Dixgård den Leadgesang und die Gitarrenarbeit teilt, die beiden komponieren gemeinsam auch alle Songs. „Wir haben von da an keinen Gedanken mehr an Schule verschwendet und uns die Mädchen aus dem Kopf geschlagen. Björn und ich haben uns in ein Ferienhaus zurückgezogen und sechs Monate lang nur Songs geschrieben. Wir haben unser Leben für die Band geopfert, weil wir wussten, dass wir ohne Mando Diao nichts wären.“ Voller Überschwang und strotzend vor Selbstbewusstsein stürzte sich die Band, kaum waren ihre Songs auf Vordermann gebracht, ins örtliche Clubleben. Tatsächlich dauerte es nicht lange, da verfiel ein Lokalreporter der stürmischen Band respektive ihrer unwiderstehlichen Mischung aus Anarchie und Selbstkontrolle, aus Garagenrock und Pop, die ihm ins Ohr geklungen haben müssen, als wären gerade die Beatles und die Sex Pistols kollidiert. Die beste Band ohne Vertrag, die er Zeit seines Lebens gesehen habe, meldete er in seiner Gazette. Sein Verdikt: Die werden größer als Oasis.
Als dann auch noch ein Demo von Mando Diao auf dem Tisch von Tommy Gärdh landete, Moderator einer jener Fernsehshows, für die Sensationen erste Bürgerpflicht sind, ging alles Schlag auf Schlag. Tommy lud die Jungens in seine Sendung nach Stockholm ein, übernahm gleich auch noch das Management und besorgte ihnen einen Premium-Deal bei der EMI. Noch bevor im September 2002 ihr Debütalbum „bring ’em in“ in Schweden erschien, ging es mit den Hellacopters und Kent auf landesweite Tour – und es kam wie es kommen musste: Mando Diao stahlen ihren erfahrenen Landsmännern allerorten die Show. Selbst für die durchaus wesensverwandten Hives haben Mando Diao nur ein Lächeln übrig: „The Hives sind doch im Vergleich zu uns nur fünf Mannequins. Niemand steckt so viel Herzblut in die Performance und lässt sich so gehen wie wir.“ Diesen Willen zum absoluten Wahnsinn hat das Quintett auch in die Albumaufnahmen hinein gepackt, die so ungeschliffen belassen wurden wie die Demos. Ein Rohdiamant, auf den die ganze Welt scharf sein sollte.
Zwölf Songs. Exakt 38 Minuten. Und doch ist „bring ’em in“ ein einziger Sturmlauf durch die schönsten Kapitel des Rock’n’Roll: Angefangen vom Teufelsgitarristen Chuck Berry über die Animals mit ihrem rasenden Blues-Shouter Eric Burdon, den jungen Tom Jones, Garagenklopper wie Creation, Fünf-Uhr-Tee-Ikonen wie Kinks und Mod-Götter wie die Who bis hin zu den Muskelspielen von Clash und Oasis. Wissen ist Macht - und Mando Diao haben ihr Wissen weidlich genutzt, haben alles richtig gemacht. Vom selbstredend bissigen Opener „Sheepdog“ bis zum finalen „Lauren’s Cathedral“, einem „Champagne Supernova“ ohne Pomp und Zuckerguss, hetzen Mando Diao durch hyperventilierende Stücke mit glasklaren Melodien und Hooks, die in jedem Sekundenbruchteil für eine neue Überraschung gut sind. Endlich mal wieder eine Band, die einen richtig schwindelig spielt.
Die unfassbare Spannung, die diese Jungspunde ausstrahlen, liegt auch an dem wechselnden Leadgesang zwischen Gustaf mit seinem rau gekörnten Timbre und dem nicht minder seine Stimmbänder ausreizenden Björn. Kein Wunder, dass dieses Gespann nicht selten mit Englands Wunderwaffe, den Libertines, verglichen wird. Keinen Deut weniger aufregend ist die präzise Gitarrenarbeit von Björn und Gustaf, die durch psychedelische Farbenmeere wabernde Orgel von Daniel und das Bollwerk aus Samuels Drums und Carl-Johans Bass. Fünf gewinnt! Das einzige Manko von Mando Diao ist, dass es nur schwer möglich ist, einzelne Songs als die Granaten des Albums herauszupicken.
Klar, „Sweet Ride“ gehört als kackfreche Replik auf „My Generation“ aufs Tape zur forschen Geschwindigkeitsüberschreitung. „The Band“ erinnert uns daran, was wir an den Dexy’s Midnight Runners hatten, „Motown Blood“ führt uns nahezu altklug noch einmal die Geburtsstunde des Rock’n’Roll aus dem Dunst des Blues vor, „To China With Love“ hängt pubertären Rachegelüsten nach und glänzt mit saftigen Psychedelic-Anleihen und phantastischem La-La-La-Chor-Finale - das bläst dich so weg, da hilft nur noch ein Ohnmachtsanfall (oder der Blick in den Plattenschrank, wo die großartigen Platten von Atomic Swing und Union Carbide Production herumstehen, zwei verkannten Ikonen schwedischer Rockmusik). Kein Wunder, dass findige DJs sich „bring ’em in“ längst irgendwo unter den Nagel gerissen haben und ihre Nadel oder den Laser auf Songs wie „Paralyzed“, „P.U.S.A.“ oder „Lady“ setzen. Letztgenannten Song hat sich mittlerweile auch eine Telekommunikationsfirma gekrallt, als wollten auch sie fragen: Hat’s endlich geklingelt?
Dass „bring ’em in“, dieses Monster von einem Album, erst jetzt hierzulande veröffentlicht wird, hat simple strategische Gründe. Nachdem Mando Diao im Herbst 2002 ihre schwedische Heimat erobert hatten, folgten sie erst einmal einer Einladung nach Japan, wo sie eine wahre Hysterie unter Teenagern auslösten, sodass sie nur zu gern ihren Aufenthalt dort um einige Zeit verlängerten. Japanische Fans haben der Band inzwischen völlig unaufgefordert Übersetzungen der Songtexte ins Schwedische zugesandt. Auch den USA haben Mando Diao Ende letzten Jahres ihre Aufwartung gemacht und dort eine Clubtournee absolviert. In diesem Frühjahr kommen Mando Diao zum ersten Mal auf Deutschlandtournee und so wird das Album, das bis dato freundlich seiner Veröffentlichung entgegen geschlummert hat, genau im richtigen Moment wie ein Schäferhund auf die Meute gehetzt. „Uns ist es vollkommen egal, was die Welt draußen von uns hält“, so Gustaf. „Wir verfolgen sowieso unser Ziel. Unsere Songs sind unsere Götter, nur ihnen dienen wir.“ Solche Leidenschaft ist aller Ehren wert. Höchste Zeit, sie endlich rein zu lassen!
Quelle
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer spuckt die größten Töne im Land? Für Schweden lässt sich die Frage einfach beantworten. Es sind Mando Diao, fünf Rock’n’Roll-Rotzlöffel aus der hintersten schwedischen Provinz, die allen Ernstes behaupten, gleich mit ihrem Debütalbum die Welt erobern zu können. „Wir glauben ehrlich, dass unsere Platte besser ist als alles von den Who, den Kinks oder den Small Faces. Es ist sogar eine rundere Sache als viele Alben der Beatles und Stones.“ Da muss jeder mündige Musikliebhaber, ganz gleich über welchen Erfahrungsschatz er oder sie verfügt, erst einmal kräftig schlucken. Das erinnert nicht von ungefähr an Oasis, deren großkotzigen Anspruch auf world domination Mando Diao ebenfalls artikulieren.
Genug der Fiktion, wenden wir uns den Fakten zu. Die fünf jungen Burschen von Mando Diao, allesamt gerade mal die Lebensschwelle vom Teenager zum Twen überschritten, kommen aus Borlänge, einem gottverlassenen Kaff inmitten eines prosperierenden Landes. Außer zwei hässlichen Fabriken und viel Brachland hat dieser Ort nichts zu bieten. Es sei denn, man wäre erpicht auf die enorme Drogenkriminalität und die unverhältnismäßig hohe Mordrate. Ein gefährliches Pflaster, vor dem unsere jungen Helden schnell die Flucht in den Rock’n’Roll antraten. Bereits Mitte der Neunziger gab es erste musikalische Gehversuche auf billigstem Equipment, doch erst 1999 trennte sich die Spreu vom Weizen und die heutige Besetzung nahm Form und ihr missionarischer Eifer Gestalt an.
„Es wurde nun richtig ernst“, erinnert sich Gustaf Norén, der sich mit Björn Dixgård den Leadgesang und die Gitarrenarbeit teilt, die beiden komponieren gemeinsam auch alle Songs. „Wir haben von da an keinen Gedanken mehr an Schule verschwendet und uns die Mädchen aus dem Kopf geschlagen. Björn und ich haben uns in ein Ferienhaus zurückgezogen und sechs Monate lang nur Songs geschrieben. Wir haben unser Leben für die Band geopfert, weil wir wussten, dass wir ohne Mando Diao nichts wären.“ Voller Überschwang und strotzend vor Selbstbewusstsein stürzte sich die Band, kaum waren ihre Songs auf Vordermann gebracht, ins örtliche Clubleben. Tatsächlich dauerte es nicht lange, da verfiel ein Lokalreporter der stürmischen Band respektive ihrer unwiderstehlichen Mischung aus Anarchie und Selbstkontrolle, aus Garagenrock und Pop, die ihm ins Ohr geklungen haben müssen, als wären gerade die Beatles und die Sex Pistols kollidiert. Die beste Band ohne Vertrag, die er Zeit seines Lebens gesehen habe, meldete er in seiner Gazette. Sein Verdikt: Die werden größer als Oasis.
Als dann auch noch ein Demo von Mando Diao auf dem Tisch von Tommy Gärdh landete, Moderator einer jener Fernsehshows, für die Sensationen erste Bürgerpflicht sind, ging alles Schlag auf Schlag. Tommy lud die Jungens in seine Sendung nach Stockholm ein, übernahm gleich auch noch das Management und besorgte ihnen einen Premium-Deal bei der EMI. Noch bevor im September 2002 ihr Debütalbum „bring ’em in“ in Schweden erschien, ging es mit den Hellacopters und Kent auf landesweite Tour – und es kam wie es kommen musste: Mando Diao stahlen ihren erfahrenen Landsmännern allerorten die Show. Selbst für die durchaus wesensverwandten Hives haben Mando Diao nur ein Lächeln übrig: „The Hives sind doch im Vergleich zu uns nur fünf Mannequins. Niemand steckt so viel Herzblut in die Performance und lässt sich so gehen wie wir.“ Diesen Willen zum absoluten Wahnsinn hat das Quintett auch in die Albumaufnahmen hinein gepackt, die so ungeschliffen belassen wurden wie die Demos. Ein Rohdiamant, auf den die ganze Welt scharf sein sollte.
Zwölf Songs. Exakt 38 Minuten. Und doch ist „bring ’em in“ ein einziger Sturmlauf durch die schönsten Kapitel des Rock’n’Roll: Angefangen vom Teufelsgitarristen Chuck Berry über die Animals mit ihrem rasenden Blues-Shouter Eric Burdon, den jungen Tom Jones, Garagenklopper wie Creation, Fünf-Uhr-Tee-Ikonen wie Kinks und Mod-Götter wie die Who bis hin zu den Muskelspielen von Clash und Oasis. Wissen ist Macht - und Mando Diao haben ihr Wissen weidlich genutzt, haben alles richtig gemacht. Vom selbstredend bissigen Opener „Sheepdog“ bis zum finalen „Lauren’s Cathedral“, einem „Champagne Supernova“ ohne Pomp und Zuckerguss, hetzen Mando Diao durch hyperventilierende Stücke mit glasklaren Melodien und Hooks, die in jedem Sekundenbruchteil für eine neue Überraschung gut sind. Endlich mal wieder eine Band, die einen richtig schwindelig spielt.
Die unfassbare Spannung, die diese Jungspunde ausstrahlen, liegt auch an dem wechselnden Leadgesang zwischen Gustaf mit seinem rau gekörnten Timbre und dem nicht minder seine Stimmbänder ausreizenden Björn. Kein Wunder, dass dieses Gespann nicht selten mit Englands Wunderwaffe, den Libertines, verglichen wird. Keinen Deut weniger aufregend ist die präzise Gitarrenarbeit von Björn und Gustaf, die durch psychedelische Farbenmeere wabernde Orgel von Daniel und das Bollwerk aus Samuels Drums und Carl-Johans Bass. Fünf gewinnt! Das einzige Manko von Mando Diao ist, dass es nur schwer möglich ist, einzelne Songs als die Granaten des Albums herauszupicken.
Klar, „Sweet Ride“ gehört als kackfreche Replik auf „My Generation“ aufs Tape zur forschen Geschwindigkeitsüberschreitung. „The Band“ erinnert uns daran, was wir an den Dexy’s Midnight Runners hatten, „Motown Blood“ führt uns nahezu altklug noch einmal die Geburtsstunde des Rock’n’Roll aus dem Dunst des Blues vor, „To China With Love“ hängt pubertären Rachegelüsten nach und glänzt mit saftigen Psychedelic-Anleihen und phantastischem La-La-La-Chor-Finale - das bläst dich so weg, da hilft nur noch ein Ohnmachtsanfall (oder der Blick in den Plattenschrank, wo die großartigen Platten von Atomic Swing und Union Carbide Production herumstehen, zwei verkannten Ikonen schwedischer Rockmusik). Kein Wunder, dass findige DJs sich „bring ’em in“ längst irgendwo unter den Nagel gerissen haben und ihre Nadel oder den Laser auf Songs wie „Paralyzed“, „P.U.S.A.“ oder „Lady“ setzen. Letztgenannten Song hat sich mittlerweile auch eine Telekommunikationsfirma gekrallt, als wollten auch sie fragen: Hat’s endlich geklingelt?
Dass „bring ’em in“, dieses Monster von einem Album, erst jetzt hierzulande veröffentlicht wird, hat simple strategische Gründe. Nachdem Mando Diao im Herbst 2002 ihre schwedische Heimat erobert hatten, folgten sie erst einmal einer Einladung nach Japan, wo sie eine wahre Hysterie unter Teenagern auslösten, sodass sie nur zu gern ihren Aufenthalt dort um einige Zeit verlängerten. Japanische Fans haben der Band inzwischen völlig unaufgefordert Übersetzungen der Songtexte ins Schwedische zugesandt. Auch den USA haben Mando Diao Ende letzten Jahres ihre Aufwartung gemacht und dort eine Clubtournee absolviert. In diesem Frühjahr kommen Mando Diao zum ersten Mal auf Deutschlandtournee und so wird das Album, das bis dato freundlich seiner Veröffentlichung entgegen geschlummert hat, genau im richtigen Moment wie ein Schäferhund auf die Meute gehetzt. „Uns ist es vollkommen egal, was die Welt draußen von uns hält“, so Gustaf. „Wir verfolgen sowieso unser Ziel. Unsere Songs sind unsere Götter, nur ihnen dienen wir.“ Solche Leidenschaft ist aller Ehren wert. Höchste Zeit, sie endlich rein zu lassen!
Quelle