AW: [Serien-Projekt] Replay
[..und weiter gehts mit Kapitel 2 und 3. Ich hoffe es ist nicht zu extrem oder zu abgedreht für euch und ihr wollt danach immer noch weiterlesen ^^]
Mit einem Schrecken riss Julian die Augen auf, was er allerdings kurz darauf gleich bereute. Stöhnend schloss er die Augen wieder und legte seine Hand vorsichtig auf seine Stirn. Sein Herz hämmerte in seiner Brust und er nahm den dünnen Schweißfilm auf seiner Haut wahr. Was er am stärksten realisierte, war das katastrophale Hämmern in seinem Kopf, das sich vom Hinterkopf bis nach vorne in die rechte Schläfe zog und scheinbar sehr anfällig auf Sonnenlicht war, denn kaum hatte Julian seine Augen einen Spalt geöffnet, schien es, als wäre etwas in seinem Kopf explodiert. Blind und sehr vorsichtig tastete er mit seiner Hand am Nachtkästchen herum, bis er den Wecker gefunden hatte, der ein grausames Schrillen von sich gab und damit die Schmerzen in Julians Kopf vervielfachte.
Eine kleine Handbewegung später herrschte seelige Stille im Raum und Julian konnte endlich aufatmen. Erneut wagte er es die Augen zu öffnen und tatsächlich wurde er dieses Mal nicht von einem Feuerwerk im Kopf überrascht.
Das zweite, das ihm durch den Kopf schoss, war sein Traum. Er hatte in seinem Leben ja schon viele Alpträume gehabt, aber von einem Unbekannten in den Kopf geschossen zu kriegen, war bisher noch nicht dabei gewesen. Und dabei hatte es sich
so real angefühlt… der ganze Abend, die Party, die Angst, die Gerüche und das entfernte Dröhnen der Musik; hatte er tatsächlich den ganzen Abend nur geträumt? Auch wenn seine Kopfschmerzen gerade eine neue Maximalkapazität unter Beweis stellten, fühlte es sich nicht an, als hätte ihm jemand in den Kopf geschossen.
Leicht schüttelte er den Kopf, während er sich selbst zu Recht wies.
So ein Unsinn, es war ein Traum, sonst nichts!
Das Verlangen nach ein, zwei... drei Aspirin übermannte seine Erschöpfung, weshalb sich Julian mit einem schweren Stöhnen aus dem Bett hiefte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nicht allein im Bett lag; er spürte einen warmen Körper neben sich, der sich nach seinem Aufstehen sofort seinen Kopfpolster krallte.
Wie betrunken war ich gestern eigentlich?? Zum Wiederholten Male stellte sich Julian diese Frage, als er erkannte wer neben ihm im Bett lag. Hatten Lisa und er einen Streit gehabt? Es war die einzige Möglichkeit, die erklären könnte, weshalb nicht seine Freundin, sondern seine Ex-Frau gerade mit seinem Polster kuschelte. Sicher, ja, er empfand noch viel für Sarah, aber er musste schon sehr viel Alkohol intus gehabt haben, um nach so langer Zeit, nach so viel Erlebtem, nochmal mit ihr zu schlafen. Und wie sollte er das Lisa erklären... vorausgesetzt sie wusst es noch nicht und war deshalb an diesem Morgen nicht bei ihm. Und was wird Alex davon halten. Julian wusste zwar, dass Sarah gestern allein zur Party erschienen war und er hatte auch schon seit längerem die Vermutung, dass Sarah und Alex ein paar Probleme in der Beziehung hatten, aber eins zwar sicher: Untreue würde er ihr nie verzeihen. Julian war sich nicht sicher, ob er der Grund sein wolle, weswegen die Beziehung zwischen Sarah und Alex endgültig in die Brüche gegangen war.
"Aspirin!" Mit dem Vorsatz sich endlich das ersehnte Schmerzmittel zu holen, trottete Julian ins Badezimmer, wo über dem Waschbecken das Ziel der Reise an der Wand hängte: der Badezimmerschrank, in dem sich die Aspirindose befand. Schnell spülte er zwei Tabletten mit kaltem Wasser runter und obwohl er wusste, dass es einige Zeit dauern würde, bis die Drogen ihre Wirkung zeigen würden, fühlte er sich sofort um einiges besser. Seufzend schloss Julian den Schrank, um sich in der verspiegelten Vorderseite selbst zu betrachten. Stirnrunzelnd studierte er sein Spiegelbild, bis er schließlich realisierte was ihn an dem Anblick störte: für einen 40-Jährigen sah er unglaublich jung aus. Langsam fuhr er sich mit den Händen übers Gesicht, zog Falten auseinander und schob Haut zusammen, um zu sehen, ob er sich das einbildete, oder ob er tatsächlich aussah, als wäre er über Nacht um Jahre jünger geworden. Sein Finger strich über seine rechte Schläfe und mit Entsetzen fiel ihm auf, dass ihm eine Narbe fehlte. Er wusste genau, dass sie da sein sollte, er konnte sich noch genau an den Militäreinsatz erinnern, in dem er die Narbe bekommen hatte... aber da war nichts. Die Haut war glatt und frisch und zeigte nicht einmal einen kleinen Kratzer. Panisch zog sich Julian sein T-Shirt über den Kopf und dreht sich mit dem Rücken zum Spiegel.
"Fuck, was ist hier los??" Auch die Narbe am Rücken war verschwunden. Selbst, wenn die Narbe an der Stirn einfach nur schnell verheilt war, so wusste Julian ganz genau, dass er auf der linken Seite am unteren Rücken eine kleine, kreisrunde Narbe haben sollte. Er konnte sich noch an den Schmerz erinnern, den er gefühlt hatte, als ihn die Kugel da getroffen hatte, und an Marc, der ihn unter den Schultern gepackt und in Deckung gezogen hatte. Und er konnte sich auch an den großen Muskelprotz erinnern, der ihm ein Jahr danach im Tattoo-Parlor das Datum der Verletzung über die Narbe gestochen hatte; das Datum, das jetzt auch nicht mehr zu sehen war.
Panik wallte durch Julians Körper, als er versuchte das eben Erfahrene zu verdauen. Er wusste, dass es eine logische Erklärung dafür gab; es musste eine geben! So vertieft war er in seine Gedanken, dass die zwei Arme, die sich von hinten um seine Hüften schlangen, fast einen Herzstillstand verursachten. "Guten Morgen, Baby... ist alles okay, du siehst irgendwie besorgt aus." Sarahs Stimme war schläfrig und ihr Blick zeigte, dass sie an der derzeitigen Situation nichts Außergewöhnliches fand.
"Sarah, was geht hier vor, was ist hier los?" Julian streifte sein Oberteil wieder über den Kopf, bevor er Sarahs Arme von seinen Hüften hob und sich einen Meter von ihr distanzierte.
Ist das hier alles nur ein blöder Streich? Warum tut sie so unschuldig, das ist doch nicht normal! "Was soll denn los sein, Baby? Geht’s dir gut?"
"Geht’s mir gut?? Geht’s mir.. NEIN, mir geht’s nicht gut.. was zum Teufel wird hier gespielt?? Was machst du hier, Sarah?" Julians Angst ließ seine Stimme immer lauter werden, bis er die letzten Worte schon fast schrie. Überrascht und verletzt machte Sarah einen Schritt zurück. Das alles schien nicht richtig, irgendwas stimmte nicht. Vielleicht hatte er einen Alptraum, vielleicht träumte er noch immer? Sarah wollte gerade vorsichtig ihre Stimme erheben, als im Nebenraum das Läuten eines Telefons ertönte. Für einige Momente sagte keiner der beiden etwas, in der Hoffnung, dass der andere jeden Augenblick anfing zu lachen und gestand, dass das alles nur ein Scherz war.
Doch nichts geschah und als nach mehrfachen Klingeln das Telefon noch immer nicht verstummt war, verließ Julian wortlos das Badezimmer auf der Suche nach dem Verursacher des störenden Geräusches.
Zu seiner Überraschung war es nicht sein Handy, das sich lautstark bemerkbar machte, sondern ein Festnetz-Telefon, das neben einer verdächtig altmodischen Kommode an der Wand hing. Zögernd griff Julian nach dem Hörer und legte ihn an sein Ohr.
"J? Bist du das?" Wenn überhaupt möglich, wuchs Julians Verwirrung noch mehr an. Er kannte die Stimme am anderen Ende der Leitung, aber er war sich ziemlich sicher, dass er seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten nicht mehr mit Justin gesprochen hatte. Wieso sollte er ihn jetzt plötzlich anrufen und warum nannte er ihn J? So war er seit dem College nicht mehr genannt worden.
"Hör zu, J, du musst dich schleunigst hier her bewegen! Der Coach ist echt schlecht drauf heute und wenn du zu Trainingsbeginn nicht am Feld bist, wird er dich heute Abend mit Sicherheit nicht spielen lassen."
"Justin??" Als hätte sein alter College-Kumpel kein Wort gesprochen, versuchte Julian nach wie vor zu erkennen, ob ihn wirklich gerade Justin angerufen hatte... auf seinem Festnetz – und seit wann hatte er überhaupt ein Festnetz-Telefon? Langsam aber doch hatte sein Gehirn auch die Worte verarbeitet, die Justin gerade gesprochen hatte und er fragte sich innerlich von was für einem Spiel Justin sprach, während sein Blick durch den Raum glitt, in dem er stand, und der seiner ersten eigenen Wohnung verdammt ähnlich sah.
"Julian? Was ist los mit dir, du machst mir Angst!" Sarahs ängstliche Stimme riss ihn aus den Gedanken. Sein Blick wanderte zur Badezimmertür, in der Sarah stand und aussah, als hätte jemand ihren Welpen entführt. An seinem Ohr hörte er Justins Stimme, doch die Worte wollten einfach keinen Sinn ergeben. Mit einem Mal legte Julian den Hörer auf das Telefon, machte kehrt und hatte gerade noch genug Sinn, um sich seine Jacke zu schnappen, die neben der Wohnugnstür hing, bevor er ohne etwas zu sagen aus der Wohnung rannte. Das hier wurde ihm eindeutig zu viel!
- to be continued -