Kapitel 49
Als Cole aufwachte, drehte sich alles um ihn herum. Er hatte die Augen geöffnet, und versuchte das, was er sah, einzuordnen: Weiße Wände. Eine Infusion, die in seinen Arm hineinlief. Ein Bett, in dem er lag – in einem undefinierbaren weißen Kittel. Ein Blumenbild an der Wand. Krankenhaus. Ganz offensichtlich. Nur: Was tat er hier? Wieso lag er hier in diesem Bett in diesem – Cole verzog das Gesicht – Gewand und wieso – da verzog er gleich noch mal das Gesicht – fühlte sich sein Kopf an, als wolle er zerspringen, sobald Cole ihn nur ein Stückchen hob? Frustriert ließ er seinen Kopf wieder aufs Kissen fallen. Was war hier los? Er versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, aber es gelang ihm nicht. Ihm fiel nichts ein, was darauf hindeutete, wie er sich in diese Situation gebracht hatte. Schließlich wusste er sich nicht mehr anders zu helfen und klingelte. Kurz drauf ging die Tür auf und eine Schwester kam rein.
„Ah, Sie sind aufgewacht, Mr Turner, Gott-sei-Dank, sag ich Ihnen, das war haarscharf.“ Cole runzelte die Stirn. „Wie, haarscharf? Was, wovon reden Sie?“ „Na, Ihr Kopf. Das sah übel aus, das kann ich Ihnen sagen. Einige haben gesagt, Sie schaffen es gar nicht, wir hatten schon Wetten... ähm, nicht so wichtig. Wie fühlen Sie sich?“ Cole schwirrte der Kopf. „Wo in Gottes Namen bin ich?“ „San Francisco Memorial Hospital. Und ich bin Schwester Isabel.“ „Wunderbar, und was… was tu ich hier?“ Schwester Isabel schaute Cole an und legte den Kopf schräg: „Das wissen Sie nicht mehr, Mr Turner?“ „Nein!“ Cole musste sich beherrschen. „Sie hatten einen Unfall, Sie sind gegen einen Baum gefahren, einfach so. Wir wüssten alle gerne, wie das passiert ist. Der entgegen kommende Lastwagenfahrer konnte es uns auch nicht sagen, er meinte, Sie wären ihm einfach auf der Straße entgegengekommen und beinahe in ihn rein gefahren.“
Cole schwirrte der Kopf. „Und, ist ihm was passiert?“ fragte er vorsichtig. Die Schwester schüttelte den Kopf. „Nee, keine Angst.“ Cole atmete aus. „Und woher wissen Sie meinen Namen?“ „Na, aus Ihrer Brieftasche, die wir in Ihrer Jackentasche gefunden haben. Zusammen mit ihrem Handy.“ Coles Kopf schnellte herum. Handy… der Anruf… Paige… Tara… der Lastwagen… Im Bruchteil einer Sekunde war alles wieder da. Cole stöhnte, als er an den Aufprall dachte. Das tat ihm gleich noch einmal weh. „Und, wie schlimm schauts jetzt aus mit mir?“ „Na ja, Sie haben eine Gehirnerschütterung, Mr Turner. Dazu etliche Prellungen sowie Schürfwunden und kleinere Verletzungen. So ein bis zwei Wochen werden wir Sie wohl hier behalten müssen.“ Cole schnappte nach Luft. „Ein bis zwei Wochen?“ Schwester Isabel nickte. „Jetzt seien Sie mal froh!“ meinte sie, „es hätte nicht viel gefehlt, und wir hätten Sie zum lieben Gott persönlich entlassen.“ Cole nickte verstört. „Okay.“ meinte er, „dann schlaf ich jetzt mal.“ „Ja, ruhen Sie sich aus, und wenn Sie mal wieder was brauchen, einfach klingeln.“ Die Schwester verließ das Zimmer. Cole schloss die Augen. Äußerst charmant, die Dame, wirklich.
Phoebe stand vor Michelles Bett und schaute ihrer kleinen Tochter beim Schlafen zu. Piper war inzwischen nach Hause gegangen und Phoebe genoss es, mit Michelle allein zu sein – von den dreißig Babys, die um sie herum lagen und ebenfalls schliefen, abgesehen. Langsam ging Phoebe die Säuglingsstation auf und ab. Alle Kinder, die hier lagen, waren ohne Ausnahme süß und wohlgeraten. Phoebe konnte sich gar nicht satt sehen an den Kleinen. Sie hätte am liebsten gleich wieder ein Kind gemacht. Kinder, Kinder – Phoebe war, wie ihre Schwestern, total im Babyfieber. „Nur leider wird Michelle wohl mein einziges Kind bleiben!“ murmelte sie traurig vor sich hin. „Jetzt ist es Abend, und Cole hat sich nicht gemeldet. Er wundert sie wahrscheinlich nicht mal, wo ich bin. Mit uns beiden hat es wohl keinen Sinn mehr. Obwohl er doch meine große Liebe ist. Ich begreife nicht, wie das passieren konnte. Ich hätte doch alles für ihn getan… alles. Und er? Was macht er? Er zerstört unsere Beziehung. Wahrscheinlich ist ihm gar nicht bewusst, dass wir so etwas wie eine Beziehung führen. Tun wir ja auch nicht mehr. Wir müssen dringend mal ein klärendes Gespräch führen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich mit Kind allein lässt.“
Plötzlich hörte Phoebe Schritte. Sie unterbrach ihr Selbstgespräch und drehte sich um: Dr.. Tyler kam auf sie zu. Phoebe lief ihm ein Stück entgegen und lächelte. „Dr. Tyler, ich wollte noch…“ Der Arzt legte einen Finger auf den Mund. „Pssst, Mrs Halliwell, lassen Sie uns draußen reden.“ Phoebe wurde rot. „Selbstverständlich.“ Sie verließen den Schlafraum und setzten sich im Flur auf eine weiße Plastikbank. Phoebe strahlte den Arzt an: „Ich muss mich noch bei Ihnen bedanken, dafür, dass Sie während der Geburt für mich da waren. Das war echt toll, ich werde Ihnen das nie vergessen.“ Dr. Tyler lächelte: „Das ist mein Job. Ich freue mich natürlich, wenn Sie zufrieden sind. Und Michelle ist ja auch ein ganz besonders süßes Baby.“ Phoebe nickte eifrig. „Ja, sie ist ein Schatz. Haben Sie diese kleinen Finger gesehen? Und sie lacht die ganze Zeit.“ Dr. Tyler grinste: „Ja, ich weiß. Was halten Sie davon, wenn Sie Michelle mitsamt ihren kleinen Fingern und ihrem Lachen gleich morgen mit nach Hause nehmen?“ Phoebe riss die Augen auf: „Das ginge?“ Dr. Tyler nickte. „Ja, sicher. Mit Ihnen ist alles in Ordnung, und Michelle fehlt auch nichts.“ Phoebe nickte begeistert. „Oh, das ist super!“ „Und der Vater der Kleinen wartet doch sicher auch schon gespannt auf seine Tochter.“ Mit einem Mal war Phoebes gute Laune wie weggeblasen. Sie stand auf. „Dann gehen wir morgen, also!“ meinte sie trocken, „gute Nacht, Dr. Tyler.“ Langsam ging sie über den Gang in ihr Zimmer.