Anduria
(Anduria ist nur ein Arbeitstitel, der noch geändert werden kann)
(Anduria ist nur ein Arbeitstitel, der noch geändert werden kann)
Der Regen trommelte leise gegen die Fensterscheiben. Doch das Geräusch, welches sonst immer eine so beruhigende Wirkung auf ihn gehabt hatte, trieb ihn diesmal beinahe in den Wahnsinn. Die Zeit lief ihm davon. Er wusste, dass sie wiederkommen würden und diesmal würden sie wohl auch finden, wonach sie schon seit so langem gesucht hatten. Er musste es unbedingt vor ihnen finden und es retten. Sie würden schon diese Nacht wieder kommen, das ganze Haus auf den Kopf stellen und versuchen das Amulett in ihre Gewalt zu bringen. Sie waren schon seit so langer Zeit hinter ihm her und er hatte noch nicht einmal eine Ahnung, weshalb sie das Schmuckstück eigentlich wollten. Er wusste nur, dass sein Vater es diesen Männern niemals übergeben hätte. Für kein Geld der Welt. Doch die Männer wollten dies einfach nicht einsehen. In letzter Zeit waren sie immer häufiger gekommen, hatten alles versucht, das Amulett an sich zu bringen, doch hatten sie es bisher noch nicht geschafft.
Doch hatten sie jetzt den letzten Schritt gewagt. Sein Vater lag schwer verletzt im Krankenhaus. Sie hatten ihm aufgelauert und versucht ihn mit Gewalt dazu zu bringen, ihnen zu verraten, wo er es aufbewahrte. Doch sein Vater hatte geschwiegen. Das Resultat waren zahlreiche Prellungen, zwei Knochenbrüche und eine schwere Hirnerschütterung. Er hatte niemandem gesagt, was wirklich passiert war, noch nicht einmal ihm, seinem Sohn. Und trotzdem war er sich sicher, dass es um das Amulett gegangen war. Er musste es in Sicherheit bringen…
Wie sehr wünschte er sich, er hätte eine Ahnung, was es mit diesem Schmuckstück auf sich hatte. Vielleicht war es für seinen Vater nur eine Erinnerung an seine Mutter, doch wieso wollten die Fremden es dann um jeden Preis? Seit Stunden schon zerbrach er sich darüber den Kopf. Seit er damit begonnen hatte, jeden Winkel des Hauses danach abzusuchen. Und jetzt lief ihm langsam aber sicher die Zeit davon. Er war überzeugt davon, dass sie in dieser Nacht kommen würden. Sie würden kommen und das Amulett finden, wenn er ihnen nicht zuvor kam. Doch wo konnte es nur sein? Wo würde sein Vater das Schmuckstück wohl verstecken?
Es war schon spät, als Mark sich seufzend auf das Bett seines Vaters fallen liess. Angst machte sich in ihm breit und Verzweiflung. Er würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen... Wenn sie es erst einmal in ihren Händen halten würden, wäre alles vorbei? Alles? Was würde dann vorbei sein? Wieso war das Amulett so wichtig? Wieder diese Fragen, auf die er einfach keine Antwort fand. Die Zeit verging schnell, viel zu schnell für Marks Geschmack, denn während er auf dem Bett seines Vaters lag und nach Lösungen für sein Problem suchte, verging die Zeit wie im Fluge. Mitternacht war inzwischen schon vorbei und es konnte nicht mehr lange dauern. Hilfe suchend blickte er auf das Foto seiner Mutter, welches auf dem Nachtschränkchen stand und auf einmal, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Wie konnte er nur so blöd sein und das Offensichtliche übersehen. Wie hatte er nur vergessen können, was einst, als er ein kleiner Junge gewesen war, so wichtig für ihn gewesen war. Schnell griff er nach dem dicken Bilderrahmen, öffnete ihn und blickte, nachdem er die dünne Rückwand entfernt hatte, in den Zwischenraum zwischen dem Foto und der eben entfernten Rückwand. Ja, genau hier lag es. Er hatte es tatsächlich gefunden, und das keine Sekunde zu früh. Schnell nahm er das silberne Schmuckstück an sich und steckte es in seine Tasche…
Im selben Moment drang ein Geräusch aus dem unteren Stockwerk zu ihm nach oben ins Schlafzimmer. Leise stand er auf und lief vorsichtig zur Treppe, um einen Blick nach unten zu werfen. Sie mussten mindestens zu zweit sein, doch schloss er keinesfalls aus, dass es nicht auch mehr waren. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, so laut, dass er sicher war, die Männer die unten gerade das Wohnzimmer auf den Kopf stellten, würden ihn auf alle Fälle hören. Langsam wich er zurück und überlegte fieberhaft, was er jetzt tun sollte. Er sass in der Falle. Sie würden ihn hier oben auf alle Fälle finden und mit ihm auch das Amulett. Er schlich zurück ins Schlafzimmer seines Dads, als er auch schon die schweren Schritte hörte, welche die Treppe rauf kamen. Er musste hier raus, doch wie? In seiner Panik fiel sein Blick auf das nasse Fenster. Nein, das ist Wahnsinn, versuchte sich Mark einzureden, doch wusste, er, dass es der einzige Ausweg war. Schnell war er beim Fenster, öffnete es und spürte nun den Regen auf seinen Armen. Noch einen Moment zögerte er, doch dann hörte er wieder die Schritte. Sie hatten inzwischen die obersten Stufen erreicht und kamen genau auf dieses Zimmer zu. Gleich würde er hier sein und ihn entdecken…
Ohne weiter zu zögern, kletterte Mark auf das Fensterbrett, welches vom Regen schon ganz rutschig war. Er hielt sich am Fensterrahmen fest, drehte sich um, sodass er wieder ins Zimmer blickte und begann dann vorsichtig nach unten zu klettern. Doch das war alles andere als einfach, denn die Hausmauer war rutschig und das Rosengitter, welches ihm als einzigen Halt diente, war schon seit langem morsch. Es würde das Gewicht eines fünfzehn jährigen Jungens nur mit viel Glück halten. Glück, welches Mark definitiv nicht hatte. Seine Hände hatten kaum den Fensterrahmen losgelassen, um am Gitter nach unten zu klettern, als dieses auch schon nachgab. Es war einfach schon zu alt, als dass es sein ganzes Gewicht hätte tragen können. Praktisch lautlos gab es unter seinem Körper nach und liess ihn auf den Boden prallen. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Fuss und für einen Moment glaubte er Sternchen zu sehen. Übelkeit stieg in ihm hoch und am liebsten wäre er jetzt einfach hier, auf dem kühlen, nassen Rasen liegen geblieben, bis der Schmerz abgeklungen war. Doch in diesem Augenblick, sah er auch schon den Kopf des Mannes, welcher nach oben gekommen war um dort zu suchen, aus dem Fenster blicken und zu ihm nach unten starren…
So schnell er konnte, raffte sich Mark auf und humpelte davon. Die Angst verlieh ihm die nötige Kraft, die er brauchte, um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Die Männer würden nicht lange brauchen, bis sie ebenfalls im Garten waren, um ihn aufzuhalten. Er musste hier weg, ein Versteck finden. Inzwischen hatte das Gartentor erreicht, doch hörte er auch schon wie die Haustür aufflog. Ein Blick über seine Schulter bestätigte ihm, dass zwei Männer hinter ihm her waren. Ohne nochmals zurück zu schauen, oder seinen Blick nach rechts oder links zu wenden, stürmte er über den Bürgerstein auf die Strasse hinaus.
Bremsen quietschten, eine Hupe kreischte auf und ein grelles Licht blendete ihn, als er erschrocken stehen blieb. Für einen Moment sah er in das schreckverzerrte Gesicht des Fahrers hinter der Windschutzscheibe, bevor ihn die Kühlerhaube des Wagens an der Hüfte traf und ihn zu Boden schleuderte.
„Mein Gott! Mein Gott, oh mein Gott…“ – „Du bist einfach vor meinen Wagen gelaufen“ – „Bleib einfach ruhig liegen, Junge. Beweg dich nicht! Der Krankenwagen ist schon unterwegs.“ Die Stimme des Mannes drang wie durch dichten Nebel an sein Ohr. Er hörte die Anklage in seiner Stimme, der Schrecken und die Besorgnis, doch den Sinn der Worte verstand er nicht. Und doch sah er alles, was um ihn herum geschah, mit einer unvorstellbaren Deutlichkeit. Er sah, wie die beiden Männer, welche ihn verfolgt hatten, sich in die Schatten zurückzogen und verschwanden. Sah den Fahrer des Wagens, der ihn angefahren hatte und eine Frau, die mit dem Fahrer sprach. „Er ist mir einfach in den Wagen hineingelaufen“ – „Junge, was ist nur in dich gefahren?“ – „Lassen sie ihn doch in Ruhe. Sie sehen doch, dass er schwer verletzt ist.“ Verständnislos liess Mark seinen Blick zwischen den beiden hin und her gleiten. In der Ferne hörte er die heulenden Sirenen des Krankenwagens und dann verschwamm auf einmal alles. Er nahm nur noch undeutlich wahr, wie der Notfallarzt ihn noch an der Unfallstelle untersuchte, und als sie ihn schliesslich auf die Trage hoben und in den Krankenwagen schoben, verlor er sein Bewusstsein ganz.