Vielen Dank für die Feedbacks und vielen Dank, dass ihr immer brav auf einen neuen Teil wartet, trotz meines langen Zögerns, dieser Teil gefällt mir an sich nicht so unbedingt gut, aber lest selbst
Alicias Atem kroch ruhig und gleichmäßig unter der Steppdecke hervor, als sie nach langem Grübeln über die heiligen Fundstücke Schlaf gefunden hatte. Das Pergament ruhte neben ihr noch verschlossen auf dem Kopfkissen, als wartete es, ebenfalls schlafend, auf seine Öffnung. Vielleicht hatte ihr der Mut, vielleicht auch die Überzeugung gefehlt es zu öffnen, hatte sie es doch auf den nächsten Tag verschoben. So ruhig, wie sie für den Betrachter in einen Prinzessinenschlaf versunken schien, schlief sie jedoch nicht. Im Traum suchten sie Erinnerungen heim, die sie längst vergessen hatte, Erinnerungen an den vorletzten Silbermond, der Tag ihrer Ernennung...
Die Halle war prachtvoll geschmückt und warf die gebündelten Sonnenstrahlen auf die Menge zurück. Alle Bewohner des kleinen Dorfes waren geladen, wenn einmal im Jahr ein neuer Silbervogel gekrönt wurde. Am Ende des Ganges stand sie, schüchtern unter dem Vorhang ihrer langen Haare im Kreise ihrer Familie nahm sie Abschied von ihrem bisherigen Leben, welches schön, doch ohne die Erfüllung war, die es noch bekommen sollte. Und schon kamen sie, einer schöner als der andere in ihren strahlenden Gewändern, ihrer Anmut und Grazie. Der erste selbst legte ihr das silberne Gewand an und taufte die kleine Aly auf den Namen Alicia, der sich perfekt an die Synonymwandlungen von Grace zu Grazia und Patty zu Patricia anschloss...er selbst stellte sich als Milan vor und schenkte ihr eines seiner seltenen und doch geliebten Lächeln. Weinend vergrub sie sich im Arm ihrer Mutter und wurde dann von ihnen an die Hand genommen und in das neue Leben geführt...WEITER, nur WEITER!
Ihr Traum verlor an Gestalt und brach sich an dieser schneidenden Aussage, sie passte nicht hier her, doch wenn sie nicht träumte, wie konnte dann ein unmöglich reales Wesen aus reinster Schwärze vor ihr stehen und die Nacht in ein noch finsteres Licht tauchen. Schemenhaft nahmen ihre schlaftrunkenen Augen wahr wie die Gestalt näher trat und immer noch redete. “Wie geht es weiter, sag es mir, was interessiert mich, was du damals deiner Mutter als Abschiedsfloskel weintest? Du weißt was ich will, sag es mir!”, herrschte er sie an und ein eiskalter Schauer beschlich sie, der ihre Sinne zusammenzog und sie zu vollem Bewusstsein zwang. “Milan!”, rief sie mit erstickter Stimme und obwohl sie laut sprach, kam es ihr wie ein Flüstern vor, sie betastete ihren Hals, doch es war alles in Ordnung. “Kleines, denkst du ich würde an den Ort meines Verderbens kommen ohne gewisse Vorkehrungen zu treffen? Ich werde dir nicht wehtun, viele schon sahen vor meinem Besuch das letzte Mal die Sonne, doch von dir möchte ich nur diesen Traum, zeige ihn mir. Sag mir, was dir der erste zu den Sakramenten sagte...”, säuselte er beinahe menschlich berührt und Alicia blickte in die kaltschwarzen Augen, in denen sie sich nicht spiegeln konnte. Er trug keine Schwingen...vielleicht meinte er es ernst, keimte Hoffnung in ihr auf, doch sie durfte ihm nicht trauen...
“Grazia...Grazia, Sie sind es ja, ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen.”, ereilte die Angesprochene ein Ruf über die schneebedeckte Straße hinweg. Langsam drehte sie sich herum und gebot ihrem inneren Monolog Ruhe zu geben. “Mr. Sandler...was treibt sie zu dieser Zeit auf die Straße?”, blickte sie dem Polizeiinspektor in die Augen und hielt sich die Hand vors Gesicht um den eisigen Wind aufzuhalten. “Grazia, ich, es...es ist schrecklich, einfach unmenschlich diese Tat.” Verwirrung machte sich auf Grazias Gesicht breit, noch nie hatte sie den Inspektor so von Emotionen geschüttelt gesehen. Im fahlen Licht der hohen Straßenlaternen lag ein ratloser Schatten unter seinen Augen und seine Augen schauten starr nach vorne, als wäre Grazia nicht da und er war mit seinen Gedanken ganz woanders. “Was ist passiert Inspektor Sandler?”, fragte sie noch gefasst und legte dem Inspektor einen Arm um die Schulter. Schon seit Jahren standen sie gemeinsam Uneinigkeiten in der Stadt aus und hatten vor einiger Zeit die von ihrer Stellung geforderte Sachlichkeit abgelegt, wenn sie allein waren. “Erzählen Sie es mir bitte!”, verlieh Grazia der Aussage Nachdruck und zog ihn zu einer windgeschützteren Hauswand von der Straße weg, ihr Blick gezeichnet von Sorge und schlimmen Vorahnungen. Sandler seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch das vom Alter schüttere Haar. “Es gleicht einem Massaker, schwer zu erklären, du müsstest es sehen, dafür war ich auf dem Weg zu dir...und deswegen.” Er zog ein Diktiergerät aus der Jackentasche, welches in einer Plastiktüte verschlossen war. “Was ist das?”, beäugte Grazia den Gegenstand skeptisch. “Die Spurensicherung fand es...es beinhaltet eine Botschaft an dich.” Grazia zitterte sichtbar und ihre Knie gaben nach, sollte er es wieder getan haben? Die Welt begann sich zu drehen und sie musste sich an der Wand abstützen. “Führen sie mich hin, wo ist der Tatort?”, keuchte sie und gab Sandler zu verstehen, dass sie ihre Fassung bald wiederhaben würde. “In der Kathedrale...ich betone in der GESAMTEN Kathedrale...” Grazia schluckte, was hatte er getan? Sollten Unschuldige für seine grausame Rache dienen? Warum kam er nicht gleich zu ihr?
Im Silberpalast herrschte Ruhe, die Diskussionen im Saal waren verebbt und Patrizia hatte alle zu Bett geschickt, doch schaute sie nicht in die Zimmer, in Alicias Zimmer sang der Wind in den flatternden Vorhängen sein Lied und nichts war zu hören bis auf den Wind...Stille.