Erstmal vielen Dank für die zahlreichen Feedbacks. Ihr seid wirklich die besten Leser die ich mir wünschen kann
Und natürlich will ich die Spannung halten, doch nach soviel Spannung bedarf es auch wieder einigen Rätseln und Erklärungen, trotzdem viel Spaß
Schwerer Dunst waberte um den Silberpalast und die Stille kroch in die Wände, setzte sich darin fest und fing jeden Laut auf, der innerhalb des Palastes getan wurde. Patrizia saß neben Roman, seine freie Hand, die aufgrund der Schmerzen zu einer schwachen Faust geballt war, hielt sie weiterhin fest. “Roman, Roman hörst du mich?”, fragte sie ihn drängend, immer mit der Angst belegt, dass er jeden Moment sterben könnte. Sie führte ihren Mund dichter an sein Ohr und die geschlossenen Lider zuckten um sich für einen Spalt wieder zu öffnen. “Patty...”, flüsterte er, “warum erzählst du nicht mehr?” “Du lebst noch”, beugte sie sich erleichtert über sein Gesicht. “Weißt du...mir ist kalt...”, hauchte Roman mühsam. Mit zitternden Fingern löste Patrizia den Gürtel ihres Morgenmantels und zog ihn sich über den Kopf. Zärtlich deckte sie ihn zu und lächelte. “Dir wird gleich wärmer, du darfst nur nicht einschlafen...” redete sie wie auf ein kleines Kind ein. Behutsam strich sie ihm durchs Haar, bis ihre Fingerkuppen stockten, sie fühlte Wärme und Nässe. Langsam zog sie die blutigen Finger zurück und starrte sie an. Erschreckt fasste sie dann an seinen Kopf und entdeckte die weitere Wunde. Die Morgensonne war im Osten schon über die Hügel gestiegen und ihre Strahlen kletterten an den Fenstern des Palastes empor um hereinzuscheinen. Patrizia kniete nur mit ihrem dünnen Nachthemd bekleidet neben Roman und begutachtete seinen entstellten Körper. Seine aufgesprungenen Lippen baten wieder um Wasser, welches sie ihm vorsichtig einflößte. In Gedanken fühlte sie die Winternächte letzten Jahres, wenn sie sich frierend im Palast zusammengekuschelt hatten Und jetzt war sein Körper mit diesen unförmigen blutenden Schwellungen übersät, von den Einstichen der Glasscherben ganz zu Schweigen. Doch es hörte sie niemand, nur die Stille. Es antwortete niemand, nur diese lautlose Stille!
Hinter sich vernahm sie ein Knarren, welches ihr eiskalt den Rücken herunterlief. ER! Wer sollte es sonst sein? Dann war er noch in der Nähe geblieben, hatte seinen Hunger gestillt und nur auf sie gewartet, gelauert und seine Augen immer auf der Kathedrale geheftet gelassen...”Grazia.”, vernahm sie die Stimme des Polizeiinspektors, “Grazia, das Tonband, sie haben es nicht mitgenommen, da dachte ich...” “SANDLER! SIE DACHTEN...wie können sie mich eigentlich so erschrecken?”, herrschte sie ihn an und von einer Sekunde zur nächsten tat es ihr sofort wieder leid. Von Stimmungsschwankungen geschüttelt, kauerte sie sich an die Holzvorderseite einer Bankreihe und seufzte. “Es tut mir leid, doch ich habe ein Mitglied verloren, unsere Gemeinschaft bricht und die Stadt ist nicht mehr geschützt, es ist zuviel...”, teilte sie ihm mit und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sandler verglich sie in diesem Moment mit einem Mädchen, welches seine ersten Erfahrungen mit Leid machte. Wie ein Vater kniete er sich dazu und legte ihr einen Arm um die Schulter, was sie nur schreckhaft zusammenzucken ließ. “Konntest du...konntest du etwas mit den Schriften anfangen? “, fragte er leise und blickte zu den Wänden empor. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und fühlte sich trotz der infernalisch angehauchten Umgebung geborgen. Das getrocknete Blut an den Wänden...sie hatte in ihrer Erschöpfung und Angst ganz vergessen es zu betrachten. Auch Saint Richard’s wurde mittlerweile vom Tag eingeholt und die Sonnenstrahlen heuchelten in den buntbemalten Glasfenstern einen schönen Wintermorgen. Das Blut erschien im Licht beinahe schwarz und wenn Grazia die Augen zusammenkniff ähnelte es schwarzer Tinte. Langsam stand sie auf und suchte sich einen Anfang des Geflechts:
Wieder kommst du zu spät,
lernst aus deinem falschen Leben neue Wege zu gehen,
es hätte so schön sein können,
du meine Göttin,
ich dein Schwert,
töte für dich,
beschütze dich,
Flieh, dreh dich nicht um,
du bist der Schlüssel zu deinem eigenen Verderben.
Doch ich werde nicht ruhen,
bis du die letzte bist!
...las sie an den Reihen des linken Schiffes und jede Zeile stieß im Zentrum auf ihren Namen, eine endlose Rede aus vernichtend aneinander gereihten Sätzen, Parolen der Hölle. Die Zeilen getaucht in eine zähe Masse aus Sarkasmus und Ironie, auf der Oberfläche schwimmend und unfähig sich daraus zu lösen, da die Boshaftigkeit an ihnen hing. Grazia warf Sandler einen vielsagenden Blick zu und winkte ihn her. “Er will sie alle töten, alle meine Schwestern und Brüder. “Bis du die letzte bist”...ich denke sie werden es in den nächsten Tagen öfter mit Morden zutun bekommen.”, teilte sie ihm mit und wandte sich durch die Mitte der rechten Seite seiner Nachricht zu. “Grazia, weißt du überhaupt was du da redest? Du musst doch was tun können...er meint er tötet für dich...” “Ohja, das tut er, Sandler dein Körper, dein Organismus, ist nicht dein Leben, was ist dein Leben?” Sandler zog die Stirn kraus und kratzte sich überlegend am Kinn. “Nun mein Leben sind meine Frau und meine Kinder.” Grazia lächelte schwach, bevor sie antwortete: “Siehst du...er tötet für mich, indem er mir mein Leben nimmt, Milan muss noch am Leben sein, daher ist der Dornenvogel unfähig mich zu töten, er nimmt mir meine Familie und meine Bestimmung, damit ich daran zugrunde geh. Und dabei SCHÜTZT er meinen Körper...es ist absurd, aber auch so erschreckend klar.” Der Polizeiinspektor nickte wissend und wusste nicht was er erwidern sollte. Grazia war eine erwachsene, kluge Frau, die er immer für ihren Mut und ihre Aufrichtigkeit bewundert hatte und auch wenn sie nach dem Tod ihrer Eltern ein paar Stufen gefallen war, hatte sie diese schon mehrfach neu bestiegen.
Du wolltest Leben, ich gab ihr den Tod.
Du wolltest schreiben, ich schrieb dein Buch.
Du wolltest erneuern, ich ende es hier.
Du wolltest ihn, jetzt ist er in mir!
Las sie weiter und brach ab, es hatte doch keinen Sinn sich weiter damit zu quälen. Er hatte Alicias Blut als Tinte, seine Finger als Feder und die Kathedrale als Leinwand benutzt um ihr zu zeigen, dass er ihr Leben kannte...doch immer noch wartete sie auf eine Forderung, auf irgendwas. Das Bisherige hatte sie ohnehin erwartet.
Romans Lippen bemühten sich das nächste Wort zu formen: “Danke, dass du da bist.”, doch diese neue Wirklichkeit hatte für Patrizia keinen Raum, seine Verletzungen schnitten sich in ihr Bewusstsein und sie konnte nicht fassen, dass alles vorbei war.
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Der Himmel brannte und die Dornenvögel brachen ihre Gräber auf, verbannt von ihren Ahnen, verdrängt von ihren Kindern und vergessen von ihren Erben. Blutrote Steine färbten die Halsketten für ein neues Zeitalter. Die Waage neigte sich der Niedertracht und ließ die silbernen Vögel das erste Mal wirklich fliegen, allein, verlassen und einsam über der Meute nach Rache hungernder Kehrseiten-
erinnerte sie sich an die Prophezeiung, falls die Uhr fiel. Doch diesen Kampf würden sie nicht überleben. Es durfte die Dornenvögel nicht geben, sie waren tot, bis Milan dem Töten verfiel. “Er ist allein Roman, er kann uns nichts tun...eigentlich müsste er dich in seiner Lage sogar retten.” “Nein Patty...das muss er nicht...”, klang seine Stimme immer schwächer. Seine Lider flatterten und ein letztes Mal schaute er sie an. “Die Prophezeiung erfüllt sich jetzt und hier, erinnere dich an die Gebote...Sollte die Uhr jemals fallen und das silberne Zeitalter unter sich begraben und es sei ein Angegriffener so wird er hingehen zu ihnen und sie auf die Erde zurückholen, denn das Schicksal...
“...wird sich zugunsten des Zweiten entscheiden”, las Grazia die letzten Worte der Schriften und fühlte ihre Finger über die alte Chronik streichen. Die Fackeln erloschen und die Sonne trocknete ihre Tränen, solange sie noch lebte. Ruhig bettete sie eine weiße Rose mit silbernem Ring auf Alicias Leichentuch und betete während Sandler stellvertretend für einen Geistlichen den Segen sprach. “Leb wohl Aly, ich hoffe dir wird es besser gehen, als uns.”, flüsterte Grazia und hauchte einen Kuss auf die Rose.