Serie: Doctor’s Diary
Disclaimer: Keine der Figuren gehört mir und ich will mit dieser Story auch kein Geld verdienen. Die FF ist keiner bestimmten Episode zugeordnet, spielt aber eher am Anfang der ersten Staffel.
Umfang: 1.382 Wörter
Gretchen Haase stand im Schwesternzimmer der Chirurgie und stütze sich mit den Armen auf der Anmeldungstheke ab, während sie immer wieder in die kleine Schale griff, die Schwester Sabine ihr vor wenigen Minuten hingestellt hatte.
Natürlich waren Süßigkeiten darin. Und natürlich hatte Gretchen sich eigentlich wieder einmal geschworen, Diät zu machen und nichts Süßes mehr zu essen. Aber natürlich hatte sie ihre guten Vorsätze mal wieder über Bord geschmissen, schließlich war sie vorhin bereits über Marc Meier und Schwester Gabi gestolpert, die in Meiers Büro übereinander hergefallen waren.
Und das war verdammt noch mal ihre Fantasie, ihr Wunschtraum, wie es zwischen Marc und ihr endlich klappen sollte. Aber nachdem er immer noch bevorzugte, Schwester Gabi zu vögeln und für sie kaum einmal ein nettes Wort übrig hatte, war der Wunsch nach Schokolade einfach übermächtig geworden.
„Na, Hasenzahn, immer noch nicht begriffen, dass es genau die Schokolade ist, die du gerade wieder reinstopft, über deren Pfunde auf deinen Hüften du dich morgen schon wieder bei Schwester Sabine ausheulen wirst?“, kam in diesem Moment eben jener Oberarzt ins Zimmer, über den Gretchen sich gerade noch ganz andere Gedanken gemacht hatte und sprach sie an, ohne, dass sie ihn vorher gesehen und die Schokolade verschwinden lassen hätte können.
Sein üblicher abwertender Kommentar schaffte es sofort, die junge Ärztin wieder unsicher zu machen, sodass sie die bereits angebissene Schokolade langsam sinken lies.
„Och, ich hab ja eh nur ein kleines Stückchen versucht. Probiert so zu sagen. Schokolade gegessen... ach, das hab ich ja schon seit zwei Wochen nicht mehr.“, log Gretchen wieder einmal, wie so oft in Marcs Gegenwart, wenn es um ihr kleines Laster ging und fügte am Ende noch ihr übliches Kichern hinzu, das leider so gut wie immer kam, wenn sie log. Auch, wenn es ohnehin meistens relativ offensichtlich war, wenn sie nicht die Wahrheit sagte.
„Klar, du wünscht dir doch höchstens, dass es so wäre. Ich hab dich doch diese Woche erst mit schokoladenverschmiertem Mund gesehen.“, stichelte Marc weiter, während er wie selbstverständlich eine der Patientenakten aus der Ablage nahm und sie durchblätterte.
Gretchen holte noch immer Luft über diese boshafte Aussage, als Schwester Sabine zu ihrer Rettung einsprang und den jungen Oberarzt ansprach, wenn auch zögerlich.
„Herr Doktor, sie haben da was mit ihren Haaren. Vielleicht sollten sie selber auch mal in den Spiegel gucken, bevor sie ihr... ihr Sex-Büro wieder verlassen!“, erklärte sie mit ihrer üblichen, etwas langsamen Art und schaffte es mit ihrer Bemerkung zu seiner etwas verwuschelten Frisur sogar, dass Marc überrascht von seinen Akten aufblickte und sie eine Weile ansah.
„Schwester Sabine, wenn ich ihre Meinung zu meiner Frisur hören will, dann frage ich sie, ansonsten halten sie bitte einfach die Klappe. Hasenzahn wird schon selber was sagen können, wenn sie das möchte, nicht wahr?“, erwiderte er ruhig, klappte die Akte zusammen, während er noch einen Blick auf Gretchen warf, die jedoch nichts mehr sagte und stattdessen versuchte, möglichst unauffällig die Schokolade von ihren Fingern zu lecken. Was ihr natürlich so gut wie gar nicht gelang.
Schwester Sabine hielt nach dem Rüffel von Doktor Meier sofort wieder den Mund und griff nun selbst auch in die Schale mit den Süßigkeiten, obwohl auch sie eigentlich schon die dritte Diät diesen Monat begonnen hatte.
Marc beobachtete die Situation kurz mit einem Kopfschütteln, bevor er die Akte hinlegte und das Schwesternzimmer wieder verlies. Natürlich hatte er die Akte einfach auf den Tresen geworfen, statt sie wieder dorthin zu räumen, wo sie eigentlich hin gehörte.
„Nein, ich möchte nichts zu dir sagen! Auf dein Niveau lasse ich mich nämlich gar nicht erst herab, verstehst du?“, rief Gretchen Marc noch hinterher, als dieser schon längst aus ihrer Sichtweite verschwunden war, da ihr eher einfach kein passender Kommentar eingefallen war. Da sage noch mal einer, Schokolade macht glücklich!
„Frau Doktor, eine schlagfertige Antwort sollte eigentlich innerhalb weniger Sekunden erfolgen – nicht weniger Minuten...“, warf Schwester Sabine vorsichtig ein, erntete dafür aber natürlich einen bösen Blick von Gretchen, die daraufhin die Schüssel mit den Süßigkeiten schwungvoll hinter dem Tresen abstellte.
„Nächstes Mal behalten sie ihr Teufelszeug gefälligst für sich, Schwester Sabine!“, erklärte sie leicht gereizt, bevor auch sie das Schwesternzimmer verließ und die Schwester nun kopfschüttelnd zurückließ.
Dabei lief sie vor der Tür fast mit einer dunkelhaarigen Frau zusammen, die etwa im Alter ihrer Eltern war und die ihr entfernt bekannt vorkam. Allerdings konnte sie sie nicht wirklich zuordnen.
Ihr Gegenüber schien sie jedenfalls nicht zu kennen, denn sie sprach sie sofort mit einem „Oh, schön, dass ich gleich jemanden treffe. Schwester, können sie mir sagen, wo ich Marc Olivier finde?“ an.
„Ich bin keine Schwester, ich bin Ärztin und nein, ich weiß nicht, wo sie Marc Olivier finden...“ Was ist das überhaupt für ein bescheuerter zweiter Name? Oh... „Fragen sie doch mal Schwester Gabi, die weiß das normalerweise!“, fügte Gretchen etwas gereizt hinzu, als ihr klar wurde, dass die Frau nach Marc Meier gefragt hatte. Marc Olivier Meier.... Die Gute musste von der Geburt eindeutig zu strapaziert gewesen sein, um klar denken zu können. Aber kein Wunder, bei einem Arschloch, wie Meier. Wenn er nur nicht so gut aussehen würde.
Verdammt. Gretchen schenkte der offensichtlichen Mutter ihres Oberarztes keinerlei Beachtung mehr und machte sich auf den Weg nach draußen, um Abstand von dem ganzen Chaos hier zu gewinnen, sodass diese ihr etwas irritiert hinterher sah.
Heute morgen war sie noch froher Stimmung in ihrer Traumwelt unterwegs gewesen, in der sie Marc ihr Geburtstagsgeschenk ins Büro gebracht und dieser sie dafür auf den Schreibtisch geworden und leidenschaftlich geküsst hatte. Aber offensichtlich war ihr da Schwester Gabi wieder einmal zuvor gekommen. Dieses dumme Miststück...
Halt! Marc war das Arschloch. Schwester Gabi war vielleicht zickig, besitzergreifend, egoistisch und unfreundlich – aber im Endeffekt war Marc der Arsch. Er zog es vor, die dürre, klammernde Schwester zu vögeln, statt endlich zu erkennen, dass er eigentlich sie lieben sollte. Er war der Prinz und sie die Prinzessin. Sie waren es schon immer gewesen, seit sie sich in der Schule in ihn verliebt hatte. Und seitdem war er Hauptdarsteller in bestimmt neunzig Prozent ihrer Wunschträume gewesen.
Er schien sie jedoch nur dick zu finden und als Ventil für seine Aggressionen zu missbrauchen. Warum hatte sie ihm gleich noch einmal ein Geschenk zu seinem Geburtstag besorgt?
Nun ja, jetzt hatte sie es gekauft, jetzt konnte sie es ihm auch geben.
Entschlossen machte Gretchen sich nach diesem Gedanken auf den Weg zurück in die Klinik, um Marc zu suchen, den sie prompt ebenfalls fast über den Haufen lief, als sie beide gleichzeitig in den Gang zu seinem Büro einbiegen wollten.
„Scheiße, Hasenzahn, pass doch auf, wo du deine fünf Tonnen Kampfgewicht hinbewegst! Wenn du mir mit deinem Gewicht die Hand brichst, könnte ich arbeitsunfähig werden!“, giftete Marc sofort, als würde sein Geburtstag ihm noch zusätzlich schlechte Laune verpassen, die er komplett an ihr ausließ.
Und dementsprechend war Gretchen auch den Tränen nahe, doch das würde sie ihm sicher nicht zeigen, weshalb sie mit angestrengtem Gesichtsausdruck lediglich in ihre Kitteltasche fasste und ihr kleines Geschenk herausholte, um es ihm verletzt in die Hand zu drücken.
„Ach du... Du hast mir doch nicht... Mensch, Hasenzahn, warum machst du denn so was?“, fragte er nun doch etwas irritiert. Blickte zuerst auf das Geschenk, dann auf Gretchen, wieder auf das Geschenk und sah sich dann schließlich im Gang um.
Nachdem er sich versichert hatte, dass niemand zu sehen war, beugte er sich etwas nach vorne und küsste Gretchen, während er sie bestimmt nach hinten in Richtung seiner Bürotür drängte.
„... aber wenn er zurückkommt?“
„Er sollte im OP sein, Elke. Komm her...“
Marc löste sich von Gretchen und hielt dieser den erhobenen Zeigefinger auf die Lippen, damit sie das, was sie sagen wollte, eben nicht sagte, damit er den Stimmen lauschen konnte, die er soeben aus seinem Büro vernommen hatte. Verdammt noch mal aus seinem Büro – und er kannte beide Stimmen.
Einen kurzen Moment lauschte er noch angestrengt, Gretchen sah ihn verwundert an, dann riss er die Tür auf, um seine Mutter zu erkennen, die in den Armen von Prof. Haase lag und diesen leidenschaftlich küsste. Prof. Haase war natürlich nicht nur sein Chef, sondern auch Gretchens Vater, auf deren Lippen noch immer sein Finger ruhte.
Alle vier sahen sich Momente lang einfach nur schweigend an, bevor Marcs Mutter schließlich das Wort ergriff.
„Happy Birthday, Marc Olivier!“