AW: Licht u. Schatten - Zwei Seiten einer Medaille
Schön, dass es dich auch noch gibt, David
So und da heute ja Sonntag ist, mein anscheinlicher Lieblings-Post-Tag
, geht's jetzt weiter! Kann aber nicht garantieren, dass nächsten Sonntag (oder davor) was kommt, denn ich stecke mal wieder in einem kreativem Loch fest
Dieser verdammten Maulwürfe!
Piper holte weit aus, trotzdem hopste der geworfene Stein nicht weit bevor er in den Tiefen des Wassers versank. Am Grund würde er etliche Jahre liegen, bis der See irgendwann einmal austrocknete. Auch kein schönes Schicksal. Doch zur Zeit empfand die ehemalige Hexe jedes andere Schicksal reizvoller als ihr eigenes. Sie seufzte und ließ sich auf die grüne Wiese in ihrem Rücken fallen.
Warum?
Warum war sie geflüchtet? Warum hatte sie Falk und nicht zuletzt auch ihre kleine Schwester mit Leyla allein gelassen? Warum hatten ihre Gefühle sie überwältigt?
Piper hätte nicht geglaubt, dass das überhaupt noch möglich wäre. Jetzt, da sie eine Lichtkriegerin war, noch dazu der sogenannte auserwählte. Sie war so fest davon überzeugt gewesen, dass sie damit stark genug war ihre oftmals stürmischen Gefühle in Zaum zu halten. Doch diese Überzeugung machte die Enttäuschung nur noch größer.
Sie fühlte sich schlaff und niedergeschlagen.
Paige. Ihr Anblick war zu viel gewesen. Oder war es nur die Gewissheit sie an die DalO verloren zu haben? Immerhin hatte Piper nicht damit gerechnet. Und was war mit Phoebe? War sie etwa auch Leos Organisation beigetreten, die mit Dämonen zusammenarbeitete und alle Krieger - also auch die gutgesinnten Lichtkrieger -, die Bedrohung, vernichten wollte? Hatten ihre Schwestern ihr nicht verzeihen können und sinnten nun auf Rache? Piper wusste, dass ihr diese Gedanken nur aufgrund ihrer Stimmung kamen; sie waren übertriebene Ängste und manifestierte Gewissensbisse ihren Schwestern gegenüber. Trotzdem glaubte sie in diesem Moment an das mögliche Denken, dass sie in ihren Schwester geweckt haben könnte. Denn, dass Paige beigetreten war, war keine Angst von ihr, sondern eine handfeste Tatsache.
Piper schloss die Augen als sie sich an den Moment erinnerte, indem sie Paige erblickt hatte. Ihr war sofort klar, dass die bekannt wirkende Statur ihre Schwester sein musste. Nie hatte sie daran gezweifelt, dass sich beim genaueren Hinsehen doch noch ein anderes Gesicht formen würde. Das Entsetzen hatte sie sofort eingenommen, ebenso der Drang Abstand zu nehmen. Als sie sich von Falk gelöst hatte und rückwärts lief, bemerkte es keiner. Keiner, außer Paige. Lange hatten sich die Schwestern in die Augen gestarrt. Eine Zeit, in der Piper vollkommen die Kontrolle über ihren Körper verlor. Erst als Falks Stimme in ihr Ohr drang, erlangte sie ihre Beherrschung zurück. Denn damit wurde ihr bewusst, dass sie angestarrt wurde. Urplötzlich meldete sich ihr Instinkt und riet ihr schleunigst davonzurennen, bevor die eigenen Gefühle sie unfähig machen, sie lähmen würden.
Piper war diesem gutgemeinten Rat gefolgt, trotzdem: Sie war unfähig. Unfähig sich jemals wieder der DalO und somit ihrer Schwester zu stellen.
"Piper."
Nur langsam erhob die Angesprochene den Kopf, hatte sie ihm gegenüber doch ein schlechtes Gewissen. Schließlich hatte sie ihn hängen- und allein gegen den Feind kämpfen lassen. Doch genau das machte sie auch wieder neugierig; sie musste wissen, ob er möglicherweise verletzt war.
"Hat 'ne Zeit gedauert bis ich dich ausfindig machen konnte.", erklärte der vollkommen unverletzte Falk als er sich setzte und dann auf den ruhigen See starrte wie seine Lebensgefährtin. Allerdings warf er auch einen kleinen verstohlenen Seitenblick auf Piper, denn er machte sich große Sorgen um sie. Piper konnte sich sehr gut tarnen. Der einzige Grund, weshalb er sie nun hatte finden können, war der, dass sie ihre Tarnung einfach nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Falk hätte jede Wette angenommen, dass das an ihren Gefühlen lag; sie war ganz eindeutig fertig mit sich selbst und der Welt.
Lange saßen sie schweigend nebeneinander. Falk wartete darauf, dass sie ihm Rechenschaft ablegte - das glaubte Piper spüren zu können - doch sie fand einfach nicht den Mut dazu. "Falk ...", fing sie mit leiser, Verständnis erbittender Stimme an. "Du musst mir nicht erklären was da eben passiert ist.", unterbrach er sie mit gelassener, beruhigender Stimme. Er drehte den Kopf erstmals in ihre Richtung, "Ich will nur, dass du mir versprichst, dass das nie wieder vorkommt." Pipers vielsagendes Schweigen machte Falk wütend, aber noch mehr neugierig. Doch er hielt Wort und verlangte keine Erläuterung. Stattdessen sprach er weiter: "Das kannst du nicht machen. Leyla hätte uns angreifen können und da du uns mit deiner Aktion eiskalt erwischt hast ..." - Falk stoppte seine raue Ansage als seine Freundin die Augen schloss um Tränen zu verhindern und fuhr gedämpft fort: "Sie hätte uns töten können, Piper."
"Warum hat sie es nicht getan?"
"Sie hat ihren Ehrgeiz. Will nur mehr gegen dich kämpfen.", meinte Falk schulternzuckend als er an Piper rückte, woraufhin diese nur gewartet zu haben schien: Sofort lehnte sie ihren Kopf an seine starke Schulter. Er gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. "Ich ... Ich dachte nur, dass ich es schaffen würde. Meine Gefühle zu verdrängen ..." "Das kannst du doch.", protestierte Falk, aber seelenruhig um sie nicht aufzuwühlen. "Nicht diese! Es ... es geht einfach nicht. Ich fühle mich so schuldig."
Falk zögerte, bis er plötzlich wusste, dass Pipers Anführer vielleicht keine Erläuterung brauchte, ihr Freund allerdings schon. Denn nur so würde er ihr helfen können. "Weshalb?"
"Wegen Paige ... Meiner Schwester."
Falks Augen weiteten sich. Natürlich! Jetzt, da er es wusste, fragte er sich wieso er sie nicht selbst erkannt hatte. Mit einem Mal verstand er Alles, ergab Alles einen verdammten Sinn! "Sie war es also, die dabei war.", ihn überrascht das nicht wirklich, auch wenn er nicht selbst auf diese Möglichkeit gekommen wäre. Er schmunzelte sarkastisch: "Das Schicksal hat seinen ganz eigenen Humor ..."
Piper seufzte nur und lehnte sich noch mehr an ihre einzige Stütze. Mit jeder Minute die verstrich fühlte sie sich unwohler, sie glaubte fast von etwas Riesigem immer weiter platt gedrückt zu werden. Falk legten seinen Arm um sie, schützend, und drückte sie nochmals an sich. "Hör' zu, Piper, ich erzähle dir jetzt etwas ... die Wahrheit über mich und Leyla. Dir ist sicher aufgefallen, dass wir nicht nur einfache Gegenspieler sind.", er holte tief Luft und sah in neugierige, kastanienbraune Augen bevor er seine Geschichte begann: "Wir waren beste Freunde, seit wir Laufen konnten.", nahm er der Bombe ohne Umschweife das Schießpulver, "Jeden Tag haben wir zusammen geklebt und miteinander gespielt. Wir haben alles miteinander geteilt, egal ob es sich um Essen und Materialien- oder einfach nur um Gefühle handelte.", er lächelte etwas bis ..., "Bis dann dieser Tag kam ...", ... er kurz die Augen schloss und den erwähnten Tag, der ihm immer wieder wie gestern vorkam, ein weiteres Mal an seinem geistigen Auge vorbeiziehen ließ. "Wir fanden heraus, dass wir gewisse Kräfte besitzen und waren überglücklich; es war das fehlende Puzzleteil zur perfekten Freundschaft, diese gemeinsame Gabe ... Bis sich die Ironie des Schicksals einmischte. Uns wurde klar, dass wir nicht dazu bestimmt waren beste Freunde- sondern größte Erzfeinde zu sein. Leyla wurde sofort von ihren heutigen dunklen Gedanken überwältigt und hat sich gegen mich gestellt. Ich hingegen ... nun ja, sagen wir ich will das Gute in ihr nicht aufgeben, auch heute nicht.", er lächelte schwach und fuhr dann mit seinem Finger über die Narbe quer an seinem rechten Auge, "Die Narbe war der erste Rückschlag."
Piper wurden mit Falks Erzählung einige Fragen über ihn beantwortet, die sie sich bisher nie getraut hatte zu stellen. Die Narbe stammte also von Leyla. Wahrscheinlich schmerzte sie Falk ganz besonders, denn sie war der ewig-währende Beweis für ihre frühe Wendung zur bösen Seite. Weiter verstand sie nun auch was die beiden Anführer verband; die gemeinsame Kindheit. Nur eine Frage schwebte weiterhin in ihren Gedanken umher und erinnerte sie in unregelmäßigen Zeitabständen daran, dass sie noch ungestellt war. Jetzt verspürte sie dank Falks Willen seine Geheimnisse mit ihr zu teilen plötzlich Mut diesen Zustand der Frage zu verändern. "Falk ..."
"Hm?", fragte er nur brummend zurück als sie nicht von alleine weitersprach.
"... das ist doch nicht dein richtiger Name."
"Nein.", er nickte sofort, "Er stammt von Leyla. Sie nannte mich immer so, weil Falken meine Lieblingstiere sind, seitdem wir einmal einen beim Davonfliegen beobachtet haben. Ich habe mir gewünscht genauso frei sein zu können ...", wieder ließ er den Satz nur leise ausklingen und starrte in die Ferne; in das schimmernde Blau des Sees, das die Erinnerungen lebendig werden ließ.
"Das ist aber nicht alles, was ich wissen wollte.", sagte Piper aufrichtig, allerdings nach eigenem Ermessen auch etwas aufdringlich. Sie wollte ihn zwar nicht drängen, aber doch auch keine halben Antwort hinnehmen. "Ich weiss.", sagte Falk nur ohne seine Blick abzulenken, was Piper scharf einatmen ließ. Sie fühlte sich abgestoßen und entzog sich automatisch etwas von seiner Nähe. Er hatte ein Geheimnis mit ihr geteilt, nämlich das seiner- und Leylas Vergangenheit, doch ein anderes wollte er nur mit einer anderen Frau teilen. Und diese Frau war niemand geringeres als Leyla selbst.
Liebte er sie? Piper wusste es nicht und das verängstigte sie am meisten, ebenso schmerzte es plötzlich in ihrem Herzen. Betrübt sah sie zu Boden und fragte mit zarter Stimme: "Warum hast du mir diese Geschichte erzählt, über dich und Leyla?" Noch während sie dies fragte, kam ihr der Gedanken, dass er es vielleicht nur getan hatte um sie auf ihre Beziehung aufmerksam zu machen. Ihre Verbundenheit. Ihre Liebe, die über das Schicksal ging.
"Weil ich dir etwas klar machen will.", langsam drehte er seinen Kopf, führte seine Hand an ihr Kinn und drehte es ganz sachte in seine Richtung. Piper ließ ihn gewähren und sah ihm tief in die dunkelblauen Augen, in deren Blau sie genauso verloren ging wie in dem des Park-Sees. "Wenn du deiner Schwester helfen willst zu Verstehen, darfst du nicht davonlaufen. Im Gegenteil: Du musst kämpfen, für deine Überzeugung gerade stehen.", er lächelte verständnisvoll, "Weißt du ... mir ging es nicht anders. Lange Zeit bin ich Leyla ausgewichen, weil ich es einfach nicht ertragen konnte. Aber dann habe ich eingesehen, dass ich gegen sie kämpfen muss, wenn ich sie vor ihrer dunklen Seite retten will. Ich musste sie endlich loslassen, verstehst du?"
Endlich fühlte sich Piper etwas besser. Es war ungemein erleichternd zu erfahren, dass es Falk - dieser starken Person - nicht anders ergangen war als ihr jetzt.
"Dasselbe musst du jetzt auch tun. Du kannst ihnen nicht ausweichen, aber du kannst ihnen helfen zu verstehen und zu akzeptieren was dein neues Schicksal ist.", lächelnd strich er ihr über die Wange, "Du läufst ihnen so oder so wieder über den Weg; Familie ist unzertrennlich, weißt du.", und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn.
"Danke ... Falk.", sagte Piper sofort, "Du hast mir wirklich geholfen.", und blickte jetzt mit Entschlossenheit und neuem Mut zur Tat auf den See hinaus. Ja, sie würde sich Paige stellen. Vielleicht würde sie wirklich verstehen und im besten Fall die DalO verlassen. Weiter nahm sie sich vor gleich morgen Früh ihre ältere, kleine Schwester zu suchen. Phoebes Aura war mindestens genauso stark wie Paiges, eben stärker als die einer gewöhnlichen Hexe. Also sollte es auch kein Problem werden sich von ihrer Gesundheit zu überzeugen - aber nur davon. Denn Falk hatte ihr mit seinen Worten auch verdeutlicht, dass sie sich nicht mehr mit ihrer Familie weich klopfen lassen konnte. Piper konnte sich gut vorstellen, dass Leyla früher oder später Nutzen daraus ziehen würde. Sie musste ihr altes Schicksal, sprich ihre Schwestern, loslassen, wenn nicht vergessen - zumindest solange bis die Gefahr gebannt war.
"Eric.", sagte Falk plötzlich aus heiterem Himmel. Piper fragte sich eine Zeit lang, was er meinen könnte, dann gab sie auf und blickte ihn verwirrt an: "Wie bitte?"
"Mein Name. Ich heiße Eric."
Pipers Gesicht strahlte plötzlich wie die Sonne selbst, denn Glücksgefühle jagten durch ihren Körper. Das war der unmissverständliche Beweis für seine wahre Liebe. "Wir werden sie mit vereinten Kräften zurückholen, Eric. Alle.", und mit diesem Versprechen küsste sie ihre neue große Liebe im schimmernden Mondschein, der ihnen mit seinem kraft- und mutschenkendem Licht seinen Segen garantierte.