Kapitel 7 - Ziva: Heartbreak
Das schlechte Gefühl hat mich die ganze Nacht über verfolgt und davon abgehalten, länger als drei Stunden zu schlafen, die ich wohl auch nur dem übermäßigen Genuss von Tequila zu verdanken habe. Wie jeden Tag mache ich mich früh am Morgen auf den Weg zum Hauptquartier, da mich die innere Unruhe nicht loslässt. Vielleicht würde ich meinen Partner ja dort antreffen oder zumindest herausfinden, wo er ist. Bereits als der Aufzug mit einem leisen 'Pling' seine schweren Metalltüren öffnet, erwartet mich die erste Überraschung, denn ich sehe mich McGee gegenüber. Auf meine Frage, was er an einem Samstagmorgen im Büro macht, gibt er mir lediglich eine ausweichende Antwort, doch ich durchschaue seine Lüge sofort. Ein kurzer Blick auf seinen Schreibtisch sagt mir, dass er die ganze Nacht hier verbracht hatte. Doch auch er hat angeblich keine Ahnung, wo sich unser Kollege im Moment aufhält. „Wieso sorgst du dich so um Tony?“, fragt er mich schließlich, woraufhin ich kurz zögere und dann erkläre: „Er wollte sich gestern Abend mit uns in der Bar treffen. Er ist dort nicht aufgetaucht, hat nicht angerufen. Er geht weder zu Hause ans Telefon noch an sein Handy. Hast du zufällig die Nummer von seinem zweiten Handy?“ „Du meinst das für Privatgespräche?“ „Ja.“ „Nein“, gibt er nur zurück, so dass ich mich abwende und zum Schreibtisch des Chefermittlers blicke. „Gibbs war auch die ganze Nacht hier. Sind wir ein Team, McGee?“, frage ich ihn, doch er sieht mich nicht an, als das „Morgen, Ziva.“ von unserem Boss ertönt, der fragt: „Hast du an einem Samstagvormittag nichts besseres vor?“ Ich antworte nicht darauf, sondern erwidere nur: „In Teams gibt es keine Geheimnisse. Und wenn du mir nicht sagst, was ihr die ganze Nacht hier getan habt, McGee weiß, dass er es mir sagt.“ Mit diesen Worten drehe ich mich zu meinem Kollegen um, lächle ihn an und füge hinzu: „Irgendwann.“
Mitten in unsere Diskussion platzt eine aufgeregte Direktorin, die sich jedoch nicht weiter zu wundern scheint, dass wir unseren freien Tag im Hauptquartier verbringen. „McGee, Sie müssen per Triangulation ein Handy aufspüren“, gibt sie den Befehl und nennt ihm die Nummer, so dass er sich sofort an seinen Computer setzt. „Steckt DiNozzo in Schwierigkeiten?“, fragt Gibbs sofort, und ich erwidere alarmiert: „Ich hab's gewusst.“ Daraufhin beginnt Jen, die ganze Situation zu erklären: „Die Frau, mit der Tony zusammen ist, Jeanne Benoit, ist La Grenouilles Tochter.“ Wir alle sehen sie erstaunt an, und McGee hakt verwirrt nach: „Er war also im Einsatz?“ Ich kann den Zorn in den Augen des Chefermittlers sehen, als er auf die Direktorin zugeht und betont ruhig fragt: „Hattest du die Absicht, uns das irgendwann mitzuteilen?“ „Wenn es uns zu ihrem Vater geführt hätte, ja“, gibt sie lediglich zurück, worauf er nachhakt: „Und hat es das?“ „Ich weiß es nicht.“ „Sagen Sie uns wenigstens, was Sie wissen, Director?“, fragt Gibbs nun bedeutend aufgebrachter und reservierter, woraufhin sie erwidert: „Tony hat gerade Kontakt aufgenommen, mit dem Handy, das auf seinen Decknamen läuft. Es ist ein vereinbartes Zeichen, das er nur im Notfall benutzen soll, falls er glaubt, seine Tarnung sei aufgeflogen.“ Mein Magen krampft sich immer stärker zusammen, und in mir macht sich die Erkenntnis breit, dass ich auf mein schlechtes Gefühl hätte hören sollen. Verdammt, ich lasse mich doch sonst nicht so einfach von anderen verunsichern, doch Duckys Worte, dass aus mir nur die Eifersucht spricht, hatten mir zu denken gegeben. Die ganzen letzten Monate hatte ich mir Sorgen um meinen Partner gemacht, doch der hat in der Zwischenzeit einen Under-Cover-Auftrag bearbeitet. Ich fasse es einfach nicht, dass er mir das wirklich verschwiegen hat. Nach unserer gemeinsamen Nacht habe ich mir immer wieder Vorwürfe gemacht, dass ich seine Beziehung zerstört haben könnte, dabei ist alles nur eine Lüge. Langsam frage ich mich wirklich, wie weit er dabei gegangen ist und vor allem, wie weit er sich darin verstrickt hat. So wie ich Tony und seinen Hang, in ausweglose Situationen zu geraten, kenne, habe ich Zweifel, dass er dort unversehrt wieder herauskommt.
Seufzend verdränge ich meine Gedanken und folge meinen Kollegen in den Videokonferenzraum, um Tony aufzuspüren. Meine erneuten Anrufe, sowohl auf seinem Diensthandy als auch seinem Under-Cover-Telefon bleiben jedoch erfolglos. Wieder gewinnt das miese Gefühl in meinem Inneren die Oberhand, und ich kann nicht verhindern, dass ich mir allmählich wirklich Sorgen um ihn mache. Wenn La Grenouille seine wahre Identität wirklich kennen sollte, möchte ich mir nicht ausmalen, was er mit ihm anstellt. Ich bezweifle, dass die Tatsache, dass Jeanne ihn liebt, ihren Vater von seinem Vorhaben abhalten würde. Nur am Rande bekomme ich mit, dass McGee vorschlägt, sich in die Straßenüberwachung einzuklinken, doch wenig später sehe ich Tonys Wagen auf dem großen Plasmabildschirm. Verwirrt frage ich mich, was mein Partner jetzt vor hat, doch es scheint nicht so, als würde er verfolgt. Ich habe diese Überlegung noch nicht zu Ende geführt, als meine Kollegen und ich mitansehen müssen, wie das Auto plötzlich explodiert. Ich habe das Gefühl, mein Herz würde stehen bleiben und bin im ersten Moment nicht dazu in der Lage, mich zu bewegen, lediglich sein Name verlässt fast unhörbar, wie ein Hauch, meine Lippen. Es erscheint mir, als würde in diesem einen Bruchteil einer Sekunde mein Inneres auseinandergerissen. Durch meinen Körper läuft ein kaum merkliches Zittern, von dem ich einfach nicht in der Lage bin, es zu unterdrücken. Meine Gedanken rasen chaotisch durch meinen Kopf, so dass ich nicht dazu fähig bin, auch nur einen davon zu ergreifen, geschweige denn festzuhalten.
Die Trance, die bei der Detonation der Bombe von mir Besitz ergriffen hatte, hält auch dann noch weiter an, als wir längst von Tatort zurückgekehrt sind und ich bereits wieder an meinem Schreibtisch sitze. Die Tatsache, dass wir Tonys Dienstausweis und seine beiden Handys in dem ausgebrannten Wrack gefunden haben, lässt meine Hoffnung, dass er nicht in diesem Wagen gesessen hatte, auf ein Minimum zusammenschrumpfen. Mittlerweile kann ich meine Gedanken kaum noch davon abhalten, sich vollkommen zu verselbstständigen, doch schließlich raffe ich mich auf und helfe McGee bei den Ermittlungen. Duckys überraschendes Auftauchen und seine erlösende Nachricht, dass es sich bei der verkohlten Leiche nicht um DiNozzo handelt, kann ich im ersten Moment nicht glauben. Es dauert einige Zeit, bis die Aussage zu meinem Verstand vordringt und ich wirklich realisiere, was dies bedeutet. Nur Minuten später steht Tony dann tatsächlich vor uns, und ich stelle unwillkürlich fest, dass der Stein, der mein Herz in den letzten Stunden unbemerkt umklammert hatte, langsam zu Staub zerfällt. Obwohl ich meine Gefühle wie immer hinter einer dicken Mauer verberge, tobt doch in diesem Moment, als ich ihm in die Augen sehe, ein Wirbelsturm in meinem Inneren, und es gelingt mir nur schwer, nach außen Ruhe zu bewahren. Ich bin so unendlich erleichtert, als ich ihn lebendig aus dem Aufzug steigen sehe, genauso schelmisch grinsend wie immer. So etwas habe ich noch nie zuvor gespürt, niemals war ich so in Panik geraten, auch wenn ich es gut zu verstecken vermag. Dieses Wissen führt mir erneut vor Augen, wie sehr mich Amerika und dieses Team verändert haben, doch ich versuche noch immer, dies zu verdrängen.