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[NCIS] Confessions of a dangerous Mind

AW: [NCIS] Confessions of a dangerous Mind

So, schon geht es weiter.
Viel Spaß!

LG Claudia


Freitag, 09. Mai 2008
Tonys Appartement,
Silver Hill Road, Washington D.C.


Eine Woche konnte so unendlich lang sein, doch ich hatte mir bisher nicht vorstellen können, wie lang fünf Tage, die man allein zu Hause verbringen musste, waren. Noch nie war ich ein Mensch gewesen, der diese Untätigkeit lange ausgehalten hatte, aber gleichzeitig fehlte mir die Energie, um mich meinem erforderlichen Sporttraining zu widmen. Ein einziges Mal war ich in den Park Joggen gegangen, um endlich meinen Kopf frei zu bekommen, hatte sogar den unerträglichen Schmerz in meinem Arm ignoriert. Doch abgesehen von der Tatsache, dass die Schusswunde unangenehm begonnen hatte zu pochen, hatte ich bereits nach einer Viertelstunde aufgegeben, so erschöpft war ich gewesen. Also hatte ich erneut den Platz auf meiner Couch eingenommen, hatte meine Verletzung verflucht und meinen riesigen Fernseher angeschaltet, der sich mittlerweile beinahe im Dauerbetrieb befunden hatte. Stundenlang hatte ich vor dem Monitor gesessen, mir eine DVD nach der anderen angesehen, aber mir war es nicht gelungen, mich auf die Handlung zu konzentrieren. Nicht einmal mein geliebter Magnum hatte verhindern können, dass meine Gedanken wieder und wieder abschweiften, egal wie oft er mit seinem roten Ferrari über den Bildschirm raste.
Trotz meiner körperlichen und seelischen Erschöpfung war es mir nicht gelungen, länger als ein paar Stunden Schlaf zu finden, während die Nacht unendlich zu sein schien. Ich hatte mich wieder und wieder von einer Seite auf die andere gewälzt, doch die Suche nach ein wenig Entspannung war immer mehr zur Qual für mich geworden. Mein Verstand hatte keine Sekunde Ruhe gegeben, ununterbrochen waren meine Gedanken zu meinem Wiedersehen mit Jeanne geschweift und hatten sich nicht davon abhalten lassen, um die Bedeutung ihrer Rückkehr für mich zu kreisen. Noch immer war mein Unterbewusstsein nicht in der Lage gewesen, die Enthüllung ihrer wahren Identität wirklich zu verarbeiten, sodass ich weiterhin versucht hatte, herauszufinden, was dies für mich zu bedeuten hatte. Um endlich wieder schlafen zu können, hatte ich schnell begonnen, mir an jedem Abend mehr als nur ein Glas Rotwein zu gönnen, denn sobald der Alkohol in meinen Kopf gestiegen war, hatte ich endlich abschalten können, zumindest bis zum nächsten Morgen, da meine wirren Gedanken erneut zurückgekehrt waren.
Hatte ich bereits in den vergangenen Monaten die Gesellschaft eines guten Tropfens regelmäßig zu schätzen gelernt, hatte dies in den letzten Wochen noch weiter zugenommen. Wenn ich nicht länger die Kraft hatte, meine Fassade aufrecht zu erhalten, wenn meine Gefühle drohten, mich zu erdrücken, verkroch ich mich und gab mich einmal mehr dem Hochprozentigen hin, der stets griffbereit in meinem Schrank auf mich wartete. Ich weiß nicht, welche Erfahrung es gewesen war, die mich dazu gebracht hatte, weich zu werden und immer den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, vermutlich waren es die Geschehnisse vergangenen Jahre als Ganzes gewesen. Dennoch tat ich es wieder und wieder, auch wenn ich es im Grunde besser wusste, besser wissen müsste. Wie oft sagte man, das man unseren Job, der einem Tag für Tag die Grausamkeit der Menschheit offenbarte, nicht ewig durchhalten würde, aber ich hatte diesen Klischees niemals Beachtung geschenkt. Mittlerweile wurde ich jedoch eines besseren belehrt, auch wenn ich diese Tatsache sogar bis heute weiterhin erfolgreich verdränge, sie einfach nicht wahrhaben will.

So oft und so ausgiebig ich jedoch über meine Situation und meine Gefühle grübelte, gelangte ich dennoch zu keinem Ergebnis, schien einer Entscheidung keinen Schritt näher zu kommen. Alles in meinem Inneren wollte ihr die Chance geben, um die sie mich bat, aber gleichzeitig spürte ich die Angst vor dem erneuten Schmerz, dem erneuten Verlust. Nur mit Mühe war es mir gelungen, die Scherben meines Herzens, die ich, wie ich geglaubt, selbst verursacht hatte, wieder zu kitten. Ich hasste die Tatsache, mich so schwach zu fühlen und war unter keinen Umständen dazu bereit, dies noch einmal durchmachen zu müssen. Nachdem ich nun jedoch wusste, dass ich nicht der Einzige gewesen war, der ein ganzes Jahr lang, und in ihrem Fall sogar noch Monate darüber hinaus, eine Lüge gelebt hatte, konnte ich nicht länger nachvollziehen, ob diese Chance überhaupt noch im Bereich des Möglichen lag. Würden wir einander jemals vertrauen können?
Ich hatte Jeanne in nahezu jedem Augenblick unserer Beziehung vertraut, während ihr von Anfang an klar gewesen war, dass ich nicht der war, für den ich mich ausgegeben hatte. Aus diesem Grund fragte ich mich, ob sie mir jemals geglaubt hatte, ob sie meine Empfindungen, mein Liebesgeständnis für das gehalten hatte, was sie gewesen waren, die Wahrheit, während ich noch immer nicht genau wusste, ob ich den ihren tatsächlich vertrauen konnte. Doch konnte ein Neuanfang, eine zweite Chance, tatsächlich funktionieren? So oft ich mir diese Frage auch stellte, konnte ich dennoch nicht glauben, dass wir jemals von vorn beginnen und ein normales Paar werden würden. Die Zweifel an einem neuen Glück mit ihr wuchsen in meinem Inneren immer weiter, egal wie sehr ich mich nach ihr sehnte, konnte ich diese nicht ausblenden. Wenn ich mich nun mit dem Wissen um ihre wahre Identität ein zweites Mal auf sie und diese Beziehung einlassen würde, konnte dies lediglich in einem Desaster enden.
Das Wiedersehen mit ihr hatte mir jedoch gleichzeitig verdeutlicht, dass ich sie noch immer vermisste, dass sie noch immer nicht aus meinen Gedanken verschwunden war, auch wenn ich versucht hatte, sie daraus zu verbannen. Bereits seit Tagen kämpften in meinem Inneren mein Herz und mein Verstand einen aussichtslosen Kampf, den keiner von beiden gewinnen konnte. Die Monate nach dem Ende unserer Beziehung waren so schwer für mich gewesen, dass ich vernünftig sein wollte, aber dazu liebte ich sie noch immer zu sehr. Mittlerweile fehlte mir die Kraft, mich gegen meine Gefühle zu wehren, ich wollte nur ein wenig Ruhe, und wenn ich diese lediglich für ein paar Minuten haben könnte. Doch wenn ich mich nicht mit Hilfe des Alkohols buchstäblich in den Schlaf trinken würde, könnte ich wohl nicht einmal in der Nacht die ersehnte Entspannung finden.
Langsam bekam ich den Eindruck eines Déjà-Vus, hatte sich die erste Zeit nach unserer Trennung in genau dieser Weise abgespielt. Erneut wich ich meine Problemen aus, anstatt mich mit ihnen auseinander zu setzen und endlich eine Entscheidung zu treffen, aber dies fiel einfach zu schwer. Es war schon eine seltsame Ironie, dass ausgerechnet die Tatsache, dass Jeanne in mein Leben zurückzukehren schien, eine Wiederholung dieser Dinge verursachte. Damals hatte ich nur mit großer Mühe in mein altes Leben zurückgefunden, war die junge Frau doch zu diesem Zeitpunkt zu meinem Halt, zu meinem festen Bezugspunkt geworden. Ohne meine Freunde, meine Familie wäre mir dies wahrscheinlich nicht gelungen, denn sie hatten mir trotz all meiner Lügen beigestanden. Hatte ich anfangs noch befürchtet, dass sie mir diese monatelange Geheimniskrämerei nicht verzeihen konnten, wurde ich schließlich eines besseren belehrt. Obwohl Gibbs mir eine Lehre erteilt hatte und vor allem Ziva einige Zeit geschmollt hatte, hatten all meine Kollegen zu mir gestanden.

Der schrille Ton der Türklingel riss mich aus meinen Nerven zehrenden Gedanken, sodass ich, trotz der späten Stunde, froh über die damit verbundene Ablenkung war. Als ich mich von meiner Couch erhob, entfuhr mir ein gequältes Stöhnen, denn wieder einmal hatte ich meinen bandagierten Arm vergessen, der jede unbedachte Bewegung mit Schmerzen rächte. Die Medikamente, die Ducky mir gegeben hatte, nachdem er die Schusswunde desinfiziert und verbunden hatte, lagen unberührt in der obersten Schublade meiner Kommode, neben meiner Waffe. Obwohl ich diese Qualen nur schwer ertrug, was ich niemals zugeben würde, vor allem nicht vor meinen Kollegen, lenkten sie mich doch ein wenig von meinen Überlegungen ab, die ohnehin zu keinem Ergebnis führen würden. Es gab Augenblicke, in denen ich mich förmlich darauf konzentrierte, in denen ich dieses Gefühl des Schmerzes geradezu heraufbeschwor, um alles andere zu vergessen. Ich wusste, dass ich eine Entscheidung treffen musste, dass ich mich dem nicht entziehen konnte, aber je mehr ich mich unter Druck setzte, umso schwieriger wurde es.
Doch nun freute ich mich über die Aussicht auf einen Besucher und hoffte, nicht in wenigen Sekunden einen Vertreter vor mir zu sehen, denn dieser würde mit Sicherheit in Zukunft einen großen Bogen um dieses Haus machen. Als ich zur Tür schlurfte, warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel im Flur und musste bei meinem Anblick innerlich den Kopf schütteln. Meine Haare standen genauso wirr zu Berge, wie die Gedanken durch meinen Kopf spukten, während meine Jogginghose und mein Shirt mittlerweile stark zerknittert waren. Unter meinen Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab, die von den durchwachten Nächten erzählten, in denen ich die Stunden verzweifelt damit zugebracht hatte, abzuschalten und ein wenig Ruhe zu finden. Ich verdrängte diese Überlegungen entschieden, denn wer auch immer vor meiner Tür stand, würde sich wohl kaum darüber beschweren.
Nachdem das Klingeln mich erneut aufschreckte, beeilte ich mich, meinem Besucher zu öffnen, sodass ich unvermittelt in die braunen Augen meiner Partnerin blickte. Sie vor mir zu sehen, hatte ich nicht erwartet, aber ich hätte damit rechnen müssen, dass ihre Neugier sie früher oder später vor meine Tür treiben würde. Ich konnte verstehen, dass meine ewigen Lügen sie damals verletzt hatten, hatte sie dadurch doch glauben müssen, dass ich ihr nicht vertraut hatte. Dennoch fragte ich mich bereits seit längerer Zeit, warum sie sich permanent Sorgen um mich gemacht hatte, was sie dazu gebracht hatte, zu glauben, dass ich erneut an Lungenpest erkrankt war. Gut, ich musste zugeben, dass meine ständigen geheimnisvollen Telefonate mit dem Krankenhaus sie hatten auf diesen Gedanken bringen müssen. Aber vermutlich hatte ich diese Tatsache einfach verdrängt und nicht verstanden, dass sie lediglich die Beruhigung gebraucht hatte, dass es mir gut gegangen war. Immer wieder hatte mich in den vergangenen Monaten deswegen das schlechte Gewissen geplagt, aber mittlerweile wusste ich, dass unser Vertrauen wiederhergestellt war.

Der Blick, der mir in diesem Moment begegnete, war nahezu undefinierbar, doch ich glaubte, einen Funken Sorge in ihren Augen zu lesen. Doch diese Tatsache löste in meinem Inneren ein warmes Gefühl aus, denn mir wurde wieder einmal bewusst, wie gut es tat, Freunde zu haben. Normalerweise war ich nicht begeistert, wenn Menschen sich zu sehr für meine Angelegenheiten interessierten, aber heute kam mir ihr Besuch gerade recht. Auch wenn ich ihr Auftauchen lediglich dazu benutzte, meiner Entscheidung entfliehen zu können, dachte ich dennoch nicht weiter darüber nach, sondern erfreute mich einfach an dieser Ablenkung. Ich schenkte ihr ein freundliches Lächeln, bevor ich zur Seite trat, um sie in mein Appartement zu lassen und erklärte: „Schön, dich zu sehen, Ziva. Vielleicht kannst du meine Langeweile vertreiben.“ Als Antwort erhielt ich lediglich ein selbstsicheres Grinsen, ehe sie mich wortlos stehenließ und zielstrebig mein Wohnzimmer durchquerte, wo sie es sich auf der Couch gemütlich machte.
Nur mit Mühe verkniff ich mir ein Lachen, als ich sie so selbstverständlich und abwartend dort sitzen sah, ehe ich die Tür schloss und ihr dann folgte. Unwillkürlich stieg mir der Duft der frischen Pizza in die Nase, die auf dem Tisch abgestellt hatte und mir verdeutlichte, wie leer mein Magen mittlerweile war, der wie auf Kommando ein unüberhörbares Knurren von sich gab. Sie musste keine Hellseherin sein, um zu wissen, dass ich seit Tagen nicht mehr richtig gegessen hatte und nun alles für eines meiner Leibgerichte tun würde. Immerhin kannte sie mich gut genug, um zu verstehen, dass ich stets gern und reichlich aß, doch sobald ich von Problemen gequält wurde, schmeckte mir auch das beste Mahl nicht mehr. Nach den Tagen, die ich nun angestrengt grübelnd und unfreiwillig fastend in meiner Wohnung verbracht hatte, war ich nun jedoch bereit, dies für einige Zeit zu vergessen und ihre mitgebrachten Köstlichkeiten zu genießen.
Ich ging in die Küche, um zwei Gläser und eine Flasche Rotwein, die schon als Schlaftrunk auf dem Schrank bereitstand, zu holen und schenkte uns ein. Nachdem ich ihr eines gereicht hatte, ließ auch ich mich auf dem Sofa nieder, lehnte mich seufzend in den Polstern zurück und trank die dunkle Flüssigkeit in einem Zug aus. Als ich das Glas unsanft auf dem Tisch abstellte, um dieses erneut zu füllen, konnte ich ihren prüfenden Blick in meinem Rücken spüren, doch wider Erwarten schwieg sie. Stattdessen erhob sie sich, bevor die angespannte Stille uns erdrückte, und ging zu meinem überdimensionalen DVD-Regal, wo sie durch meine Sammlung stöberte, bis sie einen Film fand, der ihr zu gefallen schien. Mit einem Griff schob sie diesen in den Player, ließ sich dann erneut neben mir nieder und fasste nach der Fernbedienung, um den Film zu starten. Bereits als die ersten Bilder über den Bildschirm flimmerten, zog ich verwundert die Augenbrauen nach oben und blickte meine Partnerin fragend an, die grinsend erklärte: „Ich dachte, du könntest ein wenig Aufheiterung gebrauchen. Und du sagst mir doch immer, dass dies ein Klassiker ist, den ich unbedingt endlich sehen muss, um euch Amerikaner zu verstehen.“ Nur mit Mühe verkniff ich mir ein Lachen, denn die Tatsache, dass sie mit mir tatsächlich 'James Bond jagt Dr. No' ansehen wollte, zeigte mir, dass sie mit allen Mitteln versuchte, mich aufzumuntern.

In den letzten Jahren hatte ich meine Kollegen, vor allem Ziva, beinahe Tag für Tag mit meinen Filmvergleichen und Zitaten genervt, sodass ich gedacht hatte, sie hatte jedes Mal sofort abgeschalten. Doch stattdessen hatte sie meinen ständigen Begeisterungsstürmen tatsächlich zugehört und sich diese scheinbar auch noch gemerkt. Oft genug hatte ich davon geschwärmt, dass Sean Connery, der beste 007 und Ursula Andress das heißeste Bond-Girl aller Zeiten gewesen war. Aus diesem Grund war genau dieser Film die beste Taktik, um mich auf andere, auf bessere Gedanken zu bringen, sodass ich ein riesiges Stück Pizza nahm und mich dann entspannt zurück lehnte. Mein Wohnzimmer war in ein freundliches Licht getaucht, das durch das Panoramafenster ins Innere drang und meine Möbel in ein warmes orange färbte. Ein Blick nach draußen zeigte die Hektik, die Washington noch immer in Atem hielt, von der man in meinem Appartement jedoch nichts mehr spürte. Diese Räume waren mein Zufluchtsort, an den ich mich stets zurückziehen konnte, egal wie chaotisch, wie nervenaufreibend die Stadt da draußen wieder einmal war.
Nur zu gern ließ ich es zu, in die fremde Welt auf dem Bildschirm abzutauchen, ließ mich von meinem heimlichen Helden förmlich mitreißen. Schon immer hatte ich sein wollen wie James Bond, vermutlich war dies auch einer der Gründe gewesen, dass ich mich dem Polizeidienst verschrieben hatte. Aber natürlich waren es auch die tollen Spielzeuge gewesen, die er stets zur Verfügung gehabt hatte und die mich von Anfang an fasziniert hatten. Ich liebte meinen Job als Bundesagent, doch ein paar dieser technischen Geräte würden meinen Arbeitsalltag mit Sicherheit noch besser machen. Aber wahrscheinlich wäre Gibbs dann endgültig aufgeschmissen, hatte er doch schon Mühe, sein Handy zu benutzen, von einem PDA gar nicht zu reden. Mein Boss war eben noch ein Ermittler der alten Schule, dem ich gern und oft nacheiferte, immerhin war er eine Art Mentor für mich, auch ohne eine C4-Granate, getarnt als Kugelschreiber oder ein Feuerzeug mit integrierter Kamera.
 
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AW: [NCIS] Confessions of a dangerous Mind

Es hat ein wenig länger gedauert, aber es geht weiter.
Viel Spaß mit dem neuen Teil.

LG Claudia


Je weiter der Film voranschritt, desto stärker konnte ich spüren, wie die Anspannung langsam von mir abfiel, wie ich begann, die Geschehnisse der vergangenen Tage zu vergessen. „Mein Name ist DiNozzo. Tony DiNozzo“, erklärte ich mit dunkler Stimme, synchron mit dem charismatischen Briten auf dem Bildschirm, sodass neben mir ein unterdrücktes Lachen erklang. Meine Partnerin hatte mich dazu gebracht, meine Ausgelassenheit zurück zu erlangen, obwohl ich ihr damit unweigerlich erneut auf die Nerven gehen würde. Doch ich konnte mich einfach nicht zurückhalten, geriet förmlich in Fahrt, als ich begann, einen meiner ausschweifenden Filmvorträge von mir zu geben: „1962 kam der Film zum ersten Mal in die Kinos. Damals fuhr James Bond noch einen blauen Alpine Roadster. Obwohl ich dann doch den Aston Martin DB5 bevorzuge, den Sean Connery in 'Goldfinger' fuhr. Raketenwerfer, Schleudersitz, eine ausfahrbare Panzerplatte vor der Heckscheibe...“ Ich wusste, dass sie sich nur mit Mühe einen bissigen Kommentar oder eine Kopfnuss verkniff, aber wenn ich erst in meinem Element war, konnte mich ohnehin so gut wie nichts aufhalten.
Langsam begann ich, mich besser zu fühlen, mein Magen war zum ersten Mal seit Tagen wieder gut gefüllt, der Wein verursachte eine gewisse Leichtigkeit in meinem Körper, und auf meinem Fernseher lief einer der besten Filme. Was konnte Mann sich denn noch mehr wünschen? Außerdem trug auch der Umstand, dass meine Partnerin neben mir auf dem Sofa saß, dazu bei, dass ich mich mehr und mehr entspannte, während meine chaotischen Gedanken nicht mehr ununterbrochen in meinen Kopf vorherrschten. Obwohl ich wusste, dass ich Ziva die Wahrheit nicht erzählen durfte, arbeiteten die Agenten der CIA doch stets im Verborgenen, gab mir die Möglichkeit, es zu können, ein gutes Gefühl. Die Tatsachen, die Jeanne mir offenbart hatte, nagten noch immer an mir, aber an diesem Abend wollte ich nicht länger darüber brüten, wollte nur ein paar Stunden abschalten und dies alles vergessen. Auch wenn es am nächsten Tag noch weiterhin präsent sein würde, hatte ich noch genug Zeit, um darüber nachzugrübeln und eine Entscheidung zu treffen. Mein innerer Kampf, das Herz gegen den Verstand, verlangte endlich nach einem Ergebnis, das ich jedoch noch nicht im Stande war zu finden.

„Tony.“ Die mir so vertraute Melodie schallte aus den Lautsprechern, während der Abspann über den Bildschirm flimmerte und die leise Stimme meiner Kollegin meine Aufmerksamkeit auf sich zog. „Was ist los mit dir?“, hakte sie unvermittelt nach, ohne Rücksicht auf meinen Gemütszustand zu nehmen, aber Feingefühl und Zurückhaltung gehörten nun einmal nicht zu ihrem Wesen. Dennoch konnte ich mir ein Grinsen über ihre Direktheit nicht verkneifen, auch wenn ich nicht mit ihr darüber reden wollte, nicht darüber reden konnte. Ich hatte noch nicht einmal selbst wirklich verstanden, was Jeanne mir vor nunmehr einer Woche offenbart hatte, geschweige denn dass ich damit umzugehen wusste. Doch ich war mir über die Tatsache im Klaren, dass ich sie in Gefahr bringen würde, sollte ich ihr Geheimnis verraten, nicht ohne Grund hielten CIA-Agenten ihre Identität stets geheim. Auch wenn ich Ziva vertrauen konnte, denn sie würde die Wahrheit unter allen Umständen für sich behalten, konnte ich ihr diese nicht offenbaren. Egal wie sehr es mich in meinem Inneren zerriss, durfte ich nicht darüber sprechen, was mich beschäftigte, obwohl ich wusste, dass sie vermutlich nicht lockerlassen würde.
Aus diesem Grund schüttelte ich lediglich schweigend den Kopf, sodass sie aufgebracht fragte: „Vertrauen wir uns jetzt überhaupt nicht mehr?“ Ich konnte ihre Reaktion verstehen, schließlich hatte ich sie lange genug angelogen, und sie war noch immer meine Partnerin, auf die ich mich blind verlassen konnte und in deren Hände ich mein Leben legen würde. Vielleicht würde ich ihr eines Tages die Wahrheit sagen, aber zuerst musste ich mir selbst darüber klar werden, was ich wollte und ob ich Jeanne eine zweite Chance geben wollte, geben konnte. Ohne einen Ton von mir zu geben, blickte ich ihr unbeirrt in die Augen, hoffte, dass sie mich verstehen würde, dass sie verstehen würde, dass ich einfach nicht darüber sprechen konnte, noch nicht. Stattdessen erklärte ich lediglich: „Es tut mir leid, Ziva“ „Was? Dass du mich eiskalt genannt hast?“ Wir arbeiteten eindeutig schon viel zu lange zusammen, denn dass sie in meinen wirren Worten einen Sinn sehen konnte, zeigte, dass sie mich besser kannte als ich mich vermutlich selbst.
Zuerst antwortete ich lediglich mit einem bestimmten Nicken, ehe ich jedoch hinzufügte: „Das war die Kälte der Pathologie, der Geruch des Todes, der Alkohol.“ „Du weißt, dass das nicht wahr ist, Tony. Wem willst du damit etwas vormachen?“ Im Grunde wusste ich selbst, dass meine Worte eine Lüge waren, dass ich sie nicht einmal selbst glaubte, wie sollte sie es dann tun? Vermutlich suchte ich nur nach einer Ausrede, die ich jedoch nicht finden würde, sodass ich schließlich zugab: „Du hast Recht. Es waren meine Selbstvorwürfe. Sie haben mich regelrecht aufgefressen. Und du warst so gefühllos, als würde ihr Tod für dich überhaupt nichts bedeuten. Das hat mich so wütend gemacht.“ Mit einem leisen Seufzen auf den Lippen rückte sie näher, griff nach meiner Hand, ehe sie mit kaum wahrnehmbar zitternder Stimme erwiderte: „Jenny fehlt mir auch, Tony. Mehr als du denkst.“ „Das weiß ich“, nickte ich zustimmend, doch da war noch immer dieses Gefühl, das mich einfach nicht mehr loslassen wollte, das verhinderte, dass meine Schuldgefühle endlich verstummten. „Aber ich war derjenige, der sie hat sterben lassen.“ Obwohl ich wusste, dass meine Worte ihren Zorn schüren würden, musste ich sie aussprechen, denn ich konnte nichts dagegen tun, dass ich derart empfand.
„Geht es darum? Deine Unaufmerksamkeit am Tatort? Waren es immer noch deine Schuldgefühle am Tod der Direktorin?“, fragte sie mich unerwartet ruhig, im Gegenteil eher ein wenig verwundert, sodass ich bestimmt entgegnete: „Nein, das war es nicht.“ Ich fühlte, dass mein Schweigen ihre Geduld zunehmend strapazierte, aber ich konnte ihr nicht offenbaren, was mich bereits seit Tagen beschäftigte. „Was dann?“, hakte sie nach, während ihre Stimme verriet, dass sie meine Ausflüchte nicht länger dulden würde, doch ich wich ihr erneut aus: „Das ist kompliziert.“ „Diesen verdammten Satz habe ich in den letzten beiden Jahren viel zu oft von dir gehört. Unser Vertrauen ist wohl stärker beschädigt, als ich geglaubt habe.“ Wie sie diese Worte aussprach, konnte ich ihren wachsenden Zorn förmlich spüren, doch ich blieb weiterhin stumm, denn im Grunde hatte sie, so ungern ich es auch zugab, mit ihren Vorwürfen Recht. Nachdem ich nicht darauf antwortete, seufzte sie kaum hörbar, bevor sie begann, ihre Gedanken in Worte zu fassen: „Vielleicht steht noch immer zwischen uns, was damals geschehen ist. Wir haben nie wirklich darüber gesprochen, was in dieser einen Nacht...“
„Ziva, nein“, versuchte ich bestimmt, sie zu stoppen, was ich mit einem nachdrücklichen Kopf schütteln unterstrich, doch sie setzte erneut an, sodass ich abwehrend meine Hand hob, um sie zum Verstummen zu bringen. Bisher hatte ich gedacht, dass sie nicht zu jenen Menschen gehörte, die stets alles ausdiskutieren mussten, aber scheinbar hatte ich mich in diesem Punkt getäuscht. Im Grunde war auch sie nur eine Frau, obwohl sie sicher nicht erfreut wäre, dies zu hören, vor allem nicht aus meinem Mund, ließ sie sich doch nicht gern mit den, in ihren Augen, hirnlosen jungen Dingern vergleichen, die ich sonst traf, die ich früher getroffen hatte, bevor dieses ganze Drama seinen Anfang nahm. Dennoch hatte sie ein Recht auf eine Erklärung, auch wenn ich der Meinung war, dass man dies nicht aussprechen musste, sodass ich schließlich hinzufügte: „Es gibt nichts, worüber wir reden müssen. Ich war betrunken und hätte alles getan, um Jeanne zu vergessen.“
Unvermittelt breitete sich eine eisige Stille in dem Raum aus, dass ich glaubte, die Anspannung zwischen uns förmlich spüren zu können. Doch diese Worte hatten meine Lippen verlassen, noch ehe ich mir über ihren Sinn im Klaren war, während ich betroffen registrierte, wie meine Partnerin scharf Luft holte. „Sehr schmeichelhaft, DiNozzo“, erwiderte sie beinahe emotionslos, aber ich wusste und spürte, dass ich sie mit meiner Aussage verletzt hatte, auch wenn sie dies wohl nicht einmal vor sich selbst eingestehen würde. Es war nun einmal menschlich, so zu empfinden, und meine Partnerin war seit ihrer Zugehörigkeit zu unserem Team schon lange keine gefühlskalte Killerin mehr, die Aussagen wie diese ohne eine Gefühlsregung weg steckte. Dennoch lag in meiner Äußerung mehr als nur ein Körnchen Wahrheit, sodass ich bestimmt hinzufügte: „Du hast doch nur aus Mitleid mit mir geschlafen. Du musst es nicht abstreiten, Ziva. Schließlich wollte ich es nicht anders.“

Ich wusste, dass ich mit meiner Äußerung richtig lag, auch wenn neben ihrem Mitleid und meinem wieder einmal übermäßigen Alkoholgenuss auch die körperliche Anziehungskraft zwischen uns und eine gehörige Portion Leidenschaft eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hatten. Sie musste nicht auf meine Aussage reagieren, denn auch ohne ihre Antwort war mir klar, was sie dachte und wie sie sich in diesem Moment fühlte. Im Grunde war ich derjenige gewesen, der ihre Sorge, ihr Mitgefühl ausgenutzt hatte, um zu bekommen, was ich gewollt hatte, Jeanne um jeden Preis vergessen. „Es tut mir leid.“ Diese Worte kamen über meine Lippen, ohne dass ich mir wirklich im Klaren darüber war, doch ich musste sie loswerden, denn diese Entschuldigung schuldete ich ihr. Obwohl sie nicht in mich verliebt war, hatte ich dennoch ihre Gefühle verletzt, in dieser Situation mit ihr geschlafen zu haben und vor allem dies aus dem falschen Grund zu tun.
Ziva schüttelte schweigend den Kopf als Zeichen, dass diese Nacht nicht zwischen uns stehen würde, aber gleichzeitig spürte ich, dass sie dieses Thema nun lieber vergessen wollte, auch wenn sie diejenige gewesen war, die es begonnen hatte. Deshalb ließ ich diesen Teil unserer Vergangenheit nur zu gern ruhen und konzentrierte mich stattdessen auf etwas, das mich schon lange beschäftigte, das ich jedoch bisher nicht ansprechen wollte. Aber die Umstände, die sich in letzter Zeit entwickelt hatten und die Richtung, die mein Leben möglicherweise dabei war, einzuschlagen, brachten mich dazu, dies endlich anzusprechen, hatten mich bisher doch nur meine eigenen Gefühle davon abgehalten. Schon oft hatte ich mich gefragt, was damals wirklich in ihr vorgegangen war, warum sie sich verhalten hatte, wie sie sich verhalten hatte, aber noch nie hatte ich diese Frage tatsächlich ausgesprochen. Auch wenn sie vermutlich nie den Eindruck gewonnen hatte, war ihre Sorge um mich nicht spurlos an mir vorbei gegangen, hatte mir in gewisser Weise das Gefühl gegeben, ihr wichtiger zu sein, als ich in meiner Zeit als Teamleiter geglaubt hatte.

„Du hast Jeanne nie gemocht.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, doch sie brachte Ziva dazu, mich überrascht und gleichzeitig prüfend anzublicken. Ich konnte die Antwort in ihren Augen lesen, bevor sie schließlich den Kopf schüttelte und leise erwiderte: „Nein.“ Für einen Moment glaubte ich, Bedauern aus diesem einen Wort heraus zu hören, doch ich wusste nicht genau, weshalb sie so empfand. Bereute sie, ihr niemals eine Chance gegeben zu haben, weil sich mich dazu gebracht hatte, mich so stark zu verändern? Oder war es lediglich das Mitleid, das sie spürte, weil ich den Menschen verloren hatte, den ich wirklich geliebt hatte? Auch dafür fand ich keine Erklärung, aber ich musste wissen, was sie dazu bewegt hatte, meine Freundin von vornherein derart abzulehnen, denn darüber, dass es nicht die Eifersucht gewesen war, wie ich ihr vorgeworfen hatte, die sie so hatte reagieren lassen, war ich mir im Klaren.
Aus diesem Grund begann ich, nachzuhaken, denn ich wusste, dass sie mir heute nicht ausweichen würde: „Warum? Du kanntest sie doch nicht einmal. Weil wir uns durch sie voneinander entfernt haben?“ Doch ich wurde enttäuscht, denn sie zuckte lediglich mit den Schultern und gab einsilbig zurück: „Vielleicht. Aber das ist unwichtig.“ Diese Aussage verwirrte mich, den nun fragte ich mich nach dem Grund, aber anstatt weiter zu sprechen, hielt meine Partnerin in ihrer Erklärung inne, schien nach den richtigen Worten zu suchen. Während ich überlegte, was sie mir damit sagen wollte, dachte ich darüber nach, warum ich das Bedürfnis hatte, endlich zu erfahren, warum Ziva damals so abweisend gewesen war, sobald Jeanne ins Gespräch kam. Doch sie ist nicht nur meine Kollegin und meine Freundin, sodass ich vermutlich hoffte, von ihr eine Antwort zu erhalten, die mir meine Entscheidung ein wenig leichter machen würde.
Nachdem ich einige Zeit in meinen Gedanken versunken war, weckte ihre Stimme erneut meine Aufmerksamkeit, um erstaunt ihren Worten zu lauschen: „Sie weiß mittlerweile sehr genau, wer du bist. Und dass du niemals Anthony DiNardo sein kannst und wirst. Auch für sie nicht. Trotzdem ist sie zu dir zurückgekehrt.“ Sie brachte das auf den Punkt, worüber ich mir seit Tagen ununterbrochen den Kopf zerbrochen hatte, ohne auch nur einen einzigen Schritt weiter zu kommen. Aus ihrem Mund klang es plötzlich so einfach, als könnte ich angesichts dieser Feststellung meine Entscheidung treffen, doch das war es leider nicht. Wenn sie die Wahrheit kennen würde, die Jeanne mir offenbart hatte, würde sie vielleicht anders darüber denken, aber im Grunde konnte ich mir darüber nicht nicht im Klaren sein und würde es wohl auch nie erfahren. Die Frage war, ob es mir tatsächlich helfen würde, wenn Ziva über ihre wahre Identität Bescheid wüsste, denn ich hatte das Gefühl, dass sie ihre Vorurteile nicht würde verbergen können.
Aber eigentlich war es vollkommen egal, sodass ich mir nicht den Kopf über Dinge zerbrechen sollte, die ich ohnehin nicht beeinflussen konnte. Stattdessen gab es wichtigere Fragen, die es galt zu beantworten, sodass ich ein wenig verwirrt nachhakte: „Noch vor einem Jahr hast du genau das Gegenteil behauptet. Was hat diesen Sinneswandel verursacht?“ Ein leises Seufzen rann über ihre Lippen, während sie mich nachdenklich anblickte, beinahe als müsste sie nach einer Erklärung suchen, die sie zu dieser Überzeugung gebracht hatte. „Ich habe sie gesehen, Tony“, begann sie schließlich und fuhr nach einigen Sekunden fort: „Als sie auf dich gewartet hat, war ihre Unsicherheit beinahe greifbar. Ich glaube, sie ist deinetwegen zurückgekommen. Ich weiß, dass du Angst davor hast, dich noch einmal auf sie einzulassen und sie vielleicht wieder zu verlieren. Aber wenn du das Risiko nicht eingehst, wirst du es irgendwann bereuen.“
 
AW: [NCIS] Confessions of a dangerous Mind

Ich weiß, ich habe euch warten lassen.
Aber hier kommt endlich der neue Teil.
Viel Spaß!

LG Claudia


Wieder einmal erkannte ich, dass Ziva mich besser kannte als jeder andere, dass sie vermutlich besser verstand, was in mir vorging, als ich selbst es bisweilen tat. Dennoch erschienen mir ihre Worte so viel einfacher, als es tatsächlich für mich war, aber gleichzeitig schien sie zu wissen, wovon sie sprach. Ich erinnerte mich noch gut daran, als sie sich in den todkranken Navy Lieutenant verliebt und wie sein Verlust ihr zu schaffen gemacht hatte. Sie hatte ihre Gefühle zugelassen, obwohl sie von vornherein gewusst hatte, dass die Ärzte ihn nicht hatten retten können. Konnte man diesen Schmerz für die Liebe in Kauf nehmen, auch wenn nur wenige glückliche Momente blieben? Wäre Jeanne für mich noch immer eine einfache Assistenzärztin, würde ich diese Frage vermutlich, ohne auch nur einen Moment zu zögern, bejahen. Doch die Tatsache, dass auch sie nicht die Frau war, für die ich sie gehalten hatte, brachte mich dazu, meine Suche nach einer Entscheidung davon abhängig zu machen. Gleichzeitig hatte ich jedoch lange Zeit gehofft, sie könnte über meine falsche Identität hinwegsehen, könnte meine Lügen vergessen und mir eine zweite Chance geben.
Meine Partnerin schien, meine Unsicherheit, meinen Kampf mit mir selbst zu spüren, sodass sie nachhakte: „Was beschäftigt dich noch, DiNozzo? Hinter ihrer Rückkehr steckt doch mehr, als du bisher zugegeben hast. Was verschweigst du mir?“ Nur mit Mühe verkniff ich mir ein müdes Lachen, wurde mir doch dadurch klar, dass diese Unterhaltung jene Wendung nahm, die Gespräche mit ihr in den vergangenen beiden Jahren immer öfter genommen hatten. Sie wusste wieder einmal, dass es etwas gab, das ich vor ihr verbarg, da half es mir auch nicht, dieser Frage auszuweichen: „Das ist nicht so einfach, Ziva.“ Beinahe die gleichen Worte hatte ich damals verwendet, als sie mich nach meiner Freundin gefragt hatte, aber ich wusste, dass sie auch heute nicht würde lockerlassen. „Dann mach es für mich einfach! Ich will dich nämlich gern verstehen“, erwiderte sie aufgebracht, doch so gern ich ihr die Wahrheit sagen wollte, hielt mich die Sorge um Jeannes Sicherheit davon ab, sodass ich den Kopf schüttelte und kaum hörbar zurückgab: „Ich kann nicht.“
„Ich dachte, die Zeit der Lügen zwischen uns wäre vorbei. Anscheinend habe ich mich geirrt.“ Die Enttäuschung war aus diesen Worten deutlich heraus zu hören, aber ich konnte es ihr nicht verübeln, würde ich doch mit Sicherheit ähnlich empfinden, würde sie mir etwas verschweigen. In unserem Job musste man einander blind vertrauen, aber seit Jeanne in mein Leben getreten war, hatte ich diese Regel immer stärker vernachlässigt und begann seit ihrer Rückkehr erneut damit. Meine Partnerin hatte sich abrupt umgedreht, um diese in ihren Augen sinnlose Konversation zu beenden, sodass ich ihr nun folgte und sie bat: „Ziva, bitte warte!“ Die Hand bereits auf der Klinke liegend, wandte sie sich erneut zu mir um und blickte mir ernst in die Augen, während sie weiterhin schwieg. Sie schien, auf eine Erklärung von mir zu warten, doch auch ich blieb stumm, wusste ich doch nicht, wie ich ihr meine Situation begreiflich machen sollte, ohne mich zu offenbaren. Ich nahm ihr leises Seufzen wahr, bevor sie eindringlich erwiderte, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen: „Hör darauf, was dein Herz dir sagt, Tony!“

Ihre Worte überraschten mich, denn diese einfühlsame Seite schien überhaupt nicht zu ihr zu passen, folgte sie doch normalerweise eher ihrem Kopf, so wie sie es während ihrer Ausbildung beim Mossad gelernt hatte. Doch die Jahre, die sie in Amerika, in unserem Team verbracht hatte, hatten sie verändert, hatten im Grunde einen anderen Menschen aus ihr gemacht. Auch sie hatte schmerzlich erfahren müssen, was es bedeutete, jemanden zu verlieren, der in ihrem Leben wichtiger gewesen war, als sie es jemals erwartet hatte. Obwohl sie diesen Mann nur wenige Tage gekannt und viel zu kurze Zeit mit ihm verbracht hatte, hatte dies ausgereicht, um die Gefühle, die sie stets tief in ihrem Inneren verborgen hatte, an die Oberfläche drängen zu lassen. Es hatte mir nicht zugestanden, darüber zu urteilen, vor allem da ich mich zu diesem Zeitpunkt selbst in einen Menschen verliebt hatte, den ich nicht hatte lieben dürfen. Aber genau diese Tatsache hatte mir gezeigt, dass Dinge wie diese einfach passierten, egal ob man daran glaubte oder ob man diese überhaupt wollte, sie ließen sich nicht verhindern und würden es auch niemals.
Nun war es wieder so gekommen, Jeanne war unvermittelt nach Washington und in meinen Leben zurückgekehrt und hatte dieses mit ihrem erneuten Auftauchen vollkommen auf den Kopf gestellt. Die Gefühle, die ich geglaubt hatte, endlich überwunden zu haben und vergessen zu können, waren plötzlich wieder präsent, ohne dass ich hätte etwas daran ändern können. Wahrscheinlich wollte ich dies im Grunde auch nicht, aber gleichzeitig wünschte ich mir dennoch, niemals die Wahrheit erfahren zu haben und damit von ihr vor die Wahl gestellt worden zu sein. Der Tatsache, dass ich sie noch immer liebte, war ich mir bei unserem Wiedersehen schlagartig gewahr geworden, doch ob ich ihren Beteuerungen Glauben schenken konnte, wusste ich nicht. Ich hatte nicht erwartet, dass Ziva mir zu dieser Entscheidung raten würde, hatte sie die junge Frau doch niemals wirklich gemocht, und nun war sie es, die mir den letzten Anstoß zu geben schien, den ich brauchte. In meinem Inneren hatte ich von Anfang an in dieser Weise handeln wollen, lediglich meine Angst vor ihrem erneuten Verlust hatte mich davon abgehalten.
Noch immer blickte sie mir unbeirrt in die Augen, schien auf eine Reaktion von mir zu warten, aber ich war weiterhin dabei, mir darüber klar werden zu wollen, was ich tun sollte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich schließlich langsam nickte und erklärte: „Vielleicht hast du Recht, Ziva, und ich sollte mir nicht so viele Gedanken machen, was passieren könnte. Immerhin hätte ich mir vor einem Jahr nichts sehnlicher gewünscht, als eine zweite Chance.“ Auf ihrem Gesicht bildete sich nach meiner Aussage ein zufriedenes Grinsen, kam es doch nicht sehr oft vor, dass ich ihr ohne Vorbehalte zustimmte. „Wenn du ehrlich bist, hat sich an diesem Wunsch nichts geändert. Doch diesmal wirst du deinen Neuanfang als der Mensch bekommen, der du bist. Anthony DiNozzo.“ Vielleicht würde es tatsächlich funktionieren, aber egal wie lange ich auch darüber nachdachte, würde ich es nie erfahren, wenn ich dieses Risiko nicht einging. Nun da keine Lügen mehr zwischen uns standen, gab es keinen Grund für mich, warum ich Jeanne nicht die Antwort geben sollte, die sie hören und die ich ihr geben wollte.

Mit einem kurzen Nicken wandte sie sich schließlich ab und drückte die Klinke nach unten, um die Tür zu öffnen und mich erneut mir selbst und meinen Gedanken zu überlassen. „Ziva.“ Meine unsichere Stimme ließ sie innehalten und sich mir erneut zuwenden, sodass sie mir fragend in die Augen blickte, aber ich wusste selbst nicht genau, was ich ihr sagen wollte. Ich hatte das Gefühl gehabt, sie zurückhalten und noch etwas aussprechen zu müssen, doch dies über die Lippen zu bringen, fiel mir nicht leicht. Während ich nach den richtigen Worten suchte, die es vermutlich überhaupt nicht gab, registrierte sie mein plötzliches Schweigen mit einem verwirrten Stirnrunzeln. „Danke“, war alles, was ich schließlich von mir gab, aber ich wusste, dass es genügte, denn meine Partnerin verstand mich auch ohne ausschweifende Erklärungen. Obwohl wir beide normalerweise nicht zu den Menschen gehörten, die sich fortwährend gegenseitig um den Hals fielen, brachte mich irgendetwas dazu, sie an mich zu ziehen und meine Arme um ihren schlanken Körper zu schlingen. Sie gehörte zu meinen engsten Freunden, zu meiner Familie, was nicht viele Menschen von sich behaupten konnten, sodass ich ihr einfach zeigen wollte, wie wichtig sie mir war. Im ersten Moment spannten sich ihre Muskeln überrascht an, doch schließlich ließ sie meine Umarmung zu, während die Tür langsam weiter auf schwang, ohne dass einer von uns darauf achtete.
Als wir uns schließlich wieder voneinander lösten, lag ein entspanntes Lächeln auf ihren Lippen, ehe sie sich endgültig von mir verabschiedete: „Wir sehen uns am Montag, Tony.“ Ich nickte ihr bestätigend zu, sodass sie sich umdrehte, um mein Appartement zu verlassen, doch plötzlich erstarrte sie in ihrer Bewegung, was mich dazu brachte, näher zu treten und ihrem Blick nach draußen zu folgen. Im Halbdunkel des Korridors entdeckte ich Jeanne, die uns mit einem undefinierbaren Ausdruck im Gesicht musterte, ohne ein Wort von sich zu geben. Nach einem stummen Blick auf mich ließ Ziva uns allein und verschwand die Treppe nach unten, bevor der dumpfe Knall der Haustür nach oben drang. Die Anwesenheit meiner Partnerin hatte mir meine Selbstsicherheit zurückgegeben, während die nicht verstummen wollenden Gedanken endlich ein wenig Ruhe gefunden hatten. Aus diesem Grund nahm ich ihre angespannte Miene kaum wahr und dachte auch nicht darüber nach, welchen Eindruck der vertraute Umgang zwischen uns auf die junge Frau gemacht haben mochte. Stattdessen betrachtete ich es als ein Zeichen, dass ich ihr ausgerechnet in dem Moment gegenüber stand, als ich meine Entscheidung getroffen zu haben schien, auch wenn ich gewöhnlich nicht an Dinge wie Zufall oder Schicksal glaubte.

Einige Sekunden blickte ich ihr in die Augen, die mich forschend musterten, bevor ich schließlich zur Seite trat und ihr mit einer wortlosen Geste zu verstehen gab, herein zu kommen. Sie folgte mir ins Wohnzimmer, wo ich unschlüssig stehen blieb, unsicher ob ich ihr etwas zu trinken anbieten sollte, doch sie war mit Sicherheit nicht hier, um meine Fähigkeiten als Gastgeber in Anspruch zu nehmen. Das Schweigen, das zwischen uns herrschte, wurde von Minute zu Minute verkrampfter, aber statt etwas zu sagen, ging ich diesem Problem wie so oft aus dem Weg und verschwand mit den Weingläsern, die noch immer auf dem Couchtisch gestanden hatten, in der Küche. Ich spürte, dass Jeanne sich fragte, was sich in dieser Wohnung abgespielt haben mochte, bevor sie hier auftauchte, ohne dass ich dem jedoch Beachtung schenkte. Der Alkohol hatte meinen Verstand vernebelt, gerade so stark, dass ich mich angenehm leicht fühlte und doch nicht mehr dazu fähig war, mich mit diesem Gedanken auseinander zu setzen. Gleichzeitig verhinderte dieses Gefühl, dass das in Worte zu fassen und auszusprechen gelang, was mir in den letzten Stunden und Tagen durch den Kopf gegangen war.
Mit einem kaum hörbaren Seufzen stieß ich mich von dem Küchenschrank ab, an den ich mich gelehnt hatte, die Arme auf die kühle Arbeitsplatte gestützt, um stumm in das leere Spülbecken zu starren. Als ich mich daraufhin umwandte, erblickte ich Jeanne, die schweigend im Türrahmen lehnte und mich genau zu beobachten schien. „Ich weiß, ich sollte nicht hierher kommen“, begann sie leise, ohne mich jedoch aus den Augen zu lassen, während ich regungslos verharrte und abwartete, worauf wusste ich selbst nicht genau. Im Grunde hatte ich bereits ausreichend Ausführungen von ihr gehört, als dass ihre Worte interessant für mich sein könnten. Ich wusste, was ich wissen musste, um meine Entscheidung zu treffen, die vermutlich bereits gefallen war, als ich ihr zum ersten Mal wieder gegenüber gestanden hatte und die lediglich den Anstoß eines Außenstehenden gebraucht hatte. Einen Moment hielt sie inne, atmete tief durch, ehe sie mit eindringlicher Stimme fortfuhr: „Bitte Tony, gib mir die Chance, dir alles zu erklären!“ Doch ich schüttelte lediglich bestimmt den Kopf, die Arme vor meiner Brust verschränkt, denn dies würde an den Tatsachen auch nichts mehr ändern können.
Ich wusste bereits, dass es für mich nur zwei Möglichkeiten gab - diese zu akzeptieren oder unser Wiedersehen und meine Gefühle für sie ein für alle Mal zu vergessen. Genau das konnte und wollte ich jedoch nicht, dazu bedeutete sie mir noch immer zu viel, sodass ich nachdrücklich erwiderte: „Ich will es nicht hören.“ In dem Moment, als ich diese Worte aussprach, konnte ich sehen, wie ihre Augen ihr hoffnungsvolles Funkeln verloren, beinahe als würde sie resignieren. Doch ich war zu erschöpft, meine Gedanken, meine verzweifelte Suche nach der richtigen Entscheidung hatten mich ausgelaugt, sodass ich nicht dazu im Stande war, mich mit ihrem schlechten Gewissen und ihren Erklärungen auseinander zu setzen. „Aber...“, setzte sie erneut an, ihre Stimme mittlerweile in ein flehendes Flüstern übergegangen, mich davon zu überzeugen, wie wichtig ihr diese erneute Aussprache war. Auch wenn ich sie verstand, ihre Ängste und Zweifel, von mir zurückgewiesen zu werden, nachvollziehen konnte, änderte dies dennoch nichts an der Tatsache, dass ich nicht die Kraft hatte, mir meine Fehler einzugestehen, wenigstens nicht an diesem Abend.
Vielleicht brauchten wir beide einfach ein wenig Zeit, mussten die Geschehnisse der letzten Tage erst verarbeiten, bevor wir dazu übergehen konnten, unsere Vergangenheit zu verarbeiten und uns damit eine Chance für die Zukunft zu schaffen. Zumindest ich glaubte mittlerweile daran, dass es uns gelingen konnte, all unsere Lügen, das Versteckspiel hinter uns zu lassen und neu zu beginnen als die Menschen, die wir wirklich waren. Hatten wir doch beide viel zu lange vorgegeben, jemand anderer zu sein, auch wenn wir dies lediglich für unsere Jobs hatten tun müssen. „Nein, nicht heute, Jeanne“, flüsterte ich kaum wahrnehmbar, während ich auf sie zuging und vor ihr verharrte, um ihren unverwechselbaren Duft in mich aufzunehmen, den ich so sehr vermisst hatte. Diesmal gab ich meinem Verlangen endlich nach und ließ es zu, dass mich ihre Augen in ihren Bann zogen, dass ich in ihnen versank. Auch wenn ich nicht das Bedürfnis verspürte, mich mit unserer Vergangenheit auseinander zu setzen, wollte ich sie sie dennoch nicht gehen lassen, wollte nach so langer Zeit endlich wieder ihre Nähe spüren.
Unsere Blicke miteinander verbunden, standen wir einander gegenüber, mitten in meiner Küche, ohne auch nur ein Wort zu sprechen, ohne uns auch nur zu bewegen. So viele Monate waren mittlerweile vergangen, so viele Lügen hatten zwischen uns gestanden, sodass wir erneut beinahe zu Fremden geworden waren. Mein Kopf wusste nicht länger, wer die Frau war, die vor mir stand, während mein Herz sich dessen noch immer vollkommen sicher war, keinen Moment daran zweifelte. Etwas brachte mich dazu, meine Hand nach ihr auszustrecken, meine Finger zärtlich über ihre Wange gleiten zu lassen, die sich ihnen förmlich entgegen schmiegte, ohne sich von mir abzuwenden. In diesem Moment hatte ich unwillkürlich das Gefühl, als kommunizierten wir lediglich durch unsere Augen miteinander, die unsere Seelen nicht vor unserem Gegenüber zu verbergen vermochten. „Ich liebe dich, Tony.“ Ihr leises Flüstern erreichte mich lediglich als sanfter Windhauch, während ihr unsicheres Lächeln ein lang vermisstes Kribbeln in meinem Inneren verursachte. Mit einem Räuspern versuchte ich, das Kratzen in meiner Stimme zu vertreiben, die dennoch mit einem heiseren Krächzen erwiderte: „Ich weiß.“

Noch heute frage ich mich ununterbrochen, was mich dazu brachte, ihr zu verzeihen, immerhin führte mich diese Tatsache an genau jenen Punkt, an dem ich mich nun befinde. Vielleicht half die Situation, in der ich mich damals befand, meine Entscheidung zu treffen und sie in mein Leben zurückkehren zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt erwartete ich niemals, dass dies der Beginn einer derartigen Katastrophe sein könnte, wollte ich doch nur die Frau zurück, die ich noch immer liebte. In den vergangenen zwei Jahren hatte ich meinen Under-Cover-Auftrag über mein eigenes Glück gestellt, sodass ich nun endlich das wollte, was ich so lange hatte entbehren müssen. Wenn man sich in der Situation befindet, einen Entschluss fassen zu müssen, stellt man sich stets die Frage, ob man es nicht für den Rest seines Lebens bereuen würde, sollte man die Chance, die sich bietet, nicht nutzen. Genauso erging es mir, denn hätte ich anders gehandelt, weiß ich, dass ich mich nun, im Gegensatz zu meinen tatsächlichen Zweifeln, fragen würde, ob es nicht ein großer Fehler war.
 
AW: [NCIS] Confessions of a dangerous Mind

Und weiter geht's.
Viel Spaß!

LG Claudia


Samstag, 31. Mai 2008
Restaurant 'Il Caminetto',
Independence Avenue, Washington D.C.


Die Nacht begann langsam, sich wie eine mattschwarze Decke über der Stadt auszubreiten, geziert von unzähligen Sternen, die hoch oben am Firmament funkelten. Als ich aus meinem Mustang stieg, schlug mir die milde Frühlingsluft entgegen, die ich mit einem tiefen Atemzug in mich aufnahm, während ich meinen Blick für einen Moment zum Himmel lenkte, der ein beinahe vollkommenes Bild offenbarte. Aber schließlich riss ich mich aus meiner Starre und eilte zur Beifahrerseite, um formvollendet die Tür zu öffnen, so wie es sich für einen Gentleman bei einem Date gehörte. Ein ungewohntes Gefühl breitete sich in meinem Inneren aus, als ich der jungen Frau meine Hand entgegen hielt, um ihr aus dem Wagen zu helfen, denn es war einige Zeit her, dass wir beide uns in einer solchen Situation befunden hatten. Doch ich wollte diesen Abend nutzen, um endlich die Lügen, die noch immer zwischen uns standen, zu offenbaren und damit unsere zweite Chance tatsächlich nutzen zu können.
„Du sieht umwerfend aus, Jeanne“, flüsterte ich beinahe ehrfürchtig und erwiderte das glückliche Lächeln, das sie mir daraufhin schenkte. Das dunkle Kleid umspielte ihren zierlichen Körper, während der halblange Rock ihre schlanken Beine nur teilweise erahnen ließ. Die locker am Hinterkopf zusammen gesteckten Haare betonten die Form ihres markanten Gesichtes, sodass ich glaubte, ihre Augen funkelten in einem intensiveren grün, als sie es ohnehin taten. „Danke“, erwiderte sie nach einigen Sekunden mit leiser Stimme, während ein leichter Rotschimmer ihre Wangen zum Glühen zu bringen schien. Ich reichte ihr meinen Arm, den sie ein wenig unsicher ergriff, um sich von mir über den Parkplatz zum Eingang des italienischen Restaurants führen zu lassen, das ich für diesen Anlass gewählt hatte. Für mich hatte dieses eine tiefere Bedeutung, von der ich hoffte, dass sich auch die junge Frau ihrer bewusst war, hatten wir doch an diesem Ort zahlreiche gemeinsame Abende verbracht.
Zuvorkommend hielt ich ihr die Tür auf und betrat nach ihr das modern eingerichtete Lokal, dem dennoch nicht der gemütliche Charakter und Charme einer typisch italienischen Trattoria abhanden gekommen war. Der Herr des Hauses hatte uns bereits entdeckt und eilte unverzüglich auf uns zu, um uns zu begrüßen: „Buona Sera, Signor DiNozzo.“ Nachdem er mir die Hand geschüttelt hatte, wandte er sich an Jeanne, die er mit einem freundlichen Lächeln bedachte, bevor er einen galanten Handkuss andeutete. Er führte uns an einen kleinen Tisch, der abseits der übrigen stand und uns die Privatsphäre versprach, die ich für diesen Abend suchte. Ich rückte ihr den Stuhl zurecht und ließ mich dann ihr gegenüber nieder, sodass ich sehen konnte, wie das Kerzenlicht geheimnisvolle Schatten auf ihr Gesicht malte. In diesem Moment schien sie, noch schöner als jemals zuvor zu sein, während ihre Augen in diesem sanften Schein atemberaubend glitzerten. Vorsichtig streckte ich meinen Arm aus und strich zärtlich über ihre Finger, nur um sie zu berühren und ihre weiche Haut zu fühlen, ihr damit näher zu sein.

Mittlerweile weiß ich, dass es nicht jener Tag gewesen war, als Jeanne erneut in mein Leben getreten war, der alles von Grund auf verändert hatte. Die Tatsache, dass ich in diesem Moment meine Gefühle nicht länger hatte unterdrücken können, hatte mich dazu gebracht, zuzulassen, dass sie mir wieder nahe gekommen war, dass ich uns beiden ein zweite Chance gegeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt, als ich diese Entscheidung getroffen hatte, hatte ich jeden Halt verloren, während ich ununterbrochen von Schuldgefühlen zerfressen wurde. Jennys Tod hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen, sodass ich Mühe hatte, meinen Kollegen und vor allem meinem Vorgesetzten weiterhin in die Augen zu blicken. Ich hatte mich an einem Punkt befunden, an dem ich an meinem Job als Agent und auch an mir selbst zweifelte, an dem ich mich stärker nach einem Halt sehnte als je zuvor. Aber genau dann war sie plötzlich nach Washington und damit auch zu mir zurückgekehrt, hatte mir das offenbart, wonach ich gesucht hatte. Die große Veränderung stellte sich jedoch erst an jenem Abend ein, der unser erster gemeinsamer nach beinahe einem Jahr war und der all unsere Geheimnisse und Lügen endgültig ausräumen sollte.
Doch im Grunde hatte jedes unserer unerwarteten Zusammentreffen in einem Moment meines Lebens stattgefunden, der nicht hätte schlechter sein können. Der Auftrag, mich mit ihr einzulassen, hatte mich von meinem Gefühl des Versagens ablenken sollen, das meine Kollegen mir damals immer öfter vermittelt hatten. Es war von Anfang an absehbar gewesen, dass diese Beziehung, in die ich mich gestürzt hatte, nicht anders als in einer Katastrophe hatte enden können. Dennoch war ich dieses Risiko eingegangen, hatte mich einfach den Gefühlen hingegeben, die von Tag zu Tag stärker geworden waren. Dass diese Selbsttäuschung beinahe ein ganzes Jahr funktioniert hatte, erscheint mir rückblickend unvorstellbar, aber schließlich war die Wahrheit meines Auftrages, im wahrsten Sinne des Wortes, in einer gewaltigen Explosion ans Licht gekommen. Gerade als ich jedoch diese unvermeidliche Trennung verkraftet und Jeanne innerlich losgelassen geglaubt hatte, hatte sie erneut vor mir gestanden und all meine Emotionen zurück an die Oberfläche befördert. Ein unerwartetes Treffen, das nicht nur mein Gefühlsleben vollkommen auf den Kopf gestellt hatte, sondern mir auch beinahe eine lange Zeit im Gefängnis eingebracht hätte.

Noch immer konnte ich meinen Blick nicht von ihr abwenden, versank einmal mehr in ihren grünen Augen, die mir ihre Gefühle zu offenbaren schienen und dennoch unergründlich waren. Mechanisch griff ich nach meinem Weinglas, in dem die dunkelrote Flüssigkeit bei jeder Bewegung leicht schwankte, und hob es an, was sie mir gleich tat, sodass ich erklärte: „Auf unser Wiedersehen.“ Bevor die Gläser jedoch in einem hellen Klang leicht aneinander stießen, fügte sie lächelnd hinzu: „Und auf eine zweite Chance.“ Genau auf diese Worte hatte ich gewartet, waren sie doch der richtige Einstieg für das Gespräch, das unsere Lügen endlich aus der Welt schaffen sollte: „Wir müssen darüber reden, Jeanne. Nur dann kann unser Neuanfang funktionieren.“ „Ich weiß“, gab sie mit einem ernsten Nicken zurück und seufzte leise, ehe sie das Glas zurück auf den Tisch stellte, sich bestimmt eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, die sich aus ihrer Frisur befreit hatte und begann: „Ich habe dir in den vergangenen Tagen mehrfach gesagt, wie leid mir mein Schweigen getan hat. Aber ich glaube, du solltest endlich die ganze Wahrheit erfahren.“
So oft ich auch über ihre Enthüllung nachgedacht hatte, war ich mir darüber im Klaren gewesen, dass mehr hinter dieser Sache gesteckt hatte, was ich bisher jedoch noch nicht hatte überblicken können. Aber nun würde ich Antworten auf all meine Fragen, die mich seit ihrer Rückkehr beschäftigt hatten, bekommen: „Auch ich habe erst vor einigen Jahren die ganze Wahrheit erfahren. Mein Vater war früher Agent der französischen DST, der Direction de la Surveillance du Territoire, die in Frankreich die Funktion des Inlandsnachrichtendienstes erfüllt. Ich bin sozusagen damit aufgewachsen. Vermutlich war sein Job der Grund, dass die Ehe meiner Eltern zerbrochen ist. Auch seine Kündigung und unser Umzug nach Amerika konnten nichts mehr daran ändern.“ Einen Moment hielt sie inne und trank einen Schluck Wein, während ich versuchte, ihre Aussage zu verarbeiten, die ich niemals erwartet hätte. Sie behauptete tatsächlich, René Benoit hätte vor vielen Jahren für die französische Regierung gearbeitet, doch mir dies vorzustellen, wollte einfach nicht gelingen.
Einer der größten Waffenhändler der letzten fünfzehn Jahre sollte einmal auf der richtigen Seite des Gesetzes gestanden haben? Was mochte ihn dazu gebracht haben, diese Überzeugungen zu verraten? Obwohl diese Fragen mich nicht mehr losließen, hielt ich mich dennoch zurück und bohrte nicht nach Antworten, sondern gab ihr die Zeit, die sie brauchte, um fortzufahren: „Er wollte hier in Washington ein neues Leben beginnen, doch die CIA nahm Kontakt zu ihm auf und wollte ihn anwerben. Sie wollten die Beziehungen, die er aus seiner Zeit bei der DST hatte, für ihre Zwecke nutzen. Zuerst lehnte er ihre Angebote ab, aber nach der Scheidung...“ Mitten im Satz brach ihre Stimme, sodass sie Mühe zu haben schien, sich zu sammeln, bevor sie tief durchatmete und schließlich ihre Erzählung weiterführte: „Trent Kort wurde zu seinem engsten Vertrauten. Im Grunde wurde er nur durch ihn zu La Grenouille. Trotzdem bin ich mir sicher, dass all seine Geschäfte nur das Ziel hatten, den Waffenhandel in den Vereinigten Staaten zu bekämpfen.“
Für einen Moment wusste ich nicht, ob sie ihre Worte tatsächlich ernst meinte, doch sie schien, von den guten Absichten ihres Vaters vollkommen überzeugt zu sein. Auch wenn ich diese Meinung nicht im entferntesten teilte, zog ich es dennoch vor zu schweigen, denn sie sollte dieses Andenken an ihn bewahren, immerhin war er ihr Vater gewesen, eine Tatsache, die mit Sicherheit bereits schwer genug für sie war. Vor allem in den vergangenen beiden Jahren hatte ich mich oft genug mit der CIA konfrontiert gesehen, um zu wissen, dass man ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte, nicht wenn es nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Aber vermutlich würde es ihrem Seelenheil helfen, nicht jede einzelne Lüge zu kennen, die man ihr aufgetischt hatte, die ihr Vater ihr erzählt hatte. Vielleicht mochte es ein wenig naiv sein, so zu denken, vor allem für eine Geheimagentin, doch ich hatte sie schon immer so gesehen, auch wenn ich sie in diesem Punkt wohl unterschätzte.

„Signorina, Tagliatelle al Spinaci Gorgonzola“, riss uns der Kellner plötzlich aus dieser Unterhaltung und unseren Gedanken, als er die Teller vor uns auf den Tisch stellte. Die Pasta duftete köstlich und ließ mich für einige Zeit den Grund vergessen, aus dem wir uns an diesem Ort befanden und welche Offenbarungen wohl noch vor mir liegen würden. Da Jeanne sich in einer anderen Position befunden und über meine wahre Identität von Anfang an informiert gewesen war, gab es wohl kaum etwas, das sie noch nicht von mir wusste. Deshalb war ich an diesem Abend derjenige, der sich in stillem Zuhören beweisen musste, etwas das mir normalerweise nicht besonders leicht fiel. Aber vermutlich war ich einfach zu neugierig, als dass ich sie bedrängen oder vorschnell ein Urteil, das sie vielleicht verärgern könnte, über ihre Erzählungen abgeben wollte. Diese Aussprache würde über das Gelingen unseres Neuanfangs entscheiden, sodass ich nicht riskieren wollte, sie mit einer unüberlegten Äußerung zu vertreiben.
Schweigend musterte ich die junge Frau mir gegenüber, die vollkommen in ihr Essen vertieft zu sein schien, während mein Besteck bereits auf dem leeren Teller ruhte. Doch gleichzeitig wusste ich, dass ihr keine einzige meiner Bewegungen entging, immerhin war sie mindestens ebenso gut in ihrem Job wie ich es war, wenn nicht sogar besser, immerhin war ihr, im Gegensatz zu mir, meine wahre Identität nicht verborgen geblieben. Das leise Klappern von Messer und Gabel riss mich aus meinen Überlegungen, als auch Jeanne ihre Pasta verspeist hatte und sich nun zurück lehnte, den letzten Schluck ihres Weines zu leeren. Zuvorkommend griff ich nach der Flasche und schenkte uns nach, denn ich hatte das Gefühl, dass vor allem ich ein wenig Alkohol noch würde brauchen können. Auch wenn ich nicht genau wusste, welche Enthüllungen mich noch erwarten würden, war ich mir doch sicher, dass ich Mühe haben würde, diese zu erfassen. Es wollte mir noch immer nicht gelingen, mir vorzustellen, dass die Frau, mit der ich beinahe ein Jahr eine, wenn auch vorgetäuschte, Beziehung geführt hatte, tatsächlich eine Geheimagentin sein sollte.

Ein leises Seufzen rann über ihre Lippen, bevor sie erklärte: „Ich vermute, du möchtest gern wissen, wie ich zu meinem Job bei der CIA kam.“ Genau dies war einer der Punkte, die mir auf der Seele brannten, seit ich ihr nach all den Monaten erneut begegnet war, wenn auch nicht der wichtigste, und nun sollte meine Neugierde endlich gestillt werden. Ich wusste, dass sie darauf keine Erwiderung erwartete, sodass ich weiterhin schwieg und ihren Worten lauschte: „Vor fast vierzehn Jahren, an meinem achtzehnten Geburtstag, stattete mir Trent Kort einen Besuch ab. Ich war ihm bereits mehrfach begegnet, als er sich mit meinem Vater traf. Bis zu diesem Moment hatte ich stets gedacht, er wäre lediglich sein Assistent als Anwalt in einer renommierten Kanzlei gewesen. Immerhin wollte er, nachdem er sich aus dem Dienst für die französische Regierung zurückgezogen hatte, endlich ein normales Leben führen.“
Bei diesen Worten wanderten meine Augenbrauen unwillkürlich nach oben, hätte ich doch mit dieser falschen Identität niemals gerechnet. Schon wenn ich mir La Grenouille in einem Gerichtsaal vorstellte, musste ich unweigerlichen den Kopf schütteln, auch wenn er mit Sicherheit die nötige aalglatte Arroganz für diesen Job besaß. „Trent hielt sich nicht lange mit Höflichkeiten auf. Er wusste, dass ich vorhatte, Medizin zu studieren und bot mir einen Nebenjob im Innendienst seiner Abteilung an. Vermutlich wusste er, dass ich mich schon als Kind für den Beruf meines Vaters und für die Ermittlungsarbeit interessiert hatte. Erst später wurde dies von dem Wunsch, Ärztin zu werden, abgelöst. Ich habe gründlich darüber nachgedacht, immerhin hing einiges von meiner Entscheidung ab. Aber im Grunde stand diese wohl von Anfang an fest. Also nahm ich das Angebot an.“
Ihr Lächeln erschien mir beinahe melancholisch, während sie sich an ihre Vergangenheit erinnerte, bevor sie mir schließlich wieder ernst in die Augen blickte, um ihre Erklärung zu ergänzen: „Mir gefiel mein neuer Job, aber ich wollte nicht für immer in einem Büro sitzen, sodass ich die Ausbildung für den Außendienst absolvierte. Mein Studium führte ich nur weiter, um meine Tarnung aufrecht zu erhalten.“ Diese Erzählung hörte sich an, als stammte sie aus einem schlechten Film, doch die CIA schien tatsächlich, mit dieser Methode neue Agenten anzuwerben. Dass es jedoch ausgerechnet Kort gewesen war, der ihr dieses Angebot gemacht hatte, war für mich eine seltsame Ironie, immerhin hatte er mir während meines Under-Cover-Auftrags oft genug das Leben schwer gemacht. Dennoch fragte ich mich, wieso sie nicht bereits in diesem Moment die ganze Wahrheit über ihren Vater hinterfragt und damit die Erschaffung eines La Grenouille erkannt hatte.
 
AW: [NCIS] Confessions of a dangerous Mind

Und hier kommt Update Nummer 3 für den heutigen Sonntag.
Wie immer wünsch ich viel Spaß beim Lesen.

LG Claudia


Aber ihr beruflicher Werdegang war nicht alles, was mich interessierte, denn ich wollte ihr näher kommen, wollte wieder das Gefühl haben, sie tatsächlich zu kennen. Auch wenn im Nachhinein betrachtet, unsere gemeinsamen Monate nicht mehr als eine große Lüge gewesen waren, vermisste ich unsere Vertrautheit, vermisste die Geborgenheit, die ihre Gegenwart mir stets vermittelt hatte. Natürlich würde ich es niemals zugeben, immerhin war ich ein Mann und damit der starke Part einer Beziehung, aber auch ich brauchte ab und an, vor allem in meinem Job, einen Menschen, bei dem ich mich sicher fühlte, der mir Halt gab, wenn auch nur mental, ein Mensch, der sie einmal gewesen war und von dem ich hoffte, dass sie dieser erneut werden konnte. Doch gleichzeitig wusste ich nun, dass sie mich besser verstand, als ich jemals geglaubt hatte, dass sie nachvollziehen konnte, was meine Arbeit mir bedeutete und was diese gelegentlich nach sich zog. Vielleicht war es um so vieles einfacher gewesen, als ich ein einfacher Filmdozent und sie eine angehende Ärztin gewesen war, aber dennoch war es nichts weiter als ein Spiel unserer Vorgesetzten gewesen, wobei wir lediglich als deren Marionetten fungiert hatten.
Wen ich jedoch an diesem Abend wirklich kennenlernen wollte, war die junge Frau, die sich hinter der CIA-Agentin verbarg, jene Frau, die nicht vorgab eine andere zu sein. Ich selbst hatte ihr niemals mein wahres Ich verheimlicht, hatte lediglich eine falsche Geschichte, eine falsche Identität vorgegeben, die jedoch keinen anderen Menschen aus mir gemacht hatte. Genau dies wollte ich auch gern von ihr glauben, aber dies musste sie erst beweisen, so wie ich mich ihr gegenüber noch beweisen musste. Doch der erste Schritt dahin war nunmehr getan, wir hatten eine zweite Chance für unsere Liebe erhalten, hatten uns diese zweite Chance erkämpft, und ich würde sie nicht so leicht verspielen. Vermutlich würde es noch lange dauern, bis unser Vertrauen wieder aufgebaut war, bis unsere Beziehung so viel Normalität gewonnen hatte, wie es in unseren Berufen überhaupt möglich war. Aber ich war entschlossen, diesen Weg zu gehen, gemeinsam mit ihr zu gehen, so beschwerlich und steinig er sich auch erweisen mochte.
Wir mussten nahezu von vorn anfangen, sodass ich etwas aus ihrer Vergangenheit erfahren wollte, etwas, das sie mir bisher hatte verschweigen müssen. „Wie war deine Kindheit mit einem Geheimagenten als Vater?“, stellte ich schließlich die Frage, denn es war eine Sache, seine Kollegen und Freunde zu belügen, doch sein wahres Leben vor der eigenen Familie zu verheimlichen, konnte ich mir nicht vorstellen. Aber vermutlich hatte sie dies nie so empfunden, denn sie zuckte kurz mit den Schultern, bevor sie mir erklärte: „Ich kannte es nicht anders. Im Grunde wusste ich nie wirklich, wo er war. Genau wie meine Mutter. Ich erfuhr die Wahrheit erst, als ich zwei Jahre bei der CIA war. Kort ließ mich stets in dem Glauben, mein Vater wäre lediglich als Rechtsberater für seine Abteilung tätig. Und ich habe diese Geschichte erst viel zu spät hinterfragt.“ Auch wenn es für mich schwer nachvollziehbar war, dass sie die Wahrheit nicht durchschaut hatte, vertraute man wohl den Menschen, die man liebte so blind, dass man die Realität nicht sah, vielleicht auch nicht sehen wollte. Immerhin hatte auch ich nicht einen Moment den Verdacht gehegt, Jeanne könnte nicht die Frau sein, für die ich sie stets gehalten hatte, von der ich mir im Grunde noch immer wünschte, sie könnte wieder zu dieser werden.

Seufzend lehnte ich mich zurück, verlor mich in ihrer Betrachtung, in angenehmes Schweigen gehüllt, während sie mit einem versonnenen Lächeln auf den Lippen ihren Nachtisch kostete. Meine Hände hatte ich um die Tasse heißen Kaffee geschlungen, beinahe als wollte ich mich daran aufwärmen, während ich hin und wieder einen Schluck der dunklen Flüssigkeit nahm, die in den vergangenen Monaten zu meinem Lebenselexier geworden war. Vielleicht verspürte ich nicht das gleiche Verlangen nach dem starken Gebräu wie mein Vorgesetzter, doch es hatte mir stets geholfen, die Nachwirkungen meines übermäßigen Alkoholgenusses ein wenig abzumildern und einen ansatzweise klaren Kopf zu bekommen. Mittlerweile hatte sich mein Körper nunmehr an diese Droge gewöhnt, als eine Art Ersatz für meine immer öfter exzessive Abendgestaltung. In diesem Moment, so unbedeutend er im Grunde auch war, fühlte ich einmal mehr, wie sehr ich ihre Anwesenheit, ihre Nähe genoss, die ein angenehmes Kribbeln in meinem Inneren verursachte. Erst in ihrer Gegenwart wusste ich wirklich, wie sehr ich sie vermisst, wie sehr ich mir gewünscht hatte, eine zweite Chance mit ihr zu bekommen.
An diesem Abend glaubte ich, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen hatten, dass es uns gelingen konnte, gelingen würde, wieder zueinander zu finden. Diese Aussprache war der erste Schritt zurück zu so etwas wie Normalität, falls dies in unserem Job überhaupt möglich sein sollte, der erste Schritt, um unser verlorenes Vertrauen, unsere zerbrochene Beziehung zu kämpfen. Dennoch gab es noch immer eine Frage, die mir auf der Seele brannte, sodass ich diese schließlich stellte: „Wieso hast du bei meinen Lügen mitgespielt? Was war dein Auftrag, Jeanne?“ Ich konnte sehen, wie sie mit sich kämpfte, unterlag diese Information doch mit Sicherheit der Geheimhaltung, bevor sie antwortete: „Trent und mein Vater hatten einen ziemlich dicken Fisch an der Angel. Einen international gesuchten Terroristen. Sie befürchteten, dass eure Direktorin ihr Vorhaben mit ihrem Rachefeldzug gefährden könnte. Ich sollte sie und dich im Auge behalten. Deshalb durfte ich meine Tarnung auch nicht aufgeben, als du mir die Wahrheit sagtest. Nachdem man die Leiche meines Vaters gefunden hatte, wollte Kort um jeden Preis seinen Mörder fassen. Er befahl mir die Mordanschuldigung gegen dich.“ Diese Tatsache aus ihrem Mund zu hören, versetzte mir erneut einen Stich ins Herz, denn abgesehen davon, dass sie mir nicht vertraut hatte, war dieser Vorwurf beinahe unerträglich für mich gewesen.
„Wieso hat Kort zugegeben, den Mord im Auftrag der CIA ausgeführt zu haben?“, hakte ich nach einigen Momenten des Schweigens nach, doch sie zuckte lediglich mit den Schultern. Scheinbar hatte der Agent in dieser Sache eigenmächtig gehandelt, vermutlich war nicht einmal die Agency darüber informiert gewesen. Ich wusste, dass diese Mordbefehle für jeden ihrer Agenten genauso existierten wie für ihre Informanten, wollte man doch auf jede Eventualität vorbereitet sein, aber normalerweise war es nicht ohne weiteres möglich, einen davon in die Hände zu bekommen. Ich war mir jedoch sicher, dass er einen triftigen Grund gehabt haben musste, in dieser Weise zu handeln, auch wenn ich mir diesen nicht vorstellen konnte. Es musste etwas oder jemanden gegeben haben, den er plötzlich glaubte, beschützen zu müssen, anders konnte ich mir diese Handlung nicht erklären. Aber eigentlich war es vollkommen sinnlos, weiter darüber nachzugrübeln, denn dies würde ohnehin zu keinem Ergebnis führen. Wahrscheinlich würde ich die Wahrheit niemals erfahren, denn auch Jeannes Antwort darauf blieb sehr wage: „Trent hat mir nur erklärt, dass er mit seiner Falschaussage einen neuen geheimen Auftrag schützen musste. Mehr gab es für mich nicht zu wissen.“
Ich konnte nicht beschreiben, was in diesem Moment in meinem Kopf vorging, geschweige denn konnte ich ihre Worte begreifen, konnte den Grund verstehen, warum ich diese Qualen hatte durchmachen müssen. Auch ich liebte meinen Job, hatte viel für diesen aufgegeben, aber an einem gewissen Punkt war für mich Schluss, diese Grenze würde ich niemals überschreiten. In dieser Hinsicht schien die CIA jedoch, unerbittlich zu sein, beinahe als müssten ihre Agenten ihr Leben aufgegeben, sobald sie dieses in ihren Dienst stellten. Mittlerweile war ich lange genug dabei, um zu wissen, wie die 'Kollegen' in anderen Bundesbehörden arbeiteten, um zu wissen, dass dort ein anderer Wind wehte. Aber genau aus diesem Grund fragte ich mich umso mehr, wieso sie sich mir nun, nach all den Monaten, plötzlich offenbarte, offenbaren durfte. „Warum ausgerechnet jetzt, Jeanne? Warum darfst du mir nach allem, was passiert ist, jetzt plötzlich die Wahrheit sagen?“ Mein Blick hielt den ihren gefangen, während ich auf ihre Antwort wartete, doch ich konnte ihre Miene nicht deuten, konnte keinen ihrer Gedanken ergründen.
Mit einem leisen Seufzen schlug sie schließlich ihre Lider nieder und strich sich nachdenklich eine Strähne aus der Stirn, bevor sie endlich erklärte: „Ich darf es nicht, Tony. Aber ich konnte nicht länger schweigen. Und ich wollte nicht länger ohne dich sein.“ Diese Worte lösten unwillkürlich ein angenehmes Kribbeln in meinem Inneren aus, ein Kribbeln, das ich so sehr vermisst hatte und das mir zeigte, wie viel sie mir noch immer bedeutete. Als sie dies ausgesprochen hatte, sah sie mir wieder in die Augen, doch nun lag ein vollkommen anderer Ausdruck auf ihrem Gesicht, ein Ausdruck, den ich nur zu gut kannte. Es war, als huschten in wenigen Bruchteilen einer Sekunde dunkle Schatten darüber, dunkle Schatten aus ihrer Vergangenheit, ehe diese unmittelbar wieder verschwanden. „Ich bin mit Geheimnissen aufgewachsen, Tony. Deshalb fiel es mir niemals in meinem Leben schwer, Menschen belügen zu müssen. Nicht, bis ich dir begegnete.“ Ihre Stimme war leise, als sie versuchte, mir zu beschreiben, was in jenen Monaten in ihr vorgegangen war und was im Grunde auch ich verspürt hatte. Auch ich hatte, je besser ich sie kennengelernt hatte, je näher ich ihr gekommen war, immer öfter mit mir und meinem Gewissen gehadert, ihr die Wahrheit zu offenbaren.

Für einige Momente verfielen wir in Schweigen, während ich mir seufzend über über das Gesicht fuhr, um damit die Erinnerung an all die Lügen, an den Schmerz zu vertreiben. Vermutlich war mehr nötig als dieser Abend, um verarbeiten zu können, was wir einander enthüllt hatten und damit dem Grundstein für unseren Neuanfang ein stabiles Fundament zu geben. Doch die Stille, die uns nun umgab, wurde zunehmend unangenehm, sodass Jeanne ein neues, aber nicht weniger verfängliches, Thema ergriff: „Ich wollte dir sagen, dass es mir leid tut wegen Director Shepard.“ Verwundert hob ich meinen Blick, der bisher nachdenklich auf meinem Rotweinglas gelegen hatte, und sah sie, obwohl ich im Grunde hätte ahnen müssen, dass sie von meinem Fehler wusste, fragend an. „Du weißt, was passiert ist?“, hakte ich dennoch nach, um dadurch zu erfahren, wie vertraut sie mit diesem Fall, mit Jens Tod war. Wenn ich ehrlich war, verunsicherte mich die Tatsache, dass sie über mein Versagen informiert war, denn gerade vor ihr wollte ich die Schwäche, die ich in diesem Zusammenhang verspürte, nicht eingestehen.
Aber ihr aufmunterndes Lächeln vertrieb diesen Gedanken so schnell, wie er gekommen war, als sie antwortete: „Ich weiß, wie sie starb. Und ich weiß, dass du dir noch immer Vorwürfe machst, weil du für ihren Schutz zuständig warst. Gemeinsam mit deiner Kollegin. Mit der Kollegin, die dich nach unserer Trennung getröstet hat.“ Für einen Moment hielt ich unwillkürlich den Atem an, ehe ich diesen abrupt ausstieß, nicht fähig, in irgendeiner Weise auf ihre Aussage zu reagieren. Zu schockiert war ich von diesen Worten, als dass ich hätte aus ihrer Stimme heraus hören können, was sie dachte und vor allem, was sie fühlte. Auch wenn ich sie in dieser Nacht nicht betrogen hatte, immerhin hatte unsere Trennung bereits Monate zurückgelegen, empfand ich es dennoch, als hätte ich sie hintergangen. „Jeanne, das war...“, versuchte ich stockend, ihr die Sache zu erklären, doch ohne mich aussprechen zu lassen, winkte sie ab: „Schon gut. Ich verstehe das. Es hatte nichts mit uns zu tun.“
Im Grunde hatte es das, aber in diesem Augenblick zog ich es vor nicht weiter darüber zu diskutieren, denn dies war eine Entscheidung gewesen, auf die ich nicht stolz war. Dieses Gespräch förderte jedoch mittlerweile immer mehr Dinge zutage, die mich nachdenklich stimmten, sodass ich schließlich förmlich nachhaken musste: „Wieso bist du darüber informiert? Was weißt du noch alles über mich? Über meine Arbeit?“ „Das ist mein Job, Tony“, begann sie, mir eine Tatsache zu erläutern, die ich nicht vergessen hatte, die mir vermutlich den Rest meines Lebens im Gedächtnis bleiben würde. „Ich kenne dich, deine Vergangenheit, deine Arbeit. Ich bin über eure Fälle informiert. Und ich weiß, dass dich einer davon vor Kurzem in den Irak geführt hat.“ Dieses Geständnis ließ mich tief durchatmen, denn ich war kein Mann, der seine Gefühle und seine Dämonen offen mit sich herumtrug.
Ich wollte entscheiden, wann ich meinen Mitmenschen und vor allem der Frau, die ich liebte, die Wunden, die die vergangenen Jahre in meiner Seele hinterlassen hatten, enthüllte. Aber mit ihr würde dies wohl niemals möglich sein, eine Tatsache, mit der ich erst umzugehen lernen musste, war es doch völlig neu für mich, die Wahrheit nicht länger hinter meiner Maske verbergen zu können. Aus diesem Grund ließ ich meinem Bedürfnis freien Lauf, ihr in diesem Punkt eine Grenze setzen zu wollen: „Jeanne, ich glaube, wir sollten etwas klarstellen. Wenn das mit uns funktionieren soll...“ Noch bevor ich meine Bedingung formulieren konnte, unterbrach mich das penetrante Klingeln meines Handys, das an diesem Abend, in diesem unpassenden Moment nichts Gutes bedeuten konnte. „DiNozzo“, nahm ich unüberhörbar gereizt den Anruf entgegen, was meinen Gesprächspartner jedoch nicht aus dem Konzept brachte, sondern diesen mir noch deutlicher erklären ließ, was er von mir erwartete. Noch ehe ich überhaupt die Möglichkeit hatte, ihm zu widersprechen, hatte er bereits in seiner üblichen grußlosen Art das Telefonat beendet.
Seufzend winkte ich den Kellner an unseren Tisch, um die Rechnung zu begleichen, während ich der jungen Frau mir gegenüber erklärte: „Ich muss los, Jeanne.“ Ihr verstehendes Nicken war eine vollkommen neue Erfahrung, kannte ich doch bisher lediglich jene vorwurfsvollen Blicke, mit denen ich bei diesen Worten stets bedacht worden war. Sie war selbst Agentin, kannte diese mehr als ungelegenen Anrufe, sodass sie stattdessen fragte: „Sehen wir uns morgen?“ Für einige Sekunden blickte ich ihr schweigend in die Augen, ehe ich die Schultern zuckte, wusste ich doch nicht, wie lange dieser neue Fall unser Team in Anspruch nehmen würde. Außerdem benötigten wir beide wohl für ein paar Tage ein wenig Abstand, zu viel hatten wir, vor allem ich, in den letzten Stunden erfahren, um nun einfach darüber hinweg gehen zu können.
Während ich ihre Augen mit den meinen gefangen nahm, ergriff ich ihre Hand, hielt sie mit der meinen umschlungen und erwiderte schließlich: „Ich muss die ganze Sache erst verarbeiten. Aber etwas muss klar sein. Zwischen uns kann es nur funktionieren, wenn wir unsere Arbeit aus unserer Beziehung heraus halten. Unsere Jobs standen schon lange genug zwischen uns.“ Ihr zögerndes Nicken zeigte mir ihre Zustimmung, auch wenn es ihr sichtlich schwer fiel, aber im Grunde wollte ich überhaupt nicht wissen, welche Details aus meiner Vergangenheit, aus meinem Leben ihr nicht verborgen geblieben waren. Auch wenn ich mich dieser Tatsache irgendwann würde stellen müssen, tat ich, was ich so oft getan hatte, ich verschloss meine Augen davor und hoffte, dass bis dahin noch viel Zeit vergehen würde. Nun wollte ich in der Gegenwart leben, wollte die neue Chance, die ich, die wir beide erhalten hatten, nutzen und nicht so einfach verstreichen lassen. Ich beugte mich über den Tisch und hauchte Jeanne einen sanften Kuss auf sie Wange, bevor ich ihre Hand mit einem letzten zärtlichen Streicheln meiner Finger wieder entließ und mich damit von ihr verabschiedete.
 
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AW: [NCIS] Confessions of a dangerous Mind

So, es geht mit einem kurzen Rückblick weiter.
Viel Spaß beim Lesen!

LG Claudia


Freitag, 05. Mai 2006
Smithsonian - National Museum of Natural History IMAX,
Constitution Avenue, Washington D.C.


Die Sonnenstrahlen am Horizont hatten sich bereits in ein warmes orange verwandelt, als ich die Beifahrertür meines Wagens öffnete und Jeanne galant meine Hand reichte. Angestrengt versuchte ich, den Kloß, der sich mehr und mehr in meiner Kehle ausbreitete, hinunter zu schlucken, nicht nur um meine Professionalität zu wahren. Sie sah in ihrem schwarzen Kleid, das sanft ihre schlanken Beine umspielte, einfach wunderschön aus, doch ihr Lächeln ließ ihre Erscheinung noch zusätzlich strahlen und brachte ihre Augen zum Glitzern. Nur mit Mühe konnte ich meinen Blick von ihr abwenden und meinen Autoschlüssel dem jungen Mann im dunklen Anzug überreichen, bevor ich der jungen Frau erneut meinen Arm bot, den sie beinahe vertraut umfasste. Mit ihr an meiner Seite näherte ich mich dem Eingang des Gebäudes, vor dem ich gehalten hatte und an dessen imposanten Mauern ihr neugieriger Blick unwillkürlich nach oben glitt.
Das weitläufige historische Bauwerk, das sich zu beiden Seiten der National Mall, zwischen dem Washington Monument und dem Capitol gelegen, erstreckte, beherbergte mehrere Museen und Galerien und war mein Ziel für diesen Abend. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass meine Begleiterin dieses ein wenig verwirrt musterte, schien sie doch, sich nicht vorstellen zu können, was ich mir für die bevorstehenden Stunden hatte einfallen lassen. Ich verbarg mein Grinsen vor ihr, indem ich hastig meinen Blick abwandte und für einen kurzen Moment meinem Wagen folgen ließ, den der Jüngling dabei war zu parken, denn ich würde sie noch ein wenig im Ungewissen lassen. Dennoch war ich mir sicher, dass sie ein solches Date weder erwartet noch jemals zuvor erlebt hatte, sodass ich zufrieden ihre zunehmende Verwunderung registrierte.
Aber diese Sicherheit hatte ich während meiner Vorbereitungen nicht verspürt, war ich mir doch im Klaren darüber gewesen, dass ich eine Frau wie sie nicht mit einem einfachen Essen in einem teuren Restaurant würde beeindrucken können. Wieder und wieder hatte ich mir meinen Kopf über eine angemessene Alternative zerbrochen, ehe ich durch einige Anrufe meine Kontakte hatte spielen lassen. Mein alter Freund, der mir noch einen Gefallen geschuldet hatte, hatte diese Bemühungen mit wachsender Verwunderung aber gleichzeitig auch spürbarer Neugier verfolgt, ohne jedoch ein Wort darüber zu verlieren. Es hatte mich Mühe und einige Versprechungen gekostet, doch schließlich war es mir gelungen, das perfekte Rendezvous zu organisieren, das vor einigen Minuten endlich offiziell begonnen hatte. Das Kribbeln, das mich in Erwartung dieses Abends begleitet hatte, wollte sich noch immer nicht legen, aber nun musste ich nicht länger untätig abwarten. Im Grunde war es ein wenig wie in meinem Beruf, konnte ich doch meines volles Potential erst ausschöpfen, wenn ich nicht länger am Schreibtisch sitzen musste, sondern mich in den Außeneinsatz stürzen konnte.
Bereits zum wiederholten Mal strich ich über meine tadellos gebundene Krawatte, um ihren Sitz zu überprüfen, der sich jedoch auch in den letzten Sekunden nicht verändert hatte. Unwillkürlich fragte ich mich, wann ich das letzte Mal derart aufgeregt vor einem ersten Date gewesen war, ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Vermutlich war es mittlerweile beinahe zwanzig Jahre her, als ich während meiner High-School-Zeit meine ersten Erfahrungen in diesen Dingen gesammelt hatte. Doch nun war ich älter, hatte die Ratschläge meiner erfahreneren Freunde mehr als nur einmal in die Tat umgesetzt, und ich wusste, dass ich perfekt vorbereitet war; das Rendezvous war bis ins kleinste Detail geplant, meine Erscheinung war tadellos, und doch konnte ich es nicht leugnen, ich war nervös.
Es war nicht so, dass mir, so wenig wie die gesamte Planung dieses Abends, die Wahl der passenden Kleidung besonders leicht gefallen wäre, hatte ich doch meine Vorliebe für teure Marken nicht so offensichtlich zeigen wollen. Bisher hatte ich mich oft genug über meine Garderobe definieren wollen, sodass dies sich beinahe als ein weit größeres Problem erwiesen hatte, als die Planung des Abends an sich. Mittlerweile hatte ich ausreichend Erfahrung mit dem weiblich Geschlecht gesammelt, um Jeanne einschätzen zu können, um ihre Ansichten durchschauen zu können und um zu wissen, dass Angeber mit dickem Bankkonto bei ihr nicht landen konnten. Nachdem ich einige Zeit, lediglich mit einem Handtuch um die Hüften geschlungen, vor meinem Kleiderschrank gestanden hatte, hatte ich mich schließlich für einen meiner schlichteren Anzüge entschieden.
Obwohl ich in den meisten Fällen viel Zeit gebraucht hatte, um mich auf ein Date vorzubereiten, war doch die Wahl meiner Kleidung bisher niemals so schwierig gewesen. Aber diesmal war alles anders, diesmal durfte ich mir keinen Fehler erlauben, und dazu gehörte nun einmal auch meine äußere Erscheinung, die zu dem passen musste, was ich darstellen sollte. Auch wenn ich die Akte, die die Direktorin über Jeanne hatte anlegen lassen, gelesen hatte, sie beinahe im Schlaf aufsagen konnte, musste ich sie dennoch erst kennen lernen, musste ihr wahres Ich ergründen. Sie musste in mir den Typ Mann sehen, dem sie ihr Vertrauen schenken würde, jener Typ Mann, der ich nicht glaubte zu sein, von dem ich nicht einmal wusste, ob ich dieser sein wollte. Für diese Aufgabe, für sie, musste ich Anthony DiNozzo vergessen, musste mich vollkommen in Anthony DiNardo verwandeln, musste er werden, er sein.

Dieser Under-Cover-Auftrag war für mich eine einmalige Chance, mich endlich zu beweisen, Director Shepard, meinen Kollegen und meinem Boss zu zeigen, dass ich mehr sein konnte, als der dienstälteste Agent von Leroy Jethro Gibbs. Ihn als Vorgesetzten zu haben, war das Beste, was mir hatte passieren können, doch je mehr Zeit vergangen war, je mehr ich von ihm gelernt hatte, desto stärker war mir bewusst geworden, dass ich niemals wirklich würde zeigen können, wie gut ich tatsächlich war, dass es mir wohl niemals gelingen würde, aus seinem Schatten zu treten. Aus genau diesem Grund würde ich vermutlich alles dafür tun, die Direktorin zufrieden zu stellen und meine Aufgabe nicht zu vermasseln. Ich liebte meinen Beruf, er war mein Leben, immerhin war mein Team in den vergangenen Jahren zu einer Familie für mich geworden, sodass ich kaum etwas anderes hatte, das mich erfüllte, einmal abgesehen von meinen sowohl unzähligen wie auch unbedeutenden Affären. Doch nun wurde es eindeutig ernst, musste ich genau diesen Teil meiner Selbst verleugnen, ihn vergessen, um meinen Befehl auszuführen.
Mit einem unmerklichen Schütteln meines Kopfes verbannte ich diese Gedanken daraus und stellte nach einem prüfenden Seitenblick mit Erleichterung fest, dass die junge Frau an meiner Seite meine Anspannung nicht zu bemerken schien. Ihre Augen waren noch immer auf das imposante Gebäude gerichtet in dessen Fensterscheiben sich das Licht der untergehenden Sonne spiegelte. Während ich jedoch für einen Moment schweigend beobachtete, wie sie den beeindruckenden Anblick genoss, spürte ich plötzlich all die Unsicherheit, die Nervosität von mir abfallen. Schon oft hatte ich es erlebt, dass der Beginn eines Under-Cover-Auftrages mich unwillkürlich ruhig und gelassen werden ließ, ohne dass das erwartungsvolle Kribbeln in meinem Inneren verschwand, das mich zu dem guten Agenten machte, der ich war. Aber genau dieses Gefühl hatte ich gebraucht, um mich zu entspannen und um mich vollkommen auf meine Aufgabe konzentrieren zu können, die nun unmittelbar vor mir lag.
Jeannes Telefonnummer herauszufinden, war ein Leichtes für mich gewesen, und auch die Frage nach einem gemeinsamen Abend hatte mir keine Schwierigkeiten bereitet. Obwohl mich das erste Treffen mit ihr unerwartet aus der Bahn geworfen hatte, war ich nun der festen Überzeugung, dass ich mich wieder vollkommen im Griff hatte, auch wenn ich noch immer nicht leugnen konnte, dass diese Frau mich auf eine unerklärliche Weise faszinierte. Ich würde diesen verdammten Auftrag ausführen, würde meine Gefühle ausblenden, so wie ich es mein Leben lang getan hatte, und meine Arbeit machen. Jenny Shepard hatte sich vorbehaltlos auf mich verlassen, hatte mir diese Ermittlung anvertraut, und ich würde sie um keinen Preis der Welt enttäuschen. Vermutlich hatte es an ihrem Zorn, ihrem blinden Wunsch nach Rache gelegen, dass sie keinerlei Bedenken gehabt hatte, dass ich es vermasseln könnte. Doch Jeanne Benoit war der Schlüssel zu ihrem Vater, und ohne eitel, ohne selbstgefällig sein zu wollen, hatte ich die vermutlich größte Chance der in Frage kommenden Agenten, die junge Frau um den Finger zu wickeln.

Galant öffnete ich meiner Begleiterin das schwere Holzportal, das leise in der nächtlichen Stille knarrte, ehe ich ihr in das Innere folgte, wo sie in ihrer Bewegung inne gehalten hatte. Beeindruckt ließ sie ihren Blick über die hohe, mit Stuck verzierte Decke schweifen, die mit großartigen Malereien gestaltet war. Die antiken Möbel, die die Eingangshalle schmückten, machten das imposante Bild komplett und entlockten der jungen Frau schließlich ein geflüstertes „Wow.“. Ihre Reaktion war eine Bestätigung für mich, dass ich sie tatsächlich überrascht und wohl auch ein klein wenig beeindruckt hatte, aber bisher hatte sie erst einen kleinen Teil meiner Überraschung zu sehen bekommen. Unsere Schritte hallten dumpf auf dem marmornen Fußboden wider, als ich ihr erneut meinen Arm bot und wir die Lobby durchquerten, um durch eine weitere Tür zu treten. Kaum hatte sie sich in dem kleinen Raum umgesehen, blieb sie abrupt stehen und musterte mich ein wenig verwirrt, sodass ich mir nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen konnte.
„Was ist das?“, hakte sie verwundert nach, während sie mir eindringlich in die Augen sah, womit sie mich erneut unmittelbar in ihren Bann zog, ohne dass ich es hätte verhindern können. Nun unterdrückte ich mein leises Auflachen nicht länger, hätte ich sie doch gern noch ein wenig im Dunkeln tappen lassen, aber ihr Blick ließ mich schließlich antworten: „Sie fragen mich tatsächlich, was das hier ist?“ Meine Augenbrauen wanderten amüsiert nach oben, hätte es doch offensichtlich sein sollen, an welchem Ort wir uns befanden. Da ich jedoch keine Antwort erhielt, griff ich nach ihr Hand und ging mit ihr den Gang hinab, der uns zwischen den Sitzreihen großer, schwerer Sessel entlang führte. Der dicke dunkelrote Teppich verschluckte unsere Schritte, während wir uns der riesigen Leinwand näherten, die beinahe die komplette vordere Wand einnahm. Das Halbdunkel des Raumes, den lediglich einige Wandleuchten ein wenig erhellten, ließ die Einrichtung nur erahnen, doch auch hier konnte man die Vergangenheit dieses Ortes förmlich spüren.
Ich ließ mich mit Jeanne auf zwei Sitzen in der ersten Reihe nieder, vor denen bereits ein gedeckter Tisch stand, der von einer einzelnen Kerze erleuchtet wurde. Auch ohne sie anzusehen, konnte ich fühlen, dass sie noch immer auf eine Erklärung wartete, was sie an diesem Abend erwarten würde, aber ich hatte nicht vor, sie bereits so schnell in all meine Überraschungen einzuweihen, die ich für uns geplant hatte, sodass ich geheimnisvoll antwortete: „Sie wollten mich kennenlernen. Deshalb entführe ich Sie heute Abend in die Welt meiner großen Leidenschaft.“ Nach meinen Worten registrierte ich, wie sie für einen Moment die Luft anhielt, während ich unauffällig dem jungen Mann ein Zeichen gab, der sich beinahe wie ein unsichtbarer Schatten im Halbdunkel des Türrahmens aufgehalten hatte. Nur Sekunden später zogen bereits leise Töne einer bekannten Melodie die Aufmerksamkeit meiner Begleiterin auf sich, die nun ihre Augen von mir ab und nach vorn wandte.

Während ich gespannt auf ihre Reaktion wartete, sicher, dass sie sich erfreut zeigen würde, registrierte ich, wie ihre linke Augenbraue skeptisch nach oben wanderte. Sie schien, meinen Blick auf sich zu spüren, denn sie drehte sich erneut zu mir um, bevor sie mich amüsiert fragte: „Breakfast at Tiffany's? Das ist Ihre Geheimwaffe, um eine Frau zu beeindrucken?“ Mit einem geheimnisvollen Lächeln lehnte ich mich in den Polstern meines Sessels zurück und ließ sie einige Sekunden auf eine Antwort warten, in denen sie ihre Augen nicht von mir abwandte. Je länger ich in dem abgedunkelten Raum saß, die ersten Klänge von 'Moon River' an mein Ohr drangen, umso mehr fühlte ich, wie die Spannung von mir abfiel. Langsam gewann ich mein Selbstbewusstsein zurück, auch wenn ich dennoch genau wusste, dass diese Situation etwas vollkommen anderes war als meine bisherigen Dates mit Frauen, vor allem da an diesem Abend so viel mehr auf dem Spiel stand als das Abenteuer einer aufregenden Nacht.
Ohne meine Augen von der großen Leinwand abzuwenden, erklärte ich schließlich: „Dies ist die einzig wahre Art und Weise mich wirklich kennenzulernen, Dr. Benoit. Mein wahres Ich. Dieser Film ist mehr als ein Klischee. Er ist ein Klassiker der amerikanischen Filmgeschichte.“ Auch ohne sie anblicken zu müssen, nahm ich wahr, wie ihre Brauen abermals verwundert nach oben wanderten, sodass mein zufriedenes Grinsen noch breiter wurde. Endlich lehnte sie sich nun gemütlich in ihrem Kinosessel zurück, während ich mich innerlich verfluchte, war doch bei diesen Worten eindeutig mein Enthusiasmus mit mir durchgegangen. Immerhin war es unnötig, die Lüge, die ich von nun an für die nächste unbestimmte Zeit leben musste, derart deutlich auszusprechen. „Audrey Hepburn. Ich stehe auf ihre Filme“, riss mich meine Begleiterin unvermittelt aus meinen Gedanken, sodass ich sie beinahe überrascht anblickte, bevor ich in ein stilles Schmunzeln verfiel, dem Jeanne sich anschloss und sich dann erneut auf den Bildschirm konzentrierte.
Natürlich war damit meine Abendplanung noch nicht abgeschlossen, aber eins nach dem anderen, denn nun wollte ich zuerst die Vorstellung genießen. Obwohl mich mein jahrelang erprobtes Gespür nicht getrogen hatte, hätte ich nicht erwartet, dass ich mit meinem Vorhaben einen derartigen Volltreffer landen würde. Ich wusste aus Erfahrung, dass Frauen auf Filme wie diese standen, aber bisher hatte ich niemals zu diesem gegriffen, vor allem nicht bei einem ersten Date. Aber sie war eine besondere Frau, und dies war eine besondere Situation, die nun einmal besondere Maßnahmen und besondere Anstrengungen verlangten. Doch dies war mir eindeutig gelungen, sodass ich nun entspannt auf die folgenden Stunden dieses Abends blickte, die weit mehr als ein exzellentes Diner bieten würden. Auf jeden Fall hatte ich noch einige weitere Überraschungen in der Hinterhand, mit der ich meine Begleiterin nicht nur beeindrucken würde, sondern mit Sicherheit auch dazu bringen konnte, sich nicht nur zu mir hingezogen zu fühlen, sondern sich schließlich in mich zu verlieben.
 
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