*PiperHalliwell
500er-Club
[NCIS] Vendetta - Blutige Rache / Kapitel 37: "Durch den Wind"
So, weiter geht's. Viel Spaß!
LG Claudia
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LG Claudia
Als ich aus dem Appartementhaus auf die Straße trete, schlägt mir die kühle Luft des Morgengrauens entgegen, die ein angenehmes Gefühl auf meiner erhitzten Haut hinterlässt. Ich spüre die großen Tropfen, die meine Wangen benetzen und dann langsam nach unten rinnen, um sich schließlich im Kragen meines Pullovers zu sammeln. Für einen Moment schließe ich die Augen, lasse den Regen auf mein Gesicht hinab strömen, wo er sich mit meinen heißen Tränen vermischt. Beinahe erscheint es mir, als versetze dieses Wetter die Stadt in eine Melancholie, die sie dazu bringt, wenn auch nur für eine kurze Zeit, inne zu halten. Die Hektik des sonst so belebten Washingtons ist verstummt, hat der Stille der Nacht Platz gemacht, nur um in der Dämmerung langsam mit neuer Kraft zu erwachen. Doch in diesem Augenblick dringt kein anderer Laut an mein Ohr als das stetige Prasseln des Niederschlags auf das Pflaster, das mich endlich wieder zu innerer Ruhe finden lässt.
Der Knoten in meinem Kopf, zu dem sich meine wirren Gedanken in den vergangenen Minuten vereint haben, beginnt, sich langsam aufzulösen. Unwillkürlich wächst in mir der Wunsch, diese Ausgeglichenheit noch ein wenig länger auszukosten, sodass ich kurzerhand meinen Wagen stehen lasse und zu Fuß durch die in Zwielicht gehüllten Straßen gehe. Von Minute zu Minute, von Meter zu Meter, den ich hinter mir lasse, lösen sich die Nebelschwaden weiter auf, die der kühle Regen, der auf den warmen Boden trifft, aufsteigen lässt. Doch trotz des anbrechenden Tages liegt die Dämmerung noch immer drückend über der Stadt, denn die grauen Wolken türmen sich stetig höher in den Himmel. Sogar die Vögel, die gewöhnlich mit ihrem ausgelassenen Gesang den neuen Morgen begrüßen, sind heute verstummt, haben sogar ihre Plätze hoch oben in den Wipfeln der alten Bäume geräumt.
Erst jetzt wird mir klar, dass ich beinahe die ganze Nacht bei Ziva verbrachte, aber im Gegensatz zu jenen zuvor, hinterließ diese ein vollkommen anderes Gefühl in meinem Inneren. An jedem anderen Morgen verfolgten mich bereits mein schlechtes Gewissen, mein Selbsthass, während heute völlige Leere in mir herrscht, mein Körper lediglich wie eine hohle Hülle scheint. Ich funktioniere nur noch mechanisch, jeder Muskel bewegt sich wie von allein, ohne dass es mir auch nur möglich zu sein scheint, einen von ihnen zu steuern. Dennoch bin ich dabei wegzulaufen, ohne genau zu wissen, ob es die Einsamkeit ist, die mich voran treibt, oder die Schuldgefühle, die mich seit Kates Tod ununterbrochen heimsuchen. So krampfhaft ich auch versuche, mich in mein Verlangen nach Vergeltung hineinzusteigern, so wenig kann ich ihnen dadurch entkommen, bilde es mir lediglich ein.
Während ich ziellos einen Fuß vor den anderen setze, gehen mir permanent die Worte meiner Kollegin durch den Kopf, doch die Bruchstücke ihrer Bedeutung wollen sich nur mit Mühe zu einem Ganzen zusammenfügen. Wieder und wieder denke ich darüber nach, worüber wir gesprochen haben, aber noch immer kann ich mir keinen Reim auf ihr seltsames Verhalten machen. Weder kann ich die Ursache ergründen, die sie dermaßen aus der Bahn warf, noch erhielt ich einen Anhaltspunkt auf Aris Aufenthaltsort. Dennoch bin ich mir vollkommen sicher, dass sie auch weiterhin mit ihm in Kontakt steht, denn dies konnte ich deutlich zwischen den Zeilen lesen. Vermutlich war es ihre Angst, ich könnte ihm näher kommen, als ihnen beiden lieb ist, die meine Partnerin zu dieser absurden Unterhaltung brachte, auf die ich mich auch noch einließ, um meinen letzten Strohhalm, an den ich mich seit Wochen krampfhaft klammerte und der mittlerweile nicht mehr war als eine Illusion, nicht zu verlieren.
Es war nur eine Frage der Zeit, dass Ziva mein Vorhaben durchschauen würde, schließlich ist sie kein naives Mädchen, sondern genoss ihre Ausbildung beim Mossad. Aber ihre Reaktion darauf kann ich noch immer nicht einordnen, glaubte ich doch, ich hätte innerhalb weniger Sekunden ein Messer im Rücken, würde sie dahinter kommen. Stattdessen verwickelte sie mich in ein Frage-Antwort-Spiel, das im Grunde keinen weiter brachte, weder mich mit meiner Suche, noch sie selbst womit auch immer. Mittlerweile frage ich mich, wer hier versucht, wen in eine Falle zu locken, denn falls dieser Schweinehund durch sie von meinem Plan erfahren sollte, würde dieser mein Leben mit Sicherheit umgehend beenden, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Aber die letzten Wochen ließen mich zu einem Menschen werden, der nichts mehr zu verlieren hat und so auch den Tod nicht länger fürchtet.
Die Sonne wandert unaufhaltsam dem Zenit entgegen, sodass mir schlagartig klar wird, dass ich bereits seit Stunden ziellos durch die Straßen laufe. Was auch immer ich dabei gesucht habe, sei es Erlösung oder Erkenntnis, habe ich weder das eine noch das andere finden können. Doch ich spüre, wie die Kraft unaufhaltsam aus meinem Körper weicht, denn die zahllosen kurzen Nächte zehren an mir und rächen sich nun. Nur die Frucht vor den grausamen Bildern, den quälenden Albträumen, die mich stets heimsuchten, sobald ich meine Augen schloss, ließen mich viel zu oft gegen den Schlaf ankämpfen. Bisher gelang es mir leidlich, die Stimmen der Vergangenheit in der Nacht durch den Alkohol und am Tag durch Unmengen Koffein zum Verstummen zu bringen. Immerhin verblassten dadurch die Erinnerungen an die schlechten Träume, die mich immer wieder aufs Neue aus dem Schlaf schrecken ließen.
Aber tief in meinem Inneren weiß ich, dass ich heute diese Schlacht verlieren werde, denn mittlerweile habe ich immer größere Mühe, mich auf den Beinen zu halten und einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nun bleibt mir keine andere Wahl, als nach Hause zurückzukehren, will ich nicht eine unbequeme Parkbank zu meinem Lager für den restlichen Tag und die unweigerlich einbrechende Nacht machen. Für einen Moment versuche ich krampfhaft, mich zu orientieren, doch schließlich stelle ich fest, dass der Weg, den ich nun gehen muss, nicht mehr weit ist. Jenes Haus, in dem ich sowohl die glücklichsten als auch die schmerzhaftesten Monate meines Leben verbrachte, scheint, mich magisch anzuziehen. Obwohl ich jeden Tag erneut vor diesem Ort und den damit verbundenen Erinnerungen fliehe, kehre ich dennoch jeden Abend dahin zurück, weil es eben so sein soll.
Schon seit langer Zeit durchströmt mich nicht mehr das Gefühl der Geborgenheit und des Nachhausekommens, wenn ich die Tür zu unserem Haus aufschließe und dann über die Schwelle trete. Denn genau diese Empfindung galt weniger dem Ort und dem Gebäude als der jungen Frau, die mich stets innerhalb dieser Wände erwartete und die nun nicht mehr da ist, nie wieder hier sein wird. Als ich langsam den Weg in das Wohnzimmer zurücklege, verschwimmt meine Umgebung immer stärker vor meinen Augen, während mein Verstand immer stärker im Nebel zu versinken scheint. Mit letzter Kraft lasse ich mich auf die Couch fallen und schließe erschöpft die Augen, doch noch immer rebelliert mein Körper gegen den Schlafmangel. Nachdem ich mir so lange keine Ruhe gönnte, permanent angespannt und auf der Hut war, fällt es mir nun umso schwerer, endlich abzuschalten. Irgendwann übermannt mich jedoch die Erschöpfung, sodass ich in tiefe undurchdringliche Dunkelheit falle, die mich zu verschlingen scheint.
Doch erneut ist mir lediglich eine kurze Zeit der Ruhe vergönnt, als mich eine vertraute Stimme aus meinem angenehm traumlosen Zustand weckt: „Tony.“ Stöhnend blinzle ich in das helle Licht der untergehenden Sonne, die eine schemenhafte Gestalt erleuchtet und in einem orangefarbenen Licht erstrahlen lässt. Unvermittelt wird mir klar, dass es Kate ist, die hier in unserem Wohnzimmer steht und mich sanft anlächelt, sodass ich mich abrupt aufsetze und sie entsetzt anstarre. „Katie. Wieso...? Was tust du hier? Du bist doch...“, stammele ich verunsichert, mit dem Glauben, langsam den Verstand zu verlieren, aber sie spricht meinen Gedanken zu Ende: „... tot? Ja, ich bin tot, Tony. Und ich bin auch nicht wirklich hier, das weißt du so gut wie ich. Aber du kannst mich nicht loslassen, klammerst dich noch immer an die Hoffnung, dass endlich alles gut wird, wenn Ari erst tot ist.“
Bei dieser Feststellung rinnt ein Zittern durch meinen Körper, das jedoch nicht von der Kälte verursacht wird, die bereits seit Monaten in diesem Haus herrscht. Schon immer hatte sie die Gabe, in mein Inneres zu blicken, so sehr ich auch versuchte, meine Gefühle vor ihr zu verbergen. Doch die Tatsache, diese Worte nun auch aus ihrem Mund zu hören, schmerzt noch stärker, als in dem Moment da Gibbs sie aussprach. Wenn ich ehrlich bin, nahm ich ihn nicht ernst, als er mich davor warnte, mich meinem Verlangen nach Rache hinzugeben und damit vielleicht mein Leben zu verlieren. Es war mir egal, was mich danach erwartete, und im Grunde ist es mir das noch immer, aber Kate unvermittelt vor mir stehen zu sehen und sie die gleiche Warnung aussprechen zu hören, ist mehr, als mein Verstand im Moment in der Lage ist zu verkraften.
Ihr ist klar, dass ich nichts darauf erwidern werde, dass ich selbst nicht weiß, was ich zu diesem stillen Vorwurf sagen soll, sodass sie fortfährt: „Du hast mein Grab seit der Beerdigung nicht mehr besucht, denn das würde bedeuten, dass du meinen Tod akzeptiert hast. Aber ich vermisse dich, Tony.“ Diese Aussage treibt mir unwillkürlich Tränen in die Augen, denn ich kann nicht glauben, dass sie denkt, ich hätte sie vergessen, sodass ich heiser erkläre: „Ich denke doch jeden Tag an dich. In jeder Sekunde.“ „Das reicht nicht. Ich brauche dich, ich brauche deine Nähe. Und ich muss endlich die Gewissheit haben, dass du dich nicht in deinem Wunsch nach Vergeltung verlierst. Bitte lass mich nicht mit dem Wissen zurück, für deine Qualen verantwortlich zu sein!“ Ein gewaltiger Kloß breitet sich in meinem Hals aus, als ich sie so verzweifelt vor mir stehen sehe, während ihre Gestalt langsam zu verblassen scheint, sodass ich bestimmt erwidere: „Du hast keine Schuld, Katie. Er ist Schuld. Nur er. Hast du gehört?“