AW: Die Schule der Magie
Chris blickte auf das türkis-blaue Wasser des Meeres und versuchte sich darüber Klarheit zu verschaffen, was diese Bilder, die er gerade gesehen hatte, für ihn zu bedeuten hatten. Und das war wahrlich keine leichte Angelegenheit, da in seinem Kopf nicht nur seine, sondern auch noch Nataschas Gedanken rumspuckten. Ihm war bewusst, dass sie das eigentlich gar nicht wollte, dennoch begann es ihn langsam doch etwas zu belasten. Es war ähnlich wie zu jener Zeit, als er seine empathischen Fähigkeiten noch nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Nur, dass diese Fähigkeiten ein Teil von ihm gewesen waren und er jetzt damit klarkommen musste, dass er sich mit den Fähigkeiten von Natascha rumschlagen musste…
Andererseits, sobald sie die Fähigkeit unter Kontrolle haben würde, wäre es sicherlich ein guter Weg mit ihr zu kommunizieren. Und bis dahin, würde er ihre Gedanken wohl ertragen und vor allem mit ihnen klarkommen müssen.
Er seufzte leicht. Warum tat es nur so weh, zu wissen, dass Natascha schon mit anderen zusammen gewesen war? Er musste ehrlich mit sich sein. Es war nicht das Wissen, dass sie schon andere geküsst hatte als ihn, dass ihn verletzt hatte. Er war sich schon zuvor bewusst gewesen, dass Natascha schon mit anderen zusammen gewesen war. Was weh tat war, dass er es mit ansehen musste, wie sie jemand anderen geküsst hatte. Wie sie ein Mädchen geküsst hatte…
Wieder drangen ihre Gedanken in seinen Kopf ein, ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte. Er hörte, wie sie sich vor der Einsamkeit fürchtete und wie sie sich Vorwürfe dafür machte, dass das Mädchen versteinert worden war. In diesem Augenblick wurde ihm auch klar, weshalb Natascha damals, als er im Krankenzimmer gelegen hatte, mit verweinten Augen zu ihm gekommen war, nachdem sie dieses Mädchen besucht hatte. Stimmte es wirklich, dass sie nichts für sie gefühlt hatte? Nein, das konnte er nicht glauben. Er schüttelte leicht den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden, doch noch wollte es nicht so richtig klappen.
Doch da nahm Natascha seine Hand und hauchte seinen Namen, was ihn aufblicken und in ihre Augen schauen liess. Wieder hörte er ihre Gedanken und kurz darauf ihre Worte, doch waren es nicht diese, die es ihm ermöglichten, seine Zweifel abzuwerfen. Es war einzig und allein ihr Blick, der ihm wieder ins Bewusstsein rief, wie sehr er sie liebte und dass es nicht wichtig war, was in der Vergangenheit war. Noch immer lag etwas Traurigkeit in seinem Blick, als er ihr antwortete, doch er konnte nun auch wieder leicht lächeln
„Nat, ich weiss, dass du mir nicht weh tun wolltest. Und ja, ich hab vor dir auch schon andere Mädchen geküsste, da hast du schon Recht. Doch es ist nicht das Selbe, etwas zu wissen und es zu sehen. Mir war bewusst, dass ich sicherlich nicht der erste bin, der dich küssen darf… Aber ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass ich sehen muss, wie du jemand anderen – ein Mädchen – küsst“, versuchte er zu erklären, was in ihm vorging.
Er war sich allerdings voll und ganz bewusst, dass er dafür wohl kaum die richtigen Worte finden würde. Und so schüttelte er schliesslich einfach kurz den Kopf und blickte Natascha an. „Vergiss es einfach. Es ist nicht wichtig. Das gehört nun einmal zu deiner Vergangenheit, daran kann ich nichts ändern. Alles was zählt ist die Gegenwart und die Zukunft. Und die gehört mir…“, meinte er lächelnd. „Das heisst, wenn du mich noch immer willst“, fügte er nach einer kurzen Pause noch hinzu, küsste sie dann zärtlich auf die Wange. „Ich liebe dich“, flüsterte er ihr dann noch zu und versuchte das gesehene zu verdränge und zu vergessen, auch wenn das nicht ganz leicht war. Es würde noch eine Weile an ihm nagen, genau wie auch die Worte, die Andrew ihm gestern an den Kopf geworfen hatte, doch damit musste er leben.