• Willkommen auf Traumfeuer.com!
    Registriere Dich kostenlos und mach mit bei Fanart, Fanfiction, RPGs, Rollenspielen und Diskussionen zu Serien/Filmen/Kino

[Moonlight] Partner-FF:Touched by Moonlight

Der Vampir versuchte alles, um seine übernatürlichen Sinne auszublenden und sich voll und ganz auf den geschäftlichen Teil dieses Treffens zu konzentrieren. Er konnte es weder gebrauchen Sandrines Herzschlag zu hören, noch ihren Duft wahrzunehmen. Es gelang ihm nicht wirklich und er spürte er förmlich Sandrines Anspannung. Heißes Verlangen machte sich in ihm breit und er räusperte sich mehrfach, um einen klaren Kopf zu bewahren. Als auch die junge Frau ihr Glas Whiskey mit einem Mal leer trank, füllte er es ihr erneut. Es war eher ein Reflex, er wusste nicht, ob sie es wirklich trinken würde, doch schien sie genauso wie er einen klaren Kopf gut gebrauchen zu können.

Als sein Hemdknopf zu Boden fiel, stockte die Luft ein weiteres Mal. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht? Nichts, das war das große Problem. Wie würde er jetzt davon ausgehen können, dass Sandrine und auch er ein besseres Leben hatten, wenn sie nicht zusammen waren. Die vergangenen Momente hatten wahrlich gezeigt, wie wunderbar sie zusammen passten, dass sie zusammen gehörten. Josef schüttelte diese Gedanken ab. Nein, er und Sandrine, das konnte nie gut gehen. Er hatte es schon damals immer wieder gemerkt und würde er bald aufhören mit seiner Männlichkeit zu denken, und seinen Verstand einschalten, dann würde er dies auch wieder erkennen.

Josef musterte Sandine, schon wieder würde er sie unglücklich machen. Egal wie dies alles verlaufen würde. Der Vampir nahm sich vor, nie von diesem Vorfall zu sprechen, wenn sie nicht selbst darauf zu sprechen kam und er hoffte inständig, dass sie es nicht tat. Sie sollte zurück zu ihrem Josh gehen und die ganze Sache schnellstmöglich vergessen. Dieser Gedanke missfiel ihm, aber er versuchte sich abzulenken, indem er endlich auf das Eigentliche ihres Besuches zu sprechen kam.

Die junge Frau bekundete, dass ihr der Name noch nie untergekommen war und Josef glaubte ihr. Es war ein unausgesprochenes Vertrauen da, seit sie sich das letzte Mal getroffen hatte. Auch wenn sie ihm nicht alles erzählte war sich Josef bewusst, dass Sandrine ihn nicht anlügen würde, sowie sie sich bewusst sein konnte, dass er nichts mehr tat, ohne sie darüber zu informieren. Er stand zu seinem Wort und auch sie würde den Deal nicht brechen, dessen war er sich vollkommen sicher.
"Er ist wohl ein angesehener Geschäftsmann in Frankreich. Lange nicht so einflussreich, wie ich, aber ich denke dennoch, dass er weiß, wie man die wichtigen Fäden ziehen kann, um zu bekommen was er will." führte Josef weiter das Wenige aus, was Mick herausgefunden hatte.

Als er schließlich von dem Ritual sprach, dass dieser französische Vampir plante, veränderte sich die Frau ihm gegenüber. Es schien als wurde sie plötzlich in ihre ganz eigene Welt gezogen. Fragend beobachtete er sie, wie sie völlig in Gedanken verloren vor ihm saß. Es schien als spüre er Angst, etwas, dass er schon oft bei Menschen wahrgenommen hatte, doch dass Sandrine ihm nicht sagen wollte, was sie ängstigte zerriss ihn innerlich. Dieses Vertrauen hatte er sich wohl verspielt.
Als sie wieder sprach, wurde er selbst aus seinen Gedanken gerissen und brauchte einen Moment, um zu verstehen, was sie ihm sagte. Ein Medaillon. Es würde Sinn machen, viele Rituale benötigten bestimmte Schmuckstücke, vor allem aus der alten Welt. Es gab viele Medaillons, die mit mächtigen Zaubern belegt waren, auch er hatte schon mit einigen Kontakt gehabt.

"Vielleicht ist er sich nicht sicher, ob das Medaillon in deinem Besitz ist." meinte er nachdenklich, als Sandrine zu bedenken gab, wieso der Vampir sich nicht einfach nahm was er brauchte. "Ich würde auch nicht irgendwo einbrechen lasse, wenn ich nicht wüsste, dass das was ich suche auch wirklich da ist." erklärte er weiter und drehte das leere Whiskeyglas in seinen Fingern.
"Es wäre viel zu riskant, wenn es nicht da wäre, dann könntest du eventuell den wahren Besitzer warnen."

Sandrine schein in den letzten Minuten zerbrechlicher geworden zu sein. Er dachte eine leichte Panik aus ihrer Stimme heraus zu hören, als sie beteuerte, dass sie den fremden Vampir nicht einfach so ein Ritual durchführen lassen konnten. Josef glaubte nicht wirklich daran, dass das Ritual irgendwelche großen Auswirkungen auf ihn oder sonst jemanden haben würde. Wieso auch, der Mann würde nach Frankreich zurückkehren, sobald er hatte was er wollte, er musste nur dafür sorgen, dass Sandrine so lange in Sicherheit war. Doch irgendetwas in ihrer Stimme sagte Josef, dass mehr dahinter steckte.
"Bring mir das Medaillon." schlug er schließlich vor. "Mick kann dem Vampir erklären, dass ich herausgefunden habe, dass das Medaillon für ein Ritual zu gebrauchen ist und es an mich genommen habe. Er weiß sicherlich, dass du mit mir in Kontakt bist. Dann bist du aus der Sache raus und ich und meine Männer kümmern uns um den Kerl."
 
Werbung:
Eigentlich hatte sie vorgehabt, das zweite Glas nicht zu trinken, aber als Josef mit mehr Informationen über den Vampir sprach, hatte sie das große Bedürfnis sich einen weiteren Schluck zu genehmigen. Immerhin war dies eine außergewöhnliche Situation. Also nahm sie einen weiteren großen Schluck und sah schließlich zu Josef. Ein Geschäftsmann also. Sie hatte keine Ahnung. Sie hatte herausgefunden, dass die Vampire, dir ihr Dorf damals überfallen hatten, nicht alle getötet, sondern auch wenige verwandelt hatten. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Konnte es sogar sein, dass sie von Vampiren beobachtet wurde, die sie von damals aus der Sekte kannte? Das alles brachte sie dazu aufzustehen. Sie konnte besser denken, wenn sie in Bewegung war und nun war es an ihr, in ihrem Gedächtnis zu kramen und Sachen ans Tageslicht zu holen, die sie vor langer Zeit wohl wissend in eine Box gepackt hatte.

Sie hatte keine Ahnung, ob Josef ihr glaubte. Sie hatten zwar ein stilles Abkommen geschlossen und sie wusste, dass sie ihm in dieser Sache vertraute. Aber sie konnte sich vorstellen, wie schwierig es für ihn sein musste, ihr zu helfen und nur Bruchstücke von dem zu erfahren, was eigentlich Sache war. Sie war wirklich bemüht ihm bei den wenigen Dingen, die sie erzählte die Wahrheit zu sagen, doch nach und nach erschien es ihr immer anstrengender. Inzwischen war sie sogar beinahe schon so weit, ihm ihre Geschichte zu erzählen, doch ihr Versprechen an Chloe hielt sie davon ab. Ehe sie nicht mit ihrer Freundin darüber gesprochen hatte, konnte und wollte sie Josef nichts erzählen.

Inzwischen hatte sie sich wieder an eine Lehne des Sessels gelehnt und sah zu ihm herüber. Ihre Gedanken und Gefühle überschlugen sich und auch wenn sie noch immer seine Berührungen auf ihrer Haut spüren konnte, ebenso wie das Verlangen sie wieder zu spüren, hatten die Gedanken an den fremden Vampir doch die Oberhand erlangt.

Sein Einwand erschien ihr irgendwie logisch.
„ Ja, wahrscheinlich hast du Recht. “, sagte sie und nickte Gedanken versunken. Er konnte sich nicht sicher sein, dass Sandrine es hatte. Vielleicht wurde Chloe ebenfalls beschattet, denn immerhin waren sie die beiden einzigen Überlebenden. Und dennoch … sie tagelang zu beobachten brachte ihn doch auch nicht an die Information, die er brauchte. Aber wahrscheinlich interpretierte sie zu viel hinein. Und letztendlich war ihr nur wichtig mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Auch wenn das vermutlich anders verlaufen würde, als für sie gedacht. Denn Josefs nächster Vorschlag klang für sie im ersten Augenblick alles andere als gut.

Er wollte sich ´darum kümmern´. Was genau das bei Josef bedeutete, wollte sie lieber nicht wissen. Auch wenn die Sache damit wahrscheinlich geregelt wäre, sträubte sich irgendetwas in ihr. Josef und seine Männer würden die Sache regeln … Aber was erwartete sie eigentlich? Er hatte sich auf all ihre Bedingungen eingelassen und ihr war durchaus bewusst wie großzügig das von ihm war, wo er doch sonst wahrscheinlich eher selten auf Kompromisse einging.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es noch nicht allzu spät war. Also entschied sie sich dafür, dies direkt zu erledigen. Je eher sie das Ding los war, desto besser. Wie es danach allerdings weiterging, dessen war sie sich noch nicht so sicher.
„ Okay, also ich hole jetzt das Medaillon und bringe es dir… “, wiederholte sie, während sie aufstand und nach ihrer Tasche griff, „ … und über den Rest sprechen wir dann nochmal. “

Ihr war klar, dass Josef etwas dagegen einzuwenden hatte. Einer der Gründe, weshalb sie direkt den Weg zur Tür suchte. Sie musste raus hier, wenigstens für einen kurzen Moment für sich sein und nachdenken.
Sie hörte, wie Josef irgendetwas murmelte, doch ging sie nicht weiter darauf ein, sondern verabschiedete sich lediglich mit einem ´Bis gleich´ von ihm und verließ das Büro. Dankbar darüber, dass niemand von Josefs Angestellten oder gar Freshies über den Weg lief, bahnte sie sich direkt den Weg zu ihrem Auto. Der Weg in die Tiefgarage war ihr inzwischen nur allzu bekannt.

In ihrem Auto erlaubte sie sich das erste Mal wieder durchzuatmen. Was hatte sie getan? Monatelang hatte sie sich eingeredet, dass Josef ihr nichts mehr bedeutete und Vergangenheit war. Und jetzt? Sie konnte an nichts anderes mehr denken? In seiner Gegenwart konnte sie sich nicht mal beherrschen. Ihr war durchaus bewusst, dass sie den ersten Schritt heute gemacht hatte und dass es von seiner Seite aus nicht so weit gekommen wäre. Wieso also tat sie sich das an? Sie wusste genau wieso. Josef brachte sie dazu, sich ihren Ängsten zu stellen, auch wenn er dies nicht mit Absicht tat. Er hatte sie dazu gebracht, sich mit einer Welt auseinander zu setzen, die ihr vorher höllische Angst gemacht hatte, und das zum Teil noch immer tat. Aber sie war mutiger und aus irgendeinem Grund wusste sie kleine Dinge mehr zu schätzen. Sie war nicht darauf aus ein Vampir zu werden und manchmal hatte sie das Gefühl, dass Josef die kleinen Sachen, die das Leben so menschlich und natürlich machten, durch sie ebenfalls genießen konnte, wie sie es tat. Diese Gedanken hatten relativ wenig damit zu tun, wie sehr sie doch über den Vampir hinweg war.

Und dennoch … sie hatte eine Aufgabe und vielleicht war dies nun auch ganz gut. Etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte, um nicht vollends durchzudrehen. Sie würde dieses verdammte Medaillon besorgen und es Josef bringen. Und dann würden sie weiter sehen. Denn ein Freund von seinem Vorschlag war sie noch immer nicht. Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass sie anders mit dieser Sache abschließen musste, aber sie wusste einfach nicht wie. Daher brauchte sie noch etwas Zeit. Aber ein erster Schritt war das Medaillon zu holen, also setzte sie sich auf und fuhr den bekannten Weg zu ihrer Wohnung.

Es kam ihr vor, als sei sie seit Tagen nicht dort gewesen. Und doch waren es lediglich wenige Stunden, die sie fort gewesen war. Kurz spielte sie mit dem Gedanken zu duschen und sich umzuziehen, entschied sich dann jedoch dagegen. Sie wollte so schnell wie möglich zurück zum Loft, um diese Sache zu erledigen. Heute würden sie Mick bestimmt nicht mehr verständigen.
In ihrem Schlafzimmer öffnete sie die kleine verschnörkelte Schmuckschatulle und zog vorsichtig das Medaillon hervor, als sei es ein kostbarer Schatz. Es erinnerte sie an Inés, ihr freundliches Lächeln. Auch wenn Sandrine sich verändert hatte und ihre Beweggründe dieser Sekte beizutreten nur noch vage verstehen konnte, hatte sie in der jungen Frau damals eine Freundin gefunden. Sie seufzte und steckte die Kette vorsichtig in ihre Hosentasche.

Gerade als sie wieder gehen wollte, fiel ihr das blinkende Licht am AB auf. Eigentlich wollte sie jetzt keine Nachrichten abhören, aber vielleicht war es Chloe. Sie hatte seit einigen Tagen nicht mehr mit ihr gesprochen, denn irgendwie hatten sie sich immer verpasst.
Es waren vier Anrufe eingegangen und es gab zwei Nachrichten. Doch Chloe war keine von ihnen. Beide kamen von Josh. Er entschuldigte sich für sein Verhalten. Doch kein Wort davon, dass er bei Josef gewesen war. Sie schwankte zwischen Ärger und ihrem schlechten Gewissen, dass sie ihm gegenüber hatte. Sie hatte ihn betrogen! Und das auch noch mit Josef. Von dem sie Josh gegenüber noch vor wenigen Stunden felsenfest behauptet hatte, dass zwischen ihnen rein gar nichts war. Kurz spielte sie dem Gedanken ihn anzurufen, entschied sich jedoch dagegen. Wie konnte sie jetzt mit ihm sprechen, wenn sie selbst nicht mal wusste, was sie wollte. Also entschied sie sich dafür, ihm eine kurze Nachricht zu schreiben, auch wenn sie das selbst eigentlich hasste. Sie war ein Freund von offenen und persönlichen Gesprächen, doch dazu war sie momentan nicht in der Lage. Also schrieb sie ihm, dass es ihr gut ging, sie noch arbeiten musste und dafür Zeit benötigte. Sie würde ihn morgen anrufen oder übermorgen zu einem Termin in der Galerie, zu dem er beratend dazukommen wollte, sehen.

Ihr Handy wieder in der Tasche verstaut, schnappte sie sich ihre Strickjacke, die sie überwarf und lief durch das Treppenhaus wieder runter. Gerade als sie in ihr Auto steigen wollte, hörte sie jemanden hinter sich.
„Mademoiselle Voltaire … “, hörte sie eine Männerstimme, „ Es ist schon eine ganze Weile her. “ Gerade als sie sich umdrehen wollte, spürte sie nur noch, wie sie etwas am Kopf traf und ihr schwarz vor Augen wurde …

Langsam kämpfte sie sich aus der Dunkelheit. Sie hatte keine Ahnung wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Es roch nach Moder. Ihre Hand- und Fußgelenke schmerzten und sie konnte nichts sehen. Hatte sie eine Binde umgelegt? Nein, es fiel ihr schwer, ihre Augen zu öffnen. Erst nach mehreren Anläufen gelang es ihr und sie brauchte eine Zeit, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatten. Ihr Kopf dröhnte. Was zum Teufel war passiert? Sie war entführt worden?!
Sie spürte den Fetzen Stoff in ihrem Mund. So wollte der Entführer wohl vermeiden, dass sie um Hilfe schrie. Doch würde sie hier jemand hören? Sie sah sich langsam um. Wahrscheinlich befand sie sich in einer alten Fabrikhalle. Sie nahm das Flackern von Kerzen wahr und hinter hörte sie mehrere Schritte, das auf mehrere Personen deutete.

„ Mademoiselle Voltaire … “, hörte sie wieder die tiefe Männerstimme. Sie drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der die Stimme erklang. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Vor ihr stand ein Mann, der ihr inzwischen über zehn Jahre Alpträume bereitete. Er war keinen Tag älter geworden. Sein dunkles Haar war kürzer geworden, doch die stechenden blauen Augen würde sie immer wiedererkennen.
„ Wie ich Ihrer Reaktion entnehme, erkennen Sie mich. “, sagte der Mann, vermutlich Phillipe Moreau, „ Sie haben etwas, dass ich dringend benötige. Aber das wissen sie wahrscheinlich bereits. “, sagte er, doch Sandrine nahm es nur am Rande war. Schwindel und Müdigkeit übermannten sie. Hatten sie ihr noch etwas verabreicht oder kam es von dem Schlag? Sie wusste es nicht, aber schon bald übermannte sie wieder die Dunkelheit und zog sie mit sich…
 
Sandrine gab ihm Recht und Josef beließ es dabei. Er hatte das Gefühl, dass viel mehr in dem Kopf der jungen Frau vor ging, als sie ihm erzählte und glaubte deshalb auch ihre Einwände gegenüber den Beweggründen des fremden Vampirs hatten einen weitaus tieferen Hintergrund, als was sie wirklich aussprach. Doch er hatte einen Deal mit ihr gemacht und er würde sich daran halten, so schwer es ihm auch fallen mochte. Er respektierte Sandrine und ihre Wünsche, dass hatte er schon immer gemacht, nur ihre Sicherheit war ihm wichtiger als alles andere, was ihn schon vor knapp einem Jahr dazu veranlasste gegen ihre Wünsche zu handeln. Der Schmerz in ihren Augen, als sie ihn vor wenigen Tagen darauf angesprochen hatte, ließ ihn immer öfter wundern, ob er damals richtig gehandelt hatte und auch die wenigen Momente Nähe, die sie gerade genossen hatten, schrien förmlich danach wiederholt zu werden. Trotz alle dem schienen beide einen weiteren, stillen Deal abgeschlossen zu haben und zwar nicht über den Vorfall zwischen Ihnen zu reden. Josef wusste nicht was er hätte sagen sollen und so war er froh darüber, dass auch Sandrine die Arbeit an dem Fall als wichtiger erachtete.

Der Vorschlag sich um die Angelegenheit zu kümmern, schien ihm der einzig vernünftige in dieser Situation und auch wenn es Sandrine nicht sofort sagte, merkte er, dass sie einer anderen Meinung war. Musste er sich auf eine weitere Diskussion einlassen? Sah sie wieder nicht ein, dass er nur ihre Sicherheit im Auge hatte? Fragend schaute er die junge Frau an, die für einen Moment über seinen Vorschlag nachzudenken schien. Doch, er hatte richtig gehandelt. Sandrines Verhalten bestätigte dies. Sie würde sich selbst immer wieder in Gefahr bringen, nicht einsehen, dass es Dinge gab, die zu gefährlich für sie waren. Er hatte richtig gehandelt, um sie zu beschützen gab es keinen anderen Weg. Josef wurde klar, dass es nur eine Möglichkeit gab, wie dieses Zusammentreffen zwischen ihnen enden muss und diese Gewissheit machte die Momente vor wenigen Minuten um einiges bittersüßer.
"Ich wüsste nicht, was es da noch zu reden gibt." murmelte er, als Sandrine zustimmte das Amulett gleich zu holen, aber darauf bestand über den Rest nochmal zu sprechen. Doch da war sie schon verschwunden.

Für eine ganze Weile starrte er auf die Tür, aus der Sandrine gerade sein Büro verlassen hatte. Noch immer hing ihr Duft in dem Raum so intensiv, dass es ihm fast den Atem nahm. Seine Erinnerungen kreisten um die junge Frau und er fühlte ihre Küsse und ihre nackte Haut immer noch auf der seinen. Ruckartig stand er von seinem Schreibtisch auf, wobei der Schreibtischstuhl auf den Boden fiel und öffnete die beiden großen Fenster, die sofort den Lärm der Straßen frei gaben. Alles war nun besser, als sich genauer mit den Geschehnissen der letzten Augenblicke auseinanderzusetzen. Sicher, dass Sandrine nun das Gebäude verlassen hatte, verließ auch der Vampir sein Büro und machte sich auf den Weg in sein Wohnzimmer. Wie erwartet warteten seine Freshies dort auf ihn und ohne viele Worte verlor er sich in einer Orgie mit den beiden gutaussehenden Frauen. Alles, um das zu vergessen was mit Sandrine geschehen war, denn seine Erinnerungen daran waren Gift für alles rationale Denken.

Er fühlte sich nicht wirklich besser, oder schlechter nachdem er sich von seinen Freshies verabschiedet hatte, um eine kühle Dusche zu nehmen. Die beiden Frauen hatten angeboten ihn zu begleiten, aber der Vampir hatte dankend abgelehnt, etwas von Privatsphäre genuschelt und sich in seine Privatzimmer zurück gezogen. Das kühle Wasser prasselte an seinem Körper hinunter und Josef versuchte stark für einen Moment den Kopf frei zu bekommen. Gleich würde sie wieder in seinem Büro stehen und all seine Gedanken würden nur noch darum kreisen, wie sanft ihre Haut war, wie heiß ihre Küsse schmeckten und wie sehr er sich nach ihrem Blut verzehrte.
Josef verließ die Dusche, zog sich ein neues Hemd an und machte sich auf den Weg zurück in sein Büro. Dort angekommen griff er nach dem Hörer und rief seinen Rezeptionisten an. "Ich bekomme gleich nochmal Besuch von Miss Voltaire, wir müssen einige geschäftliche Dinge besprechen. Schicke mir Suzanne, ich möchte sie dabei haben." Josef wusste, wie unangenehm es für Sandrine sein würde, eine seiner Freshies dabei zu haben, aber er wusste auch, dass es leichter war ein Arschloch zu sein, als alles andere.

Wenige Minuten später trat Suzanne in sein Büro und bot ihm sogleich ihre Dienste an. "Danke Liebes," sagte er leise aber bestimmt. "Ich hatte genug, aber ich fühle mich etwas verspannt, wärst du ein Engel und würdest dich um meinen Nacken kümmern?" Er musste dies natürlich nicht zweimal sagen. Schon lagen die zarten Hände der jungen Frau an seinen Schulter und massierten ihn sanft und schließlich doch fordernder, bis sich ihre Lippen letztlich auf die seinen legten. Josef hatte nie etwas gegen eine kleine Nummer mit einem seiner Freshies, doch der Gedanke, dass Sandrine jeden Moment zur Tür hinein kommen könnte schreckte ihn vor mehr ab. Er wollte ein Arschloch sein, ja, aber alles hatte seine Grenzen.
Der Vampir drückte die blonde Frau leicht von sich weg und schaute auf die Uhr. "Entschuldige." sagte er in seiner altbekannten Gentleman Art und griff nach dem Hörer. Sandrine hätte schon längst wieder bei ihm sein sollen, selbst bei großen Verkehrsaufkommen, würde sie es bis jetzt zu ihrer Wohnung und wieder zurück geschafft haben. Er ließ sich mit ihrem Handy verbinden und es klingelte.

Es klingelte viel zu lange, bis schließlich die Mailbox in Sandrines verführerischem Akzent mitteilte, dass sie gerade nicht zu sprechen war, er ihr aber gerne eine Nachricht hinterlassen könne und sie dann später zurück rief. Fluchend legte der Vampir auf. Sie hatte ihn seit ihrem ersten Treffen vor einigen Wochen nicht ein Mal auf die Mailbox sprechen lassen, sie war immer sofort am anderen Ende, wenn er anrief. Den Vampir erschlich eine dunkle Vorahnung. Er wählte eine zweite Nummer und erfuhr, dass seine Männer die den fremden Vampir beschatteten, diesem bis kurz vor Sandrines Appartmentgebäude verfolgt hatte, diesen dort aber aus den Augen verloren hatten.
Ohne weitere Worte verließ er sein Büro, fuhr mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage und bretterte wenige Minuten später mit seinem Motorrad durch die Straßen LAs.

Mit voller Wucht hämmerte der Vampir gegen die Wohnungstür der jungen Frau, aber niemand öffnete ihm. Er wusste schon lange, dass niemand in der Wohnung war, denn seine scharfen Sinne hätten jedes Lebenszeichen in der Wohnung wahrgenommen. Doch wollte er ein letztes bisschen Hoffnung nicht aufgeben. Er musste sie finden. Egal was mit ihr geschehen war, Josef spürte wie Panik in ihm aufstieg. Er hatte nicht gut genug aufgepasst, er hätte sie nicht alleine gehen lassen dürfen.
Schnell machte er sich wieder auf den Weg zu seinem Motorrad. Gleich vor der Haustür rempelte er mit einem Mann zusammen und als er, eine leise Entschuldigung murmelnd aufsah, blickte er direkt in die streitlustigen Augen des Galeristen. "Josh," entwischte es ihm eher überrascht als er einige Schritte von dem leicht aufgebrachten Mann zurück wisch. Nachdem er sich angehört hatte, wie er die Frechheit besitzen konnte nun hier aufzutauchen, ballte der Vampir seine Hände fest dazu entschlossen dem Idioten nicht irgendetwas anzutun, denn dazu war in diesem Moment wirklich keine Zeit. "Hör zu Mann," meinte er schließlich ruhig, aber mit der Autorität eines Vampirs in der Stimme, dass selbst Josh respektvoll zu ihm blickte. "Diese Nummer ist ein bisschen zu groß für dich und ich würde dir raten dich da raus zu halten. Ich helfe Sandrine in einer Sache und so wie es aussieht wurde es gerade um einiges schlimmer als angenommen. Lass mich zufrieden meine Arbeit tun und ihr wird hoffentlich nicht geschehen."

Ohne auf eine Antwort des Mannes zu warten setzte er seinen Weg fort und war schon gleich darauf wieder auf seinem Motorrad. Er begab sich in Richtung einer Adresse, die er von seinen Männern erhalten hatte. Eine Lokation, an der der Vampir in der letzten Zeit öfter gesehen wurde. Er hoffte dort irgendetwas heraus zu finden und viel mehr noch, dass Sandrine schlau genug war sich nicht in Lebensgefahr zu begeben.
 
Von einem Moment auf den anderen, brach alles in Panik aus. Sie hörte ihre Schreie, ihre flehenden Schreie sie am Leben zu lassen. Sie spürte Chloes Hand, die sie verzweifelt versuchte mit sich zu ziehen. Sie sah in das Gesicht des Mannes, oder besser gesagt Monsters, das ihre ganze damalige Familie ausgelöscht hatte. Sie liefen und liefen, bis sie nicht mehr konnten und einen Unterschlupf gefunden hatten. Das Gesicht des Mannes noch immer vor Augen wurde er von nun an ihr ständiger Begleiter …

Sie hörte Stimmen und spürte, wie sie langsam in die Gegenwart zurückkehrte. Wie lange sie weg gewesen war, wusste sie nicht. Aber dieses Mal begriff sie schneller als vorhin. Ihre Vergangenheit hatte sie wieder eingeholt. Vor ihr stand der Vampir, Phillipe Moreau , der ihr gesamtes Leben verändert hatte. Er war der Grund dafür, dass sie ihre Familie und ihre Vergangenheit hinter sich gelassen hatte, aus Angst sie könne jemanden in Gefahr bringen. Für einen kurzen Moment kam Panik in ihr auf, dass sie auch Chloe erwischt hatten. Doch sie konnte sie nirgends entdecken, was zwar noch keine Entwarnung bedeutete, aber zumindest konnte sie sich deswegen vorerst beruhigen. Sie musste nachdenken. Sie hatte keine Chance hier allein rauszukommen und ebenso wenig wie lange sie schon hier war. Die Hoffnung, Josef würde sie finden, keimte in ihr auf, doch wie sollte er das schaffen? Sie stieß einen Seufzer aus und schloss die Augen. Wenn sie nur das Medaillon wollten …

„ Oh, na sieh mal einer an, wer wach geworden ist? “, hörte sie die Stimme des Vampirs, die ihr immer wieder einen Schauer über den Rücken jagte.
„ Willkommen zurück. Dann können wir ja endlich beginnen. Aber vorher … “, begann er und lächelte sie schon beinahe freundlich an ehe er ihr den Fetzen Stoff aus dem Mund nahm, „ … So ist es doch gleich viel besser, oder nicht? Wenn Sie das Bedürfnis haben zu schreien, tun Sie sich keinen Zwang an. Es wird Sie sowieso niemand hören. “, erklärte er daraufhin sofort und sein Lächeln veränderte sich.

Hatte Josef sie vorher eines besseren belehrt, dass nicht jeder Vampir ein Monster war, war sie sich bei ihm sicher. Er erlaubte sich einen Spaß aus ihrer Angst und so sehr sie versuchte keine zu haben, wussten sie beide, dass das nicht stimmte.
„ Sie haben die große Ehre, unserem Ritual beizuwohnen. Ich habe lange darauf gewartet. Ich muss gestehen, es war nicht einfach, Sie ausfindig zu machen. “, fuhr er ruhig fort und setzte sich auf einen Stuhl, der ihrem gegenüber stand.

„ Monsieur Moreau, ich weiß, was Sie für das Ritual benötigen … “, begann sie schließlich, während sie all ihren Mut zusammen nahm und sich so sehr es ging darum bemühte, Festigkeit in ihre Stimme zu bringen.
Er blickte sie kurz überrascht an und lachte dann, „ Na da bin ich aber gespannt. “, erwiderte er, beinahe schon selbstgefällig.
„ Das Medaillon, es ist in meiner Tasche. Es gehörte Inés, sie benötigte es damals … “, begann sie, doch spürte wie ihre Stimme drohte zu brechen, also hielt sie lieber den Mund. Er würde wissen, was sie meinte.

Der Vampir sah sie überrascht an und schüttelte dann den Kopf, „ Na, na, na … Mademoiselle Voltaire, ich bin enttäuscht. Hatte ich Ihnen doch mehr zugetraut. “ Wieder dieses selbstgefällige Grinsen auf seinem Gesicht.
„ Glauben Sie wirklich, dass ich wegen eines lächerlichen Medaillons so viel Arbeit investiere?! Behalten Sie es. Was wir brauchen, ist etwas ganz anderes. Wobei … danach werden sie dieses wertlose Schmuckstück auch nicht mehr benötigen. “

Sandrine kniff die Augen zusammen und spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte. Sie begriff nicht, was das bedeuten sollte, aber gute Neuigkeiten waren das definitiv nicht.
„ Haben Sie sich nie gewundert, dass Ihr kleiner Freund schon beinahe besessen von Ihrem Blut ist? “, fragte er sie und sie spürte, wie sie die Luft anhielt. Er wollte von Josef? Alles? War er doch einflussreicher, als sie gedacht hatten?
„ Sie fragen sich, woher ich das weiß? Nun, ich erkenne Vampir-Biss-Spuren, wenn ich sie sehe und davon haben Sie einige. Also habe ich eins und eins zusammengezählt. “
Er rutschte weiter auf seinem Stuhl vor und fixierte sie mit seinem Blick, „ Es gab damals ein Ritual, jedoch nicht das, was Sie denken. Sie sollten damals nicht entkommen. Sie waren schon da eine besonders wichtige Person, wie Inés, wie Sie sie nennen, Ihnen bereits da schon mitgeteilt hat. Durch dieses Ritual wurde Ihr Blut zu etwas Besonderem. Blut, dem zum einen kein Vampir widerstehen kann und das zum anderen eine besondere Wirkung hat und somit existenziell für die Vollendung unseres Rituals ist. “

Sandrine rauschte der Kopf. Ihr Blut sollte etwas Besonderes sein? Für einen kurzen Augenblick fragte sie sich, ob das der Grund für Josefs Zuneigung ihr gegenüber war. Doch so sehr der Vampir ihre Gedanken in Beschlag nehmen konnte, galt ihre Aufmerksamkeit nun etwas anderem. Was sollte mit ihr geschehen?
Gerade, als sie etwas fragen wollte, trat eine Gestalt in dunklem Gewand neben Mr. Moreau und murmelte etwas. Wenn sie doch nur hören könnte, was es war. Doch etwas Gutes konnte es nicht bedeuten, denn dieser nickte leicht und stand gleich danach auf.

„ Es ist soweit. Mademoiselle, ich weiß nicht, ob es Ihnen bereits klar ist, aber Sie spielen hier und heute eine tragende Rolle. Auch, wenn ich es bedauere, dass Sie die Vollendung und die Ausmaße des Rituals nicht mehr erleben werden, so bin ich mir dennoch sicher, dass dies das Beste für alle ist. Glauben Sie mir, die gesamte Menschheit wird davon profitieren. “, sagte er ehe er sie losband, aber sie keine Gelegenheit hatte auch nur einen Schritt zu machen. Denn da hatte er sie schon gepackt. Bevor sie reagieren konnte, hatte sie wieder Stoff über Augen gelegt bekommen, sodass sie kurz davor war, wieder die Orientierung zu verlieren. Er führte sie, ohne, dass sie es sehen konnte, weiter in die Lagerhalle hinein mitten in ein Gebilde, das mit Kreide auf den Boden gemalt war. Ein besonderes Symbol. Um sie herum flackerten Kerzen, ihre Flammen konnte Sandrine zumindest wahrnehmen.
„ Und wenn Sie es positiv sehen, Sie hatten zwölf wertvolle Jahre, in den Sie viel Freude, Glück und Liebe erleben durften. Denn wie gesagt, das war ursprünglich nicht der Plan. Also, … irgendwelche letzten Worte? “

Versuchte er ihr gerade zu sagen, dass sie früh über zwölf Jahre sein sollte, die sie eigentlich hätte früher sterben sollen? Langsam wich das Gefühl von Angst dem der Wut. Was zum Teufel hatte sie denn getan, um Teil dieses perversen Rituals zu werden?! Und nun fragte er sie allen Ernstes nach letzten Worten? Sie hatte versucht sich zu wehren und sich seinem Griff zu entreißen, doch dies war ihr bereits mehrere Male missglückt. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte zu entkommen. Ohne Hilfe würde sie es nicht schaffen.

„ Fahr´ zur Hölle … “, war das einzige, was sie zwischen zusammengebissen Zähnen herausbringen konnte. Und ehe sie noch weiter nachdenken konnte, spürte sie scharfe Klingen an ihren Handgelenken. Sie war also das Opferlamm bei dieser Geschichte. So würde sie enden? Jahrelange Angst, Alpträume und Gespräche mit Chloe endeten hier und heute.

Sie spürte, wie der Druck seines Griffs nachließ. Erst glaubte sie eine Gelegenheit zu haben, entkommen zu können, doch dann spürte sie, wie ihre Glieder immer schwerer wurden. Sie kämpfte gegen die Müdigkeit an, doch im nächsten Augenblick spürte sie, wie er sie sanft auf den Boden legte. Nur weit weg hörte sie rhythmisches Gemurmel, das wohl zum Ritual gehörte. Sie verstand nicht, was gesprochen wurde, aber gut konnte es nicht für sie sein…
 
Es war eine sehr verlassene Gegend, in der Josef sein Motorrad schließlich abstellte. Ein leerstehendes Fabrikgelände mit jede Menge Lagerhallen, es sah aus, als wäre jahrelang niemand hier gewesen. Der Vampir parkte ziemlich am Anfang des Geländes, er wollte auf keinen Fall, dass irgendjemand sein Kommen bemerkte, dies könnte den Tod für Sandrine bedeuten. Lautlos stieg er von seiner Maschine ab und schaute sich um. Keine Spur von irgendwelchen Vampiren oder anderen Machenschaften, aber sein Gefühl sagte ihm, er sei auf der richtigen Spur. Josef verließ sich nicht oft auf sein Gefühl, ihm waren klare Fakten und Beweise durchaus lieber, doch in diesem speziellen Fall konnte er darauf nicht warten, jede weitere Verzögerung konnte schwerwiegende Folgen mit sich bringen.

Leise schlich er über das Fabrikgelände. Er hatte es immerhin mit Vampiren zu tun, deren geschärfte Sinne genauso ausgeprägt wie seine waren. Bald entschied er dafür sich auf den Dächern der leerstehenden Gebäude weiter zu bewegen. Er überlegte mit welcher Taktik er ein Ritual durchführen würde und entschied sich bei den abgelegensten Lagerhallen zu suchen. Er musste irgendeine Spur finden. Etwas, das ihm verriet, dass Sandrine hier war. Einen anderen Gedanken konnte er momentan nicht fassen. Es ging um ihre Sicherheit, ihr Leben, nie könnte er es sich verziehen, wenn... Er schüttelte den Gedanken ab. Es würde ihr nichts geschehen, dafür würde er sorgen, koste es was es wolle.

Als er über die Dachkante eines niedrigeren Lagerhauses blickte sah er sie endlich. Zwei übel dreinschauende Männer stolzierten mit Gewehren bewaffnet vor dem Eingang einer großen dunklen Lagerhalle herum. Bei genauerem Hinschauen war klar, dass es sich bei den Muskelprotzenum Vampire handelte. Er war also richtig hier. Eine kleine Welle der Erleichterung machte sich in Josef breit, doch wusste er auch, dass er noch lange nicht am Ziel war. Hatte der französische Mistkerl schon dafür gesorgt, dass dieser Ort von zwei Wachmännern gesichert wurde, dann würde er im Inneren auf noch mehrere dieser Art treffen und denen war er sicherlich alleine nicht gewachsen. Irgendwie musste er sich einen Überblick verschaffen.
So unauffällig er konnte sprang er auf ein Vordach am hinteren Bereich der bewachten Lagerhalle und kletterte von dort lautlos auf deren Dach. Ein verdrecktes Fenster in der Mitte gewährte ihm einen kleinen Einblick in das Geschehen vor Ort.
Vier Gestalten in purpurnen Umhängen standen in einem Kreis um einen Steinaltar, der mit leuchtenden Kerzen umrandet war. Sie bildeten vier Eckpunkte eines Pentagramms, der fünfte Eckpunkt war zu diesem Zeitpunkt noch unbesetzt.

Sein Blickfeld war eingeschränkt und so konnte er außer dem Ort, an dem zweifellos das Ritual stattfinden würde, nichts erkennen. War Sandrine wirklich dort? Brauchten sie nicht nur das Amulett für dieses Ritual? Viele dieser Gedanken gingen durch Josefs Kopf, doch einer kristallisierte sich immer mehr hervor: Er konnte hier nicht alleine weiter. Es waren eindeutig zu viele Vampire, als dass er irgendetwas alleine hätte bewirken können.
Langsam schlich er sich auf dem Dach des Lagerhauses wieder nach vorne, um die Wachmänner zu beobachten. "Wenn das Mädchen wirklich die ist, von der Phillipe gesprochen hat. So lange haben wir darauf gewartet." hörte er den einen der beiden sprechen. "Zu schade, dass sie dabei ihr Leben lassen muss, die Kleine hätte uns sicher noch eine Weile als gute Unterhaltung gedient." Josef ballte seine Fäuste. Es konnte doch nicht wirklich sein, dass diese Idioten so von Sandrine sprechen. Der aufkömmlichen Wut folgte bald beunruhigende Sorge, als die Worte der beiden Vampire entgültig in den Kopf des Vampirs sickerten. Es musste etwas geschehen und zwar sofort.

So schnell er konnte, flog Josef förmlich zurück über die Dächer des Fabrikgeländes, bis er wieder vor seinem Motorrad und somit außer Hörweite war. Schnell wählte er die wohlvertraute Nummer und atmete auf, als kurz darauf Mick sofort am anderen Ende der Leitung zu hören war. "6200 Nord Wentwood Drive, ich brauche dich hier so schnell wie möglich." teilte er seinem Freund knapp mit und wiederholte nur noch einmal die Adresse, bevor Mick auflegte und Josef ungeduldig hin und her zu laufen begann.
Es dauerte wahrscheinlich gar nicht so lange, aber für ihn war es eine halbe Ewigkeit, bis Micks dunkles Cabrio um eine Straßenecke bog und vor ihm zum halten kam. Mit so wenigen Worten wie nötig erklärte Josef dem Privatdedektiv, was sich in den letzten Stunden abgespielt hatte und verschwieg dabei den Besuchs Joshs sowie alle weiteren prikeren Details, die daraus folgten. Beide Vampire machten sich sogleich über die Dächer auf den Weg zu der besagten Lagerhalle, wo Josef einen weiteren Blick in das Dachfenster warf.

Der Anblick, der sich ihm jetzt bot, ließ es ihm eiskalt über den Rücken laufen. Der Altar war nun nicht mehr leer. Auf ihm lag eine regungslose Gestalt, die Josef schnell als Sandrine erkannte. Dünne rote Linien zeichneten sich an ihren Handgelenken ab und Josef meinte zu erkennen, dass irgendwelche Gefäße das Blut der jungen Frau auffingen. Für einen Moment trafen ihn die Erinnerungen an genau dieses Blut auf seiner Zunge wie ein Schlag und er konnte sich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Doch die Angst um Sandrine war größer, sodass die klaren Gedanken schnell wieder in seinen Kopf zurück gelangten. Leise winkte er Mick heran, der in der Zwischenzeit ein Auge auf die Wachmänner geworfen hatte. Reden konnten die beiden Vampire nicht, denn viel zu groß war die Gefahr entdeckt zu werden. Josef deutete auf Sandrine und zeigte mit der Hand auf seine Uhr, um Mick zu verdeutlichen, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten, dieser nickte zustimmend und schaute sich suchend um. Ihnen musste sehr schnell irgendetwas einfallen, sonst sah Josef Sandrine noch vor seinen Augen sterben und dies würde er sich niemals verzeihen.
 
Sie spürte, wie sie bewegt und wieder niedergelegt wurde. Sie musste für kurze Zeit das Bewusstsein verloren haben, denn ihre Augenbinde war ihr inzwischen abgenommen worden. Phillipe konnte sie nirgends entdecken, doch stattdessen erkannte sie schemenhaft vier Gestalten in purpurfarbenen Umhängen. Sie lag auf einem Stein, der wohl eher ein Altar war. Auf dem Boden erkannte sie Kreide, allerdings konnte sie nicht erkennen, was es für ein Symbol war. Der Schlag auf den Kopf und der Blutverlust schränkten ihre Sinne erheblich ein.

Irgendwas schien sie wieder aufgewacht zu haben und sie fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte. Immerhin musste sie inzwischen einiges an Blut verloren haben. Sie spürte die Schnitte an ihren Handgelenken. Noch immer fühlte sie sich schwach und müde, doch sie war bei Bewusstsein. Das war ja vielleicht doch ein gutes Zeichen. Vielleicht würde sie es irgendwie schaffen, dieses Ritual zu überleben.

Das rhythmische Gemurmel der Gestalten in den Umhängen drang zu ihr durch.
Fes Matos Tribum, Mehan Veras Ratas, Mas Anima Mal Vita Cadaram. Sus Fes Matos Oproctum, E Tiamis Mehan Alis, Somos Susternam.
Was hatte das zu bedeuten? Was hatten sie mit ihr vor? Phillipe hatte davon gesprochen, dass sie die Vollendung des Rituals nicht mehr erleben würde. Und irgendetwas von ihrem Blut… Was zum Teufel hatte es mit ihrem Blut auf sich? Doch ehe sie einen weiteren Gedanken fassen konnte schoss ein unbeschreiblicher Schmerz durch ihren gesamten Körper, der sie im ersten Augenblick schmerzerfüllt aufschrien ließ.

Sie hatte das Gefühl, als würde sie innerlich verbrennen. Ihr Körper versteifte sich und sie kniff fest die Zähne aufeinander. Sie wollte ihnen nicht die Genugtuung geben, damit sie sich an ihrem Leid erfreuen konnten. Doch der Schmerz, den sie spürte war einfach zu groß. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie so etwas gespürt. Ihre Blutgefäße schienen zu explodieren. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, wollte nur, dass es aufhörte. Auch wenn das bedeutete, dass dies ihr letzter Atemzug war. Sie stieß die Luft zwischen ihre Zähne und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.
„ Bitte. “, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Abrupt endete das Gemurmel, das ihr bis eben noch die schlimmsten Schmerzen ihres Lebens bereitet hatten. Erschöpft sackte sie zusammen und schloss ihre Augen. Hatten sie nun wirklich Erbarmen mit ihr? Sie spürte selbst wie ihr Puls sich verlangsamte. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, aber sie hatte keine Chance hier alleine rauszukommen…
„ Und nun, … der krönende Schluss. “, hörte sie Phillipes Stimme, der plötzlich neben ihr stand. Sie wollte ihren Mund öffnen und etwas sagen. Ihn bitten von ihr abzulassen oder dem Ganzen endlich ein Ende zu setzen.

Was sie nicht sehen konnte, war, dass Phillipe die Gefäße, die eben noch ihr Blut aufgefangen hatten, nun an die Gestalten reichte, die jeder einen Schluck davon tranken und an den nächsten weitergaben.
Sie rechnete damit, dass es jeden Augenblick zu Ende war, doch da spürte sie wieder etwas an ihrem Handgelenk. Es war ein bereits bekanntes Gefühl, doch anders als bei den Malen mit Josef durchfuhr sie ein bitterer Schmerz. Dies hatte weder etwas mit Verlangen, noch mit Rausch ihrerseits zu tun. Er hatte also nicht gelogen und sie brauchten für das Ritual wohl ihr gesamtes Blut. Lediglich ein leises Stöhnen drang aus ihrer Kehle. Zu schwach, um etwas zu sagen, zu schreien oder geschweige denn sie zu wehren, nahm sie in weiter Ferne wieder das rhythmische Gemurmel wahr.
Fes Matos Tribum, Mehan Veras Ratas, Mas Anima Mal Vita Cadaram...
Mehr nahm sie nicht mehr wahr. Ihr letzter Gedanke war, dass vielleicht ein Wunder geschah und sie es doch irgendwie hier heraus schaffte ehe sie ihr Bewusstsein verlor ...
 
Höchst angespannt beobachtete der Vampir was in dem Lagerhaus von statten geht. Sie konnten nichts hören, aber es war klar, dass das Ritual nun anfangen musste, als der Anführer seine Position im Pentagramm einnahm. Josef blickte zu Mick und dieser gab im deutlich zu verstehen, dass es keinen anderen Weg gab, als durch das Fenster oder das Eingangstor in die Lagerhalle zu kommen. Er nickte zustimmend. Es musste schnell gehen, denn heimlich, still und leise würde ihr Auftritt so sicherlich nicht werden. Doch dies war auch gut so. Zu aller erst musste das Ritual gestoppt werden, Josef hatte klar und deutlich gehört, dass Sandrine dabei ums Leben kommen würde und dies würde er nicht zulassen.

In diesem Moment ertönte ein schriller Schrei und Josefs Aufmerksamkeit wurde wieder komplett auf Sandrine gerichtet. Mit Horror sah er, wie die junge Frau auf dem Altar lag und sichtbar mit schmerzen kämpfte. Sie mussten sie so schnell wie möglich da raus holen. Josef hatte noch nie so ein Verlangen danach einen Menschen aus irgendetwas zu befreien, doch als er Sandrine unter sich um ihr Leben kämpfen sah, wünschte er sich nichts sehnlicher als in diesem Moment an ihrer Stelle zu sein, ihr die Schmerzen zu nehmen, sie in Sicherheit zu wissen.

Erst als Mick ihn an der Schulter packte, konnte er seinen Blick von der Szene im Lagerhaus abwenden und wieder zu seinem Freund blicken. Dieser zeigte auf den vorderen Teil des Lagerhauses und deutete Josef an mit ihm zu kommen. Ja, Mick hatte recht, sie mussten zuerst die Wachmänner außer Gefecht setzen und dies so unauffällig wie möglich. Mit sieben Vampiren würden auch die beiden nicht klar kommen, sie mussten sie nacheinander ausschalten.

Am Rand des Daches angekommen griff Mick nach einem Stein und schmiss ihn hinter ein benachbartes Gebäude. Diese Aktion führte zu der gewünschten Reaktion und einer der beiden Wachmänner verließ seinen Posten, um nach den Rechten zu sehen. Auf ein Kopfnicken von Mick sprangen die beiden Vampire vom Dach und landeten wenige Zentimeter vor und hinter dem verbliebenen Wachmann. Josef holte aus und legte alle seine Wut in seinen Fausthieb, der den fremden Vampir direkt ins Gesicht traf. Dieser taumelte durch die Wucht des Schlages in Micks Arme, der ihm schließlich mit einem gekonnten Griff schnell und leise das Genick brach. Das knacken der Wirbelsäule, ließ Josef eine gewisse Genugtuung spüren und gab ihm die Gewissheit, dass sie diese Mission tatsächlich zu zweit durchführen konnte.

"Lass uns keine Zeit verlieren." drängte Josef leise, als er den zweiten leblosen Körper zu dem anderen fallen ließ. Auch diesen hatten sie auf die gleiche Weise erledigt und Josef kribbelte es förmlich in den Fäusten die anderen Dreckschweine auch noch fertig zu machen.
Gerade wollte er in die Lagerhalle eilen, als Mick ihn an der Schulter packte und zurück hielt. Leicht gereizt drehte sich Josef zu ihm um, doch sein Blick verriet dem Vampir, dass sein Freund sich gerade mehr Gedanken machte als er selbst und es wahrscheinlich schlau war ihn auszuhören, bevor er sich in irgendeine kopflose Aktion stürzte. "Ich komme von oben." erklärte dieser dann seinen Plan. "Für eine Weile kann ich die Kerle ablenken. Bring Sandrine in Sicherheit und ich komme dann hinterher." Josef nickte und begab sich langsam und leise in die Lagerhalle.

Vorsichtig schlich er weiter, bis er einen Blick auf den Zirkel hatte. Er versteckte sich hinter mehreren Benzinfässern und beobachtete wie dieser Philippe Sandrines Arm nahm. Seine Fäuste ballten sich und er musste sich stark beherrschen nicht sofort aus seinem Versteck auf den Vampir zu stürzten, als er mit ansehen musste, wie der Widerling das Blut von Sandrine zu trinken begann. Erst jetzt merkte er, dass die ganze Lagerhalle gefüllt mit dem Duft von Sandrines Blut war. Jedes bisschen aufkommendes Verlangen, unterdrückte Josef mit dem undenkbaren Hass den er gegen den französischen Vampir hegte. Es trank niemand von Sandrine als er selbst, schoss es durch seinen Kopf und er erschrak selbst von den starken Besitzansprüchen, die sich in seinem Inneren ausbreiteten. Sie gehörte ihm und sonst niemandem.

Endlich hörte er das Klirren zerbrechender Fensterscheiben und Mick landete direkt zwischen den Gestalten, die sofort mit ihrem Sprechgesang aufhörten und schlichtweg verdutzt zu Philippe schauten. "Wie kannst du es wagen." donnerte dieser, während die anderen vier Vampire ihre Kapuzen von den Köpfen streiften. "Fasst ihn."
Auf dieses Kommando löste sich der Zirkel auf und die Vampire stürzten sich auf Mick, der mit einem Stock bewaffnet alle Hände voll zu tun hatte. Nur Philippe rührte sich nicht von der Stelle sondern begab sich wieder zu Sandrine. Josef beobachtete, wie er der jungen leblosen Frau irgendetwas ins Ohr flüsterte. Wutentbrannt schoss er hinter den Fässern hervor und auf den Vampir los. "Lass die Finger von ihr" zischte er zwischen seinen Zähnen hervor, als er den Altar erreichte und mit einem Fausthieb den Anführer des Vampirclans von Sandrine weg drängte.

"Oh, der Verehrer." lächelte dieser, als er sich wieder auf die Beine half und nun direkt vor Josef stand. "Ja, das Blut der Kleinen ist besonders attraktiv für dich, nicht wahr? Aber es war nie für dich gedacht. Sie gehört mir, nur mir alleine."
Die Worte Philippes hefteten sich in seinem Kopf fest und vor allem der letzte Satz dröhnte in seinen Ohren nach, wie ein Echo. "Du wirst ihr überhaupt nichts antun." zischte Josef erneut und prügelte weiter auf den Vampir ein, der sich allerdings zu helfen wusste. Josef steckte ein paar harte Schläge ein, teilte aber genauso aus. Von blinder Wut getrieben, hatte er seinen Gegner bald in eine Ecke gedrängt. "Josef beeil dich." hörte er Mick, der von der anderen Seite der Lagerhalle ziemlich verzweifelt klang. Vielleicht war es doch keine zu gute Idee gewesen zu zweit auf fünf Vampire los zu gehen.

Hinter sich hörte er Sandrine schwach seufzten und vor ihm lachte der Vampir, während er sich das Blut von der Unterlippe wischte. Mit einem letzten Adrenalinstoß von kalter Wut stürzte sich Josef mit bloßen Händen auf Philippe und drückte ihm die Kehle zu. Es dauerte nicht lange, bis dieser schwächer unter seinem Griff wurde und es Josef schließlich gelang einen besseren Griff um seinen Hals zu bekommen. Das leise Knacken verriet ihm, dass dieser nun endlich außer Gefecht gesetzt war.
Für einem Moment stand er triumphierend, über dem regungslosen Körper und gab diesem einen verächtlichen Tritt, als ein weiteres Seufzen seine Aufmerksamkeit auf Sandrine lenkte. Schnell drehte er sich um, lief zurück zum Altar und nahm sie vorsichtig auf seine Arme.

Mit schnellen Schritten trug er die junge Frau aus der Lagerhalle und legte sie ein paar Meter weiter auf eine grüne Wiese. Ihre blasse Haut machte sie einerseits noch schöner, als Josef sie eh schon in Erinnerung hatte, andererseits wusste der Vampir, dass dies kein gutes Zeichen war. Ihr Herz schlug nur noch sehr sanft und ihren Atem konnte er kaum noch wahrnehmen.
Schnell riss er zwei streifen aus seinem T-Shirt und wickelte diese fest um die Handgelenke der jungen Frau. Dann strich er ihr vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht. "Alles wird gut Kleine," flüsterte er leise. "Ich verspreche es dir."

Er blickte zurück zur Lagerhalle und wusste nicht, wie er es geschafft hatte, als er Mick mit zahlreichen Verletzungen, aber auf beiden Beinen aus dem Eingangstor kommen sah. Für einen Moment ließ er die junge Frau auf dem Boden liegen und eilte zu seinem Freund. "Sie werden bald wieder auf den Beinen sein." hörte er die Worte des Privatdetektiven, "Wir müssen uns irgendetwas einfallen lassen."
Josef dachte für einen Moment nach und erinnerte sich schließlich an die Benzinfässer, die er in der Halle erblickt hatte. "Hilf mir" rief er Mick zu, als er einen der Wachmänner, in die Lagerhalle zog. Mick folgte mit dem zweiten und sie legten die beiden Vampire in der Halle ab. Sobald dies geschehen war, schnappte sich Josef einen Kanister und ließ eine Spur der streng riechenden Flüssigkeit von den Fässern bis zum Ausgang der Halle fließen. Schließlich übernahm Mick die Ehre, zündete ein Feuerzeug und setzte das Benzin in Flammen.

Josef eilte zu Sandrine, um sie gerade noch rechtzeitig vor der Explosion abzuschirmen, als auch Mick zu den beiden hinzu trat. "Nimm mein Motorrad." bat er seinen Freund und warf ihm den Schlüssel zu. "Du kannst es behalten, bis du dein Auto wieder bekommst." Mick schien nicht widersprechen zu wollen. Er übergab Josef seinen Autoschlüssel und begleitete ihn, als er Sandrine vorsichtig bis zu seinem Auto trug, sie dort auf den Rücksitz legte und in seinen Wagen stieg.
"Irgendwann wirst du mir das erklären müssen." hörte er seinen Freund noch sagen, als der Motor des Wagens aufheulte und Josef schon um die erste Straßenecke bog.

Der Vampir konzentrierte sich mehr auf den Herzschlag Sandrines als auf die Straße und fegte beinahe einen anderen Motorradfahrer von der Straße, bis er schließlich die Tiefgarage erreichte und Micks Auto parkte. Ebenso vorsichtig wie zuvor trug er Sandrine in den Fahrstuhl und gleich darauf in seine Privatgemächer. Dort legte er sie auf sein Bett. "Komm schon Sandrine, nicht aufgeben." flüsterte er leise, als er ihr die Haare sanft aus dem Gesicht streifte und nach ihrer Hand griff. Doch es schien nicht so, als würde sich irgendetwas tun.
So schnell er konnte, lief Josef schließlich zu seiner Minibar und holte zwei Blutkonserven hervor. Er hatte immer welche vorrätig, wenn schon alleine für Mick, so doch auch für den Fall, dass einer seiner Freshies aus Versehen einmal zu viel Blut verlor. Mit den Konserven und einer Nadel eilte er zurück in sein Schlafzimmer und mit wenigen gekonnten Griffen floss das Blut wenige Minuten später in Sandrines Arm.
 
Sie stand auf dem Dach, das ihr schon so viele schlaflose Nächte bereitet hatte. Hier hatte alles angefangen. Und hier hatte sie zum ersten Mal einen Ort in dieser Stadt gefunden, der sie wirklich und wahrhaftig zur Ruhe brachte. Sonnenstrahlen fielen auf ihr Gesicht und sie spürte die Wärme auf ihrer Haut, die sich über ihren ganzen Körper ausbreitete. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen. Das war also das Ende. Nicht, dass sie je an einen Himmel geglaubt hatte. Aber sie hatte immer die Hoffnung gehabt, dass es einen Ort gab, an dem sie nach ihren Tod kehren würde. An dem es keinen Schmerz, keine Verzweiflung gab. Und das schien dieser Ort zu sein. Ein Ort, an dem sie zufrieden und glücklich war, von Menschen umgeben, die sie liebte.

Und dennoch stellte sie sich die Frage, ob das nun das Ende war. Sie würde also keine Gelegenheit mehr bekommen, sich von ihren Eltern zu verabschieden, geschweige denn sie noch ein Mal zu sehen. Sie spürte den Kloß in ihrem Hals und hatte Mühe ihre Tränen zurückzuhalten.

„ Alles wird gut, Kleine. Ich verspreche es dir. “, hörte sie plötzlich eine Stimme. Eine Stimme, die ihr nur allzu bekannt war. Sie wusste wer es war ehe sie sich umdrehte. Und da stand er und lächelte sie an. Und auch sie erwiderte sein Lächeln. Es war ihr noch immer ein Rätsel wie er es schaffte, sie in einem Moment so sehr auf die Palme zu bringen, dass sie ihn am liebsten erwürgen würde und ihm nächsten Moment mit diesem atemberaubenden Lächeln so lähmte und beruhigte, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte.

Er ging auf sie zu, zog sie in seine Arme und setzte sie, wie damals, so auf die Mauer, dass die den perfekten Blick über diese doch wunderschöne Stadt hatte. Er schlang seine Arme von hinten um sie und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Sie hatte keine Ahnung, ob das nun das Ende war oder nicht, aber wenn es das war, wollte sie zum jetzigen Zeitpunkt nirgendwo anders sein.
„ Komm schon Sandrine, nicht aufgeben. “, hörte sie ihn in ihr Ohr flüstern und langsam aber sicher verblasste die Umgebung um sie herum, ebenso wie seine Arme, die sie eben noch deutlich um ihre Taille gespürt hatte. Aber sie spürte etwas anderes, eine andere Wärme, die ihren Körper durchzog …



Die Schmerzen kamen zurück. Das Pochen in ihren Handgelenken, der dröhnende Schmerz ihres Kopfes. Für einen kurzen Moment hatte sie Angst gleich wieder diesen fürchterlichen Schmerz zu spüren, der durch den Zauber hervorgerufen wurde. Doch als dieser ausblieb, traute sie sich, langsam die Augen zu öffnen. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatte, aber dann brauchte es nicht lange, um zu wissen wo sie war.
„ Josef. “, flüsterte sie leise. Ein Zittern durchfuhr ihren Körper. Im ersten Augenblick wusste sie gar nicht, wie ihr geschah. Es brauchte einige Sekunden, bis sie merkte, dass sie weinte. Dieses Mal jedoch nicht vor Schmerz, sondern vor Erleichterung. Irgendwie hatte Josef es geschafft sie aus dieser Hölle rauszuholen. Langsam sickerten einige Fetzen ihres Traums in ihre Erinnerung…
Sie atmete einige Male tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Erst jetzt nahm sie die Nadel in ihrem Arm wahr, ebenso wie die Blutkonserve. Sie musste einiges an Blut verloren haben, wenn er zu diesen Mitteln gegriffen hatte.

Und nun entdeckte sie ihn. Nicht, dass sie seine Nähe nicht schon längst gespürt hatte, aber brauchte sie einen Moment, um sich zu sammeln. Er saß dicht neben ihr auf dem Bett, doch sein Blick beinhaltete nicht das warme Lächeln aus ihrem Traum vorhin. Im Gegenteil. Es war voller Sorge. Sorgen, die er sich um sie gemacht hatte. Sie versuchte ihm ein Lächeln zu schenken, was ihr mehr schlecht als recht gelang.
„ Hey … “, war schließlich das Einzige, was sie herausbrachte.
 
Was hatte er sich nur bei all dem gedacht? Dieses Mädchen lag auf seinem Bett, blass wie eine Porzellanpuppe. Ihr Herz schlug schwach und ihr Atem war kaum spürbar. Die Nadel in ihrem Arm beförderte kaltes Blut in ihren ebenso kalten Körper und er wusste nicht, ob sie die Folgen dieses Rituals überleben würde. Und er wollte nicht von ihrer Seite weichen, wollte für sie da sein, sie beschützen. Seine Gedanken brachten ihn zurück auf das Dach seines Penthauses, wie er gemeinsam mit ihr auf seine Stadt blickte. Dort hatte alles angefangen. Er hätte sich so viel Ärger erspart, so viel Kummer und Schmerzen. Hätte er doch damals nur auf seine eigenen Worte gehört.

Aber nun war es zu spät. Er war dieser jungen Frau verfallen, konnte an nichts anderes mehr denken, verzehrte sich nach ihrer Nähe. Sie war alles, um was sich seine Gedanken drehten. Sie war seine Welt geworden. Er hatte es sich nie zugestanden, aber nun, als sie auf seinem Bett lag und um ihr Leben kämpfte. Nun, als es darum ging sie vielleicht für immer zu verlieren, da merkte er, dass er nicht mehr leben wollte, sollte Sandrine ihr Leben verlieren.
Seine Gedanken spielten mit der Option sie von seinem Blut trinken zu lassen. Würde sie es nicht schaffen, dann würde er sie wenigstens nicht verlieren. Sie könnte für immer bei ihm bleiben. Aber diese Entscheidung wollte er für sie nicht treffen. Zu sehr erinnerte sie ihn an Mick und er würde es sich nie verzeihen, wenn sie mit gleicher Reue ihr Leben ansehen würde. Dazu kamen die Gefahren, die eine Verwandlung mit sich brachte. Nie wieder würde er jemanden, den er liebte in eine solche Gefahr bringen.

Sanft strich er Sandrine über ihren Handrücken. Sie sah so friedlich aus, als würde sie schlafen. Er hatte sich dazu entschieden sie nicht ins Krankenhaus zu bringen. Die Folgen des Rituals waren nicht vorhersehbar und er konnte den Ärzten nicht erklären was geschehen war. Ihre Wunden sahen sehr nach einem Selbstmordversuch aus und Josef hatte Sandrine vor den Torturen bewahren wollen, die damit in Verbindung gebracht werden würden. Doch mittlerweile zweifelte er an dieser Entscheidung. Was wenn die Blutkonserven nicht anschlagen würden? Was wenn seine Bemühungen nicht reichten?

Plötzlich hörte er ihre Stimme. Leise und schwach, aber sie lebte. Besorgt blickte er auf und schaute ihr ins Gesicht. Er konnte nichts sagen, seine Schuldgefühle schnürten ihm die Kehle zu. Hätte er sie nicht alleine aus seiner Wohnung gehen lassen, wäre alles nicht passiert. Hätte er diesen Vampir schon früher ausschalten lassen, wäre es nie so weit gekommen. Er schluckte und streifte ihr sanft durchs Haar.
Ihr versuch eines Lächelns beruhigte ihn nicht wirklich, doch ihr sanftes Hey ließ ihn liebevoll lächeln. "Hey Kleine." erwiderte er die Begrüßung. "Wie geht es dir?"
 
Sie bekam keinen Ton heraus, war einfach nur so unglaublich froh, dass das alles ein Ende hatte. Zumindest vorerst. Nie im Leben hätte sie sich träumen lassen, einmal solche Schmerzen zu erleben. Allein der Gedanke daran jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Nur allzu sehr nahm sie seine Berührungen war. Seine Haut auf ihrer. Doch anders als noch vor ein paar Stunden gab es ihr momentan eher das Gefühl von Geborgenheit. Sie wusste, dass sie in Sicherheit war. Und das war momentan das, was sie brauchte.

Sein besorgtes Gesicht ließ sie erschauern. Sie musste wirklich fürchterlich aussehen, wenn er sich solche Sorgen um sie machte. Nur bruchstückartig erinnerte sie sich an die Geschehnisse der letzten Stunden. Sie hatte vor ihrer Wohnung einen Schlag auf den Kopf bekommen und war in der Lagerhalle aufgewacht. Und dann war da nur noch Schmerz, Blut und das widerliche Lachen von Phillipe Moreau, das sie nicht mehr aus ihrem Kopf bekam. Dieser Vampir war dafür verantwortlich, dass Chloe und sie jahrelang in Angst gelebt hatten. Er hatte ihr alles genommen, was sie geliebt hatte. Sie spürte einen Stich in ihrem Herzen, als sie an ihre Eltern dachte. Vielleicht war es an der Zeit, ihre Angst endgültig zu besiegen. Ja, sie würde sich nicht länger verstecken. Wenn sie das hier überlebt hatte, sollte das ein Zeichen sein, nicht aufzugeben. Und das würde sie auch nicht. Doch dazu musste sie erst mal wieder auf die Beine kommen.

Seine Stimme holte sie wieder zurück und als sie ihn ansah, stellte sie erleichtert fest, dass er nicht mehr so besorgt aussah. Bei seiner Berührung schloss sie für einen kurzen Augenblick die Augen und genoss den Moment.
„ Na da ist ja wieder dieses Lächeln. Das steht dir viel besser. “, sagte sie leise und blickte ihn sanft an.
„ Ich fühle mich … “, begann sie und hielt einen kurzen Augenblick inne.
… gut. “, wollte sie den Satz beenden, doch tat sie das? Sicherlich war sie froh, dass sie noch lebte und dass sie hier in Sicherheit war. Aber die Geschehnisse der letzten Stunden hatten eindeutig ihre Spuren hinterlassen.

„ Ich weiß, dass es ganz schön knapp war. “, sagte sie schließlich leise und spürte wieder den Kloß in ihrem Hals, den sie dieses Mal jedoch ignorierte, „ Es tut mir alles so leid. Du hast dich meinetwegen in Gefahr begeben und ich … Ich war einfach so dumm. Ich habe nicht mal damit gerechnet, dass er vor meiner Wohnung auftauchen könnte… “, murmelte sie leise und schüttelte den Kopf. Sie war so damit beschäftigt gewesen, über Josef und sie und das Medaillon nachzudenken, dass sie keinen einzigen Gedanken an Moreau verschwendet hatte. Im Grunde war ihr klar, dass das nicht geändert hätte. Er hatte es von vornherein auf die und nicht das Schmuckstück abgesehen, das konnte niemand ahnen. Und dennoch. Letztlich drehte sich dabei doch alles um sie und damit brachte sie die Menschen um sie herum in Gefahr.
Erst jetzt sah sie Josef wieder an, „ Du hast mein Leben gerettet… Danke. “, flüsterte sie leise und schenkte ihm dieses Mal ein richtiges Lächeln ehe sie nach seiner Hand griff und diese drückte.
 
Etwas, wenn auch nur wenig, Farbe war in ihr Gesicht zurück gekehrt und es schien als wäre sie fürs erste über den Berg. Ein Gefühl von Ruhe und Erleichterung machte sich in Josef breit, auch wenn er die Geschehnisse der letzten Stunden nicht einfach so aus seinem Gedächtnis verbannen konnte. Sandrine wäre fast gestorben, er hätte sie fast verloren und diese Tatsache schnürte ihm noch immer die Kehle zu sobald er daran dachte. Die Vorwürfe, die er sich selbst machte, würden ihn wohl für immer verfolgen. Doch konnte er auch das andere Gefühl, das in ihm hoch kam, nicht mehr verleugnen: Sandrine war hier, bei ihm, und das war richtig so. Nie wieder sollte es anders sein.

Sehr gerne hätte er gewusst, was in ihrem Kopf vor sich ging, als ihre dunklen Augen, noch dunkler und bezaubernder, gegen die blasse Haut, ihn gedankenverloren anschauten. Doch würde er sie nicht fragen. Noch immer galt der Deal, den er mit ihr geschlossen hatte, sie hatte ihm versprochen all die Informationen zu teilen, die für ihn wichtig waren und nun, da die Gefahr gebannt, die Vampire getötet waren, war für Josef nur eine Information wichtig, dass es ihr gut ging.

Sandrine kommentierte sein Lächeln, was Josef dazu veranlasste zu schmunzeln. Die junge Frau konnte durchaus mitbekommen, dass er sich Sorgen um sie machte, doch für den Moment konnten die beiden jede Form von Leichtigkeit gebrauchen. Es war Sandrine, die ihm dieses Lächeln auf die Lippen legte. Der Zauber, der von der jungen Frau ausging, war so stark, dass er in ihrem Bann gefangen war. Doch es war ein gutes Gefühl und gerade wollte er nirgends anders sein, als gefangen in ihrem Bann.
Doch die Frage nach ihrem Befinden, blieb weiterhin im Raum stehen. Josef war sich immer noch nicht sicher, ob seine Entscheidung, Sandrine nicht ins Krankenhaus zu bringen, die richtige war. Also schaute er sie mit einem Lächeln in den Augen, trotz alledem fragend an, als sie weiter sprach.

Doch berichtete sie nicht wirklich wie es ihr ging. Aus Sandrines Mund kam eine Entschuldigung und sein Magen zog sich zusammen. War es doch er, der sich bei ihr hätte entschuldigen müssen. Als sie ihm wieder in die Augen blickte, war auch er versucht leicht den Kopf zu schütteln. Doch der Vampir wusste über Sandrines Dickkopf und würde in dieser Situation sicherlich keine Debatte über Schuld beginnen.
Als sie ihm aber schließlich dankte, dass er ihr Leben gerettet hatte legte er sanft den Finger auf ihre Lippen. "Shhhhh" sagte er liebevoll, um sie sanft zum Schweigen zu bringen. "Sorge du erstmal dafür, dass du wieder zu Kräften kommst." Jedes Wort von ihm hätte wahrscheinlich zu einer Diskussion geführt also beließ er es dabei.

Die erste Blutkonserve war leer gelaufen und Josef verband die zweite mit Sandrines Arm. Es waren nur wenige Handgriffe und er war sehr bemüht behutsam mit der jungen Frau umzugehen. Seine Finger streiften ihren Oberarm sanft und er blickte schließlich wieder in ihre Augen mit einem liebevollen Lächeln, um seine Sorge zu überspielen. "Du solltest dich ein wenig ausruhen." begann er schließlich mit sanfter Stimme. "Mach die Augen zu und entspann dich, ich werde gleich in dem anderen Zimmer sein, wenn du mich brauchst." Er beugte sich vor und legte ihre Lippen auf ihre Stirn, um sie dort sanft zu küssen. "Du wirst sehen, dann sieht alles schon viel besser aus."
 
Dieser Mann hatte eine ganz besondere Wirkung auf sie und momentan war sie einfach froh, bei ihm zu sein. Er hatte ihr, wieder einmal, das Leben gerettet. Wenn sie daran dachte, dass das alles hätte auch ganz anders enden können, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie berechtigt seine Sorge gewesen waren. Welche Chancen zu wehren hatte sie denn? Niemals hätte sie sich aus dieser Situation alleine befreien können. Und dennoch, sie wusste welch einen Dickkopf sie hatte und Phillipe war nun mal allein wegen ihr in der Stadt gewesen. Um damit abschließen zu können musste sie einfach in die Sache involviert sein. Nur hatte sie dadurch alle mit ihr in Gefahr gebracht. An ihren Schuldgefühlen änderten auch Josef´ s Worte nichts. Sie hatte damit gerechnet, dass er ihr widersprechen würde, aber die Art, wie er sie zum Schweigen brachte, machte ihr bewusst, wie ernst die Sache war. Sonst ließ er doch nie eine Gelegenheit auf eine Diskussion aus. Doch vielleicht war das auch gar nicht so schlecht. Sie war zu müde, sich auf irgendwelche Diskussionen einlassen. Die würden sie schon früh genug wieder haben. Also nickte sie lediglich als Zeichen, dass sie die Sache erst mal ruhen ließ. Jetzt musste sie sich erst mal darauf konzentrieren wieder auf die Beine zu kommen.

Sie schaute verwirrt zu ihm auf, als er plötzlich aufstand und sich dann daran machte, die Blutkonserve zu wechseln. Erst jetzt hatte sie die Gelegenheit ihre Arme genau zu betrachten. An ihrem rechten Arm bildete sich ein blauer Fleck und sie erinnerte sich, wie Phillipe sie am Arm gepackt hatte. Und dann waren da noch ihre Handgelenke, die Josef mit Hilfe von Stofffetzen seines Hemdes verbunden hatte. Sie war dankbar, dass er sich gegen das Krankenhaus entschieden hatte. Dem Personal dort nun auch noch Rede und Antwort zu stehen, würde sie jetzt nicht durchhalten, denn sie wusste genau, wonach diese Wunden aussahen.
Schnell wandte sie ihren Blick ab von den Wunden und sah zu Josef, der ihr ein Lächeln schenkte, „ Ja, wahrscheinlich hast du Recht. “, sagte sie schließlich leise.

Als sich seine Lippen auf ihre Stirn legten, schloss sie die Augen. Zum ersten Mal an diesem Abend hatte sie das Gefühl die Angst und den Schmerz für einen kurzen Augenblick ablegen zu können. Egal, wie schwierig und kompliziert ihre Beziehung war, das konnte sie für diesen Augenblick vergessen.
Schließlich löste er sich von ihr und wollte aufstehen, doch ehe Sandrine es sich versah, hatte sie nach seiner Hand gegriffen. Sie war noch nicht bereit ihn gehen zu lassen und alleine zu sein. Sie hoffte, dass es keiner Worte bedarf, denn im Augenblick hatte sie keine Worte für das, was sie empfand. Dankbar, dass Josef dies zu verstehen schien und bei ihr blieb, schloss sie die Augen und wie er es bereits vorausgesehen hatte, war sie kurz darauf eingeschlafen…


„ Sandrine, komm schon! Wir dürfen nicht stehen bleiben! Wir können sie nicht retten! “, schrie Chloe ihr zu, während sie weiterhin ihre Hand hielt und sie immer weiter zog. Sandrine hatte furchtbare Angst. Ihr Herz pochte gegen ihre Brust und sie hatte keine Ahnung, ob sie diese Nacht überleben würde. Sie hatten eine Entscheidung getroffen. Sie würden nicht zurückkehren und ihre Freunde retten. Und das zerriss ihr Herz. Sie dachte an Inés, an ihr freundliches Lächeln, das ihr immer wieder das Gefühl gab gewollt und willkommen zu sein.
Ehe sie sich versah fand sie sich in der nächsten Szene wieder. Mit aufgeschnittenen Handgelenken, blutend auf dem Steinaltar in der alten Lagerhalle. Noch immer hörte sie das Gemurmel der Gestalten in den Umhängen und plötzlich war da wieder diese Stimme und dieses Lachen, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Und ehe sie sich umschauen konnte, um ihn zu entdecken spürte sie wieder diesen entsetzlichen Schmerz und sie glaubte es würde niemals mehr enden …



Wahrscheinlich war es ihr eigener Schrei durch den sie wach wurde. Sie saß in diesem großen, fremden Bett und brachte einen Augenblick, bis sie registrierte, wo sie war. Nur ein Alptraum. Sie spürte wie sie zitterte und wie sich kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn gebildet hatten. Ihr Herz pochte so schnell, dass sie das Gefühl hatte es würde jeden Augenblick aus ihrer Brust springen.
Atmen, Sandrine. Atmen. “, versuchte ihre innere Stimme sich selbst zu ermahnen und zu beruhigen...
 
Seine Lippen auf ihrer Stirn. Genau so, wie vor wenigen Wochen als er sich von ihr verabschiedet hatte. Sie guten Vorsätze ihr aus dem Weg zu gehen waren wohl gänzlich gescheitert, doch Josef war froh darum. Zum Einen wollte er sich nicht ausmalen, was mit Sandrine geschehen wäre, wenn er kein Auge auf sie geworfen hätte und zum Andern war er sich überhaupt nicht mehr sicher, ob es so eine gute Idee war, sich voneinander fern zu halten. Mehr denn je fühlte Josef diese Verbindung zwischen ihnen beiden und er wollte sich überhaupt nicht mehr von Sandrine fernhalten. Sie gehörte zu ihm, dessen war er sich in den letzten Stunden bewusst geworden.

Er wollte ihr Zeit für sich geben, Zeit zur Ruhe zu kommen. Doch ihre Geste war eindeutig. Der Vampir spürte ihre Hand in seiner und setzte sich schweigend wieder auf die Bettkante. Als die junge Frau die Augen schloss, legte auch er seine Beine auf das Bett und zog sie leicht zu sich. Ihr Oberkörper legte sich auf seinen und ihre Atmung verriet, dass sie schon bald eingeschlafen war. Josef strich gedankenverloren durch ihr Haar, während die Geschehnisse der letzten Stunden nochmals vor seinem Inneren Auge abliefen. Was für eine furchtbare Zeit sie hinter sich hatten. Sie hatten etwas Ruhe verdient. Irgendwie würden sie alles wieder geregelt bekommen, sie hatten es versucht mehr als ein Jahr haben sie den Abstand gesucht, doch hat es nichts gebracht. Nun war es an der Zeit etwas anderes auszuprobieren.

Auch Josef schloss die Augen und döste ein wenig. Sandrines regelmäßige Atmung und ihr stärker werdender Herzschlag beruhigte ihn. Er wollte an nichts denken und die Ruhe genießen. Denn Stress vergessen und jeden Moment der Nähe zu der jungen Frau auskosten. Ihre Anwesenheit machte ihn nicht mehr wahnsinnig, auch spürte er momentan nicht dieses unerträgliche Verlangen nach ihr. Er war zufrieden mit der Tatsache, dass sie da war, dass sie lebte.

Immer noch sanft strich er durch ihr Haar, als Sandrine plötzlich schreiend aufschreckte. Selbst erschrocken ließ Josef von ihr ab, doch zog er sie gleich wieder an sich heran, als er begriff, dass es sich um einen Alptraum zu handeln schien. "Alles ist gut." flüsterte er leise. "Du bist bei mir, ich beschütze dich." Für einen Moment hielt er sie einfach, bis sich ihre Atmung wieder etwas beruhigt hatte. Dann blickte er ihr leicht besorgt in die Augen.
"Du hattest einen Alptraum, aber die Monster sind besiegt, sie können dir nichts mehr anhaben." seine Stimme klang nun bestimmt, er wollte ihr die Angst nehmen, ihr die Ruhe wieder zurück geben, die sie gerade momentan so sehr brauchte. "Manchmal hilft es darüber zu sprechen." schlug er schließlich vor und strich ihr sanft eine Strähne hinter das Ohr.
 
Bis zu diesem furchtbaren Traum, der ja eigentlich gar kein Traum, sondern eine Erinnerung war, hatte Sandrine sich dicht an ihn geschmiegt und spürte das Gefühl von Geborgenheit. Irgendetwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass es okay war, hier mit ihm zu liegen und sich wohl zu fühlen, obwohl noch so viele Dinge ungesagt und ungeklärt waren. Das war etwas, um das sie sich später kümmern konnten, und auch wohl nicht drum herum kamen.

Widerstandslos ließ sie sich in seine Arme ziehen. Seine ruhige und sanfte Stimme tat den Rest und langsam wurde ihre Atmung wieder flacher und sie konnte sich beruhigen. Sie wollte gar nicht wissen, was er von ihr dachte. Vermutlich schob er es auf die Entführung und alles, was danach kam. Doch bisher hatte Sandrine ihn noch immer nicht eingeweiht. Sie wusste, dass er sie niemals dazu drängen würde ihm die ganze Geschichte zu erzählen und das wusste sie zu schätzen. Doch als er sie ansah und vorschlug darüber zu sprechen, ohne sie dabei zu irgendetwas zu bedrängen, stieß sie einen Seufzer aus.

„ Es ist einfach so viel passiert. So lange Zeit habe ich nicht darüber gesprochen und innerhalb eines Abends kommt alles wieder zurück mit einer Wucht, mit der ich niemals gerechnet hätte. “, erklärte sie ihm und hatte keine Ahnung, ob er verstand. Aber er sah sie weiterhin geduldig an und das brachte sie dazu, ihm ihre andere Sorge zu beichten.
„ Und ich … will nicht, dass du irgendwas Falsches von mir denkst. “, gab sie schließlich zu. Wenn sie ihm ihre Geschichte erzählen würde, wusste sie, wonach das klang. Schon damals hatte sie die Nähe von Vampiren gesucht und nun war sie auf den Rausch aus. Doch so war das nicht, ganz im Gegenteil.

Sein Blick verriet ihr, dass er sie zu nichts drängen würde, doch auch sie selbst hatte ihre Meinung aufgrund der letzten Stunden überdacht. Jahre lang hatte sie geschwiegen und weiter gebracht hatte es sie nicht. Sie vertraute Josef und auch wenn sie Chloe ein Versprechen gegeben hatte, war sie sich sicher, dass sie es verstehen würde. Gerade nach dem heutigen Abend.
„ Okay ... “, sagte sie schließlich leise, aber rückte dabei ein Stück von ihm weg. Wenn sie ihm die ganze Geschichte erzählte, konnte sie dabei nicht seine Haut auf ihrer spüren und ihn ansehen. Also haftete ihr Blick auf den Fetzen Stoff, die um ihre Handgelenke gewickelt waren.

„ Bis ich 16 Jahre alt war, lebte ich bei meinen Eltern in einem kleinen Dorf in Frankreich. Ich hatte dir schon mal von ihnen erzählt, wie glücklich ich im Grunde dort gewesen war. Aber damals hab ich das anders gesehen. Ich war fest davon überzeugt, dass es mehr als nur dieses Leben lebt, das tagein tagaus gleich aussieht. Und so bin ich von zu Hause weg und fand schnell, eine Gruppe von Leuten, denen ich mich anschloss. Dort habe ich auch Chloe kennengelernt und Inés, eines der Anführer, hatte mich sofort unter ihre Fittiche genommen und sie wurde schnell zu einer Freundin. Die Gruppe von Leuten war … eine Sekte. Sie haben sich mit dem Mythos der Vampire befasst. “, sagte sie schließlich, noch immer darauf bedacht, Josef nicht in die Augen zu sehen. Sie wollte nicht sehen, wie er reagierte, wollte am liebsten gar nichts davon mitbekommen.

„ An der Côte d’Azur zelebrierte die Sekte ihre Rituale und verkleidete sich selbst als Vampire. Jedes neue Mitglied wurde unter einem Eid aufgenommen und von den Sektenmitgliedern "gebissen". Für einige war es nur ein Spiel, für andere war es die bloße Wahrheit. Ich war jung und wollte war erleben und dadurch natürlich völlig fasziniert von dieser Welt. Eines Abends gab es wieder ein Ritual. Inés gab mir das Medaillon und sagte, dass ich an diesem Abend eine besondere Aufgabe hätte … “
Sie spürte den Kloß, in ihrem Hals und fixierte weiterhin die Verbände mit ihrem Blick. Nachdem sie einige Male durchgeatmet hatte, fuhr sie fort, „ An diesem Abend, kamen echte Vampire zu uns. Unter ihnen Phillipe Moreau. Wahrscheinlich wurden sie vom Blut angelockt, ich weiß es nicht. Sie … “
Bilder der besagten Nacht schossen ihr in den Kopf. Sie hörte die Schreie und sie hörte Chloe, die ihr immer wieder zurief, dass sie nicht stehen bleiben durften.

„ Ich bekomme diese Schreie nicht mehr aus dem Kopf… Noch heute habe ich, wie eben, Alpträume von dieser Nacht. Egal wie naiv und lächerlich der Gedanke dieser Gruppe war, aber das haben sie nicht verdient. Die Zeitung am nächsten Tag beschrieb es als Massaker. Die, die sie nicht getötet haben, haben sie verwandelt. Ich konnte nur dank Chloe entkommen. Sie hat mich weitergezogen bis uns unsere Beine nicht mehr tragen konnten und wir in einer alten Holzhütte einen Unterschlupf fanden. Wir dachten, wir hätten es geschafft ihnen zu entkommen, doch anscheinend lagen wir da wohl falsch… “

Sie schüttelte ungläubig den Kopf und schluckte die Tränen runter. Erst jetzt wagte sie es, ihn wieder anzusehen. Doch sie konnte nicht genau sagen, was sie von dem Ausdruck auf seinem Gesicht halten sollte.
„ Chloe und ich haben uns geschworen, nie mehr über diese Geschichte zu sprechen. Bis heute habe ich mein Wort gehalten. Aber vielleicht hast du Recht, vielleicht ist es an der Zeit. Du solltest es erfahren. Es war nie meine Absicht es vor dir geheim zu halten, aber … ich hatte es ihr versprochen und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es, solange ich es nicht laut ausspreche, auch nicht meine Vergangenheit ist und sie mir nichts mehr antun kann. Aber die letzten Stunden haben mich eines besseren belehrt. Ich will keine Angst mehr haben. Das damals war glaub ich der Grund, weshalb Chloe von Vampiren noch mehr angezogen wurde. Direkt in die Angst hinein. Ich habe Jahre gebraucht, hatte vor alles und jedem Angst. Die Welt der Vampire war seither nie ein Reiz für mich und ist es bis heute nicht. Ich bin nicht darauf aus, verwandelt zu werden oder sonst irgendwas. Aber seit ich dich kenne … Du hast meine komplette Welt auf den Kopf gestellt. “, sagte sie und lächelte schwach, „ Es ist mir wichtig, dass du weißt. Ich bin keiner dieser Vampir Freaks, die nichts anderes als das Abenteuer, den Rausch oder die Verwandlung in einen Vampir im Kopf haben. "
 
Werbung:
Er hasste es, dass er ihr die Erinnerungen an dieses Erlebnis nicht nehmen konnte. Es schien für einen Moment, dass sie sich wirklich beruhigte. Den Horror ablegte und in seinen Armen zur Ruhe kam. Dieses Gefühl genoss auch Josef. Er hielt sie sanft im Arm und konnte selbst etwas entspannen. Dies alles fühlte sich richtig an. Doch es war nicht von langer Dauer. Sandrines Schrei zerschnitt die Ruhe und ließ Josef einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Es erinnerte ihn an ihren Schrei, den er auf dem Dach des Lagerhauses gehört hatte und rief die Bilder wieder zurück in sein Gedächtnis. Doch dieses Mal war es anders, er konnte Sandrine an sich ziehen, ihr sagen, dass alles gut werden würde und hoffentlich etwas von ihren Qualen lindern.

Als sie sich von ihm löste, musterte er sie besorgt. Irgendetwas sagte ihm, dass es hier nicht nur um die Vorfälle des heutigen Tages ging und so ließ er sie reden. Er verstand erst nicht, was sie ihm sagen wollte, doch als sie begann von ihrer Vergangenheit zu sprechen, wurde er still. Gerne hätte er sie berührt, ihr gezeigt, dass es nichts gab, was sie ihm nicht hätte sagen können, doch ihre abweisende Haltung hielt ihn davon ab. Es war schwer genug für sie, wie es gerade war, das spürte er, und deshalb unterbrach er sie nicht, als sie von ihrer Familie und schließlich von der Sekte sprach.

Josef kannte solche Gruppen, auch in seiner Vergangenheit war er immer wieder Menschen begegnet denen der Mythos Vampir und ihre Obsession damit zum Verhängnis wurde. Heute waren es Freshies, die sich den Vampiren auslieferten, für den Kick, für den kleinen Augenblick von Unsterblichkeit. Josef fragte sich, was Sandrine an der Gruppe so anziehend fand. Hatte in dieser Zeit schon jemand von ihr getrunken? Der Gedanke löste einen unaussprechlichen Hass in ihm aus. Er wollte sich nicht vorstelle, wie jemand anders Sandrine so nahe war. Das Bild von Phillipe kam wieder in seinem Kopf, wie er ihr blasses Handgelenk zu seinem Mund führte, und seine Faust ballte sich fast automatisch.

Sandrine erzählte weiter, von der Begebenheit, die ihr Leben veränderte und langsam verstand er einige ihrer Reaktionen, die ihm bis zu diesem Moment ein Rätsel waren. Sie hatte Bekanntschaft mit den Monstern gemacht. Denen von denen auch er einer sein konnte und trotzdem hatte sie sich dafür entschieden bei ihm zu sein. Zeit mit ihm zu verbringen. Es schlichen sich weitere Fragen in seinen Kopf. Was genau war damals in diesem Ritual geschehen? Wieso war es gerade Sandrines Blut, dass diese Vampire brauchten? Was zog Sandrine zu Josef? Er versuchte all diese Gedanken abzuschütteln, ganz bei ihr und ihrer Erzählung zu bleiben, doch es fiel ihm schwer.

Er nickte verstehend, als sie ihn schließlich wieder ansah und ihm erklärte, dass sie das Versprechen, das sie Chloe gegeben hatte, nicht brechen wollte. Er hatte es die ganze Zeit akzeptiert, dass sie ihm nicht die ganze Wahrheit erzählen wollte, auch wenn er immer dachte, dass es von Nutzen gewesen wäre. Aber nun respektierte er ihre Entscheidung. Er wusste wie nahe sich die beiden Frauen standen und ein solches Versprechen brach man nicht gerne, auch er kannte diesen Kodex.
Du hast meine komplette Welt auf den Kopf gestellt, hörte er sie sagen und dies war der Moment, an dem er wieder nach ihrer Hand griff. Auch sie hatte seine Welt auf den Kopf gestellt, mehr als sie sich es wohl je denken könnte. Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und strich ihr während ihrer nächsten Worte sanft über die Wange.

"Ich dachte niemals, dass du ein solches Mädchen bist und das werde ich auch nie denken." langsam näherte er sich ihr und zog sie sanft in seine Richtung. Er legte seine Lippen auf ihre und küsste sie sanft und dennoch fordernd.
 
Zurück
Oben