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[NCIS] A Heart as cold as Ice

*PiperHalliwell

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18 November 2004
Beiträge
918
Ort
The wonderful world of DiNozzo!
Hallo meine lieben Leser!

Wie ich euch bereits versprochen habe, gibt es auch in diesem Winter wieder eine Märchen-FF von mir.
Diesmal wird das Märchen aber eine untergeodnete Rolle in der Story spielen.
Ich werde auch noch nicht verraten, was genau ich mir ausgesucht habe.
Also laßt euch einfach überraschen!
Da meine Kapitel zeimlich lang werden und ich euch nicht so lange warten lassen will, werde ich sie in mehreren Teilen posten.
Ich würde mich wie immer über das ein pder andere FB freuen, egal wie regelmäßig, und wünsch euch einfach viel Spaß!

LG Claudia





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• Autor: *PiperHalliwell
• Titel: “A Heart as cold as Ice“
• Disclaimer: Alle Charaktere der Serie NCIS sind geistiges Eigentum ihrer Erfinder Donald P. Bellisario und Don McGill und unterliegen dem Copyright von Bellisarius Productions, Paramount Pictures und CBS.
Diese Story dient lediglich zur Unterhaltung, und ich beabsichtige nicht, Geld damit zu verdienen.
Die Hintergrundgeschichten der Charaktere - sofern sie nicht der Wahrheit entsprechen - sind frei erfunden.
Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
• Genre: Drama und ein wenig Romantik
• Hauptcharaktere: Anthony „Tony“ DiNozzo und Caitlin „Kate“ Todd
• Nebencharaktere: Leroy Jethro Gibbs, Timothy „Tim“ McGee, Abigail „Abby“ Sciuto und Dr. Donald „Ducky“ Mallard
• Pairing: Tate
• Inhalt: Gibt es tatsächlich Menschen, deren Herz zu Eis gefroren ist, sodass sie all ihre Empfindungen verlieren?
Dass sie die Schönheit dieser Welt nicht länger wahrnehmen können?
Dass sie unfähig sind zu lieben, aufrichtig zu lieben?
Vor langer Zeit gehörte einer dieser Menschen zum Leben von Anthony DiNozzo, ohne dass er sich dessen bewusst war.
Jener Mensch, der ihn an diesen Punkt brachte, von dem es ihm erst nach langen Jahren gelang zu entfliehen.
Doch es gibt immer wieder Momente, in denen die Vergangenheit erneut zur Realität wird.
 
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[NCIS] A Heart as cold as Ice - Prologue Part I: "A fallen Christmas Angel"

So, es geht auch gleich mit dem ersten Teil des Prologs los.
Nächsten Sonntag gibt es den Rest.
Ich wünsche euch viel Spaß!

LG Claudia


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You've been a fallen Angel
Ripped out of the Sky.
But as your Wings grew strong enough
You left me - behind to die.

'Fallen Angel' - L'Âme Imortelle


Christmas Day, December 25th 1977
Huntington Bay, Long Island, New York


Die Küste von Long Island war in dichtes Schneetreiben gehüllt, während ein eisiger Wind durch die kahlen Äste der knorrigen Bäume wehte, der diese ächzend hin und her wiegte. Im silbernen Licht des Vollmondes, der hoch oben am Firmament funkelte, glitzerten die Eiskristalle der weißen Decke, die sich über den Sandstrand gelegt hatte, in einem geheimnisvollen Silber. Der mattschwarze Himmel ließ die winterliche Kälte nur noch frostiger erscheinen, während die klare Luft einen Hauch des salzigen Meereswassers zu tragen schien. Vollkommene Stille hatte sich über die Bucht ausgebreitet, denn an das Ufer des Ozeans verirrten sich erst mit Sonnenaufgang erneut die Spaziergänger und ehrgeizigen Sportler. Sogar die die schmale Küstenstraße lag ausgestorben da, kein einziger Lichtkegel eines Scheinwerfers erhellte die Umgebung, denn die meisten Autos standen geschützt in ihren Garagen, niemand wagte sich auf die vereisten Fahrbahnen der Gegend. Die Einwohner des in dieser Nacht verschlafenen erscheinenden Ortes Huntington Bay, im Norden der Insel, hatten sich in die behagliche Wärme ihrer Häuser zurückgezogen, deren grauer Rauch, der den Schornsteinen entströmte, das einzige Zeichen auf das Leben im Inneren war.
Die herrschaftlichen Anwesen waren beinahe ausnahmslos im Besitz von Millionärs-Familien, die sich in den letzten Jahren vermehrt in dieser Region, die seit den 1910er Jahren als Gold Coast galt, angesiedelt hatten. Ende des 19. Jahrhunderts hatte Stanford White, der bevorzugte Baumeister der Oberschicht, einen Großteil dieser Landsitze entworfen, die noch immer von der New Yorker High Society bewohnt wurden. Eines seiner architektonischen Meisterstücke war Winfield Mansion, ein Palais ähnlich anmutendes Herrenhaus, das, einer Legende nach, einer der zahllosen amerikanischen Immigranten hatte errichten lassen, nachdem er mit harter Arbeit in die Kreise der Vermögenden aufgestiegen war. Noch immer wurde es von seinem Enkelsohn und dessen Familie bewohnt, der mittlerweile in die Fußstapfen seines Vaters getreten war und nun erfolgreich die Geschäfte der familieneigenen Bank führte. Die Räume des imposanten Wohngebäudes waren bereits seit Stunden in Dunkelheit gehüllt, lediglich die festliche Beleuchtung, die den zurückhaltenden Geschmack der wohlhabenderen Bevölkerung verdeutlichte, tauchte den Vorplatz in ein diffuses Licht. Unheimliche Schatten der hohen Bäume, die ihre knorrigen Äste im Wind ächzen ließen, huschten über die breite Zufahrt, die in dieser dunklen Nacht beinahe unendlich erschien.

Das weitläufige Grundstück rund um das großzügige Anwesen lag vollkommen verlassen da, sogar die unberührte Schneedecke vermittelte das idyllische Bild einer perfekten Umgebung. Einzig ein kleiner Junge, eingehüllt in eine dunkelblaue Daunenjacke, nur leidlich warmgehalten durch seinen Schal und Handschuhe, stapfte völlig allein durch den knöchelhohen Schnee. Die dicke Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, unter der lediglich funkelnde grüne Augen hervor blickten, und den Kopf starr nach unten gerichtet, kämpfte er sich durch die weißen Flocken, die zu tausenden unaufhörlich durch die Luft wirbelten und schließlich zu Boden fielen. Sein heißer Atem, den er bei jedem Schritt ausstieß, stieg in hellen Wölkchen nach oben, bevor diese sich in der eisigen Kälte auflösten und sich dann verflüchtigten. Das schmiedeeiserne Tor, an dessen Gitter sich glitzernder Raureif gebildet hatte, quietschte unangenehm, als er hindurch trat und es wieder hinter sich schloss. Zielstrebig lief er die Auffahrt entlang, versuchte, die gespenstischen Geräusche zu ignorieren, die hinter jedem Baum zu lauern schienen. Doch je näher er dem herrschaftlichen Gebäude kam, desto stärker breitete sich das warme Gefühl des Nachhausekommens in seinem Inneren aus.
Der Sechsjährige war froh, endlich angekommen zu sein, nachdem er zwei Stunden mit der Bahn der Long Island Rail Road aus dem New Yorker Internat unterwegs gewesen war. Sein Vater hatte darauf bestanden, diese exklusive Privatschule zu besuchen, die den vermögenden Kindern vorbehalten war und die er seit seiner Einschulung vor wenigen Monaten nicht verlassen hatte. Früher hatte er stets gedacht, der Unterricht würde ihm Spaß machen, aber so weit weg von zu Hause zu sein, war beinahe unerträglich für ihn gewesen. Bereits nach den ersten Tagen in diesem unfreundlichen Gebäude, in dem die Forderung nach Disziplin jeden Spaß verboten hatte, hatte er unter Heimweh gelitten, das von Woche zu Woche schlimmer geworden war. Auch wenn er sich schnell mit seinen Klassenkameraden angefreundet hatte, hatte ihn diese Tatsache nicht darüber hinweg trösten können, dass er seine Familie vermisste. Er hatte sich gefragt, ob es auch den anderen Kindern so schwer gefallen war, ihr Zuhause zu verlassen, doch scheinbar hatten sie keine Probleme damit gehabt, sich in ihrer neuen Umgebung zurecht zu finden und genossen ihre Freiheit, auch wenn sie dabei gegen die ein oder andere Regeln der Lehrer verstießen.

Obwohl seine Eltern ihm versprochen hatten, dass er mit dem Beginn der Weihnachtsferien endlich nach Hause kommen durfte, hatte er den ganzen Tag vergeblich darauf gewartet, abgeholt zu werden. Vermutlich war sein Vater einmal mehr auf einer seiner Dienstreisen unterwegs, denn seine Geschäfte ließen ihn an kaum einem Tag zur Ruhe kommen, sodass der Junge ihn in den letzten Jahren nur selten zu Gesicht bekommen hatte. An den wenigen Wochenenden, die das Familienoberhaupt nur zu Hause verbracht hatte, war es meist zu Streitigkeiten gekommen, da er seinen Stress immer öfter mit Alkohol betäubt hatte. Aus diesem Grund hatte er schon immer ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter gehabt und war nun enttäuscht, dass auch sie ihn scheinbar vergessen hatte. Dennoch war die Aussicht, Weihnachten allein im Internat, weit ab von seiner Familie, verbringen zu müssen, mehr als erschreckend für ihn gewesen. Er hatte es kaum glauben können, dass sie ihn tatsächlich allein in dieser furchtbaren Schule zurückgelassen hatten, sodass er sich mit dem Zug auf den Weg nach Hause gemacht hatte, um endlich von diesem Ort weg zu kommen. Immerhin hatte er es in den letzten Wochen kaum erwarten können, hatte angefangen, die Tage zu zählen, bis endlich die Ferien eingeläutet wurden.
Die Fahrt mit der Bahn war dem Jungen beinahe endlos erschienen, denn trotz der Müdigkeit, die seinen kleinen Körper erfüllt hatte, war die Aufregung in seinem Inneren zu stark gewesen. Er hatte es kaum erwarten können, endlich nach Hause zu kommen, wo er wie jedes Jahr gemeinsam mit seiner Mutter den Weihnachtsbaum schmücken wollte. Doch die Tatsache, dass es bereits nach Mitternacht gewesen war, als er am Bahnhof angekommen war, hatte seine Vorfreude auf diese Tradition zunichte gemacht. Vielleicht könnte er sich wenigstens bereits über seine Geschenke freuen, wenn er nach Hause kam, was ihn ein wenig darüber hinweg trösten würde, denn dies war für ihn, wie für jedes Kind, schon immer ein weiterer aufregender Moment der Feiertage gewesen. Aber im Grunde hatte er stets die ganzen Ferien genossen, denn dies war die einzige Zeit gewesen, in der sein Vater seine Arbeit vergessen und sich nur um seine Frau und seinen Sohn gekümmert hatte. Diese Tage waren wohl die einzigen im Jahr gewesen, an denen sie eine richtige Familie gewesen waren und nicht nur den Schein aufrecht erhalten hatten. Deshalb war er unendlich enttäuscht gewesen, als er hatte erkennen müssen, dass an diesem Weihnachtsfest alles anders sein sollte, dass die wenigen Stunden seiner heilen Welt nun vorüber sein sollten.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Prologue Part II: "Falling Christmas Angel"

Natürlich war der Prolog damit noch nicht zu Ende.
Ich will euch nicht vorenthalten, was sich im Inneren des Hauses zugetragen hat.
Viel Spaß beim Lesen!

LG Claudia


Der Kleine packte den großen Rucksack fester, den er über seiner rechten Schulter trug, als er die wenigen Stufen zum Eingang nach oben stieg, seinen Schlüssel aus der Jackentasche zog und ins Schloss steckte. Mit einem leisen Klicken öffnete er die Tür, die geräuschlos nach innen schwang, sodass er das Vestibül des Hauses betreten konnte, wo seine Schritte leise auf dem hellen Marmorboden widerhallten. Er schüttelte den Schnee aus seinen Sachen, bevor er sich dieser entledigte und sie ungeachtet im Raum liegen ließ, auch wenn er genau wusste, dass sein Vater bei diesem Anblick mit Sicherheit wütend werden würde. Als er seine Jacke ausgezogen hatte und den Flur entlang ging, stellte er verwundert fest, dass eisige Temperaturen im Inneren des Hauses herrschten, die der frostigen Winternacht in nichts nachstanden. Die Sohlen seiner Schuhe hinterließen ein gleichmäßiges Geräusch, das von den Wänden des Gebäudes widerhallte, während er Mühe hatte, ein Klappern seiner Zähne zu unterdrücken, denn die Kälte kroch langsam seinen Rücken nach oben und ließ ihn erschaudern. Sogar hier verwandelte sich sein Atem weiterhin in kleine weiße Wölkchen, die nach oben stiegen, um sich schließlich zu verflüchtigten.
Für einige Sekunden blickte sich der Junge ängstlich um, während er angestrengt in die Stille lauschte, die jedoch kein einziger Laut durchdrang. Ein beklemmendes Gefühl ergriff unwillkürlich Besitz von ihm, ohne dass er dieses unterdrücken konnte, verfügte er doch normalerweise eher über ein unerschrockenes Wesen. Aber in diesem Augenblick war er sicher, dass etwas in diesem Haus ganz und gar nicht stimmte, auch wenn er sich nicht erklären konnte, was genau dies war. Er spürte, dass sich etwas verändert hatte, seitdem er das letzte Mal hier gewesen war, doch er hätte nicht sagen können, woher diese Empfindung kam. Die Gänsehaut, die sich auf seinen Armen gebildet hatte, breitete sich nun auf seinem gesamten Körper aus, sodass er begann, noch stärker zu zittern. Unwillkürlich erlangte er den Eindruck, als wäre das Gebäude um ihn herum plötzlich viel größer und Angst einflößender, als er es in Erinnerung hatte, die aber noch nicht so weit zurück lag, als dass sie ihn täuschen sollte. Normalerweise überkam ihn dieses Gefühl nur, wenn er mit einem äußerst schlechten Gewissen nach Hause zurückkehrte, um sich einer Moralpredigt seinen Eltern zu stellen, von deren Anwesenheit jedoch keine Spur war.

Der Sechsjährige durchquerte den eindrucksvollen Salon, vorbei an der breiten Marmortreppe, die über eine Galerie in das Obergeschoss führte, wo sie sich zu beiden Seiten hin aufteilte und dem Besucher den Weg zu den hinter schweren Holztüren verborgenen Räumen wies. Unbewusst vermied er jedes noch so kleine Geräusch, als er einen Fuß vor den anderen setzte und schließlich das Wohnzimmer betrat. Die blassen Strahlen des makellosen Vollmondes schienen durch die hohen Fenster und tauchten den imposanten, mit verzierten Säulen gestalteten Raum in ein geheimnisvolles silbernes Licht. Dieses erhellte seinen Weg spärlich, denn bei seinem Druck auf einen der Schalter zeigte der antike Lüster, der von der reich verzierten Stuckdecke herab hing, keine Reaktion, sondern verharrte weiterhin in Dunkelheit. Mittlerweile schlug das Herz zunehmend heftiger gegen seine Rippen, während sich das unangenehme Gefühl ausbreitete und seinen Magen dazu brachte, sich heftig zusammen zu ziehen. Gewöhnlich überkamen ihn keine seltsamen Vorahnungen, aber in dieser Nacht erfuhr er zum ersten Mal von diesem Gefühl, das sich nicht in Worte fassen ließ, von dem man jedoch gleichzeitig wusste, dass das Geschehen unabwendbar war.
Dennoch tastete er sich mutig durch das diffuse Zwielicht, beinahe als leitete ihn eine unsichtbare Macht, die ihm den Weg wies, den er zu gehen hatte. Doch es war nicht nur seine Neugierde, die ihn antrieb, sondern auch das Gefühl, dass er der Einzige war, dem dies vorherbestimmt war, was auch immer ihn in dieser Nacht erwartete. Aus diesem Grund trat er näher an den kostbaren Diwan heran, der die Mitte des Zimmers einnahm und dessen Rückenlehne der zweiflügeligen Glastür zugewandt war, durch die er eingetreten war. Der dunkelrote Samt bildete einen starken Kontrast zu dem kühlen weiß der übrigen Möblierung und unterstrich deren modernes Ambiente noch zusätzlich. Im silbernen Schein des Vollmondes, der auch hier durch die großen Scheiben der bodengleichen Fenster in das Innere strahlte, erschien dieser Anblick sogar noch beeindruckender und geheimnisvoller. Die spärliche Einrichtung des imposanten Raumes erinnerte jedoch eher an den Besuch eines Museum als an das Zuhause einer Familie, fehlte ihr doch die Wärme und Gemütlichkeit, die ein solches im Allgemeinen ausstrahlte. Aber der Sechsjährige hatte sich daran gewöhnt, hatte er doch in den vergangenen Jahren nichts anderes kennengelernt, als das Leben in dieser Umgebung.

Der schwere Brokatteppich, der den Fußboden in diesem Bereich einnahm und dem großen Raum wenigstens etwas Wohnlichkeit verleihen sollte, verschluckte die zögerlichen Schritte des Kleinen auf der Suche nach seinen Eltern, während er sich vorwärts bewegte. Den Atem ängstlich angehalten, lauschte er weiterhin angestrengt in die unheimliche Stille, stets darauf bedacht, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren. Er konnte sich weiterhin des Gefühls nicht erwehren, dass etwas in diesem Haus nicht stimmte und wollte auf alle noch so unvorhersehbaren Möglichkeiten vorbereitet sein. Bisher hatte er dieses Gebäude noch nie verlassen vorgefunden, denn obwohl ihr Hausmädchen wie in jedem Jahr an den Feiertagen frei hatte, war doch immer jemand da, auch wenn die Familie unterwegs war. In dieser Nacht war er sich jedoch sicher, dass er vollkommen allein war, dazu herrschte in diesen Räumen eine zu starke Kälte, die niemandem entgangen sein konnte. Außerdem war es nicht zu übersehen, dass sich in den vergangenen Stunden kein Mensch an diesem Ort aufgehalten hatte, dafür war es zu ordentlich, sogar für die Verhältnisse seiner Eltern, die ihm stets seinen Hang zum Chaos vorhielten.
Als er schließlich die Chaiselongue umrundete, offenbarte sich ihm jedoch ein bizarres Bild, das ihn umgehend in seiner Bewegung erstarren ließ und das Zittern seines Körpers noch verstärkte. An der Wand, der der Sechsjährige nun gegenüber stand, befand sich ein pompöser Kamin, eingerahmt von schwerem Marmor in strahlendem Weiß, dessen Verzierungen denen der schlanken Säulen glich, die sich bis an die hohe Decke erstreckten und den Raum optisch unterteilten. Soweit er zurückdenken konnte, knisterte an jedem kalten Wintertag noch bis tief in die Nacht ein loderndes Feuer, doch dieses schien, bereits seit Stunden erloschen zu sein. Der helle Boden davor war mit Schnee bedeckt, der akkurat angehäuft war, ohne den kleinsten Hinweis auf Fremdeinwirkung zu geben, beinahe als wäre er in sanften Flocken vom Himmel gefallen. Doch diese Tatsache war nicht das einzig mysteriöse, das sich diesem Raum den Augen des kleinen kleinen Jungen enthüllte, hatten doch auf diesem frostigen Bett zahllose dunkelrote Rosenblätter ihre letzte Ruhestätte gefunden. Bei näherer Betrachtung waren tausende winzige Eiskristalle erkennbar, die sich durch die Kälte auf jedem einzelnen gebildet hatten und nun im sanften Licht des Mondes glitzerten.

Inmitten dieses Meeres aus gefrorenen Blumen offenbarte sich jedoch ein schreckliches Bild dessen unerträglicher Anblick den stillen Betrachter hatte vollkommen erstarren lassen. Stumme Tränen rannen ihm über die blassen Wangen, denn auch aus der Distanz, die er nicht fähig war zu überwinden, wurde das Ausmaß dieser Tragödie erkennbar. In diesem Moment, als er sich der Bedeutung seiner Entdeckung bewusst geworden war, zerbrach etwas in seinem Inneren, dessen Narben die Seele und das Herz des Kleinen wohl für immer zieren würden. Die makellose Gestalt der jungen Mutter, die vor dem Jungen auf dem Fußboden, inmitten des reinweißen Schnees und der blutroten Rosenblätter, ruhte, erinnerte an einen Engel. Ihre langen hellbraunen Locken rahmten das Gesicht, dessen zarte Wangen denen einer Porzellanpuppe glichen, wie ein Fächer ein, als würde sie ein Heiligenschein umgeben. Das lange weiße Kleid, das sie trug, umspielte ihren zierlichen Körper, während es diesen sanft verhüllte, um lediglich die nackten Füße zu offenbaren. Einzig ein winziger Blutstropfen, dessen tiefes Rot ihre Brust zierte, erzählte die Geschichte eines gefallenen Weihnachtsengels, das dem Leben viel zu früh entrissen wurde.
Langsam löste sich der Sechsjährige aus seiner Starre, überwand die wenigen Meter, die ihn noch von ihr trennten, bevor er sich neben ihr auf die Knie sinken ließ. Ängstlich streckte er seine zitternden Finger aus, um zärtlich ihre Hände zu berühren, die zu einem stummen Gebet gefaltet waren, und behutsam über die kühle Haut zu streichen, deren Ton mittlerweile dem des sie umgebenden Schnees ähnelte. Obwohl die Tränen noch immer unaufhaltsam über seine Wangen rannen, unterdrückte er dennoch das leise Schluchzen, das aus seiner Kehle an die Oberfläche drängte. Die grünen Augen, ein Spiegelbild der seinen, die nun leblos nach oben starrten, schienen ihn plötzlich mit ihrem üblichen unergründlichen Funkeln anzublicken, sodass er erschrocken inne hielt. Doch nach einem kurzen Blinzeln musste er erkennen, dass sich nichts verändert hatte, dass die Iris noch immer mit einem glanzlosen Film überzogen war. Beinahe ehrfürchtig streichelte er nun über das weiche Haar des schlafenden Engels, um seine Finger dann über die blasse Wange gleiten zu lassen, auf der ein einzelner glitzernder Tropfen zurückgeblieben war, eine letzte Träne im Tode vergossen. Erschöpft bettete er seinen Kopf an die Brust seiner Mutter, um die vor Schmerz brennenden Augen zu schließen und bewegungslos in der Kälte dieser Winternacht zu verharren...
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 1 Part I: "Whatever happened to Christmas"

Hallo meine Lieben!

Auch an dieser Stelle wünsche ich euch einen schönen Nikolaus und zweiten Advent.
Es geht mit Teil 1 des ersten Kapitels weiter. Viel Spaß!

LG Claudia


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Whatever happened to Christmas, to Christmas Way of Living?
Whatever happened to the Giving, the Magic in the Snow?
Remember the Sight and the Smell and the Sound,
And remember Hearing the Call.
Remember how Love was all around, whatever happened to it all?

'Whatever happened to Christmas' - Frank Sinatra


Monday, December 4th 2006
NCIS Headquarter, Navy Yard, Washington D.C.


Washington ist in sanftes Schneetreiben gehüllt, während sich die Dunkelheit der Winternacht zurückzieht und langsam dem anbrechenden Morgen Platz macht. Durch den Wolkenschleier, der sich über dem Himmel ausbreitet hat, kämpfen sich die ersten blassen Sonnenstrahlen hindurch, um den neuen Tag einzuläuten. Tief in Gedanken versunken, beobachte ich die dicken Flocken, die tanzend hinab zu sinken scheinen, verfolge ihren Weg auf die fahrenden Autos, bevor sie diese mit einer dünnen weißen Schicht bedecken, die geheimnisvoll glitzert. Die kahlen Äste der Bäume, die die Hauptstraße des Navy Yards säumen, lassen sich behutsam von der eisigen Brise, die sie umspielt, hin und her wiegen. Sogar das rissige Holz der Rinde ist mit den schimmernden Kristalle überzogen, die diesem ein beinahe geheimnisvolles Aussehen verleihen. Die wenigen Menschen, die sich bei dieser klirrenden Kälte auf die Straße gewagt haben, fliehen so schnell wie möglich erneut in die wärmende Zuflucht ihrer Häuser. In diesen Teil der Stadt ist die Hektik des morgendlichen Verkehrs noch nicht vorgedrungen, das gleichmäßige Rauschen der unzähligen Motoren verklingt gedämpft in der Ferne.
Der Anblick dieser Winterlandschaft außerhalb des Wagens hat eine beruhigende Wirkung auf mich, die ich nutze, um ein wenig abzuschalten. Die heiteren Klänge gemischt mit fröhlichem Kinderlachen, die in diesen Tagen durch die Straßen ziehen, sind für mich beinahe unerträglich, sodass ich diesen Geräuschen so oft wie möglich versuche zu entfliehen. Doch auch die festlichen Melodien, die aus dem Radio an mein Ohr dringen, lassen mich dieses genervt abschalten, was mir einen finsteren Blick einbringt. Dennoch kann ich nichts dagegen tun, dass diese Töne stets einen Strudel von Erinnerungen in meinem Kopf auslösen, der mich mit sich reißen will, ohne dass ich es verhindern kann. Für einige Minuten kann ich noch die Stille genießen, abseits des Vorweihnachtstrubels, ehe mich der Alltag meines Jobs erneut gefangen nehmen wird. In den vergangenen Monaten geschah es immer öfter, dass ich, die personifizierte Unpünktlichkeit, stets rechtzeitig vor Dienstbeginn das Großraumbüro betrat. Auch wenn ich selbst mich noch nicht an dieses neue Ritual gewöhnt habe, scheint vor allem mein Boss meine neue Eigenschaft mit Genugtuung wahrzunehmen.

„Es tut mir leid, Kate.“ Ein leises Seufzen rinnt über meine Lippen, als ich kurz die Augen schließe, um dann meinen Kopf nach links zu wenden und die junge Frau neben mir nachdenklich zu mustern. Sie ist der Grund, dass ich nicht mehr der Mensch bin, der ich noch zwei Jahre zuvor war, sie hatte mich dazu gebracht, endlich erwachsen zu werden, ohne dass ich dabei jedoch meinen jugendlichen Charme verlor. Aber sie zeigt keine Reaktion auf meine Worte, beinahe als hätte sie diese überhaupt nicht wahrgenommen, nur ihre angespannte Körperhaltung verrät sie. Ihr Blick ist starr durch die Windschutzscheibe nach draußen gerichtet, während sich ihre Hände um das Lenkrad krampfen, um den Wagen vorsichtig über die schneebedeckte Straße zu manövrieren. Im Grunde weiß ich, was in ihrem Kopf vor sich geht, denn ich verletzte sie, stieß sie von mir, in einem Moment, der ihr mehr bedeutete, als ich mir bewusst war. Dennoch konnte ich nichts dagegen tun, konnte mich nicht gegen meinen Schmerz wehren, der mich genau in jener Sekunde nach so langer Zeit unvermittelt heimsuchte. Aber was beinahe noch schlimmer ist, vor allem in ihren Augen, ist die Tatsache, dass ich mich vor ihr verschließe, dass ich erneut zu meinen alten Mustern zurückkehre, indem ich dies in meinem Inneren verberge, anstatt mich ihr endlich zu offenbaren.
„Komm schon, Katie! Ich weiß, du bist sauer. Aber bitte rede mit mir!“, starte ich einen weiteren Versuch, von dem ich jedoch weiß, dass er von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Ihre Anspannung ist beinahe spürbar, auch ohne dass ich einen Blick in ihr Gesicht werfe, das in diesem Augenblick nichts Gutes verheißt. Angestrengt versuchte ich, den Kloß, der sich in meiner Kehle ausbreitet, hinunter zu schlucken, denn ich will diesen Streit, der im Grunde nicht einmal ein Streit ist, nicht länger führen. Tatsächlich ist es ihre Enttäuschung über mich, mein Verhalten und mein Schweigen, von dem sie glaubte, dass wir es gemeinsam überwunden hatten. „Wenn hier jemand reden sollte, dann bist du das, DiNozzo“, erklärt sie eindringlich, aber gleichzeitig mit einem Unterton in der Stimme, der ihre Resignation zum Ausdruck bringt. Genau dieses Verhalten tut mir so unendlich weh, zeigt es mir doch, dass sie genau weiß, dass ich mich irgendwie wohl immer vor ihr verschließen würde und wenn es auch nur in einem Punkt ist. Sie verstand mein Handeln längst, konnte es vermutlich schon immer, aber mittlerweile habe ich das irrsinnige Gefühl, dass sie es ist, die mich noch schwächer und durchschaubarer macht.

Ich kann mir selbst nicht erklären, warum ich ihr etwas verschweige, das einerseits schon so lange her war, beinahe mein ganzes Leben, und doch genau dieses von Grund auf änderte. Vielleicht habe ich Angst, dass sie mich nach dieser Offenbarung mit anderen Augen sehen würde, aber vermutlich ist es lediglich die Angst vor meinen eigen Emotionen, die ich dann nicht länger würde verleugnen können. Auch wenn, oder gerade weil, Caitlin Todd die Frau ist, die mir mehr bedeutet als jeder andere Mensch, die in mir die Hoffnung weckt, dass es so etwas wie Liebe tatsächlich gibt und der ich beinahe die ganze Wahrheit meines Wesens enthüllte, behalte ich dennoch diesen winzigen Rest von mir zurück, verstecke ihn weiterhin vor der Außenwelt, in der Hoffnung diesen niemals preisgeben zu müssen. „Du weißt, wie ich bin, Kate“, gebe ich schließlich zurück, als könnte ich damit alles erklären und ihre unausgesprochenen Fragen endgültig zerstreuen. Während ich versuche, ruhig zu bleiben, um sie nicht noch weiter zu zu verärgern, scheint mein Verhalten, sie jedoch nur noch stärker gegen mich aufzubringen. „Und wenn ich mit dir zusammen sein will, muss ich das einfach akzeptieren?“, hakt sie scharf nach, übertönt von dem Geräusch quietschender Reifen, als sie ihren Wagen in der Tiefgarage des Hauptquartiers abrupt zum Stehen bringt.
Meine Gedanken und auch mein schlechtes Gewissen haben mich meine Umgebung vollkommen vergessen lassen, sodass ich nun jedoch hastig aussteige und ihr zu den Aufzügen folge. Noch immer hallen ihre Worte in meinem Kopf wider, aber ich müsste sie sehr schlecht kennen, um auch nur einen Moment daran zu denken, sie würde mein Schweigen einfach hinnehmen. Ich wusste genau, wer sie war, ich wusste, dass es bei ihr nur zwei Möglichkeiten gab, entweder ließ ich mich auf sie ein und zwar ohne Vorbehalte. Oder aber ich vergaß diese Idee ganz schnell wieder, denn etwas dazwischen würde ich von ihr niemals bekommen, und dies akzeptierte ich, wollte es im Grunde auch nicht anders, denn dies war eben Kate. Sie war keine Frau, die man für eine einzige Nacht haben konnte, doch dies war nie meine Absicht, denn nachdem sie mich in ihren Bann zog, wollte ich sie nicht wieder gehen lassen. In den vergangenen Jahren, die wir nun bereits zusammenarbeiteten, hätte ich niemals erwartet, eine Chance von ihr zu bekommen, denn ich war so gar nicht die Art Mann, mit denen sie sich normalerweise traf.
Ich weiß, dass lediglich die Tatsache, dem Tod direkt ins Auge geblickt zu haben, dazu führte, dass sie mit mir ausging, aber damals war es mir nicht wichtig. Mittlerweile denke ich hin und wieder darüber nach, ob es jemals so gekommen wäre, hätte dieser Terrorist, dessen Namen ich zu vergessen versuche, nicht Jagd auf Gibbs und unser Team gemacht. Es war wie ein Kreislauf, ihre Nähe ließ mich erkennen, was mir in meinem Leben wirklich wichtig war, machte mich im Grunde zu einem besseren Menschen, einem Menschen, den sie tatsächlich lieben konnte. Wenn ich es genau bedenke, muss ich mir eingestehen, dass es ohne diese Geschehnisse wohl niemals so weit gekommen wäre, denn ich weiß, dass niemand anders als sie hätte erreichen können, dass ich mich nicht länger verschloss, mich nicht länger vor meinen Gefühlen versteckte. Dennoch kann ich ihr nicht offenbaren, welch schreckliche Erfahrung in meiner Vergangenheit dazu führte, dass ich zu dem wurde, der ich noch vor beinahe zwei Jahren war. Vielleicht wäre ohne diesen Vorfall von Anfang an alles ganz anders gekommen, aber genauso hätte dies dazu führen können, dass wir uns niemals begegnet wären, eine Möglichkeit, über die ich nicht einmal nachdenken möchte.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 1 Part II: "Whatever happened to Christmas"

Auch an dieser stelle wünsche ich euch einen schönen dritten Advent.
Viel Spaß mit dem neuen Teil!

LG Claudia


Die schweren Metalltüren des Fahrstuhles schließen sich beinahe geräuschlos, bevor die Kabine sanft anzieht, um uns nach oben in das Großraumbüro zu befördern. Vorsichtig wende ich meinen Kopf nach links, um einen Blick auf Kates Miene zu erhaschen, doch ihre Augen sind starr auf die digitale Geschossanzeige gerichtet, ohne dass sie auf mein unterdrücktes Seufzen reagiert. Plötzlich reißt mich das leise 'Pling' aus meiner Trance, ehe die Türen erneut auseinander gleiten und den Eingang von Abbys Reich offenbaren. Im gleichen Moment tritt die junge Frau neben mir nach draußen und strebt das forensische Labor an, während sie kurz angebunden erklärt: „Falls Gibbs fragt, ich bin in zehn Minuten da.“ Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigt mir, dass die Zeit bis zum offiziellen Arbeitsbeginn noch eine Viertelstunde beträgt, sodass unser Boss vermutlich kein Wort darüber verlieren wird. Unwillkürlich wandern meine Gedanken zu dem Gespräch, das meine Partnerin wohl nun mit ihrer besten Freundin führen wird und das in meinem Inneren kein gutes Gefühl verursacht. Doch ich kann es ihr nicht verübeln, denn mein befremdliches Verhalten ließ sie dermaßen verunsichert und auch wütend werden, dass sie vermutlich ein offenes Ohr für ihr Unverständnis darüber nötig hat.
Zielstrebig steuere ich wenig später den Arbeitsbereich unseres Teams an und lasse mich wortlos hinter meinem Schreibtisch nieder, sodass McGee verwundert von seinen Akten aufblickt und fragt: „Wo hast du denn Kate gelassen?“ Ohne mich ihm zuzuwenden, starre ich auf den schwarzen Monitor meines Computers und antworte kurz angebunden: „Bei Abby.“ Dass seine Augenbrauen daraufhin nach oben wandern, bekomme ich nicht mit, denn er schweigt und überlässt mich erneut meinen Gedanken. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, dass unsere Beziehung für unser Team, sogar für Gibbs, zur Normalität geworden ist, beinahe als wäre es nie anders gewesen. Doch genau das war es, denn noch vor Jahren verlief mein Leben in vollkommen anderen Bahnen, die niemand umzulenken vermochte, nicht einmal ich selbst. Dieses eine Erlebnis in meiner Kindheit hatte mich dazu gebracht, mich vor allen Gefühlen zu verschließen, um nicht noch einmal diesen Schmerz erleben zu müssen, den ich damals erleiden musste. Erst Kate war es lange Zeit später später gelungen, die Mauer, die ich um mich herum errichtet hatte, zu überwinden und schließlich zum Einsturz zu bringen. Sie war es, die mich rettete, mein Herz, das in jenem Moment vor vielen Jahren zu Eis erstarrt war, schmelzen ließ und es zu neuem Leben erweckte.

Erst nach einigen Minuten gelingt es mir, mich aus meinen Überlegungen zu reißen, die mich ohnehin nicht weiterbringen, sodass ich versuche, mich mit meiner Arbeit abzulenken. Genervt wühle ich mich durch den Stapel Papiere, der auf meinem Schreibtisch ausgebreitet ist, auf der Suche nach der Akte, die ich dabei war zu bearbeiten. Seit einigen Tagen war an meinem Platz erneut das Chaos ausgebrochen, das ich in den vergangenen Monaten erfolgreich versuchte, von dort zu verbannen. Doch die Weihnachtszeit, die Einzug in Washington und damit auch in unserem Hauptquartier hielt, ließ die Erinnerungen, die ich so tief wie möglich in meinem Inneren verborgen hatte, erneut an die Oberfläche drängen. Mit einem erleichterten Seufzen ziehe ich schließlich das gewünschte Dokument hervor, keinen Augenblick zu spät, denn die Türen des Fahrstuhls öffnen sich mit dem gewohnten 'Pling', bevor Gibbs zielstrebig seinen Arbeitsplatz anstrebt und mir im Vorbeigehen einen prüfenden Blick zuwirft, um zufrieden festzustellen, dass ich mich bereits mehr oder weniger in meine Akte vertieft habe. Obwohl sich meine Beziehung mit Kate vorteilhaft auf beinahe jeden Aspekt meiner Arbeit ausgewirkt hat, gehört der eintönige Innendienst noch immer nicht zu meinen Vorlieben.
Noch ehe mein Boss das Fehlen meiner Kollegin ansprechen kann, zieht das schrille Klingeln seines Telefons seine Aufmerksamkeit auf sich und weckt in mir die Hoffnung, endlich aus dem Großraumbüro heraus und an einen Tatort zu kommen. „Gibbs“, meldet er sich in seiner gewohnt rüden Art und lauscht einige Sekunden den Worten seines Gesprächspartners, bevor er den Hörer, wie immer ohne Vorwarnung, energisch zurück auf die Gabel befördert. In meinem Inneren breiten sich unvermittelt die Anspannung und die Erwartung auf einen neuen Fall aus, der uns endlich wieder hinaus in die Welt führen wird. Umgehend bestätigt unser Teamleiter meine Hoffnung, indem er nachdrücklich erklärt: „Toter Navy Lieutenant in Annapolis“, ehe ich dem Wagenschlüssel nachblicke, der in Tims Richtung fliegt. Verwundert greife ich nach meiner Dienstwaffe und meinem Rucksack, während ich die nun folgenden Anweisungen unseres Vorgesetzten vernehme: „McGee, hol den Truck und sag Ducky Bescheid! DiNozzo, sag Kate, sie soll ihr Kaffeekränzchen in ihre Freizeit verlegen! Ich erwarte euch in fünf Minuten, andernfalls könnt ihr es euch mit einem ganzen Regal alter Akten hier gemütlich machen.“
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 1 Part III: "Whatever happened to Christmas"

Und noch einmal wünsche ich euch einen schönen vierten Advent.
Hier kommt der dritte und letzte Teil des ersten Kapitels.
Wie immer viel Spaß!

LG Claudia


Die automatischen Glastüren gleiten mit einem gedämpften Zischen auseinander, sodass die Agentin das Labor betritt, das in ein diffuses Zwielicht gehüllt ist, lediglich durchbrochen von dem Leuchten der Lichterkette eines kleinen, mehr als außergewöhnlich geschmückten Weihnachtsbaumes. Verwundert blickt sie sich um, denn normalerweise herrscht an diesem Ort bereits vor Arbeitsbeginn hektische Betriebsamkeit, gemischt mit den ohrenbetäubenden Klängen der verschiedensten Lieblingsbands der Forensikerin, mit denen sich vor allem Gibbs nur schwer anfreunden kann. Doch an diesem Morgen hat sich eine ungewohnte Stille in dem großen Raum ausgebreitet, der mit eine Unmenge an modernsten Geräten ausgestattet ist, sodass sie sich bemerkbar macht: „Abbs?“ Ein leises Poltern lässt sie ihre Schritte nach links wenden, wo der Kopf ihrer Freundin hinter einem der Monitore auftaucht, bevor sie die Schwarzlichtlampe, mit der sie eines ihrer Beweisstücke untersucht hat, zur Seite legt und verwundert fragt: „Hey Kate. Was treibt dich denn schon so früh am Morgen in meine heiligen Hallen?“ Die Angesprochene kann sich trotz ihrer angespannten Laune ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn die junge Frau scheint, sie sofort zu durchschauen und zu ahnen, dass sie etwas beschäftigt.
„Wieso ist es bei dir so still?“, weicht sie dennoch einer Antwort aus, denn im Grunde ist sie nicht hier, um ihrem Unmut über Tony Luft zu machen, sondern um diese Auseinandersetzung für einige Minuten zu vergessen. Der Blick, mit dem Abby sie mustert, zeigt ihr jedoch, dass sie sich vor einer Erklärung nicht drücken kann, was die folgende Aufforderung bestätigt: „Lenk nicht ab! Was ist passiert? Hat DiNozzo dich mal wieder geärgert?“ Wenn sie darüber nachdenkt, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen soll, kommt es ihr beinahe lächerlich vor, dass sie den Agenten derart anfauchte, doch seine abweisende Reaktion löste eine unerwartete Welle der Enttäuschung in ihr aus, die sie nicht kontrollieren konnte. Es war das kleine Mädchen in ihr, das sein Verhalten weder verstehen konnte noch akzeptieren konnte, sodass sie nun glaubt, übertrieben zu haben. Auch die Frage ihrer besten Freundin, aus der eine Spur Ironie heraus zu hören ist, gibt ihr die Gewissheit, sich in dieses unterbewusste Gefühl hinein gesteigert zu haben. Ihr Plan, ihren Freund zu überraschen, scheiterte, aber dies war kein Grund, ihn dafür verantwortlich zu machen, dass er nicht auf die Weise reagierte, die sie sich erhoffte.

„Was ist los, Kate? Habt ihr euch gestritten?“, wiederholt die Forensikerin nach einigen Minuten des Schweigens, während denen die Agentin ihren Überlegungen gefolgt ist, ihre Frage mit einer Stimme, die nun um einiges einfühlsamer und besorgter ist. Obwohl die Angesprochene ihre Lippen zu einem Lächeln verzieht, weiß sie doch, dass dieses gänzlich misslingt, denn ihre Gedanken sind viel zu weit abgeschweift, um ihre Mimik unter Kontrolle zu haben. Als sie bereits zu einer ausweichenden Antwort ansetzt, lässt sie jedoch der bohrende Blick ihrer besten Freundin innehalten, der sie zu durchschauen scheint. Auf der Suche nach den richtigen Worten beginnt sie, zögernd zu erzählen: „Er benimmt sich so merkwürdig. Das Chaos in seiner Wohnung... Er hat sich total darüber aufgeregt. Dabei hatte er mir doch den Schlüssel zu seinem Appartement gegeben.“ Diese wirre Erklärung ist mehr als unverständlich für Abby, die förmlich spüren kann, wie sehr diese Sache Kate beschäftigt, sodass sie tröstend einen Arm um sie legt. Den jungen Mann zu bedrängen, war vermutlich der größte Fehler, den sie begehen konnte, doch der Zauber von Weihnachten hatte Besitz von ihr ergriffen und ließ sie nicht darüber nachdenken.
„Erzähl mir, was passiert ist, Süße!“, fordert die Forensikerin ihre Freundin erneut auf, die sich aus ihrer Umarmung löst und sie nun nachdenklich mustert. Nach einigen Sekunden setzt sie ein schiefes Grinsen auf und zuckt mit den Schultern, ehe sie mit erstickter Stimme erwidert: „Ich hab ihn bestimmt nur überrumpelt. Du kennst ihn, wenn er sich bedrängt fühlt...“ Sie spricht diesen Satz nicht zu Ende, lässt ihn förmlich in der Luft hängen, doch Abby spürt, dass mehr dahinter steckt, dass Tonys Reaktion sie nicht nur überraschte, sondern auch vollkommen unerwartet traf. Dennoch weiß sie, dass sie Kate die Möglichkeit geben muss, sich ihr selbst zu offenbaren, sodass sie ihr lediglich aufmunternd in die Augen blickt. Diese stumme Ermutigung bringt die Agentin jedoch endlich dazu, ihr Verhalten zu erklären: „Ich wollte Tony überraschen und habe ihm einen Weihnachtsbaum gekauft. Aber er...“ „... hat sich wohl nicht sonderlich darüber gefreut“, führt die Forensikerin diese Aussage weiter, die ihr das traurige Kopfschütteln ihrer Freundin bestätigt, aber das Zischen der automatischen Tür hält sie von einer erneuten Nachfrage ab.

In meiner Eile, Gibbs' Geduld nicht unnötig zu strapazieren, denke ich wie so oft nicht darüber nach, in welche Situation ich mich manövriere, bis ich mitten darin stehe. Obwohl Kate mit dem Rücken zu mir steht, entgeht mir nicht, dass sie sich verstohlen über die Augen fährt, genauso wenig wie Abbys drohender Blick, mit dem sie mich bedenkt. Ich muss kein Hellseher sein, um zu wissen, worum die Unterhaltung, in die ich unfreiwillig hinein geplatzt bin, sich gedreht hat, doch bevor ich die Möglichkeit habe, ein Wort von mir zu geben, wendet sich meine Freundin bereits zu mir um und erklärt, ohne mich anzusehen: „Ich vermute, wir haben einen neuen Fall, denn sonst hättest du mich anrufen können.“ Mit einem überraschten Nicken folge ich ihr, als sie ohne ein weiteres Wort den Aufzug anstrebt und betrete diesen nach ihr, nur um ihn wieder anzuhalten, kaum dass er sich in Bewegung setzt. In diesem Moment ist mir nicht nur der mehr als wütende Ausdruck in ihren Augen sondern auch die Ungeduld meines Bosses und die für mich nun unausweichliche Kopfnuss vollkommen egal.
Zögernd streiche ich über ihre Wange, die in dem bläulichen Licht, das sich um uns ausgebreitet hat, unnatürlich fahl erscheint, und flüstere mit belegter Stimme: „Es tut mir leid, Kate. Ich habe mich mal wieder vollkommen kindisch verhalten.“ Ihrem schweigenden Nicken entnehme ich eine Zustimmung auf meine Worte, doch sie blickt mich noch immer auffordernd an, wartend auf eine Erklärung, die ich ihr zweifellos schuldig bin. Dennoch bin ich nicht in der Lage, ihr die dunklen Abgründe meiner verletzten Kinderseele zu enthüllen, sodass ich die Wahrheit nur oberflächlich preisgebe: „Weihnachten weckt bei mir einfach schmerzhafte Erinnerungen. Meine Mutter ist am Heiligabend gestorben, und seitdem hat sich die Abneigung gegen die Feiertage in meinem Inneren festgesetzt. Ich weiß, du liebst dieses Fest. Deshalb hätte ich es dir erzählen müssen. Ich wollte dir die Vorfreude nicht verderben. Aber mit meinem Verhalten habe ich alles kaputt gemacht.“ Auch wenn nach meinen Worten ein schwaches Lächeln ihre Lippen ziert und sie ihre Arme mitfühlend um meinen Körper schlingt, kann ich dennoch das schlechte Gewissen nicht unterdrücken, dass ich mich vor ihr, die mir blind vertraut und mir das gleiche Gefühl vermittelt, auch weiterhin verschließe.

Die Tatsache, dass meine Freundin mich, nachdem sie sich wieder von mir gelöst hat, lediglich schweigend mustert, macht mich zunehmend nervös, erwarte ich doch dadurch bereits eine forschende Nachfrage. Doch sie scheint, sich mit meiner Erklärung zufrieden zu geben, auch wenn ich sehen kann, dass ein winziger Zweifel zurück geblieben ist, den ich nicht ausräumen konnte. Bevor ich mir jedoch länger darüber Gedanken machen kann, gibt sie versöhnlich zurück: „Es tut mir auch leid. Ich habe nicht darüber nachgedacht und dann einfach überreagiert.“ Ihre Worte sind begleitet von ihrem wunderschönen Lächeln, das stets ein Kribbeln durch meinen Körper rinnen lässt, sodass ich dieses erleichtert erwidere. Für mich gehört es zu den unangenehmsten Erfahrungen, Streit mit Kate zu haben, egal ob ich diesen mal wieder selbst verursacht habe, denn die Enttäuschung und Traurigkeit in ihren Augen zu sehen, ist schlimmer für mich als noch so verletzende Vorwürfe. Deshalb ist es mir vollkommen egal, dass die Fünf-Minuten-Frist, die Gibbs mir setzte, längst verstrichen ist, als ich sie schweigend in den Arm nehme und ihr einen sanften Kuss auf die Stirn hauche. Unvermittelt breitet sich ein zufriedenes Gefühl in meinem Inneren aus, als ich spüre, wie sie ihren Kopf an meine Brust sinken lässt.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 2 Part I: "One Time is not enough"

Auch hier geht es weiter.
Viel Spaß!

LG Claudia


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You left your Door wide open.
Couldn't help but walk in.
It's the last Place I should be
But I'm dying to see you.

'One Night is not enough' - Snow Patrol


Monday, December 4th 2006
Mayfair Lane, Alcova Heights, Washington D.C.


Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht reiße ich die Beifahrertür des Trucks auf und lasse mich, nun wieder gut gelaunt, auf dem mittleren Platz nieder. Dass Gibbs seine Drohung nicht wahr machen würde, erwartete ich nicht anders, denn wenn er den Tatort nicht allein mit McGee untersuchen will, was meiner Meinung nach wohl nicht sehr wahrscheinlich ist, hatte er im Grunde keine andere Wahl, als auf uns zu warten. Natürlich bin ich nicht so lebensmüde, diese Einschätzung laut auszusprechen, aber zu meinem Leidwesen konnte mein Boss schon immer meine Gedanken lesen oder zumindest meine Körpersprache deuten. Deshalb gibt es für mich keine Möglichkeit, um meine obligatorische Kopfnuss herum zu kommen, hätte ich nicht Kate dieser Gefahr aussetzen wollen, die sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen kann. Vielleicht sollte ich demnächst keine Rücksicht auf meine Kollegin nehmen und ihr galant den Vortritt beim Einsteigen lassen, aber vermutlich würde mich die Hand meines Vorgesetzten auch auf dem äußeren Sitz erreichen und dafür sorgen, dass mein Kopf für den Rest der Fahrt unangenehm schwirrt. Wahrscheinlich werde ich nie hinter gewisse Geheimnisse kommen, die dieser Mann verbirgt, auch wenn es mich noch so brennend interessiert, wie ihm diese Dinge stets gelingen.
Trotz meiner schmollenden Miene und der leichten Schadenfreude meiner Freundin nehme ich die Verspätung, die, wenn man es genau bedenkt, im Grunde auch allein meine Schuld ist, auf mich: „Tut mir leid, Boss. Ich hatte meine Marke vergessen.“ Er weiß genau, dass dies lediglich eine Ausrede ist, aber genauso ist er sich darüber im Klaren, dass ich wieder einmal derjenige war, der seine Geduld strapazierte, sodass er mit seinem gewohnt kühlen Unterton in der Stimme erwidert: „Spar dir deine Ausflüchte, DiNozzo! Ich weiß, von wem du dich hast ablenken lassen.“ Seine Aussage lässt mich schwer schlucken, machte er damit und mit seinem unmissverständlichen Blick doch deutlich klar, dass er es nicht dulden würde, sollte sich unsere Beziehung, in welcher Art auch immer, auf unser Arbeitsverhältnis auswirken, etwas, was wir, besser gesagt, was ich verschuldete. Vermutlich hatte er bei dieser Warnung etwas anderes im Hinterkopf, vor allem im Hinblick auf meine Person, aber im Endeffekt macht dies keinen Unterschied. „Ich hoffe, ihr habt eure Differenzen aus der Welt geschafft“, fügt er mit einem Seitenblick auf Kate zurück, der mich für einen Augenblick die Luft anhalten lässt.

Wieso verwundert mich die Reaktion meines Vorgesetzten überhaupt noch? In den vergangenen Jahren musste ich doch gelernt haben, dass er stets wusste, was in seinem Team vorging, so gut man auch versuchte, es vor ihm zu verbergen. Er wusste, was ich für meine Partnerin empfand, vermutlich noch bevor ich mir selbst darüber im Klaren war, deshalb sollten mich seine Worte nicht überraschen. Aber es ist wohl eher die Angst, dass er nicht nur weiß, dass ich eine Meinungsverschiedenheit mit meiner Freundin hatte, sondern auch den Grund, den wahren Grund, dafür erkennt. Ohne jedoch weiter auf dieses Thema einzugehen, als wäre er sicher, damit alles nötige gesagt zu haben, richtet er erneut seine volle Konzentration auf die Straße, die er trotz der widrigen Wetterverhältnisse in gewohnt rasantem Tempo entlang fährt. Als er mit beinahe der gleichen Geschwindigkeit eine Kurve nimmt, kralle ich mit in den Polstern meines Sitzes fest, um nicht den Halt zu verlieren. Überrascht wende ich mich nach rechts, als ich plötzlich Kates Hand sanft auf der meinen spüre, und blicke unwillkürlich in ihre warmen braunen Augen, die mich glücklich anstrahlen.
Meine Kollegin scheint, wieder einmal geahnt zu haben, wie sie meine trüben Gedanken, die mich nach diesem Gespräch unweigerlich heimsuchen würden, vertreiben kann. Bereits ein kurzes Lächeln von ihr genügt, um mich meine Umgebung genauso vergessen zu lassen wie die Überlegungen, die die Worte meines Bosses auslösten. Aus diesem Grund nutze ich die Zeit, bis wir den Tatort als professionelle Bundesagenten betreten müssen, um mich wenigstens für wenige Sekunden in ihrem Blick zu verlieren. Zärtlich erwidere ich ihre verstohlene Berührung, indem ich meinen Daumen hauchzart über ihren Handrücken streichen lasse, während meine Augen erneut starr auf die Straße gerichtet sind, ohne jedoch etwas wahrzunehmen. Die schneebedeckten Häuser und Bäume, die in rasender Geschwindigkeit an uns vorbei zu fliegen scheinen, verschwimmen für mich zu einer weißen undurchdringlichen Einheit. Nicht einmal das Schlittern des Trucks, den Gibbs auf der vereisten Straße mit einer Vollbremsung zum Stehen bringt, dringt bis in mein Unterbewusstsein vor, während ich jedoch ein versonnenes Grinsen nicht unterdrücken kann.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 2 Part II: "One Time is not enough"

Auch an dieser Stelle wünsche ich euch ein frohs Neues Jahr.
Einen Tag früher als sonst gibt es einen neuen Teil.
Wie immer viel Spaß beim Lesen!

LG Claudia


„Schluss mit dem Geturtel! Wir haben einen Tatort zu untersuchen“, reißt uns im gleichen Moment die schroffe Stimme des Teamleiters aus unserer gemeinsamen Trance, bevor die Fahrertür mit einem lauten Knall ins Schloss fällt. Es ist immer wieder erstaunlich, dass diesem Mann nicht einmal die verstohlenste Geste zu entgehen scheint, mit der wir gegen seine neue Regel Nummer 12, kein Flirten am Arbeitsplatz, verstoßen. Mit einem bedauernden Seufzen lösen wir die Verschränkung unserer Finger und beeilen uns, auszusteigen und McGee aus seinem Gefängnis im Laderaum zu befreien, um unserem Boss zu folgen, der bereits die Absperrung passiert. Als ich nach meinem Rucksack greife, ignoriere ich wie immer das Stöhnen meines jüngsten Kollegen, der sich seine schmerzende Schulter reibt. „Sei ein Mann und hör auf zu jammern, Bambino!“, kann ich mir nicht verkneifen, ihn aufzuziehen, ehe ich mich abwende und ihn mit der übrigen Ausrüstung allein zurücklasse. Aus dem Augenwinkel bemerke ich das mahnende Kopfschütteln meiner Partnerin, die mir jedoch folgt, ohne einen der schweren Koffer in der Hand, sodass sich lediglich ein schweigendes Grinsen auf meinen Lippen bildet.
Als wir uns dem Flatterband nähern, das durch seine leuchtend gelbe Farbe weithin sichtbar im sanften Wind schaukelt, lasse ich meinen Blick über das Areal schweifen, das dadurch vor allzu neugierigen Nachbarn versperrt wird. In der Straße herrscht die gewohnt betriebsame aber auch geordnete Hektik eines Tatorts, während gleichzeitig eine beinahe bedrohliche Ruhe diese Szenerie umgibt. Die Sirene des Polizeiwagens, der nur noch hier verharrt, um den Tatort bis zum Eintreffen der Bundesbeamten abzusichern, ist inzwischen verstummt, lediglich das Blaulicht durchzuckt in unregelmäßigen Abständen die Umgebung, um verzerrte Schatten auf die bläulich verfärbte Schneedecke, deren Unberührtheit mittlerweile durch unzählige Abdrücke schwerer Stiefel zerstört ist, zu werfen. In dem beschaulichen Wohnviertel scheint noch immer, das stumme Entsetzen in der Luft zu liegen, das auf dieses ungeahnte Verbrechen gefolgt ist. Das Leben in den angrenzenden Häusern hat seit dem Morgen, seit jener abscheulichen Entdeckung, inne gehalten, als könne man weiterhin nicht glauben, dass die Grausamkeit der Welt auch in diese abgeschiedene Vorstadtidylle vorgedrungen ist.
Ich ziehe meinen Dienstausweis aus der Innentasche meiner Jacke und halte ihn dem Polizisten unter die Nase, der die Absperrung bewacht und dabei wirkt, als hätte er damit die wichtigste Aufgabe bei diesen Ermittlungen zu erfüllen. Mit einem kritischen Blick mustert er die glänzende Marke, die ich ihm entgegen strecke, beinahe als müsse er verhindern, dass sich ein Unbefugter Zutritt verschafft. Doch schließlich winkt er uns mit einem überheblichen Nicken weiter, sodass ich das gelbe Flatterband anhebe, um Kate zuvorkommend den Vortritt zu lassen. Sie schenkt mir ein kurzes Lächeln, ehe sie vor mir den schneebedeckten Weg entlanggeht, um zu dem kleinen Reihenhaus zu gelangen, während ich meinen Blick nicht von ihrer atemberaubenden Rückseite abwenden kann. „DiNozzo, schlag dir deine schmutzigen Gedanken aus dem Kopf!“, faucht sie mir gespielt wütend entgegen, sodass ich mir ein unterdrücktes Auflachen nicht verkneifen kann, da ich genau weiß, dass sie sich im Grunde geschmeichelt fühlt. „Tut mir leid, ich kann nichts dagegen tun. Das ist wie ein Zwang“, gebe ich seufzend zurück, was sie dazu bringt, sich zu mir umzuwenden und mich mit ihren braunen Augen aufgebracht anzufunkeln, sodass ich nur mit Mühe den Impuls unterdrücke, sie an mich zu ziehen und zu küssen.

In Anbetracht der Tatsache, dass ich an diesem Morgen bereits mehr als eine Rüge von meinem Boss riskiert habe, ziehe ich es schweren Herzens vor, meine Hormone unter Kontrolle zu halten und lasse meine Kollegin mit einem frechen Grinsen ihren Weg fortsetzen, während ich kurz durchatme, um es ihr dann gleich zu tun. Mit schnellen Schritten schließe ich zu ihr auf, sodass ich nun neben ihr laufen und belehrend anführen kann: „Langsam, Katie. Ich hätte zwar nichts dagegen, dass du mir zu Füßen liegst, aber...“ Noch ehe ich diesen Satz zu Ende führen kann, bleibt sie so abrupt stehen und wendet sich schwungvoll zu mir um, dass ich ihr nur mit Mühe ausweichen kann und es nun an mir ist, Schwierigkeiten mit meinem Gleichgewicht zu bekommen. Wie sollte es auch anders sein, habe ich nur Sekunden später das Glück, mit meinem Hintern im Schnee zu landen, während meine Freundin sich bei diesem Anblick vor Lachen ausschüttet. Nach Atem ringend, gibt sie sichtlich schadenfroh zurück: „Die frische Luft scheint, deinem Hirn nicht zu bekommen. Der viele Sauerstoff bringt dich dazu, lebensmüde zu werden.“ Im Grunde kann ich froh darüber sein, dass ich lediglich Bekanntschaft mit dem vereisten Gehweg und nicht mit ihrer Dienstwaffe gemacht habe.
Anscheinend hat meine kleine Einlage wenigstens bei meiner Partnerin für Erheiterung gesorgt, beinahe als hätte es unseren Streit niemals gegeben. Aber so sehr ich mich auch bemühe, kann ich meine Gedanken daran nicht vollkommen unterdrücken, kehren sie immer wieder in meinen Verstand zurück. Im Moment ist jedoch meine größte Sorge, mich möglichst schnell aus meiner unvorteilhaften Position zu befreien und die verräterischen weißen Spuren auf meiner Hose zu beseitigen, bevor dieses Bild ungebetene Zuschauer anzieht. „Hast du etwas verloren, DiNozzo?“, bringt mich die hämische Nachfrage meines Kollegen dazu, mich hastig aufzurappeln und unterdrückt in mich hinein brummend, so wie es üblicherweise nur Gibbs tut, den Schnee von meinem Hintern zu klopfen. Als würde es nicht ausreichen, dass ich mich bereits vor Kate lächerlich gemacht habe, muss nun auch noch McGee Zeuge meines Missgeschicks werden und seine Schadenfreude zum Ausdruck bringen. Bevor ich mir jedoch darüber den Kopf zerbrechen kann, vernehme ich die flüsternde Stimme meiner Freundin dicht an meinem Ohr, die mich umgehend meine Ungeschicklichkeit vergessen lässt: „Mach nicht so ein Gesicht, Tony! Wenn wir zurück im Hauptquartier sind, sorge ich dafür, dass dir wieder warm wird.“
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 2 Part III: "One Time is not enough"

Hier gibt es den letzten Teil von Kapitel 2.
Viel Spaß beim Lesen!

LG Claudia


Ich komme nicht dazu, etwas zu erwidern, als sie gemeinsam mit Tim den kleinen Garten des Reihenhauses durchquert, in das uns dieser neue Fall führt, während ich förmlich in meiner Bewegung erstarre. Bereits diese Worte haben ausgereicht, um dafür zu sorgen, dass die Hitze unwillkürlich in meinem Körper aufsteigt und ich die Tatsache verfluche, dass ich in den kommenden Stunden nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden kann, mich mit meiner Freundin auf den Weg nach Hause zu machen. Wahrscheinlich hat sie genau dies beabsichtigt, doch so leicht wird sie mir nicht davonkommen, auch wenn ich mich wohl länger, als mir lieb ist, werde gedulden müssen, werde ich dieses Versprechen mit Sicherheit einfordern. Doch im Moment bin ich außerordentlich froh, dass ich mich noch immer an der frostigen Winterluft befinde, die nicht nur meine glühenden Wangen sondern vor allem meine hitzigen Überlegungen abkühlt, bevor ich es wagen kann, den Tatort zu betreten und damit meinem Boss gegenüber zu stehen, der umgehend durchschauen würde, was unangebrachterweise in meinem Kopf vor sich geht.
So einfach, wie ich mir das vorstelle, ist jedoch leider nicht, denn in Kates Nähe verliere ich viel zu oft die Kontrolle über meine Gedanken, die sich unaufhaltsam verselbständigen, eine Situation, die vor allem die verführerische Anspielung meiner Freundin nicht verbessert hat. Jetzt sehne ich mich nur noch mehr nach ihr, denn am vergangenen Wochenende standen stets unser idiotischer Streit und meine übertriebene Sturheit im Weg, als dass wir hätten unsere Zweisamkeit genießen können. Und nun würde mit Sicherheit unser neuer Fall dafür sorgen, dass wir in den nächsten Tagen oder möglicherweise noch länger kaum Zeit füreinander haben würden, oder aber zu gestresst von unseren Ermittlungen sind, um den Abend mit etwas anderen als ausgiebiger Entspannung zu verbringen. Doch weiter darüber nachzugrübeln, würde auch nichts an der Tatsache ändern, dass wir ab sofort lediglich Kollegen sind und ich meine Gefühle gezwungenermaßen vorerst zurückstellen muss. Ein letztes Mal atme ich tief durch, sodass ich ein leichtes Stechen spüre, das die eisige Kälte in meinen Lungen verursacht, ehe auch ich endlich, wenn auch langsamer als es für mich ratsam wäre, meinen Weg fortsetze.

Meine beiden Kollegen treten in diesem Augenblick bereits durch die offen stehende Eingangstür, die das Innere eines beinahe spießigen Zuhauses enthüllt. Die Wohngegend, in der wir uns befinden, das Lower Fairfax Village, liegt lediglich eine Viertelstunde vom Navy Yard entfernt und scheint gleichzeitig, Teil einer völlig anderen Welt zu sein. Das im Südosten der Stadt gelegene Viertel besteht aus gut gepflegten Grundstücken an der ruhigen, von zahlreichen Ahornbäumen gesäumten Straße, deren jeweiligen Mittelpunkt die großzügigen Einfamilienhäuser, im Stil der ländlichen Cottages Neuschottlands erbaut, wohlhabender Familien darstellen. Erst jetzt nehme ich mir die Zeit, mir einen Überblick über die Situation zu verschaffen, doch die Stille, die das Areal umhüllt, erscheint mir beinahe unheimlich, denn diese verbirgt die Wahrheit, verbirgt die Grausamkeit, die sich hier abspielte. Eine Nachbarschaft wie diese ist stets darauf bedacht, den perfekten Schein zu wahren, um die dunklen Ereignisse unter keinen Umständen nach außen dringen zu lassen.
In mir erwacht unwillkürlich das Gefühl, dass mich etwas oder jemand schon einmal an diesen Ort führte, ohne dass ich jedoch erklären kann, was dieses auslöst. Als ich mich noch einmal genauer umblicke, rufen weder die Gebäude noch die Umgebung eine Erinnerung in mir hervor, gehören diese Vorzeigesiedlungen doch nicht gerade zu den von mir bevorzugten Adressen. Aus diesem Grund schüttele ich diesen Gedanken energisch ab und beeile mich nun endlich, meinen Kollegen zu folgen, denn die Geduld meines Bosses habe ich mittlerweile ausreichend strapaziert. Mit einem tonlosen Seufzen stelle ich mich bereits innerlich auf eine schmerzhafte Kopfnuss ein, die mich im Laufe dieses Tages unausweichlich noch erwarten wird. Wie immer wird er mich in falscher Sicherheit wiegen, um sein Vorhaben dann in die Tat umzusetzen, wenn ich am wenigsten damit rechne. Dennoch lässt mich etwas in mir zögern, diesem Fall auf den Grund gehen zu wollen, ohne dass ich weiß, was genau es ist, das mich davon abhält. Erneut wird das undefinierbare Gefühl stärker, dass mir dieser Ort bekannt erscheint, dass ich schon einmal, vermutlich vor vielen Jahren, hier war.

Als ich schließlich in dem freundlichen Flur des Hauses kurz innehalte, trifft auch Ducky mit seinem Assistenten am Tatort ein, der diesen beinahe vor mir betreten hätte, was unweigerlich auch Gibbs nicht verborgen geblieben ist. Wie auf ein geheimes Zeichen verlässt dieser den Raum am Absatz der in das Obergeschoss führenden Treppe und bleibt in der Tür stehen, wo die Strahlen der Vormittagssonne seine Gestalt in Schatten hüllen. Dennoch entgehen mir dessen eisblaue Augen nicht, die mich zu durchbohren scheinen, während der Pathologe ungerührt erklärt: „Entschuldige Jethro, aber Mr. Palmer hat unseren Wagen in eine Schneewehe befördert.“ Unter anderen Umständen hätte ich vermutlich laut aufgelacht, denn diese Aussage erinnert mich unweigerlich an meine eigene Ungeschicklichkeit vor wenigen Minuten. Ohne auf eine Antwort des Chefermittlers zu warten, geht der Gerichtsmediziner zielstrebig an diesem vorbei, gefolgt von dem jungen Mann, der eifrig bemüht ist, die Ausrüstung zu tragen. Für einen Moment blicke ich den beiden nach und frage mich unwillkürlich, was mich hinter dieser Tür erwarten würde, ehe ich diesen seltsamen Gedanken energisch verdränge. Der durchdringende Blick meines Vorgesetzten hält mich davon ab, mich allzu gründlich in meiner Umgebung umzusehen und mich stattdessen zu beeilen, meiner Arbeit nachzukommen.
„Schon gut, Boss. Ich werde mich sofort um die Tatortskizze kümmern“, versuche ich, einer Zurechtweisung zu entgehen und seinem deutlichen Befehl zuvorzukommen, doch ich habe nicht mit seinem Widerspruch gerechnet, obwohl ich hätte darauf vorbereitet sein sollen: „Du wirst jeden Winkel dieses Hauses und des Grundstücks nach Spuren absuchen, DiNozzo. Dazu gehören auch die Mülltonnen in der Auffahrt.“ Ich schlucke schwer und nicke dann wortlos, in der Hoffnung, dadurch von meiner obligatorischen Maßregelung verschont zu bleiben, aber sein Blick zeigt mir das Gegenteil. Aus diesem Grund streife ich seufzend meine Handschuhe über und wende ich mich dann endlich meiner Arbeit zu, wie ich es schon lange hätte tun sollen. Entschlossen steige ich die helle Holztreppe hinauf und dränge mich schließlich an meinem Vorgesetzten vorbei, dessen Augen mir zu folgen scheinen, sodass ich unwillkürlich die Luft anhalte. Mit dem kläglichen Versuch, den stechenden Blick in meinem Rücken zu ignorieren, folge ich meinen Kollegen nun zielstrebig, um Gibbs' schlechte Laune nicht noch zusätzlich anzuheizen. Als ich schließlich in das Schlafzimmer des Hauses trete, habe ich unvermittelt das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein, der für mich jedoch erschreckend viel mit der Realität gemeinsam hat, die in diesem Moment zurück in mein Bewusstsein drängt.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 3 Part I: "A crimson Flood on frozen Snow"

Und hier gibt es den ersten Teil des dritten Kapitels.
Wie immer viel Spaß!

LG Claudia


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The Moon's mocking Face seems to smile at my Anguish
As my hot salty Tears melt the cold frozen Snow.
Soon my Blood joins this Flood as my Body will perish
And will nourish the Soil on the Ground down below.

And the Pain of this Life is forgotten.

'A crimson Flood on frozen Snow' - Goat of Mendes


Monday, December 4th 2006
Mayfair Lane, Alcova Heights, Washington D.C.


Der Anblick, der sich mir in diesem Raum offenbart, gleicht einem bizarren Bild, das mich jedoch umgehend in seinen Bann zieht, ohne dass es mir gelingt, mich dagegen zu wehren. Mein gesamter Körper ist vollkommen erstarrt, meine Atmung scheint, ausgesetzt zu haben, während mein Herz jedoch heftig in meinem Brustkorb hämmert. Ich versuche krampfhaft, diese Situation zu realisieren und zu verarbeiten, aber ich bin nicht in der Lage, einen einzigen klaren Gedanke zu fassen, geschweige denn mich von der Stelle zu bewegen. Stattdessen starre ich regungslos auf den zierlichen Körper hinab, der die Bruchstücke meiner Vergangenheit, die ich seit Jahren tief in meinem Inneren verborgen habe, unaufhaltsam zurück an die Oberfläche drängen lässt. Niemals hätte ich geglaubt, dass ich diese Gefühle noch einmal würde erleben müssen, die noch immer so schmerzhaft sind, als hätten sich diese Geschehnisse, die bereits so lange zurückliegen und mittlerweile vollkommen im Nebel liegen, erst vor wenigen Tagen ereignet. Unvermittelt werde ich mit jenem Kindheitstrauma konfrontiert, das ich bis heute nicht verarbeiten konnte, das mich jedoch zu dem Menschen werden ließ, der ich noch vor kurzem war, bis zu jenem Moment, als ich mein Herz öffnete, eine Tatsache, die mich nun verletzlich macht.
Irgendwann, nach einer scheinbaren Ewigkeit, gelingt es mir schließlich, tief durchzuatmen und vorsichtig einen Schritt nach dem anderen zu tun, der mich weiter in das Zimmer und damit näher zu ihr führt. Bisher habe ich noch nicht realisiert, dass auch innerhalb des Hauses frostige Temperaturen herrschen, doch als ich die kalte Luft in meine Lungen strömen lasse, verspüre ich ein leichtes Prickeln, bevor ich meinen Atem ausstoße, der in kleinen farblosen Wölkchen nach oben steigt und sich dann verflüchtigt. Meinen Körper durchläuft ein kaum wahrnehmbares Zittern, das nicht nur von der mich umgebenden Kälte ausgelöst wird, sondern von dem sich augenblicklich verstärkenden schlechten Gefühl, das die Vorahnung ausgelöst hat, die, kaum dass ich den Truck verließ habe, von mir Besitz ergriff. Mein Instinkt versuchte, mich auf das vorzubereiten, was mich an diesem Tatort erwarten würde, doch ich war nicht in der Lage, dies zu erfassen. Mittlerweile wünsche ich mir, ich hätte die Androhung meines Bosses von unendlich währender Bearbeitung staubiger Akten in Erwägung gezogen, anstatt mich darauf zu freuen, endlich das stickige Hauptquartier verlassen zu können, doch nun ist es zu spät für mein Bedauern.

Es bleibt mir nichts anderes übrig, als erneut in meine Rolle als professioneller Bundesagent zu schlüfpen und meine Arbeit zu machen, ohne dass dabei jemand erfahren würde, welche Erinnerungen, und seien sie auch noch so verschwommen, ich mit diesem Fall verbinde. Doch dieser Vorsatz lässt sich nicht so einfach in die Tat umsetzen, wie ich es gern hätte, denn dafür ist dieses unerklärliche Gefühl noch immer zu präsent, das nun meine Vergangenheit sogar zu grausamer Realität werden ließ. Jedes einzelne Detail ist genau wie in meinen schemenhaften Träumen, gleicht dem undeutlichen Bild, das ich immer wieder vor meinem inneren Auge sehe, lediglich die Umgebung der grotesken Szene ist eine vollkommen andere. Der Körper der jungen Frau liegt gebettet auf unzähligen tiefroten Rosenblättern, die sich auf dem reinweißen Schnee ergossen zu haben scheinen, der den weichen Teppichboden vor dem Bett bedeckt. Die eisigen Kristalle, die jede einzelne der gefrorenen Blüten zieren, glitzern sanft in den blassen Strahlen der Wintersonne, die in den Raum vorgedrungen sind. Meine Augen bleiben an den zum Gebt gefalteten Hände hängen und wandern schließlich zu dem winzigen blutroten Fleck, der sich in der Höhe ihres Herzens auf dem makellosen weiß des langen Nachthemdes hervorhebt.
Auch diesmal scheint mich, eine unsichtbare Macht anzuziehen, sodass ich mich der Toten nähere, den Blick weiterhin starr auf ihren leblosen Körper gerichtet. Doch als ich direkt vor ihr stehe, lasse ich meine Augen nach oben gleiten, bis ich in die ihren sehen kann, die mich beinahe klagend mustern. In diesem Moment glaube ich, mein Herz würde aussetzen, während ich mich auf die Knie sinken lasse und meine Hand nach ihr ausstrecke, um ihr über die fahle Wange zu streichen. „Liz“, dringt ein heiseres Krächzen aus meiner Kehle, als ich als meine Vorsicht vollkommen vergesse und jede Regel ignoriere, die an einem Tatort unter allen Umständen einzuhalten ist. Die oberste Priorität ist die Sicherung der Spuren und Beweise, die ich jedoch mit meinem Verhalten gefährde, ohne dass ich auch nur darüber nachdenke. Aber die Gefühle, die sich bei ihrem Anblick in meinem Inneren zu einem tosenden Orkan vereinen, sind zu stark, als dass ich sie unterdrücken könnte. Nicht nur die Tatsache, dass sich meine Vergangenheit zu wiederholen scheint, sondern auch dass es die junge Frau ist, die ich an diesem Ort und in dieser Situation vorfinde, bringt meine mühsam aufrecht erhaltene Fassade nun doch langsam aber sicher zum Einsturz.

Während ich noch immer neben dem leblosen Körper hocke, spüre ich Kates Blick auf mir ruhen, die unserem Boss erklärt: „Die Tote ist Navy Lieutenant Alyssa Forrester. Ihr gehört dieses Haus.“ Bei ihren Worten zucke ich kaum merklich zusammen, doch ich bin mir darüber im Klaren, dass diese Reaktion weder Gibbs noch meiner Freundin entgeht. Aber diesen Namen aus ihrem Mund zu hören, macht mir endgültig klar, dass mein Verstand mir keinen Streich spielt, dass dies nichts anderes als die grausame Realität ist. Sollten sie jedoch herausfinden, dass ich unser Opfer kenne, werde ich viele unangenehme Fragen beantworten müssen, von denen ich nicht weiß, ob ich ihnen gewachsen bin. Abgesehen davon wird mein Boss mit Sicherheit zu verhindern wissen, dass ich mich an einer Ermittlung beteilige, die mich und mein unmittelbares Umfeld betrifft. Aus diesen Grund versuche ich krampfhaft, meine Emotionen wieder unter Kontrolle zu bringen, um meinen Job zu machen und dafür zu sorgen, dass dieser Mistkerl endlich aufgehalten wird. Die Tatsache, dass er schon einmal mordete, ist für mich beinahe unerträglich, erscheint es doch nur noch sinnloser, dass nun auch noch diese junge Frau sterben musste.
Zum ersten Mal bin ich meinem Vater wirklich dankbar, dankbar dafür, dass niemand jemals die Wahrheit über dieses eine dunkle Kapitel meiner Vergangenheit erfahren wird. Bis heute weiß ich nicht, wie ihm dies gelang, im Grunde ist es mir auch vollkommen egal, doch ein Mann wie Alessandro DiNozzo hatte schon immer seine Mittel und Wege, gewisse Dinge, die nicht in das perfekte Bild seiner Vorzeigefamilie passten, aus der Welt zu schaffen. Seinem Willen nach starb meine Mutter am Weihnachtsabend, nachdem sie einen Einbrecher überraschte und von diesem in einem Anflug von Panik erstochen wurde. Sogar ich glaubte diese Wahrheit viele Jahre lang, wusste ich es doch nicht besser, hatte meine Seele dieses traumatische Erlebnis verdrängt. Vermutlich wollte ich es nicht anders, um mir wenigstens einen winzigen Teil meiner glücklichen Kindheitserinnerungen erhalten zu können, mit denen ich mich unter anderen Umständen unweigerlich hätte auseinander setzen müssen. Diese Tatsache zeigt wieder einmal, dass ich bereits als kleiner Junge ein Meister der Verdrängung war, dass ich es nicht anders kannte, diese Gabe wohl von niemand anderem als meinem Vater in die Wiege gelegt bekam.

Da ich genau weiß, dass meinem Vorgesetzten sowohl meine unangebrachte Reaktion als auch mein unprofessionelles Verhalten keineswegs verborgen geblieben sind, versuche ich, mich so eifrig wie möglich an die Erledigung meiner zugewiesenen Aufgaben zu machen, auch wenn ich dadurch seinem Ermittlerinstinkt nicht werde entgehen können. Die unangenehmen Fragen, die auf mein Verhalten unweigerlich folgen werden, lassen vermutlich nicht lange auf sich warten, denn wenn der Pathologe erst seine Erkenntnisse mit uns geteilt hat, wird sich Gibbs mit Sicherheit mit mir befassen. „Was kannst du mir sagen, Duck?“, ertönt in genau diesem Moment dessen Stimme, sodass der Angesprochene, der in diesem Moment die Lebersonde aus dem Körper zieht, nachdenklich erwidert: „Hm, das ist seltsam.“ „Duck?“, wiederholt der Chefermittler mit Nachdruck, sodass sein Freund nun zu ihm aufblickt: „Anhand der Totenstarre würde ich sagen, der Lieutenant ist zwischen elf und eins in der vergangenen Nacht gestorben.“
Mein Vorgesetzter ist jedoch nicht dafür bekannt, sehr geduldig zu sein, was seine genervte Stimme wie auf Kommando bestätigt: „Und was genau ist daran seltsam?“ Ein leises Seufzen rinnt über die Lippen des Gerichtsmediziners, ehe er erläutert: „Im Gegensatz zu dieser Theorie legt die Lebertemperatur nahe, dass die Leiche länger als einen Tag hier liegt. Mindestens so lange, dass ihre Organe vereisen konnten.“ Die Augenbrauen seines Gegenübers wandern bei dieser Aussage unwillkürlich nach oben, was ihn dazu veranlasst, nachzuhaken: „Wie ist das möglich?“ „Dazu kann ich dir, wie zur Todesursache, noch nichts sagen. Fest steht jedoch, dass sie ermordet wurde.“ Mit diesen Worten deutet der Gerichtsmediziner auf die winzige blutige Stelle auf der Brust der Toten und fährt dabei fort: „Die Autopsie wird zeigen, warum der Stich ins Herz einen zu geringen Blutverlust für eine ante mortem zugefügte Verletzung aufweist. Das erinnert mich an einen Fall...“ Bereits als der Pathologe zu einer weiteren seiner unerschöpflich erscheinenden Erzählungen ansetzt, hat sich sein Freund abgewendet, sodass ihm wie immer lediglich sein Assistent als Zuhörer bleibt.
Mühsam erhebe ich mich aus meiner unbequemen Haltung, während ich unwillkürlich beginne zu frösteln, wofür jedoch nicht nur die eisigen Temperaturen, die an diesem Ort herrschen, verantwortlich sind. Nachdem ich kurz dem Gespräch zwischen Gibbs und Ducky gefolgt bin, verbanne ich dieses aus meinem Bewusstsein und versuche stattdessen, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Deshalb zwinge ich mich, meinen Blick von der jungen Frau zu meinen Füßen abzuwenden, um mich genauer in dem Raum umzusehen, der, abgesehen von der aufwendig präsentierten Leiche, vollkommen unberührt scheint. Dabei wird mir jedoch unvermittelt klar, dass ich im Grunde keine Ahnung habe, wonach genau ich suche, denn dass es sich hierbei um einen Serientäter handeln muss, dessen Vorgehen einem bestimmten Muster folgt, steht zumindest für mich außer Frage. Vielleicht werden auch meine Kollegen im Laufe unserer zu diesem Schluss kommen und entsprechende Nachforschungen anstrengen, doch im Moment bin ich der Einzige, der sich über diese Tatsache im Klaren ist. Dennoch kann ich nichts anderes tun, als diesen Tatort so gewissenhaft wie jeden anderen zu untersuchen, denn bis auf die wenigen bruchstückhaften Erinnerungen aus meiner Kindheit weiß ich absolut nichts über diesen Täter.

In all den Jahren, die seit jener Nacht vergingen, tauchten immer öfter Bilder jenes schrecklichen Erlebnisses vor meinem inneren Auge auf, beinahe als würden sie sich langsam aus der dunkelsten Ecke meines Verstandes nach oben kämpfen. In der Vergangenheit verwendete ich all meine Energie dafür, die Erinnerungen, die immer wieder an die Oberfläche drängten, tief in meinem Inneren zu verbergen, sodass dieses Ereignis für mich irgendwann nicht mehr existierte. Lediglich wenn die Adventszeit näher rückte, wollte mir dies nicht länger gelingen, denn an diesen Tagen verspürte ich die Einsamkeit um ein vielfaches stärker. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, vermisste ich meine Familie, so wie sie einmal gewesen war, doch stärker, als ich es erwartet hatte. Vor allem meine Mutter fehlte mir unglaublich, aber wenn ich ehrlich war, galt dies auch für meinen Vater, zumindest für den, als den ich ihn einmal gesehen hatte. Auch wenn er, so weit ich zurück denken kann, stets ein Workaholic war, glaube ich dennoch, mich dunkel erinnern zu können, dass es Jahre gab, in denen wir Weihnachten als glückliche Familie verbrachten, damals als wir dies tatsächlich noch waren. Dennoch verspürte ich nie das Verlangen, wissen zu wollen, was genau damals wirklich geschah, hätte dies doch bedeutet, die Realität akzeptieren zu müssen.
Natürlich hatte mein Vater dafür gesorgt, dass ich nur einen Teil der Wahrheit, von dem er meinte, er wäre harmlos für mich und unbedenklich für ihn, erfuhr, aber auch mein Job als Polizist und einige Jahre später als Bundesagent brachte mich nicht dazu, Fragen zu stellen. Bereits der Gedanke an die damaligen Geschehnisse war zu schmerzhaft für mich, als dass ich dazu in der Lage gewesen wäre, die Erinnerungen daran erneut herauf zu beschwören. Mittlerweile kann ich mich jedoch des Gedankens nicht erwehren, dass ich Alyssas Tod hätte verhindern können, wenn ich nicht derart selbstsüchtig gewesen und um mein eigenes Seelenheil besorgt wäre. Immerhin wäre schon meine Tätigkeit als Polizist Grund genug gewesen, dieses Schwein aufhalten zu wollen, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich es auch meiner Mutter schuldig war. Doch ich war zu egoistisch, um mich erneut diesem Erlebnis und den Bildern in meinem Kopf aussetzen zu wollen, die unweigerlich meine Fassade zum Einsturz gebracht und den Schmerz erneut an die Oberfläche befördert hätten. Stattdessen verdrängte ich die Wahrheit, verbannte auch meine einstmals beste Freundin aus meinem Leben, so wie ich es Jahre zuvor bereits mit meinem Vater getan hatte, sodass sie für mich nicht länger existierte, sodass ich sogar vergaß, sie jemals an diesem Ort besucht zu haben.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 3 Part II: "A crimson Flood on frozen Snow"

Hier kommt Teil zwei des dritten Kapitels.
Viel Spaß beim Lesen!

LG Claudia


Schließlich befreie ich mich aus meinen Überlegungen und stelle fest, dass Ducky verstummt ist, nicht einmal eine seiner Erzählungen zum Besten gibt, sodass ich es vorziehe, mich in den übrigen Räumen des Hauses umzusehen, förmlich von diesem eisigen Ort fliehe. Ich bin mir sicher, dass ich gut daran tue, Gibbs vorerst aus dem Weg zu gehen und ihn nicht unnötig auf meine zuweilen geistige Abwesenheit aufmerksam zu machen. Kate und McGee werden, auch wenn ich vor meinen Kollegen gern das Gegenteil behaupte, zweifellos auch ohne mich das Anfertigen der Tatortskizze und der Fotos bewältigen können, sodass ich mich meiner Strafarbeit widme. Dennoch werde ich mir die Untersuchung der Mülltonnen als krönenden Abschluss aufheben und wende mich vorerst dem geschützten, wenn auch nicht sonderlich wärmeren, Gebäudeinneren zu. Gewissenhaft begutachte ich jedes Zimmer des Erdgeschosses, doch jedes einzelne von ihnen scheint vollkommen unberührt, beinahe als könnte die Bewohnerin jeden Moment zurückkehren. In meine Betrachtungen vertieft, erkenne ich Alyssas Hang zur beinahe pedantischen Ordnung und Sauberkeit wieder, die in meinem Appartement meist vergeblich zu suchen sind. Als ich mich an meine Seitenhiebe erinnere, die sie früher aus diesem Grund nur zu oft von mir ertragen musste, dringt erneut dieses Gefühl des Versagens an die Oberfläche, das sich nicht mehr vertreiben lässt.
Es mag sexistisch klingen, auch wenn dies nicht der Grund war, warum ich so fühlte, doch ich konnte mich nie mit der Tatsache abfinden, dass meine beste Freundin, die ich seit Kindertagen kannte, mit der ich gemeinsam aufgewachsen war, den Weg zur US Navy einschlug. Ich habe und hatte immer größten Respekt vor allen Freiwilligen, die unser Land, sei es im Krieg oder zu Zeiten des Friedens, verteidigen, aber die kleine zerbrechliche Liz in einer Uniform zu sehen, setzte ich stets mit der Möglichkeit gleich, sie bei einem ihrer Einsätze zu verlieren. Vermutlich entlarvt mich diese Meinung einmal mehr als Macho, denn auch ich selbst gehe dieses Risiko Tag für Tag ein, ohne dass ich jemals die Option in Erwägung ziehen würde, meinen unzweifelhaft gefährlichen Job aufzugeben. Aber statt meinen Vorurteilen und meiner Sorge um sie nachzuhängen, hätte ich lieber die Zeit nutzen und ihr sagen sollen, dass ich unglaublich stolz auf sie war, denn das war und bin ich. Wie so oft im Leben kommt diese Einsicht jedoch zu spät, sodass ich lediglich hoffen kann, dass sie wenigstens einen Bruchteil von dem erahnen konnte, was ich für sie empfand, denn sie blieb immer, unserer sinnlosen Entfremdung zum Trotz, einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Obwohl wir beide schon seit Jahren in der derselben Stadt wohnten, sahen wir uns noch seltener, als wir es zuvor getan hatten, während wir tausende von Meilen voneinander entfernt waren. Nachdem Gibbs mich zum NCIS und damit nach Washington geholt hatte, besuchte ich sie lediglich ein einziges Mal, eine Tatsache, die ich nun zutiefst bereue. Seit Kindesbeinen waren wir die besten Freunde, verbrachten jede freie Minute miteinander, bis sich schließlich unsere Wege trennten. Damals, als meine Mutter starb, war sie mein Halt, der Mensch in meinem Leben, von dem ich stets wusste, dass ich ihm bedingungslos vertrauen konnte. Sie versuchte, mir mein Kindheitstrauma verarbeiten zu helfen, sie war für mich da, als ich jemanden brauchte, etwas das mein Vater nicht konnte. Doch als sie aus heiterem Himmel verkündete, zur Navy gehen zu wollen, war ich nicht in der Lage, damit umzugehen und zog mich stattdessen von ihr zurück. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich nur Angst um sie und tat, was ich seit jenem Vorfall stets tat, ich lief vor meinen Gefühlen davon, um mich nicht damit auseinander setzen zu müssen. Und nun verlor ich sie statt bei einem ihrer Einsätze aufgrund eines grausamen Serienmörders, von dem ich glaubte, er hätte niemals existiert, von dem ich glaubte, er wäre lediglich ein Produkt der Fantasie eines traumatisierten Sechsjährigen gewesen.

Zuerst streife ich beinahe ziellos durch das Erdgeschoss des kleinen Hauses, scheine, nicht zu wissen, wonach ich suchen soll, während ich meinen Blick über die unzähligen Bilder an den Wänden gleiten lasse. Es ist nicht zu übersehen, dass die Fotografie ihre Leidenschaft war, die in jeder einzelnen dieser Aufnahmen weiter zu leben scheint. Sie hatte schon immer ein unglaubliches Auge dafür, Momente und Situationen einzufangen und auf Papier zu bannen, sodass man glaubte, sie wären lebendig. Trotz meines verzweifelten Kampfes um Professionalität kann ich der Versuchung nicht widerstehen, einen der Rahmen in die Hand zu nehmen, der ihren Schreibtisch ziert und mich vor einigen Jahren zeigt. Unwillkürlich rinnt mir ein Schauer über den Rücken, denn ich habe das Gefühl, dass ich durch meine Augen, die, Gedanken versunken, beinahe ein wenig melancholisch in die Kamera gerichtet sind, bis in meine Seele blicken kann. Ich selbst nahm mich bisher noch nie derart wahr, doch Liz schien, es schon immer zu können, schien, mein wahres Ich zum Vorschein zu bringen, selbst für einen fremden Betrachter, so bemüht ich dieses auch zu verbergen suchte. Angestrengt versuche ich, mich des Augenblicks zu entsinnen, in dem dieses Bild entstand, doch es will mir nicht gelingen, mich in meine Vergangenheit zurück zu versetzen.
Vollkommen in die Betrachtung meiner verschwommenen Erinnerung aus längst vergangener Zeit vertieft, bemerke ich nicht, wie meine Partnerin den Raum durchquert und sich mir nähert, bis mich ihre Stimme erschrocken herum fahren lässt: „Tony.“ Ein dumpfes Scheppern ertönt, als der Rahmen aus meinen Händen gleitet und zu Boden fällt, während das Glas splittert, sodass ein stark verzweigter Riss auf der Oberfläche zurückbleibt. Hastig beuge ich mich nach unten und greife nach dem Bild, um zu verhindern, dass Kate einen Blick darauf werfen kann, wobei mein Ellbogen jedoch unsanft mit dem Schreibtisch kollidiert, sodass ich meinen genervten Fluch nur mit Mühe in ein gedämpftes Murmeln wandeln kann. Ich bemerke kaum, wie eine der Scherben einen kleinen Schnitt in meiner Haut hinterlässt, während ich angestrengt überlege, wie ich das Foto unauffällig verschwinden lassen kann, ohne ihr Misstrauen zu wecken, und ihren musternden Blick geflissentlich ignoriere. Doch schließlich kommt mir der rettende Einfall, sodass ich einen der Beweismittelbeutel aus meinem Ausrüstungskoffer nehme und den verräterischen Gegenstand hineinfallen lasse. Später werde ich dafür sorgen, dass dieser endgültig verschwindet und keinem meiner Kollegen in die Hände fällt, um zu verhindern, dass mein persönliches Interesse an diesem Fall mich am Ende davon ausschließen würde.
„Was ist los mit dir, Tony?“, vernehme ich plötzlich die besorgte Nachfrage meiner Freundin, sodass ich ein Lächeln aufsetze und ihr so bestimmt wie möglich in die Augen sehe. Die junge Frau zieht ihre Brauen nach oben, während sie ein wenig ungeduldig auf meine Antwort wartet, ein Verhalten, durch das ich mich mehr und mehr in die Ende gedrängt fühle. Aus diesem Grund erwidere ich mit einem heftigen Kopfschütteln, ein wenig lauter als beabsichtigt: „Es ist alles bestens. Ich war ein wenig ungeschickt. Das ist alles.“ Noch immer kann ich ihren fragenden Blick auf mir spüren, der mir sagt, dass sie meinen Worten keinen Glauben schenkt, dass sie weiß, dass es genau das nicht ist, sodass ich hastig hinzufüge: „Kannst du bitte hier übernehmen? Ich sollte mich um die Mülltonnen kümmern. Nicht dass Gibbs mir doch noch den Kopf abreißt.“ Mein Grinsen misslingt völlig, sodass ich mich eilig abwende und nach meiner Ausrüstung greife, um das Haus zu verlassen. Ich weiß, dass sie mir nachsieht, doch ich wende mich nicht noch einmal um, sodass auch sie sich mit einem unterdrückten Seufzen an ihre Arbeit macht.

Als ich durch die Tür in den Flur treten will, bleiben meine Augen an dem kleinen Schreibtisch hängen, der sogar für Liz' Verhältnisse ein wenig zu unordentlich erscheint. Mitten auf der Arbeitsplatte aus dunklem gebeizten Holz liegt ein kleines Stück Papier, das unwillkürlich meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nachdem ich sicher bin, dass meine Partnerin nicht auf mich achtet, trete ich leise näher und greife nach der Visitenkarte, die in klarer Schrift der Name meines Vaters ziert. Für einen Moment atme ich tief durch, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Alessandro DiNozzo ein geschäftliches Interesse an der jungen Frau hatte. Etwas bringt mich jedoch dazu, den daneben liegenden Kalender in die Hand zu nehmen und flüchtig durch die Seiten der letzten Tage zu blättern, bis ich auf einen Eintrag heute Morgen stoße, der mir sagt, dass die beiden tatsächlich einen Termin hatten. Unvermittelt frage ich mich, wie sich lange mein Vater und meine beste Freundin aus Kindertagen bereits miteinander trafen und ob es bei diesen Begegnungen um mich ging. Die Tatsache, dass ich zu beiden kaum noch Kontakt habe und sie sich noch nie sehr gut verstanden, lässt mich diese im Grunde abwegige Möglichkeit dennoch in Erwägung ziehen.
Nun stehe ich erneut vor der Entscheidung, ob ich zulassen soll, dass Gibbs von meiner Verbindung mit Alyssa erfährt, auch wenn ich im Inneren genau weiß, wie diese aussehen wird. Ich kann das Risiko nicht eingehen, dass er mich wegen meines persönlichen Interesses von diesen Ermittlungen ausschließt, zu wichtig ist es mir, endlich für Gerechtigkeit zu sorgen und diesen Mistkerl zu finden. Ein Teil von mir spürt die Schuldgefühle an ihrem Tod, die in jeder Sekunde, die vergeht, seit ich ihr Schlafzimmer betreten habe, stärker zu werden scheinen, denn ich glaube, dass ich den Täter hätte stoppen können. Doch stattdessen wollte ich nur vergessen, glaubte all die Lügen, glaubte dem Resultat der für abgeschlossen erklärten Untersuchungen, die jedoch nicht den wahren Mörder aufspürten. Nun sehe ich mich als den einzigen Menschen, der sowohl den aktuellen als auch den damaligen Fall kennt und damit in der Lage ist, dieses Schwein aufzuhalten, das bin ich nicht nur Liz sondern auch meiner Mutter schuldig. Aus diesem Grund lasse ich den Kalender mitsamt der Visitenkarte meines Vaters in dem Beweismittelbeutel verschwinden, in dem sich bereits das verräterische Foto befindet, ehe ich lautlos den Raum verlasse.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 4 Part I: "Headlights on dark Roads"

Und auch hier geht's weiter.
Viel Spaß!

LG claudia


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Headlights before me
So beautiful, so clear.
Reach out and take it
'Cause I'm so tired of all this Fear.

I pull up Thorns from our ripped Bodies
And let the Blood fall in my Mouth.

'Headlights on dark Roads' - Snow Patrol


Monday, December 4th 2006
Mayfair Lane, Alcova Heights, Washington D.C.


Währenddessen ist Kate noch immer damit beschäftigt, das Arbeitszimmer des Opfers mit der Kamera festzuhalten, als sie verwundert den ungenutzten Nagel in der Wand bemerkt, der den oberen Abschluss eines hellen Flecks inmitten eines Meeres aus Fotografien bildet. Dass an dieser Stelle eine Momentaufnahme ihres Lebens und ihrer Leidenschaft verschwunden ist, die noch bis vor kurzem den Raum zierte, ist dadurch deutlich zu erkennen. Die viel wichtigere Frage ist jedoch, ob die junge Frau selbst den Rahmen entfernte oder ob der Täter dies erledigte, und welchen Grund der Betreffende hatte. Für einen Moment betrachtet die Agentin nachdenklich die dunkelrote Wand, die einen faszinierenden Kontrast als Hintergrund für die in schwarz-weiß gehaltenen Bilder bildet. Jedes einzelne von ihnen hat ein kleines Stück der Welt eingefangen, wie sie für Alyssa Forrester war, bringt ihnen dadurch vielleicht die Fotografin näher. Vorsichtig tritt Caitlin näher, um die Aufnahmen und die Stelle, die der fehlende Rahmen einnehmen sollte, eingehender zu betrachten, doch ein gedämpftes Knacken lässt sie abrupt inne halten. Langsam hebt sie ihren Fuß an und beugt sich dann hinab, wo sie auf dem Boden eine Glasscherbe findet, die unter der Sohle ihres Schuhs zerbrochen ist.
Während sie ihren Fund behutsam in eine kleine braune Tüte schiebt, diese danach sorgfältig verschließt und beschriftet, schweifen ihre Gedanken unwillkürlich von ihrer Aufgabe ab. In ihre Überlegungen vertieft, verharrt sie einige Sekunden bewegungslos, denn sie ist sich sicher, dass dieses verschwundene Foto ein wichtiges Indiz in diesem Fall ist und sie vermutlich zu dem Täter führt, der möglicherweise sogar auf diesem abgebildet ist. Doch so lange sie auch darüber nachsinnt, findet sie dennoch keine Antwort auf die Frage, warum und seit wann diese Aufnahme fehlt. Ohne das Motiv zu kennen, aus dem es abgenommen wurde, hilft den Ermittlern diese Spur nicht weiter, weshalb die junge Frau sich erneut eifrig auf die Suche nach Abzügen und Negativen macht. Vielleicht würde es ihnen damit gelingen, einen Verdächtigen zu finden oder zumindest einen Anhaltspunkt auf die Frage, was dieses Bild mit ihrem Fall zu tun hat. Auch wenn trotzdem noch immer die, wenn auch winzige, Möglichkeit besteht, dass Tony den fehlenden Rahmen in einer der Mülltonnen auf dem Grundstück entdeckt, wird sich die Agentin nicht darauf verlassen.

Mit einem lauten Knall wirft Kate einige Minuten später die Schublade des Schreibtisches zu, die sie nun bereits zum zweiten Mal erfolglos durchsucht hat. In keinem der Fächer oder Schränke ist auch nur ein einziges Bild oder eines der Negative zu finden, sodass sie sich ratlos in dem Raum umsieht. Das Notebook der Toten ist bereits als Beweismittel in einem der Kartons verstaut, doch Fotoalben und Abzüge fehlen genauso wie die Kamera, mit der die Aufnahmen an den Wänden entstanden sein müssen. Mittlerweile hat sie jeden Winkel und jeden Schrank von Arbeits- und Wohnzimmer mehrfach überprüft, ohne jedoch auch nur einen Teil der zweifellos professionellen Ausrüstung der jungen Hobbyfotografin gefunden zu haben. Aus diesem Grund begibt sich die junge Frau nun zurück in das Schlafzimmer, in dem McGee noch immer dabei ist, die Spuren zu sichern und Proben von den Rosenblättern einzutüten. Für einen Moment fragt sie sich, wie er einen Teil des Schnees verpacken konnte, ohne dass dieser schmilzt und ihn unversehrt zu Abby zu bringen, ehe sie diese Überlegung jedoch wieder verdrängt und sich stattdessen ihrerseits an die Arbeit macht, ihm bei der Sicherung des Tatorts zu helfen.
Schweigend beginnt die Agentin nun, auch hier die Schubladen heraus zu ziehen und die darin liegende Kleidung nach der Kamera oder der übrigen Fotoausrüstung zu durchsuchen. Im Grunde glaubt sie jedoch nicht, dass ihr Opfer diese Gegenstände unter anderen Dingen in ihren Schränken versteckte, sondern wohl viel eher sorgfältig in einem Koffer aufbewahrte. Viel wahrscheinlicher ist es, dass genau diese Kiste in einer dunklen Ecke des Dachbodens steht, vollkommen eingestaubt, und dort in Vergessenheit geriet. Langsam gewinnt sie immer stärker den Eindruck, dass ihr Opfer die Fotografie aufgab und deshalb dieses Bild von seinem Platz entfernte. Warum jedoch von einer beachtlichen Anzahl an Aufnahmen an der Wand nur diese eine fehlt und was diese tiefgreifende Entscheidung auslöste, kann sie sich nicht erklären. Nach einer Weile scheint auch ihr erneuter Versuch, die Kamera zu finden, vergeblich zu sein, sodass sie sich mit einem genervten Stöhnen an die Wand hinter sich lehnt und ihre Kappe ein wenig aus dem Gesicht schiebt. Sie nutzt diesen Moment, um kurz die Augen zu schließen und durchzuatmen, in der Hoffnung, dies würde ihr einen klaren Kopf bringen.

Dieser Fall setzt der jungen Frau mehr zu, als sie es erwartet hätte, als sie vor einer Stunde gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem Truck stieg und sich dem Tatort näherte. Die Tote, die hier in diesem Raum zu ihren Füßen lag und nun von Ducky in die Gerichtsmedizin gebracht wird, ist kaum älter als sie selbst, was es für sie nicht leichter macht. Eine junge unschuldige Frau zu sehen, die brutal ermordet, aus dem Leben gerissen wurde, ist für die Agentin stets kaum zu ertragen, doch dieses Mal scheint es beinahe, als sei sie etwas besonderes, ohne dass Kate dieses Gefühl erklären kann. Vielleicht ist es auch nur die Art und Weise, wie Alyssa Forrester auf diesem Berg aus strahlend weißem Schnee und dunkelroten Rosen gebettet war, die ihr einen eisigen Schauer über den Rücken rinnen lässt. In ihrem Job musste sie lernen, und normalerweise gelingt es ihr stets, keine Verbindung zu ihren Opfern aufzubauen, vor allem wenn es sich um junge Frauen handelt, doch dieses Mal scheint alles, anders zu sein, auch wenn sie sich diese Tatsache nicht erklären kann. Es passiert ihr nicht oft, dass sie ein derart intensives Gefühl beschleicht, doch seit sie Mitglied in Gibbs' Team ist, weiß sie um die Bedeutsamkeit ihres Instinktes, wurde gelehrt, darauf zu hören. Genau dieser Instinkt sagt ihr, dass dieser Fall vollkommen anders ist, als jeder, in dem sie jemals ermitteln mussten, dass dieser noch einige unerwartete Dinge offenbaren wird.
Als sie eine Strähne aus ihrem Gesicht streicht, die sich unter ihrer Kappe gelöst hat, schweift ihr Blick unwillkürlich nach oben und bleibt an einem dunklen unförmigen Koffer hängen, der oben auf dem riesigen Kleiderschrank verstaut ist und von unten kaum auffällt. In diesem Moment fällt die Anspannung, die sich bei der Suche nach wichtigen Hinweisen in ihrem Inneren aufgebaut hat, ein wenig von ihr ab. Zum ersten Mal, seit sie dieses Haus betrat, zeigt sich der Ansatz eines Lächelns auf ihrem Gesicht, das durch den Aufenthalt in der in eisige Winterluft gehüllte Wohnung eine rosige Farbe angenommen hat. Prüfend sieht sich die Agentin in dem hellen Raum um und greift eifrig nach einem ausladenden Sessel, um diesen vor den Schrank zu rücken, doch das schwere Ungetüm lässt sich kaum von der Stelle bewegen, sodass sie ein genervtes Fluchen von sich gibt. Dadurch wird nun auch ihr Kollege auf ihre angestrengten Bemühungen aufmerksam und blickt sie fragend an, woraufhin er lediglich ein ungeduldiges Zischen erhält: „Verdammt, hilf mir endlich, McGee!“ Von diesen Worten angetrieben, beeilt er sich, die junge Frau zu unterstützen, sodass sich das Polstermöbel durch die Anstrengung der beiden Agenten endlich über den weichen Teppich schieben lässt.

Vorsichtig steigt Kate auf die Sitzgelegenheit, aber sie muss sich dennoch strecken, um an den Koffer zu gelangen, der an dem hinteren Rand des Kleiderschrankes steht. Die weichen Kissen unter ihren Füßen geben bei jeder Bewegung nach, sodass sie Mühe hat, das Gleichgewicht zu halten, als sie die schwere Kiste endlich in den Händen hält. Hastig steigt sie wieder hinab auf den festen Boden, der ihr wieder das Gefühl eines stabilen Untergrundes vermittelt, ehe sie sich in die Hocke sinken lässt, um ihren Fund zu begutachten. In ihrer Vermutung bestätigt, registriert sie, dass die schwarze Box mit einer dicken Staubschicht bedeckt ist, was nahe legt, dass diese seit Wochen, wenn nicht sogar länger, unberührt an ihrem Platz, hoch oben auf dem Schrank, stand. Vorsichtig, um keine Spuren zu vernichten, lässt die Agentin die Verschlüsse des Koffers aufschnappen, um kurz darauf neugierig in das Innere zu blicken. Wie sie erwartet hat, findet sie dort eine umfangreiche Fotoausrüstung mit verschiedenen Kameras, Objektiven und unzähligen Filmen, von denen möglicherweise der ein oder andere bereits voll ist und ihnen damit hoffentlich Hinweise auf den Mörder der jungen Frau bringen würde.
Während sie die Gegenstände in der Kiste betrachtet, wandern ihre Überlegungen weiter zu einem etwaigen Indiz, das ihnen vielleicht bei ihren Ermittlungen helfen könnte, und seien es auch nur Erkenntnisse zu den Lebensumständen ihres Opfers. Mitten in diesen Gedankengängen stutzt sie jedoch und hält abrupt in ihrer Bewegung inne, was ihrem Kollegen, der ihre Bemühungen verfolgt hat, einen fragenden Blick entlockt. Caitlin hebt ihren Kopf und sieht ihm in die Augen, als sie ihre Verwunderung laut ausspricht: „Findest du es nicht seltsam, dass dieser Koffer scheinbar seit Monaten unbenutzt auf dem Kleiderschrank in der hintersten Ecke steht?“ Der Angesprochene zuckt lediglich mit den Schultern, weiß er doch nicht, worauf die Agentin hinaus will, sodass diese mit einem ungeduldigen Seufzen erläutert: „Sieh dich doch um, McGee! Im ganzen Haus hängen Bilder, die definitiv nicht von einem Amateur stammen. Unsere Tote scheint, viel Zeit damit verbracht zu haben, ihre Umwelt auf Zelluloid zu bannen.“ Der junge Mann tut, wie ihm geheißen, und lässt seinen Blick durch den Raum schweifen, sodass nun auch ihm die zahlreichen gerahmten Aufnahmen ins Auge fallen, die auch für ihn als andere als laienhaft erscheinen. Bevor er sich aber dazu äußern kann, fügt Kate ihren Worten bereits eine Frage hinzu, die auch ihn nachdenklich stimmt: „Was hat sie dazu gebracht, die Fotografie aufzugeben?“
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 4 Part II: "Headlights on dark Roads"

Und auch bei dieser Story gibt es einen neuen Teil.
Viel Spaß beim Lesen!

LG Claudia


Ich bin froh, dass meine Partnerin keine weiteren neugierigen Fragen gestellt hat, obwohl ich genau habe spüren können, dass meine Antwort sie nicht zufrieden gestellt hat. Doch ich weiß, dass ich ihr nicht länger hätte ausweichen können, denn sie scheint, immer zu fühlen, wenn ich versuche, etwas vor ihr zu verbergen, vor allem wenn es von solch großer Bedeutung ist wie in diesem Fall. Die Tatsache, dass ich ihr die Wahrheit verschweige, lässt mein Gewissen ohnehin kaum noch zur Ruhe kommen, mehr noch als mein Entwenden möglicher Beweismittel es tut. Dennoch bin ich noch immer davon überzeugt, dass ich nicht riskieren kann, von diesen Ermittlungen ausgeschlossen zu werden, sodass ich den Umstand in Kauf nehmen muss, meiner Freundin gewisse Dinge vorzuenthalten. Sicherlich ist dies nicht ungewöhnlich für mich, denn ich war noch nie ein Mann, der seine Vergangenheit, vor allem die dunklen Kapitel aus dieser, uneingeschränkt mit seinen Mitmenschen teilt. Erst durch Kate lerne ich, überhaupt etwas von mir preiszugeben, etwas aus meinem Inneren, das eigentlich niemals nach außen dringen sollte. Doch noch immer fällt es mir schwer, mich zu öffnen, sodass ich meine Probleme lieber tief in meiner Seele vergrabe und versuche, diese selbst zu lösen.
Obwohl etwas in meinem Inneren mich dazu drängt, mich endlich zu offenbaren, den Albtraum, der mich bis heute nicht loslässt, in Worte zu fassen, wurde es in den vergangenen Jahren zu meiner Eigenschaft, Wahrheiten wie diese für mich zu behalten, sodass ich nicht einfach aus diesem Teufelskreis, in dem ich schon viel zu lange gefangen bin, ausbrechen kann. Ich weiß, dass vor allem meine Freundin, aber auch meine Kollegen, ein Recht haben, von meiner Vergangenheit zu erfahren, vor allem da diese nicht unwesentlich mit unserem aktuellen Fall verknüpft ist, doch ich bin mir sicher, dass sie es verstehen werden. Auch wenn Gibbs mein Schweigen vermutlich nur zähneknirschend hinnehmen wird, muss er dennoch schließlich einsehen, dass auch er selbst nicht anders gehandelt hätte. Natürlich würde er diese Tatsache unter keinen Umständen zugeben, aber ich kenne ihn mittlerweile lange genug, um es zu wissen, auch wenn mir die ein oder andere ziemlich schmerzhafte Kopfnuss wohl nicht erspart bleiben wird. Ob Kate mir meine Lüge jedoch so einfach verzeihen wird, wage ich nicht zu beurteilen, denn Ehrlichkeit war für sie schon immer das oberste Gebot nicht nur in einer Beziehung sondern auch in einer Partnerschaft, was nicht nur unsere Beziehung belasten würde.

Mit einem unterdrückten Seufzen auf den Lippen verbanne ich meine Zweifel und trete wieder nach draußen, während ich beinahe automatisch meine Sonnenbrille aus der Tasche ziehe und trotz der blassen Wintersonne auf die Nase setze. Mit einem Ruck schließe ich den Reißverschluss meiner Jacke bis unter das Kinn, um zu verhindern, dass sich die eisige Winterluft einen Weg in das leidlich warme Innere bahnt. Als wäre eine Anfängerarbeit wie das Wühlen im Müll anderer Leute allein nicht bereits Strafe genug, können meine Kollegen im Inneren des Hauses verweilen, während ich mir hier, im wahrsten Sinne des Wortes, den Hintern abfriere. Vermutlich herrschen vor allem im Schlafzimmer kaum höhere Temperaturen als hier im Vorgarten, aber wenigstens entgehen sie dadurch dem spürbar auffrischenden Wind. Was würde ich diesem Moment für warme Handschuhe und einen dicken Schal geben, doch stattdessen streife ich mir meine üblichen Latexhandschuhe über und hebe leise fluchend den Deckel der ersten Mülltonne an, um diesen unsanft nach unten gleiten zu lassen, wo er mit einem metallischen Scheppern liegen bleibt. Angewidert starre ich einige Sekunden in das stinkende Innere, ehe ich mich schließlich gezwungenermaßen meinem Schicksal ergebe und meine Arme hinab strecke, um damit zu beginnen, den Abfall nach hoffentlich brauchbaren Hinweisen zu durchforsten.
Schon jetzt kann ich die spöttischen Kommentare von McGee hören, der sich über meine wenig angenehme Beschäftigung vermutlich köstlich amüsieren wird, während ich still darum bete, dass meine Reinigung den penetranten Gestank aus meinem teuren Anzug zu vertreiben weiß. Normalerweise gehört dies zu den Aufgaben eines Bambino, die ich ihm gewöhnlich auch mit größter Genugtuung zukommen lasse, aber ich konnte mich ja wieder einmal nicht zusammenreißen und musste Gibbs reizen. Auch wenn ich weiß, dass ich die Sache auf sich beruhen lassen sollte, wird unser Elfenkönig jedes einzelne falsche Wort noch bereuen, was mich hoffentlich auch ein wenig von den dunklen Erinnerungen ablenken wird, die dieser Fall heraufbeschwört. Ich rümpfe angeekelt die Nase, als ich einige vergammelte Essensreste zutage fördere, sorgt doch Kate schon lange dafür, dass ich meine Pizzakartons umgehend entsorge, dafür reicht bereits ein stummer Blick von ihr. Durch sie habe ich zwar noch immer nicht meinen Hang zur Ordungsliebe entdeckt, aber das Chaos, das früher oft genug in meinem Appartement herrschte, hat sich seit einiger Zeit gelichtet, auch wenn weiterhin mein unorganisierter Einfluss deutlich erkennbar ist.

Abgesehen von alten Zeitungen und Essensresten erzählt mir der Blick in Liz' Mülltonnen rein gar nichts, weder darüber wie ihr Leben in den vergangenen Jahren aussah, noch über ein Motiv dafür, sie umzubringen. Mit Schwung lasse ich erleichtert den Deckel auf den letzten Metallkübel in der Reihe fallen, den ich mehr oder weniger erfolgreich durchsucht habe, denn auch wenn ich in meinen Augen nichts brauchbares finden konnte, türmen sich dennoch zu meinen Füßen die Beweismitteltüten für Abby. Mein Boss wird mit Sicherheit mit dieser mageren Ausbeute genauso wenig zufrieden sein, wie ich es bin, sodass ich die Sachen im Truck verstaue und mich dann daran mache, den Rest des Grundstücks zu durchsuchen. Mittlerweile bin ich sogar irgendwie froh über den leichten Wind, der den widerlichen Gestank mit sich nimmt, der auf der Fahrt zurück ins Hauptquartier noch unerträglich genug sein wird. Während ich die eisige Luft tief einatme, die prickelnd in meine Lunge strömt, durchstreife ich den kleinen Garten, auf der Suche nach einem noch so winzigen Hinweis. Auf der Rückseite des Reihenhauses ist die Schneedecke noch immer vollkommen unberührt, sind doch die Polizisten nicht bis dorthin vorgedrungen, um auch auf diesem Weg ihre Spuren zu hinterlassen.
Als ich langsam an der halbhohen Hecke entlang gehe, bin ich der erste, dessen Fußabdrücke nun diesen Teil des Grundstückes zieren, sodass jeder Schritt ein gedämpftes Knirschen verursacht, das die scheinbar friedliche Stille des Wintermorgens durchbricht. Auf der Rückseite des Hauses schließt sich beinahe unmittelbar ein kleiner Wald an den Garten an, den ich bei meinem ersten Besuch wohl überhaupt nicht wahrnahm. Unwillkürlich beschleicht mich ein seltsames Gefühl, beinahe als würde ich beobachtet, aber ich bin mir sicher, dass ich mir dies lediglich einbilde, sodass ich es einfach ignoriere. Vermutlich liegt es an der Tatsache, dass mich dieser Fall persönlich betrifft, dass ich das Opfer kannte, sehr gut kannte, und aus diesem Grund nun übertrieben sensibel reagiere. Normalerweise kann ich mich auf meinen Instinkt verlassen, so wie Gibbs es mich lehrte, doch im Moment weiß ich nicht, ob dieser noch objektiv sein kann, wenn es mir nicht länger gelingen will. Die Gänsehaut, die in diesen Sekunden eiskalt über meinen Rücken rinnt, ist ein deutliches Zeichen, dem ich nach den Geschehnissen der letzten Stunden dennoch nicht traue.
Nachdem ich ein letztes Mal einen prüfenden Blick über die zahllosen Bäume habe schweifen lassen, und darüber nachdenke, dass der schmale Waldweg eine optimale Fluchtmöglichkeit für den Mörder darstellte, um den Tatort ungesehen zu verlassen, wende ich diesem den Rücken zu. Ich werde mit Sicherheit auch später noch ausreichend Zeit haben, um dieser Option nachzugehen, da der Kerl ohnehin bereits lange verschwunden ist, deutet doch nichts darauf hin, dass er hierher zurückkehren würde, um die Ermittlungen zu beobachten. Natürlich ist eher Kate die Expertin in der Erstellung von Täterprofilen, aber ich glaube, in diesem Fall kann ich meiner Erfahrung vertrauen, auch wenn mein Gefühl mir noch immer vorgaukelt, beobachtet zu werden. Mit einem energischen Kopfschütteln vertreibe meine Beklemmung und lenke meine Schritte zielstrebig auf die Rückseite des Hauses zu, deren Terrassentür meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, denn es erscheint beinahe, als sei diese nicht verschlossen und habe so dem Unbekannten den Zutritt in das Innere erlaubt.

Während ich mich dem hinteren Eingang nähere, lasse ich meinen Blick aufmerksam über den Erdboden schweifen, der auch in diesem Bereich des Grundstückes eine unversehrte Schneedecke aufweist. Doch je eingehender ich diese betrachte, umso argwöhnischer werde ich, denn etwas an diesem scheinbar vollkommenen Bild macht mich stutzig. Aus diesem Grund halte ich kurz inne und lasse mich in die Hocke sinken, um den Untergrund im blassen Licht der Wintersonne genauer zu begutachten. Die hellen Schatten zeigen mir kaum sichtbare Unebenheiten auf der ansonsten überwiegend planen Oberfläche, die ovale Vertiefungen darin offenbaren. Für einen Moment mustere ich die flachen Mulden prüfend, die sich in gleichmäßigen Abständen durch den Garten ziehen und sich schließlich im Dämmerlicht des Waldrandes verlieren. Ich bin mir sicher, dass es sich dabei um Fußabdrücke handelt, die heute Morgen zuschneiten und dadurch vor den Blicken Fremder verborgen bleiben. Dass ich diese Tatsache nur durch Zufall entdeckt habe, wird hoffentlich den Unmut meines Vorgesetzten, den ich durch mein unbedachtes Verhalten wider einmal auf mich gezogen habe, besänftigen.
Mit einem Stirnrunzeln nehme ich die Kamera, die um meinem Hals hängt und versuche, den richtigen Blickwinkel zu finden, um meine Entdeckung fotografisch festzuhalten. Währenddessen denke ich darüber nach, wie ich die Fußabdrücke sichern kann, ohne zu riskieren, dass diese zerstört werden oder in spätestens einer Stunde lediglich eine Pfütze in unserem Truck hinterlassen. In Situationen wie diesen wäre eine Tiefkühltruhe vorteilhaft, doch im Laderaum werde ich leider kein solches Gerät entdecken, sodass ich wohl eine andere Lösung finden muss. Vermutlich würde es mir mit einer unserer Chemikalien gelingen, die Spuren zu sichern, doch leider gehörte Chemie bereits in der Schule nicht zu meinen Stärken. Aus diesem Grund ziehe ich mein Handy aus der Tasche und wähle eine Nummer, um die Person um Rat zu fragen, die mir bei dieser Frage mit Sicherheit helfen kann. „Abigail Scuito, Ihr rettender Engel im Teufelskostüm am Apparat“, schallt mir die euphorische Stimme der Forensikerin entgegen, die mir umgehend ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Ein Spruch wie dieser ist so typisch für die junge Frau, mit dem sie es wieder einmal schafft, meine trüben Gedanken, die dieser Mordfall herauf beschworen hat, wenigstens für einige Sekunden zu vertreiben.
 
[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 5 Part I: "I will never be the same again"

So, witer geht's.
Viel Spaß beim Lesen!

LG Claudia


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I'll never be the same,
Stars have lost their meaning for me.
I'll never be the same,
Nothing's what it once used to be.

'I'll never be the same again' - Frank Sinatra


Monday, December 4th 2006
Mayfair Lane, Alcova Heights, Washington D.C.


Fast habe ich vergessen, weshalb ich sie anrufe, doch dann besinne ich mich wieder auf mein Anliegen: „Ich brauche deine Hilfe, Abbs.“ Während ich diese Worte ausspreche, erhebe ich mich aus meiner unbequemen Position und gehe eilig zurück zu unserem Truck, um sofort ihre Anweisungen ausführen zu können, immerhin ist meine Kollegin beinahe ebenso wenig für ihre Geduld bekannt wie Gibbs. „Tony. Ich bin ganz Ohr“, reagiert sie mit einem überschäumenden Enthusiasmus, der auch mich ein wenig ansteckt, sodass ich ihr mein Problem erläutere: „Ich habe am Tatort Fußabdrücke im Schnee gefunden, die bereits wieder zugeschneit sind. Ich brauche eine Möglichkeit, sie zu sichern, denn unser Latexspray wird hier nicht funktionieren.“ Für einen Moment glaube ich, ihre Geschäftigkeit durch das Telefon hören zu können, bevor erneut ihre Stimme ertönt: „Methylthiomethan.“ Ich nutze ihr kurzes Schweigen, auch wenn mich diese Tatsache ein wenig wundert, kommt es doch gewöhnlich eher selten vor, dass sie verstummt, ohne von jemandem gebremst zu werden. „Abby. Bitte in einer Sprache, die ich verstehe!“, ermahne ich sie aus diesem Grund, denn ich habe definitiv noch nie von diesem Methyl- was auch immer gehört.
Wie zu erwarten, dringt ein deutliches Seufzen an mein Ohr, das mit Sicherheit von einem missbilligenden Augenrollen begleitet ist, auch wenn ich dieses nicht sehen kann. „Methylthiomethan, mein Tiger“, wiederholt die Forensikerin, ohne dass ich mir nun mehr unter diesem chemischen Kauderwelsch vorstellen kann. Aber sie lässt mich nicht im Stich, sondern erklärt mir, wenn auch ein wenig ungeduldig, was ich wissen muss: „Auch Dimethylsulfid oder DMS genannt. Es ist eine Flüssigkeit, die du auf die Spuren sprühen musst. Dadurch verfestigen sich die Eiskristalle, sodass der Schnee nicht mehr schmilzt. Danach kannst du den Abdruck freilegen und mit dem üblichen Latexspray sichern.“ Damit offenbart sie mir genau die Möglichkeit, nach der ich auf der Suche war, um meine Arbeit erledigen und die Beweise unversehrt zu ihr ins Labor bringen zu können. Während ich ihren Worten lausche, durchsuche ich bereits ungeduldig die Fächer im Laderaum des Trucks und werde nach einigen Sekunden bereits fündig. Deshalb unterbreche ich den Vortrag, der vermutlich noch nicht beendet ist: „Danke.“ „Tony, Warte! Du musst unbedingt Handschuhe tragen. Und du darfst die flüchtigen Gase nicht einatmen“, warnt sie mich eindringlich in ihrem üblichen aufgeregten Tonfall, doch ich beende das Gespräch, ohne weiter auf ihre Worte einzugehen: „Bis später, Abbs.“
Schon jetzt bin ich sicher, dass sie wahre Freude an diesen Untersuchungen haben wird und dabei ihre wissenschaftliche Ader vermutlich voll ausleben kann. Aber genau diese Tatsache gibt mir die Gewissheit, dass die Analyse unserer Spuren bei ihr in den besten Händen ist, dass sie alles dafür tun wird, den Täter zu überführen. Nun bleibt mir nur zu hoffen, dass auch meine Kollegen bei der Durchsuchung des unmittelbaren Tatortes erfolgreich sind, damit dieser Albtraum so schnell wie möglich wieder vorbei ist, dass ich endlich wieder aufatmen und meine innere Anspannung abschütteln kann. Dieser Mistkerl war schon viel zu lange auf freiem Fuß, als dass ich nun auch nur eine einzige ruhige Minute haben würde, bis ich ihn endlich gestoppt habe. Mein Instinkt sagt mir jedoch das genaue Gegenteil, denn dieser Mörder ist zu organisiert, zu gewissenhaft, als dass es so einfach wäre, ihm auf die Spur zu kommen. Also bleibt mir nichts anderes, als mich zu gedulden und weiter meine Arbeit zu tun, um nach unserer Rückkehr ins Hauptquartier meine eigenen Ermittlungen anzustellen und in eine andere Richtung zu lenken als das Team.

Bevor ich jedoch diesen Entschluss in die Tat umsetzen kann, wende ich mich wieder dem kleinen Haus zu und folge meinen eigenen Fußspuren durch den Garten. Als ich mich der Hintertür nähere, werden meine Schritte vorsichtiger, während mein Blick aufmerksam auf den verschneiten Boden gerichtet ist. Auf Höhe der verräterischen Abdrücke lasse ich mich in die Hocke sinken, um diese nun ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen. Die nötigen Utensilien und Beutel zur Sicherung der Beweise zu meiner Rechten aufgereiht, streife ich ein Paar Gummihandschuhe über meine gewohnten aus Latex, um nicht zu riskieren, dass meine Haut mit der Chemikalie in Berührung kommt. Auch wenn es nicht den Anschein hatte, verinnerlichte ich dennoch die Warnung, die die Forensikerin aussprach, hatte ich doch in den vergangenen Jahren gelernt, dass es erstens besser war, ihr zuzuhören und dass sie zweitens eigentlich immer Recht hatte, beinahe so oft wie Gibbs. Aber diesen Gedanken verdränge ich nun, um mich wieder meiner Arbeit zu widmen, bei der ich mir keinen Fehler leisten kann, denn meiner Einschätzung nach sind vermutlich nur ein oder zwei der Fußspuren deutlich genug, um einen exakten Abguss davon gewinnen zu können.
Seufzend lasse ich mich auf die Knie nieder, ohne mich darum zu kümmern, dass der Schnee, der unter meiner Körperwärme schmilzt, meine teure Anzughose teilweise durchnässt, dass dessen eisige Kälte bis auf meine Haut vordringt. Ich nehme die Sprühflasche mit jener Flüssigkeit zur Hand, die Abby mir vor ein paar Minuten anriet, ohne dass ich mir mittlerweile die Bezeichnung gemerkt hätte und lehne mich ein wenig weiter nach vorn. Mit gleichmäßigem Druck verteile ich den feinen Nebel über die reinweiße Decke, während ich mit der Linken meinen dicken Winterschal fest vor Mund und Nase presse, um den beißenden Dämpfen zu entgehen. Beinahe kann ich dabei zusehen, wie die Eiskristalle zu einer glitzernden Einheit verschmelzen, wie sich die obere Schicht von dem eigentlichen Abdruck abzusetzen scheint. Diese Prozedur wiederhole ich an drei weiteren Stellen, an denen ich die verräterischen Schatten wahrnehme, die eine jener winzigen Unebenheiten enthüllen, die erst auf den zweiten Blick erkennbar sind. Doch trotz meiner angestrengten Bemühungen, die Spuren sorgfältig zu konservieren, hat meine Methode lediglich bei einer weiteren Erfolg, während die beiden übrigen unbrauchbar werden.

Ein leises Fluchen rinnt über meine Lippen, bevor ich mich erneut prüfend umsehe, nur um dabei festzustellen, dass jene Abdrücke, die sich weiter vom Haus entfernt haben, vollkommen verwischt sind. Deshalb stelle ich die weiße Flasche mit dem unübersehbaren Totenkopf auf der Vorderseite zurück in den neben mir stehenden Ausrüstungskoffer, bevor ich einen meiner kleinen Spachtel zur Hand nehme, die mich immer wieder an einen Handwerker erinnern. Alles, was nun noch zur meiner Ausstattung fehlt, sind ein großer Maurerhammer und ein Bauhelm, mit denen mich die wiedervereinten Village People mit Sicherheit, ohne zu zögern, in ihre Reihen aufnehmen würden. Während ich diesen unsinnigen Gedankengängen folge, bleibt wenigstens in meinem Kopf nicht länger Raum für meine Schuldgefühle, die mich unausweichlich plagen werden, sobald ich meinem Verstand einen Moment zur Ruhe kommen lasse. Ich bin eben ein Meister der Verdrängung, der sich hinter unwichtigen Dingen versteckt, nur um sich nicht mit der Realität oder seinen Gefühlen auseinander setzen zu müssen.
Stattdessen konzentriere ich mich nun endlich darauf, akkurat die obere Schicht des Schnees aus der Fußspur zu befreien, um dann mit der gewohnten Beweissicherung fortzufahren. Mit der Verwendung des Latexsprays kenne ich mich schließlich bestens aus, sodass es für mich kein Problem darstellen sollte, einen Abguss der beiden vereisten Abdrücke zu gewinnen. Dennoch setze ich meine Arbeit weiterhin gewissenhaft fort, um nicht durch eine Unachtsamkeit zu riskieren, einen wichtigen Hinweis zu zerstören. Das erste Beweisstück zeigt das nahezu perfekte Profil eines Schuhs, das ich in einem der bereit liegenden Beutel verstaue und diesen umgehend ordnungsgemäß beschrifte. Als ich mich dann der nächsten Spur zuwende, muss ich jedoch, nach dem Entfernen der oberen Lage, feststellen, dass dieser weit weniger deutlich zu erkennen ist. In der Hoffnung, Abby mit dem ersten Abguss bereits eine ausreichende Arbeitsgrundlage geschaffen zu haben, fahre ich dennoch mit der akkuraten Sicherung fort und tüte auch den unvollständigen Abdruck ein.

Mit einem leisen Seufzen erhebe ich mich schließlich aus meiner unbequemen Position und strecke meine Muskeln, die bei dieser Kälte umgehend steif geworden sind. Die Aussicht, mich einige Schritte bewegen zu können, lässt mich beinahe enthusiastisch nach meinem schwarzen Koffer greifen und mich in Bewegung setzen. Tief atme ich die eisige Luft ein, die durch meine Lunge strömt, und versuche damit, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, die Bilderfetzen der Vergangenheit zu vertreiben. In diesem Moment bin ich tatsächlich froh über den Umstand, dass Gibbs mich nach draußen schickte, auch wenn dies lediglich eine Strafe für mich sein sollte. Nicht nur, dass ich es nicht ertragen würde, den eigentlichen Tatort untersuchen zu müssen und dabei ununterbrochen ihren leblosen Körper vor meinen Augen zu haben. Gleichzeitig bin ich auch davon überzeugt, dass Kate meine innere Anspannung spüren würde, wenn sie mein Verhalten eine halbe Stunde zuvor nicht bereits misstrauisch machte. Deshalb genieße ich es förmlich, dem Haus noch weiter entfliehen zu können, beinahe als wäre es mir dadurch möglich, auch der Realität unseres neuen Falls entkommen zu können.
Meine Schritte führen mich durch den kleinen Garten, an den sich fast unmittelbar ein kleiner Wald anschließt, dessen schmalem Weg ich daraufhin folge. Ein frostiger Windhauch wiegt die knorrigen Äste der kahlen Bäume leicht hin und her, sodass ich beinahe glaube, ein leises Ächzen zu vernehmen. Aufmerksam lasse ich meinen Blick zwischen den grauen Stämmen hindurch schweifen, ohne dass ich jedoch die geringste Bewegung geschweige denn etwas ungewöhnliches entdecken kann. Die fehlende Wintersonne, die sich nun doch langsam zwischen den Wolken hervor kämpft und am Himmel ein wenig weiter nach oben steigt, lässt mich im Dunkel des Forstes merklich frösteln. Bereits zum zweiten Mal an diesem Tag bin ich froh darüber, dass meine Freundin mich, trotz unseres blödsinnigen Streits, ermahnte, meinen warmen Wollschal anzulegen, der mir jetzt, als ich diesen wieder enger um meinen Hals schlinge, wenigstens etwas Wärme schenkt. Natürlich sehne ich mich dennoch nach unserem, im Vergleich zu meiner Umgebung nahezu gemütlichen, Hauptquartier zurück, egal wie viele verstaubte Akten sich heute Morgen auf meinem Schreibtisch stapelten. Doch anstatt mich in dem angenehm temperierten Großraumbüro aufzuhalten, stapfe ich unermüdlich durch den Schnee, dessen geschlossene Decke an diesem Ort kaum mehr ein paar Zentimeter dick ist.
Mittlerweile habe ich sogar meine obligatorische Sonnenbrille von der Nase genommen, um meine Augen durch die ohnehin ungünstigen Lichtverhältnisse nicht zusätzlich zu strapazieren und dadurch vielleicht etwas zu übersehen. Der Pfad, der mich tiefer in den Wald hinein führt, scheint mir, deutlich zu schmal zu sein, als dass ein Auto die Möglichkeit hätte, diesen entlang zu fahren. Aus diesem Grund drängt sich mir die Frage auf, ob der Täter wirklich zu Fuß unterwegs war, denn Hinweise darauf sind trotz des Dickichts unzählige auszumachen, die aber wohl eher zu spazierwütigen Nachbarn führen würden als zu einem verrückten Serienmörder. Die Tatsache, dass zumindest einer meiner gesicherten Abdrücke hinter dem Haus durchaus brauchbar ist, lässt mich erleichtert aufatmen, hätte ich doch sonst zumindest den Rest des Tages mein Dasein an diesem Ort fristen und Abgüsse einer jeden einzelnen Fußspur anfertigen müssen. So gern ich im Moment auch dem Tatort, meinen Kollegen und meiner Freundin entfliehe, wäre dies doch nun wirklich zu viel des guten für mich. Abgesehen davon, dass auch Abby mit Sicherheit wenig erfreut über eine derart riesige Kiste mit zahllosen Beweisstücken wäre, deren Untersuchung zumeist lediglich viel zu viel Zeit kostet, ohne am Ende zu einem brauchbaren Hinweis zu führen.
 
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[NCIS] A Heart as cold as Ice - Chapter 5 Part II "I will never be the same again"

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Viel Spaß!

LG Claudia


Im Grunde sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ich etwas finde, das tatsächlich hilfreich für unsere Ermittlungen ist, mit jedem Schritt, den ich tiefer in diesen Wald hinein gehe. Dennoch bringt mich etwas dazu, meinen Weg fortzusetzen, scheint mich, eine unsichtbare Hand zu leiten, sodass ich nicht länger über Sinn oder Unsinn meines Handelns nachdenke. Ich weiß nicht einmal, ob es mein Instinkt ist, der mich dazu anhält, meine Suche noch nicht aufzugeben, sondern weiterhin wachsam und geduldig zu sein. In der friedlichen Stille, die mich nunmehr umgibt, liegt nicht länger das stumme Entsetzen, das noch in der Nähe des Hauses, in der Nähe des Tatortes die Luft erfüllte. Nun habe ich viel mehr das Gefühl, nichts zu hören außer meines Atems, der in regelmäßigen Abständen in kleinen Wölkchen nach oben steigt, ehe er sich kurz darauf verflüchtigt. Einen kurzen Augenblick wundere ich mich über die Tatsache, dass niemand außer mir zu dieser Zeit den Schutz des Waldes für einige Minuten der Stille aufsucht. Vermutlich brodelt die Gerüchteküche viel zu heftig, als dass einer der neugierigen Nachbarn, die stets Wohngegenden wie diese ihr zu Hause nennen, riskieren würde, eine wichtige Beobachtung zu versäumen.
Mit einem Kopfschütteln vertreibe ich diesen Gedanken, der mich bei meiner Arbeit ohnehin nicht weiter bringen würde und lasse meine Augen erneut aufmerksam schweifen. Als sich schließlich das Dunkel der nackten Bäume lichtet, offenbart sich mir eine Lichtung, auf der sich die Zahl der Fußabdrücke noch zu vervielfachen scheint. Ein genervtes Seufzen rinnt über meine Lippen, als ich realisiere, dass mich mein kleiner Spaziergang auch nicht weiter gebracht hat, sodass ich mich bereits resigniert abwende, bevor ich abrupt in meiner Bewegung verharre. Mein neuer Blickwinkel auf das freie Areal vor mir bringt nun doch die von mir erhoffte Spur zum Vorschein, die sich einige Meter von mir entfernt erstreckt und nun im blassen Lichtschein der Sonne sanfte Schatten wirft. Auch an diesem Ort hatte der Schnee meine Entdeckung beinahe gänzlich verhüllt, ehe der leichte Wind sie wohl erneut für meine Augen offenbarte. Nachdem ich einige schnelle Schritte getan und mich in die Hocke habe sinken lassen, bestätigt sich meine Vermutung, dass genau an dieser Stelle ein Wagen parkte, bevor dieser in der Richtung verschwand, aus der er gekommen war. Soweit ich mich erinnere, führt dieser Weg in etwa hundert Metern geradewegs auf eine der Hauptverkehrsstraßen der Gegend, sodass es so gut wie unmöglich ist, sein Ziel zu ermitteln.
Aber bereits die Tatsache, dass sich zu meinen Füßen die Reifenspur eines Autos erstreckt, lässt mich hoffen, dass diese uns helfen und möglicherweise zu unserem Täter führen würde. Aus diesem Grund wiederhole ich die Prozedur, die ich bereits vor einigen Minuten durchführte, ein weiteres Mal und befreie den Abdruck mit der Hilfe meines chemischen Wundermittels sorgfältig von den lose darauf liegenden Schneeflocken. Ein wenig von meinem Latexspray erzeugt schließlich einen weiteren nahezu perfekten Abguss, an dem Abby ihre wahre Freude haben wird. Fast bin ich ein wenig stolz auf mich, meinen Instinkt und meine erfolgreiche Suche, würde mich mein Verstand nicht ununterbrochen daran erinnern, warum ich dies tue, welcher Umstand mich überhaupt an diesen Ort führte. Als ich mich wieder erhebe und erneut meine steifen Glieder strecke, lässt mich ein leises Knirschen, das sich stetig nähert, hellhörig werden. Doch ich muss mich nicht umsehen, um zu wissen, wessen Schritte durch den Schnee stapfen, um dann hinter mir gänzlich zu verstummen. Beinahe habe ich darauf gewartet, dass meine Freundin diese Chance ergreifen würde, allein mit mir zu sprechen, konnte ich ihre Verwirrung über mein seltsames Verhalten doch förmlich spüren.

Ich weiß, dass ich weder ihr noch ihren unausweichlichen Fragen entgehen kann, mich ihnen stellen muss, sodass ich mir ihr zuwende und unvermittelt in Kates warme Augen blicke, deren Brauen verwundert nach oben gewandert sind. Bevor sie jedoch die Worte aussprechen kann, die ihr auf der Zunge liegen, komme ich ihr zuvor und halte meinen gefüllten Beweismittelbeutel nach oben: „Ich habe Fußspuren und Reifenabdrücke gesichert.“ Ihr stummes Nicken zeigt mir, dass dies nicht die Erklärung ist, die sie von mir hören wollte, deren Suche sie zu mir in den Wald, weit ab des Tatortes, führte. Dennoch schweige ich beharrlich in der Hoffnung, sie würde, so unwahrscheinlich es auch ist, ihre Sorge, ihr Misstrauen, was auch immer, vergessen und nicht nach Antworten bohren. Aber ich kenne sie zu lange, um nicht zu wissen, dass sie mir diesen Gefallen nicht tun wird: „Du warst vorhin wieder so seltsam. Willst du darüber reden?“ Im Grunde sollte jedoch auch sie mich besser kennen, auch wenn ich mir im Klaren darüber bin, dass sie mir damit die Möglichkeit gibt, mich ihr von selbst zu offenbaren, ohne mich zu drängen. Genauso gut weiß ich aber, dass sie nicht locker lassen wird, auch wenn ich diese Frage verneine oder einfach stumm ignoriere.
Das Ergebnis dieses Verhaltens ist jedoch die Tatsache, dass meine Partnerin die Geduld verliert und nun energischer nachhakt: „Was ist los mit dir, Tony? Kennst du sie? Hattet ihr mal...?“ Doch diese Worte bringen mich dazu, sie entsetzt, beinahe sogar wütend anzusehen und sie zu unterbrechen, indem ich heftig erwidere: „Nein. Natürlich nicht.“ „Was ist es dann? Sag mir, was ich von deiner Reaktion halten soll!“ Nun sind auch in ihrer Stimme die Ungeduld, der Unmut über meine gewohnte Reaktion, mich einmal mehr vor ihr zu verschließen, heraus zu hören. Wenn zwei Sturköpfe wie wir in einer Situation wie dieser aufeinander treffen, kann es nur im Streit enden, wenn nicht einer von uns zuvor nachgibt. Ist sie normalerweise der sanfte, verständnisvolle Teil unserer Partnerschaft ist, ändert sich dieser Umstand, sobald sie spürt, dass ich einmal mehr etwas vor ihr verberge. Ich war mir von Anfang an im Klaren darüber, dass eine Beziehung mit ihr nur funktionieren konnte, dass sie mir nur dann eine Chance geben würde, wenn ich mich änderte, wenn ich mich ihr offenbarte. Bisher geschah es nicht oft, dass ich in dieses alte Muster zurück fiel, doch dieses Mal ist der Grund ein völlig anderer, der mich dazu bringt, ihr die Wahrheit zu verschweigen. Aber wenn ich sie nicht verlieren will, und das will ich nicht, muss ich ihr zeigen, dass ich ihr vertraue, dass sie mir vertrauen kann, auch wenn ich einen Teil zurück behalte.

Mit einem leisen Seufzen schließe ich die Augen und atme tief durch, ehe ich sie wieder eindringlich ansehe, bevor ich mich zum Gehen wende, um nicht in ihr Gesicht blicken zu müssen, während ich leise erzähle: „Ich kenne sie.“ Für einen Moment verstumme ich abrupt, nur um dann meine Aussage zu berichtigen: „Nein, ich kannte sie. Flüchtig. Das war vor vielen Jahren. In einem früheren Leben.“ Obwohl ich mich bemühe, kann ich nichts dagegen tun, dass meine Stimme mit jedem Wort stärker zittert, mit jedem Wort unverständlicher wird. Doch anstatt zu fragen, warum mich ihr Tod so berührt, warum der Tod einer oberflächlichen Bekanntschaft mich derart aus der Bahn wirft, hält sie mich energisch fest, schlingt stumm ihre Arme um meinen Oberkörper und zieht mich an sich. Auch wenn ich es mir nur ungern eingestehe, ist dies genau das, was ich in diesem Augenblick so dringend brauche, scheint sie zu wissen, dass bereits ihre Nähe mir unglaublich gut tut. Unser Geplänkel, das uns vor einer Stunde zu diesem Tatort begleitete, ist vergessen, beinahe als wäre es bereits viel zu lange her, um sich noch daran zu erinnern. Aber diese Umarmung, in die ich mich unwillkürlich fallen lasse, ist etwas vollkommen anderes, etwas, aus dem ich versuche, neue Kraft zu schöpfen, Kraft, um diesen Tag, um diesen Fall zu überstehen.
Noch immer hält sie mich eisern fest, während ich meine Nase in ihrem Haar vergraben habe, dessen lieblicher Duft stets eine entspannende Wirkung auf mich hat. Nur gedämpft dringt ihre Stimme an mein Ohr, deren Worte ich erst nach einigen Sekunden verstehe: „Es war sicher schrecklich für dich, sie auf diese Art wiederzusehen.“ Bereits wenn ich nur daran denke, rinnt ein Schauer über meinen Körper und lässt mich erzittern, während die Bilder, die dieses Gefühl begleiten, mir förmlich den Atem nehmen. So wie Liz' Freundschaft mich stets aufrecht gehalten, aus mir einen besseren Menschen gemacht hatte, starb mit ihrem Tod ein Teil meiner Selbst. Irgendwann werde ich Kate davon erzählen, werde ihr erzählen, welch wunderbarer Mensch sie war und wie sehr ich es bedauere, dass sie nie die Chance hatte, sie kennen zu lernen, doch noch kann ich dies nicht. Meine Antwort ist lediglich ein leises Murmeln, will ich mich doch weder von ihr lösen, noch weiß ich, was ich darauf erwidern soll: „Ja. Das war es tatsächlich.“ „Es tut mir leid.“ Sie akzeptiert mein stummes Nicken an ihrer Schulter, bevor sie schließlich unsere Umarmung beendet und mir erneut forschend in die Augen blickt.
„Bitte behalte es für dich. Ich will nicht, dass Gibbs davon erfährt.“ Meine eindringlicher Wunsch lässt sie dennoch argwöhnisch die Augenbraue nach oben ziehen, während sie bestimmt widersprechen will: „Aber...“ Obwohl ich mir tief in meinem Inneren darüber im Klaren bin, dass sie Recht hat, lasse ich sie nicht fortfahren, lasse sie aus genau diesem Grund nicht fortfahren. „Bitte.“ Ich weiß, was ich damit von ihr verlange, doch gleichzeitig weiß ich auch, dass sie mir vertraut, obwohl ich ihr nicht die ganze Wahrheit enthüllte. Deshalb versetzen mir ihre zögernd zustimmenden Worte einen unangenehmen Stich, auch wenn sie mich dennoch erleichtert aufatmen lassen. „Gut. Ich verspreche es.“ Gerade, als ich dabei bin, ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen, lässt uns ein gellender Pfiff auseinander fahren, dessen Lautstärke mich tatsächlich überrascht. Bereits die Tonlage dieses kurzen Lautes sagt mir, dass es niemand anderer als unser Vorgesetzter war, der diesen ausstieß und damit seine Ungeduld nur zu deutlich machte. Ein prüfender Blick auf mein Handy zeigt mir, dass wir, nunmehr im Schutz der Bäume, an diesem Ort keinen Empfang haben und somit im Grunde gegen Regel Nummer 3, immer erreichbar zu sein, verstoßen, sodass ich mit einer wortlosen Geste eilig zur Rückkehr mahne.
 
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